[Kolumbien] Juan Gabriel Vásquez – Die geheime Geschichte Costaguanas

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    Inhalt: José Altamirano erzählt seine Lebensgeschichte, die eng mit der Geschichte Kolumbiens und Panamas verknüpft ist. Dabei holt er weit aus und berichtet zunächst über seinen Vater Miguel Altamirano, der nach verschiedenen Ereignissen Bogotá verlassen muß und auf dem Weg nach Colón in den schwül-feuchten Niederungen Hondas auf Antonia de Narváez trifft. Diese ist zwar verheiratet, aber das hindert beide nicht daran, José in die Welt zu verhelfen. Miguel reist weiter, ohne von seinem Sohn zu wissen, und auch der kleine José wächst ohne Kenntnis seines Vaters auf. Erst Jahre später macht sich José auf den Weg zu seinem Vater. Dieser ist in Colón als Verfechter des Kanalbaus zwischen Atlantik und Pazifik bekannt und zieht bald auch José in seine Aktivitäten hinein. Der Bau, ausgeführt durch die Franzosen, entpuppt sich zwar als Katastrophe, aber Miguel Altamirano ist dafür blind und redet die nicht vorhandenen Fortschritte schön. In dem Maße, in dem der Bau zu einer politischen Angelegenheit wird, zieht sich José in seine inzwischen gegründete Familie zurück, aber die Abspaltung Panamas von Kolumbien geht auch an ihm nicht spurlos vorbei. Schließlich sieht er sich gezwungen, Panama Richtung England zu verlassen. Über andere Kolumbianer macht er die Bekanntschaft von Joseph Conrad, dem er seine abenteuerliche Lebensgeschichte erzählt, um später festzustellen, der Romancier habe ihn „bestohlen“. Dessen Roman Nostromo sei gar nicht seine, Altamiranos, Geschichte und das nimmt er Conrad ziemlich übel.



    Meine Meinung: Dies ist wieder einmal ein Roman, bei dem ich in der Einschätzung hin- und hergerissen bin. Ich fand den Anknüpfungspunkt mit dem Bau des Panamakanals und der Abspaltung Panamas von Kolumbien wirklich interessant, und Vásquez versteht es, in Altamiranos Bericht viele Details aus der Baugeschichte einfließen zu lassen, ohne daß es aufgesetzt wirkt. Die politischen Verwicklungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben zwar durchaus ihre eigene und nicht unwichtige Rolle, aber trotzdem stellt sich nicht das Gefühl ein, man hätte genauso gut ein Sachbuch lesen können.


    Das liegt vor allem an der Person des Erzählers. José Altamirano berichtet als Ich-Erzähler, schwankt aber in seinem Adressaten, denn des öfteren wird eine gewissen Eloïsa angesprochen, noch häufiger aber der Leser selbst, und das ist eine Form, die ich gemeinhin nicht besonders schätze. Vásquez schafft es zwar, Altamirano über weite Strecken ausgesprochen drollig wirken zu lassen (was mich mit zunehmender Dauer aber auch etwas ermüdete), aber vor allem war mir José auch zu weinerlich, denn seine ganze Erzählung ist geprägt von dem angeblich erlittenen Diebstahl seiner Geschichte. Durch diese Konstruktion ergibt sich auch ein Erzählfluß, in dem José zwar im großen und ganzen chronologisch bleibt, aber immer wieder einmal vorausgreift, um sich dann selbst vor dem Leser zur Ordnung zu rufen und zum eigentlichen Punkt seiner Erzählung zurückzukehren. Das taugt als Stilmittel auch nur eine bestimmte Anzahl von Malen, als running gag funktionierte es für mich nicht, dafür war es doch ein bißchen zu einfach.


    Da schon im Klappentext von Joseph Conrad und seinem Roman Nostromo die Rede war, habe ich diesen extra zuvor gelesen. Allerdings gibt es abgesehen von der recht häufigen Nennung Conrads und dem persönlichen Zusammentreffens von Conrad und Altamirano keinen besonderen, tieferen Bezug zu Nostromo. Es macht durchaus Spaß, Altamiranos Geschichte mit der aus Nostromo zu vergleichen soweit es die politische Entwicklung angeht. So nah Altamirano/Vásquez aber an der historischen Realität bleiben, so frei hat sich Conrad daran bedient, daher ist es zwar ein netter Nebeneffekt, aber für das Verständnis dieses Romans muß man den Conradschen nicht unbedingt gelesen haben.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß
    Aldawen