Milton Hatoum – Die Waisen des Eldorado

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    Inhalt: Arminto Cordovil ist inzwischen ein alter Mann, aber wenn er einen Zuhörer findet, dann erzählt er seine Geschichte. Sein Vater Amando war ein umtriebiger Geschäftsmann, der auch viel Geld für wohltätige Zwecke und öffentliche Aufgaben spendete. Zu dessen Leidwesen hat Arminto wenig Interesse am Geschäft, und vor allem hat Amando seinem Sohn nie verziehen, daß seine Frau bei der Geburt starb. Arminto wächst daher unter der Obhut von Florita auf, einer Indianerin, die Arminto in den Haushalt aufgenommen hat. Als Amando seinen Sohn und Florita in flagranti ertappt, quartiert er Arminto kurzerhand nach Manaus in eine billige Pension ein, und überläßt es ihm, auf eigenen Füßen zu stehen. Über Jahre gibt es keinen Kontakt zwischen Vater und Sohn und als sich endlich eine Versöhnung abzeichnet, stirbt Amando. Arminto ist nicht der Typ, das Geschäft effektiv fortzuführen, er interessiert sich nur für das Auskommen, das es ihm sichern soll. Zudem hat er sich in Dinaura verliebt, ein Mädchen unbekannter Herkunt, die mit anderen Schülerinnen im Kloster lebt. Die Klostervorsteherin gewährt nur sehr zögernd ein wöchentliches Treffen der beiden und eines Tages ist Dinaura verschwunden. Arminto kommt Zeit seines Lebens über diesen Verlust nicht hinweg und sucht Dinaura, auch als er wirtschaftlich schon völlig ruiniert und mittellos ist ...



    Meine Meinung: Dies ist wieder einmal ein Buch, bei dem ich nicht eindeutig sagen kann, ob es mir nun gefallen hat oder nicht. Um das etwas zu verdeutlichen, gebe ich hier mal einen Teil des Klappentextes wieder, ein Zitat des Autors:


    Zitat

    Im Jahre 1965, als es am Amazonas noch kein Fernsehen gab, lud mich eines Sonntags mein Großvater zum Mittagessen ein. An jenem Nachmittag erzählte er mir eine Geschichte, die er auf einer seiner vielen Reisen ins Hinterland von Amazonien gehört hatte. Es war eine Liebesgeschichte von dramatischem Zuschnitt, wie fast immer in der Literatur und gelegentlich auch im Leben: der Mythos von der verzauberten Stadt. So mancher glaubt heute noch, dass tief unten auf dem Grund eines Flusses eine reiche, prächtige Stadt existiert, ein Musterbeispiel an Harmonie und sozialer Gerechtigkeit, in der die Menschen leben, als wären sie verzaubert.


    Dieser Mythos spielt durchaus eine Rolle in der Geschichte, wenn auch nicht so prominent, wie ich erwartet hätte. Und zudem hat er nichts mit dem auf viel Gold reduzierten Eldorado zu tun, das mit dem Begriff hierzulande assoziiert wird. Dabei ist das Motiv dahinter nicht neu, auch in Europa gibt es viele Märchen und Sagen, die davon handeln, daß irgendwelche Wassergeister die Menschen verführen und in ihr Reich mitnehmen, von wo sie dann nur mit viel Mühe, meist durch den unbedingten Willen und große Opfer eines geliebten Menschen, zurückkehren können. Bei Hatoum sind es, passend zum Amazonas, dann aber keine Nixen und Wassermänner, sondern Krokodile, Anakondas und ähnliches Getier, das die Ver- und Entführung übernimmt. Trotzdem hätten sich hier angesichts der Universalität des Motivs Ansatzpunkte für eine interessante Neu- bzw. Nacherzählung geboten. Leider ist nur Arminto so gar nicht der Typ dafür, etwas exemplarisch darzustellen, außer geballter Lebensuntüchtigkeit. Die große Liebe nehme ich ihm einfach nicht ab, trotz seiner lebenslangen Suche, und wenn man diese Gefühlsebene abzieht, dann bleibt leider nicht allzu viel übrig.


    Was übrig bleibt, ist dabei gar nicht mal schlecht, denn es gibt in der Familie Cordovil noch ein paar Rätsel um den Großvater, und auch Vater Amando hat seine Geheimnisse. Wie damit von verschiedenen Seiten – Arminto, Florita, Amandos bestem Freund und Rechtsanwalt Stelios, anderen Leuten am Ort – umgegangen und wie Arminto da quasi in Sippenhaft genommen wird, das fand ich sehr viel interessanter als Armintos weinerliches Gehabe. Allerdings gelingt es Hatoum, dies alles in eine angemessene Sprache mit breitem Register zu kleiden, wobei er in Verbindung mit Sexualität auch durchaus so derb wird, daß es den ein oder anderen Leser unangenehm berühren mag. Immer wieder und auch gleich zu Beginn schon greift Hatoum nämlich einige Mythen von Amazonasindianern auf, die recht eindeutig sind und mir sofort bekannt vorkamen, da ich vor ein paar Jahren eine entsprechende Sammlung von Betty Mindlin (Der gegrillte Mann. Erotische Mythen vom Amazonas) gelesen habe, die auch Hatoum in seiner Danksagung erwähnt.


    3ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen