Herman Koch - Angerichtet

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 1.679 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von JaneEyre.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Kurzbeschreibung
    Wie weit darf Elternliebe gehen? Was darf man tun, um seine Kinder zu beschützen? Zwei Ehepaare – zwei Brüder und ihre Frauen – haben sich zum Essen in einem Spitzenrestaurant verabredet. Sie sprechen über Filme und Urlaubspläne und vermeiden zunächst das eigentliche Thema: die Zukunft ihrer Söhne Michel und Rick. Die beiden Fünfzehnjährigen haben etwas getan, das ihr Leben für immer ruinieren kann. Paul Lohman, der Erzähler und Vater von Michel, will das Beste für seinen Sohn. Und ist bereit, dafür weit zu gehen, sehr weit. Auch die anderen am Tisch haben ihre eigene, geheime Agenda. Während des Essens brechen die Emotionen auf, schwelende Konflikte zwischen den Brüdern entladen sich, und auf einmal steht eine Entscheidung im Raum, die drei der vier mit aller Macht verhindern wollen.


    gelesen von Joachim Król


    Meine Eindrücke
    Vorspeise Die Brüder Paul und Serge Lohmann treffen sich mit ihren Frauen Claire und Babette an einem schönen Abend in einem der Top-Restaurants der Stadt. Serge gehört zu den Menschen, für die die 3-monatige Warteliste nicht gilt und der sich den Tisch mit Gartenblick gleich noch dazu wünschen kann. Den Grund für das Treffen allerdings konnte er sich nicht aussuchen und dieser Grund hat es in sich. Doch aufgeklärt wird man in aller Ausführlichkeit zunächst nur vom Maître, der sich hingebungsvoll über sardisches Olivenöl und Rosmarin aus dem Eigenanbau auslässt, stets begleitet vom kleinen Finger, der affektiert auf die jeweiligen Speisen zeigt.


    Die Erzählung von Paul hingegen fällt so dürftig aus, wie die Portionen im Restaurant mickrig sind. Sehr langsam stippt Paul in Erinnerungen und den Schilderungen des Abends, sodass sich allmählich eine Vorstellung davon aufbaut, was für die Familien auf dem Spiel steht. Klar ist nur: Es steht höchst unverdauliche Kost auf dem Speiseplan; da kann sich der schrill gekleideten Maître noch so sehr abmühen, für seine Gäste wird der Abend den Bach runtergehen. Da ist zu Beginn nicht viel mehr als die gereizte Stimmung von Paul, die Andeutung, dass sich Sohn Michel derzeit etwas von der Familie distanziert oder der Hinweis, dass Paul die Videos auf dem Handy des Sohnes mit grausigem Ergebnis kontrolliert hat. Nur die Anspannung, mit der die vier Personen in das Restaurant eingelaufen sind, ist präsent.


    Paul lässt sich deutlich über seinen erfolgreichen Bruder aus; der heute erfolgreiche Politiker ist für ihn ein Trampel geblieben, der immer noch ohne Rücksicht einfach zu essen beginnt, obwohl die Hälte der Tischgesellschaft fehlt. Der sich nur deshalb Weine als Hobby zugelegt hat, weil das zu seinem Image passt. Und der deshalb - obwohl es an diesem Abend nun wirklich nicht passt - von Paul einen Fan zugeschustert bekommt, mit dem er sich fröhlich fotografieren lassen muss. Paul selbst bemerkt vielleicht gar nicht, dass er über sich selbst auch nicht viel Gutes berichtet. Er neidet seinem Bruder viel und scheint nie eine persönliche Mitte gefunden zu haben. Auch seine plötzlichen Gewaltfantasien, die er zu Serges Urlaubsdomiziel in Frankreich entwickelt, sprechen Bände. Doch nach zwei CDs laufen nach wie vor nur die Vorbereitungen für den großen Knall. Das mag langweilig klingen, aber wer Joachim Król zuhört, wird vom Sog der sich aufbauenden Spannung einfach mitgezogen.


    Hauptgericht Die Söhne der Lohmanns sind (wie man inzwischen schon ahnt) gewalttätig geworden und über Paul erfährt man, worum es sich genau dreht. Alle vier wissen in offensichtlich unterschiedlichem Umfang Bescheid, haben bisher aber nichts unternommen. Der Abend, den Serge als Familienrat einberufen hat, zwingt die anderen drei, sich konkreter mit den Folgen auseinander zu setzen. Lieber wäre es ihnen nämlich gewesen, die Sache im Sande verlaufen zu lassen. An diesem Punkt setzt eine richtiggehende Vivisektion der vier Lohmanns ein. Dabei nimmt die Erzählung des eigentlichen abendlichen Treffens nur einen Teil der Erzählung ein. Pauls regelmäßig eingestreute Erinnerungen drehen sich nach wie vor um frühere Ereignisse, die - kombiniert mit dem Abend - ein erschreckendes Familienbild zeigen, in dem sich in einem Fall alles um eine übersteigerte "Normalität" dreht, im anderen Fall um den verbissen geführten Kampf um den gesellschaftlichen Status Quo.


    Dessert Interessant ist, wie sich im Lauf der Zeit meine Sympathien drehten. Ich schätze, das hat Koch von Beginn an auch so vorgesehen und geschickt vorbereitet. Im Prinzip steht nur der Erzähler selbst von Beginn an recht deutlich vor Augen; alle anderen Figuren musste ich überdenken und das Machtgefüge neu setzen. Beunruhigend, wie Schuld mit kruden Argumenten weggeredet wird, wie relativ Schaden wahrgenommen wird, wenn die eigene Familie beteiligt ist, beängstigend zu sehen, was die einen in Kauf nehmen müssen, um das Glück der anderen zu sichern.


    Digestif Alles in allem ist Angerichtet ein hervorragend komponiertes literarisches Menu mit einem sehr bitteren Nachgeschmack. Ich stelle fest, dass mir die Personen und Details ihrer Handlungen nach wie vor durch den Kopf gehen. Das Menu lässt eine Menge Fragen zur Gewichtung zwischen der familiären und der gesellschaftlichen Verantwortung zu. Klug geschrieben und genau so erzählt, wie sich Paul dem Leser darstellt: Gefährlich ruhig mit punktuellen Ausrastern, die anderen richtig gefährlich werden können.


    5ratten


    Die Rezension zum Buch gibt es in diesem Thread.

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Ich fand das Hörbuch sehr interessant. Oft wirklich witzig, wenn über das ach so angesagte Restaurant gelästert wird, und später dann wirklich bitter. Unterhaltsam war es die ganze Zeit.

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Ich hab das Buch zu Hause...noch ungelesen, klingt aber interessant

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane