Joseph Roth – Radetzkymarsch

Es gibt 34 Antworten in diesem Thema, welches 10.272 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von schokotimmi.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Kurzbeschreibung: Sein Großvater hat dem Kaiser in der Schlacht bei Solferino das Leben gerettet. Sein Vater ist ein pflichtbewusster Beamter der k.u.k. Monarchie. Doch Carl Joseph von Trotta, Enkel des 'Helden von Solferino' und Offizier wider Willen, ist sensibel und zartbesaitet. Während die alten Gewissheiten zerbröckeln, sucht er Ablenkung von seiner Schwäche im Spiel, im Alkohol, bei den Frauen. Anhand von drei Generationen der Familie von Trotta schildert Joseph Roth Glanz und Verfall des Habsburgerreichs - mit diesem Roman über sein Lebensthema schuf Joseph Roth sein Meisterwerk.



    Teilnehmer:


    GeezLouise
    Aldawen
    tina


    Kurzentschlossene sind herzlich willkommen :winken:

  • Die ersten beiden Kapitel habe ich gerade gelesen und bin schon recht angetan. Dem standesmäßigen Aufstieg, der sich hier rasant für die Trottas vollzogen hat, ist schon der charakterliche Abstieg beigefügt. Nicht, daß mir Ahnherr Joseph sonderlich sympathisch gewesen ist, aber zumindest wußte er, was er wollte und hatte die Charakterstärke, seinen Vorstellungen treu zu bleiben. Es verwundert aber auch nicht, daß sein Sohn Franz unter einem solchen Regiment nicht gerade ein Musterexemplar von Toleranz und Verständnis für seinen Sohn werden konnte. Tatsächlich setzt er Carl Joseph ja ziemlich unter Druck, was sich an dem Examen zu Ferienbeginn ja sehr deutlich zeigt. Was würde er wohl zu dem Verhältnis seines Sohnes mit einer älteren, verheirateten Frau sagen? Ich denke, der Junge könnte sich dann mal warm anziehen.


    Ich habe schon überlegt, ob diese Hartleibigkeit und Kühle, auch wenn man das 19. Jahrhundert in der Beziehung natürlich nicht mit unserer Zeit vergleichen darf, vielleicht auch eine Folge der jeweils früh verstorbenen Ehefrauen bzw. Mütter geschuldet ist. Wäre schon Franz ein ganz anderer Menschen geworden, hätte er seine Mutter länger gehabt? Und Carl Joseph erst? Ist das möglicherweise auch eine Ursache, die ihn – nicht in das Verhältnis mit Frau Slama hineintappen – aber es aufrechterhalten läßt?


    Im übrigen hat Ahnherr Joseph ziemliches Glück gehabt, daß er seine Heldentat so gut überlebt hat, damit dürfte er eine Ausnahme unter den Verwundeten der Schlacht von Solferino gewesen sein. Das Rote Kreuz wurde von Henri Dunant schließlich erst unter dem Eindruck dieser menschlichen Katastrophe gegründet ...

  • Hallo,


    eine spannende Leserunde - ich habe vor einiger Zeit das Hörbuch genoßen und würde gern den einen oder anderen Kommentar abgeben, soweit ich mich erinnere. Ich weiß leider nicht wie die Kapiteleinteilung ist, darum werd ich einfach nur soweit posten, wie ihr schon gelesen habt.


    Ich muss sagen, ich war am Anfang überrascht wie schnell die Geschichte von Joseph und Franz "abgehandelt" wurde, aber mit Carl Joseph geht die Geschichte ja richtig los und zeigt dann auch einiges über die anderen beiden Herren.


    Das Verhältnis zu Frau Slama habe ich nicht wirklich verstanden, warum hat sie es gemacht - wird das im Buch deutlicher? Da C.J. dort so gern Limonade getrunken hat mußte mich auch immer an seine Mutter denken lassen. Außerdem hat er dort ja auch immer so etwas wie "Wärme" empfunden.


    Viele Grüße
    schokotimmi


  • Das Verhältnis zu Frau Slama habe ich nicht wirklich verstanden, warum hat sie es gemacht - wird das im Buch deutlicher? Da C.J. dort so gern Limonade getrunken hat mußte mich auch immer an seine Mutter denken lassen. Außerdem hat er dort ja auch immer so etwas wie "Wärme" empfunden.


    Warum sie etwas macht, wird – zumindest in diesem zweiten Kapitel – nicht deutlich. Am ehesten würde ich mal auf banale Langeweile in der Ehe tippen, und wenn einem dann so ein hübscher, junger, angehender Offizier in seiner Uniform ins Haus stolpert, dann sagt man doch nicht nein, oder? :zwinker: Bei Carl Joseph bin ich nicht ganz sicher. Einerseits hat es vielleicht etwas mit „mütterlicher Wärme“ zu tun, andererseits dürfte sie seine erste Frau gewesen sein. Ist doch besser als eine Prostituierte und kostenlos obendrein. Er muß dem Vater also nicht einmal erklären, wofür er sein Taschengeld ausgegeben hat, wenn er so etwas überhaupt bekommt.

  • Hallo,


    ich habe eben das erste Kapitel gelesen und ich bin beruhigt, denn dieses Buch scheint sehr angenehm zu lesen zu sein, im Gegensatz zu meiner vorherigen Lektüre. Ich habe bis jetzt sehr wenig über das frühere Österreich gelesen und das einzige was ich bis jetzt mit der "Schlacht von Solferino" verband war bei mir das schon erwähnte Rote Kreuz mit seinem Begründer Dunant. Ich bin auch erleichtert, dass dieses Kapitel so schnell abgehandelt war, denn ich hatte schon Befürchtungen von ellenlangem und grausamem Gemetzel zu lesen. Auch ich kann jetzt keine besonders große Sympathie für Joseph aufbringen, auch aus dem Gründen, wie kalt er mit seinem Sohn umgeht, aber vielleicht war das ja damals wirklich so Usus und er selbst hatte ja seinen Vater noch gesiezt. Schön fand ich, dass er dann doch zeigte, dass er an etwas seine aufrichtige Freude haben konnte, wie an dem Gemälde.


    Viele Grüße Tina

  • Hallo,


    Ich habe jetzt das 4. Kapitel beendet.
    Franz gibt, wie sein Vater ihm, seinem Sohn vor, was aus ihm zu werden hat. Für uns ein sehr befremdlicher Gedanke, nicht selbst über die Berufswahl zu entscheiden und ich befürchte fast das Carl Joseph nicht wirklich das Talent für das Militär hat, aber schon an den Umgangsformen zwischen Vater und Sohn sieht man den bedingungslosen Gehorsam. Nun, das war wohl die Art der Erziehung dieser Zeit und Franz scheint einen guten Charakter zu haben. Den von Carl kann man noch nicht beschreiben, denn ich denke er wird sich noch entwickeln und formen, anhand dessen, was er noch erleben wird.
    Ich habe mich vor der Lektüre bewusst nicht mit der Geschichte der Zeit vertraut gemacht, denn ich möchte genauso überrascht werden, von den Geschehnissen der Zeit wie die Protagonisten.
    Der Wachtmeister tat mir Leid. Er gewährte, wenn auch mit tiefem Unbehagen, wenn nicht sogar Hass, Gastfreundschaft und zeigte wahre Größe, wobei ich ihn auch gut verstanden hätte, wenn er Carl Jospeh nicht so behandelt und ihm eine 'runtergehauen hätte, aber das verbat wohl damals der Anstand.


    Ich bin schon sehr gespannt wie es weitergeht.


    Liebe Grüße Tina

  • So, ich klinke mich jetzt auch mal ein, habe aber erst Kapitel 1 beendet. :redface:



    Ich bin auch erleichtert, dass dieses Kapitel so schnell abgehandelt war, denn ich hatte schon Befürchtungen von ellenlangem und grausamem Gemetzel zu lesen.


    Das ging mir auch so. Lange Schlachtenschilderungen hätte ich auch nicht so gerne gelesen.


    So, hier hätten wir also die erste Trotta-Generation.



    Dem standesmäßigen Aufstieg, der sich hier rasant für die Trottas vollzogen hat, ist schon der charakterliche Abstieg beigefügt. Nicht, daß mir Ahnherr Joseph sonderlich sympathisch gewesen ist, aber zumindest wußte er, was er wollte und hatte die Charakterstärke, seinen Vorstellungen treu zu bleiben.


    Gut gefallen hat mir in dieser Hinsicht die Anekdote mit dem Schulbuch, die seine Heldentat so beschönigt. Wobei es für ihn selbst ja mehr ist als nur eine Anekdote, sondern sein weiteres Leben mitbestimmt. Eigentlich wird der spätere Untergang der Familie bereits an Trotta selbst vorweggenommen, der ja nun wieder zum Bauer wird und ähnlich wie sein Vater lebt. Dennoch hat er die Beziehungen zum Militär nicht vollkommen gekappt, wie sein Testament zeigt.
    Den Absagebrief des Ministers, in diesem (parodistischen) Amtston geschrieben, fand ich äußerst vergnüglich zu lesen. :smile:

    :lesen: Cathy Ytak: Rendez-vous sur le lac<br /><br />Deine Freunde sind die, die neben dir stehen, wenn die Welt Death Metal spielt.<br />(Aleksander Melli: Das Inselexperiment)<br /><br />SLW 2011<br />Seychella-List

  • Auch ich habe das 4. Kapitel beendet.



    ich befürchte fast das Carl Joseph nicht wirklich das Talent für das Militär hat,


    Das fürchte ich auch, schon was über seine Abschlußprüfung gesagt wurde, läßt das ja vermuten. Ohne den Ruhm seines Großvaters hätte man ihn vielleicht gar nicht zum Leutnant gemacht, und möglicherweise wäre das besser gewesen.



    aber schon an den Umgangsformen zwischen Vater und Sohn sieht man den bedingungslosen Gehorsam.


    In der Tat. Sehr viel mehr als Jawohl, Papa! und Danke, Papa! kommt ihm ja nicht über die Lippen. Wobei Franz nun auch nicht gerade der Typ ist, der längere entspannte Plauderei provoziert ...
    Das mit der Berufswahl durch den Vater zieht sich ja durch die Generationen. Franz wäre gerne Soldat geworden, durfte es aber nicht. Und die Alternative des Landwirtes hat ihm Joseph auch genommen. Jetzt überträgt er seine eigenen Wünsche auf den Sohn, unabhängig von dessen Interessen, genauso, wie sein Vater es bei ihm gemacht hat. Nicht gerade ein Zeichen von Lernfähigkeit, aber es galten natürlich andere Maßstäbe.



    Der Wachtmeister tat mir Leid. Er gewährte, wenn auch mit tiefem Unbehagen, wenn nicht sogar Hass, Gastfreundschaft und zeigte wahre Größe, wobei ich ihn auch gut verstanden hätte, wenn er Carl Jospeh nicht so behandelt und ihm eine 'runtergehauen hätte, aber das verbat wohl damals der Anstand.


    Wohl eher der Standesunterschied. Auch wenn Slama weiß, daß Carl Joseph ihn mit seiner Frau betrogen hat, so ist dieser trotz allem erstens Offizier und zweitens von Adel, während er nur ein einfacher Gendarmeriewachtmeister ist. Carl Joseph dafür eine Ohrfeige zu verpassen wäre zwar menschlich verständlich, würde ihm aber noch mehr Probleme bereiten, als er mit der ganzen Situation ohnehin hat. So gesehen hat es ihn zwar sicher Überwindung gekostet, aber es war eine vernünftige Entscheidung.


    Ich dachte mir gleich, daß Moser der Maler von Josephs Portrait sein müsse, aber warum ruft er vor dem Hotel aus: Also, Franz, am Dritten, wie gewöhnlich! Das ließe ja vermuten, daß es einen engeren Kontakt gibt und Franz ihn wohl regelmäßig finanziell unterstützt. Dazu paßt auch, daß er ihn Carl Joseph gegenüber als einzigen Freund bezeichnet. Aber warum dann diese Heimlichtuerei dem Sohn gegenüber? Ist ihm diese „Schwäche“ für einen Künstler peinlich? Oder war das ganze als Test für Carl Joseph gedacht, wollte Franz feststellen, wie er sich Moser gegenüber benimmt? Sehr rätselhaft, das alles.


    Was mir auch gar nicht gefällt, ist Carl Josephs Ansatz, seine Unruhe nach dem Besuch bei Slama mit Cognac niederzutrinken. Sicher war das für ihn keine einfache, vielleicht sogar wirklich eine belastende Situation, aber ich glaube und fürchte, Alkohol wird noch ein Problem für ihn werden.

  • Hallo,


    also ich fand die Stelle wo C.J. Herrn Slama seine Aufwartung macht genial. Dieses Unbehagen auf beiden Seiten und doch diese Beherrschtheit - das klingt jetzt vllt. fies, aber das hat mir auch Gefallen - ein Wutausbruch, eine Anspielung oder ein offenes Wortgefecht hätte niemanden weitergebracht. Das würde heutzutage auch mancher Situation guttun.


    Da ich ja die Geschichte schon kenne, kann ich nur sagen, es ist toll konstruiert, welche Vermutungen man zu C.J. entwickelt und in welcher Form sie sich dann Bewahrheiten oder auch nicht.


    Auch die Sache mit dem Schulbuch ist wirklich bezeichnend, in eine ähnliche Situation kommt Franz auch noch mal.


    Viele Grüße
    schokotimmi

  • Ich habe jetzt auch die ersten vier Kapitel gelesen.



    Tatsächlich setzt er Carl Joseph ja ziemlich unter Druck, was sich an dem Examen zu Ferienbeginn ja sehr deutlich zeigt.


    Das war ja tatsächlich eine Szene! Man möchte nicht in Carl Josephs Haut stecken. Aber das ging mir in diesem Abschnitt noch häufiger so. In der Szene, in der er mit Slama im Wohnzimmer sitzt, konnte man das Unbehagen so richtig mit den Händen fassen. Und das wird nach Übergabe der Briefe noch gesteigert. Wobei mir dann hier auch eher Slama leid tat, der das mit sich machen lassen muss. Sein Treffen dann mit dem Vater zeigt, dass der das alles als Kavaliersdelikt ansieht und seinem Sohn lieber eine Lektion über Alkohol erteilt. Hm.



    Ich dachte mir gleich, daß Moser der Maler von Josephs Portrait sein müsse, aber warum ruft er vor dem Hotel aus: Also, Franz, am Dritten, wie gewöhnlich! Das ließe ja vermuten, daß es einen engeren Kontakt gibt und Franz ihn wohl regelmäßig finanziell unterstützt. Dazu paßt auch, daß er ihn Carl Joseph gegenüber als einzigen Freund bezeichnet. Aber warum dann diese Heimlichtuerei dem Sohn gegenüber? Ist ihm diese „Schwäche“ für einen Künstler peinlich? Oder war das ganze als Test für Carl Joseph gedacht, wollte Franz feststellen, wie er sich Moser gegenüber benimmt? Sehr rätselhaft, das alles.


    Das mit dem angedeuteten Treffen hat mich auch verwirrt. Meine Erklärung wäre wohl auch gewesen, dass ihm die Freundschaft zu einem Künstler peinlich ist, was man ja auch daran sieht, dass Franz sich etwas geringschätzig gegenüber Kapellmeister Nechwal verhält.
    Aufschlussreich an diesem Treffen mit Trotta fand ich auch den gegenseitigen Blick aufeinander, wobei der ja eigentlich für keinen sehr schmeichelhaft ausfällt. Moser ist vom Alkohol und Zigaretten gezeichnet und die beiden Trottas können dem Vergleich mit dem Vater/Großvater nicht standhalten.


    In Kapitel zwei wird der Radetzkymarsch erwähnt und seine Bedeutung für Carl Joseph. Er scheint also der Kunst/Musik nicht abgeneigt ( er interessiert sich ja auch sehr für das Porträt des Großvaters) und ganz vage muss ich da ein bisschen an Hanno Buddenbrook denken. Mal sehen, ob sich der Eindruck im Laufe der Geschichte hält.



    Auch die Sache mit dem Schulbuch ist wirklich bezeichnend, in eine ähnliche Situation kommt Franz auch noch mal.


    Oh, da bin ich schon mal gespannt.

    :lesen: Cathy Ytak: Rendez-vous sur le lac<br /><br />Deine Freunde sind die, die neben dir stehen, wenn die Welt Death Metal spielt.<br />(Aleksander Melli: Das Inselexperiment)<br /><br />SLW 2011<br />Seychella-List

  • Bis Kapitel 7

    Es fällt mir unglaublich schwer Carl Joseph einzuschätzen, trotzdem freute ich mich für ihn, weil ich dachte, dass er in dem Regimentsarzt Max einen Freund gefunden hat. Es täte Carl Joseph wirklich gut "vernünftige" Freundschaften zu schließen und andere Menschen an sich heranzulassen, aber leider war ihm das Vergnügen von Max Gesellschaft nicht allzulang beschert. Noch heute ärgere ich mich maßlos über Menschen, die sich immer in fremde Angelegenheiten mischen müssen, anstat einfach mal die dumme Klappe zu halten. :grmpf: Diese Kapitel haben mich wirklich aufgeregt, aber nach wie vor gefällt mir dieses Buch sehr gut. Zu dem Rest der Komapnie kann ich nicht viel sagen. Es ist einfach der Schlag Menschen, der überall zu jeder Zeit an jedem Flecken der Erde in Armeen zu finden ist.


    Viele Grüße Tina


  • und ganz vage muss ich da ein bisschen an Hanno Buddenbrook denken.


    Ich habe jetzt eine Weile darüber nachgedacht, ob ich diese Einschätzung teile, aber ich glaube, wenn überhaupt, dann erinnert mich Carl Joseph mit seiner Unsicherheit, um mal noch nicht von Charakterschwäche zu reden (ich weiß gerade auch nicht, ob ich da wirklich die richtige Verfilmung im Kopf habe oder etwas verwechsle), eher an Christian Buddenbrook, auch wenn letzterer bei weitem redseliger ist ...



    Gelesen habe ich Kapitel 5. Immerhin lernen wir hier also einige von Carl Josephs Offizierskameraden kennen. Sonderlich überzeugt hat mich davon keiner, bis auf Fähnrich Bärenstein, der das militärische Theater mitspielt, obwohl er weiß, daß er mindestens die Hälfte der Anwesenden locker in die Tasche stecken könnte, was indirekt mit dem Dominospiel gesagt wird. Den Arzt kann ich noch nicht recht einschätzen, mal sehen, was da die nächsten Kapitel bringen.


    Bemerkenswert fand ich hier vor allem Carl Josephs Selbstreflexionen. Seinen Platz im Leben hat er noch nicht gefunden, und angesichts der gestellten Weichen ist auch fraglich, ob ihm das je gelingt. Daß er kein guter Soldat und Offizier ist und auch nciht werden wird, das weiß er. Er träumt zwar von einem idealisierten bäuerlichen Leben, weiß aber, daß er dort genauso wenig hingehört. Letzteres ist aber für ihn trotzdem eine Zuflucht und er strickt sich dort auch einen Großvater zurecht, den es so nie gab. Natürlich kann Carl Joseph – im Gegensatz zu uns – nicht wissen, daß schon sein Großvater kein Slowenisch mehr sprach, aber umso rührender fand ich sein Bemühen, den Großvater ein bißchen zu verklären. Ich vermute, daß das auch damit zu tun hat, daß er überall als der Enkel des „Helden von Solferino“ wahrgenommen wird. Wenn man das permanent gesagt bekommt, dann möchte man ja auch nicht gerade an ein A...ch denken müssen. Ob allerdings dieser schleichende Übergang der Bezugsperson vom Vater auf den Großvater wirklich hilfreich ist ...?

  • Wenn ich Carl Joseph vor mir sehe, dann tut er mir so Leid. Ein junger Mann und so freudlos. Gerade das Alter, welches er jetzt erreicht hat, kann so schön und ausgefüllt sein, aber wenn man nie vorgelebt bekommen hat, dass das Leben in Maßen zu genießen keine Sünde ist, wie soll man dann selbst sein Leben erfüllt gestalten und damit meine ich jetzt nicht permanente Parties und rauschende Feste, sondern die kleinen schönen Dinge im Leben, an welchen man sich erfreuen kann. Letztendlich ist das Ganze dann ein Teufelskreis. Man hat keine Freude, in Folgedessen wirkt man nicht anziehend auf andere Menschen und erfährt wiederum nicht welches Glück Freundschaft und Fröhlichkeit sein kann. Ich befürchte schon, dass er eines Tages alt ist und keinen Tag wirklich gelebt hat, wobei ich denke, dass das zu dieser Zeit das Schicksal vieler war.

  • Was mich an Carl Joseph immer gewundert hat ist, dass er zumindest nach meinem Gefühl nicht wirklich verzweifelt. Klar er ist nicht fröhlich und glücklich, eher kühl und resigniert, nimmt die Dinge mehr oder weniger hin ohne sich groß den Kopf zu zerbrechen. Ich hatte in der Phase immer mit Selbstmordgedanken o.ä. gerechnet, aber solche Gedanken kamen nach meinem Verständnis nicht auf.


    Viele Grüße
    schokotimmi

  • Ich habe jetzt eine Weile darüber nachgedacht, ob ich diese Einschätzung teile, aber ich glaube, wenn überhaupt, dann erinnert mich Carl Joseph mit seiner Unsicherheit, um mal noch nicht von Charakterschwäche zu reden (ich weiß gerade auch nicht, ob ich da wirklich die richtige Verfilmung im Kopf habe oder etwas verwechsle), eher an Christian Buddenbrook, auch wenn letzterer bei weitem redseliger ist ...


    Ich glaube, der Vergleich hat sich bei mir aufgedrängt, weil ich generell häufiger eine Buddenbrook-Assoziation habe durch die Darstellung mehrerer Generationen, Aufstieg und Fall der Familie und die zahlreichen Vorausdeutungen. Bei Hanno habe ich in Erinnerung, dass er als schlechter Schüler beschrieben wird, verweichlicht und aus der Art geschlagen und sehr dem Musischen zugewandt.
    Christian habe ich als Figur ehrlich gesagt grade nicht mehr so parat, da müsste ich nochmal nachlesen.

    :lesen: Cathy Ytak: Rendez-vous sur le lac<br /><br />Deine Freunde sind die, die neben dir stehen, wenn die Welt Death Metal spielt.<br />(Aleksander Melli: Das Inselexperiment)<br /><br />SLW 2011<br />Seychella-List

  • Bis Kapitel 8, Ende des ersten Teils


    Daß das Duellieren abgeschafft wurde, ist ein echter Gewinn. Ich habe nie begriffen, warum man sich für etwas so Abstraktes wie eine vermeintlich gekränkte Ehre unbedingt mit jemand anderem im Morgengrauen zum gegenseitigen Erschießen treffen muß. Dabei denke ich durchaus, daß uns etwas mehr von diesen Ehrbegriffen auch heute noch gut tun würde, aber eben nicht bis zum Exzeß des Duellieren.



    Was mich an Carl Joseph immer gewundert hat ist, dass er zumindest nach meinem Gefühl nicht wirklich verzweifelt. Klar er ist nicht fröhlich und glücklich, eher kühl und resigniert, nimmt die Dinge mehr oder weniger hin ohne sich groß den Kopf zu zerbrechen. Ich hatte in der Phase immer mit Selbstmordgedanken o.ä. gerechnet, aber solche Gedanken kamen nach meinem Verständnis nicht auf.


    Ja, das finde ich auch verblüffend. Aber Selbstmord wäre ja eine aktive Reaktion und Carl Joseph tritt bislang als passiver Charakter auf. Er entscheidet nichts selbst, er läßt andere für sich entscheiden, zuerst den Vater, nun die Vorgesetzten. Im Grunde hat er ja nicht mal seine Versetzung selbst betrieben, denn auch dies scheint ja wohl eher normales innermilitärisches Prozedere zu sein. Die einzige Aktion, die von ihm selbst ausgeht, ist seine Suche nach Demant in den Stunden vor dem Duell, aber im Grunde weiß er wohl nicht recht, warum er das tut. Er hat eine vage Vorstellung von Freundschaft, aber ob er sagen könnte, ob es wirklich eine solche war und worauf sie dann gründete – das wage ich zu bezweifeln. Meine Einschätzung wird auch dadurch gestützt, daß in diesen Situationen zwar offensichtlich Carl Josephs Gedanken wiedergegeben werden, er aber nicht Ich sollte ... oder Ich müßte ... formuliert, sondern auf das unpersönliche man ausweicht. Es geht im Grunde gar nicht um seine Gefühle und Handlungen, einzig das gesellschaftlich erwartete, ob tatsächlich oder vermeintlich, ist die Richtschnur. So etwas kann doch nur schief gehen, wenn man dann noch ein wenig gefestigter Charakter ist.


    Knopfmacher senior ist mir, bei all seiner Jovialität, auch ein Graus: berechnend, versteht seine Tochter auch nur als Objekt zur Steigerung seines eigenen Wertes im Hinblick auf Vermögen und Titel. Der Schwiegersohn ist kaum unter der Erde und seine größte Sorge ist dessen Nachfolger! Kein Wunder, daß Demant und er nicht wirklich gut miteinander standen.

  • Ich habe bis zum Ende des 7. Kapitels gelesen.


    Das Gespräch zwischen dem Arzt und seiner Frau - uiuiui, sie ist ja schon eiskalt. Ich bin mal gespannt, auf welche weiteren Frauenfiguren wir noch so treffen werden. Dass Frauen kaum eine Rolle in der Familie Trotta spielen/spielten, haben wir ja schon festgestellt, bisher treten sie hauptsächlich als Prostituierte/Geliebte auf.


    Das Kapitel mit dem Skandal um Max/seine Frau fand ich zunächst einmal sehr spannend, wie es so häppchenweise aus der Sicht der Offiziere berichtet wird. Dass nichts Gutes dabei herauskommen konnte, war dann klar, aber die Sache mit dem Duell ist dann ja für unser Verständnis so sinnlos, dass man es gar nicht fassen kann. Was ich von Carl Josephs Verhalten in der Sache halten soll, weiß ich nicht so genau. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, er wäre nicht mehr zum Arzt gegangen, der schien ja vor dem Gespräch mit ihm seinen Frieden gemacht zu haben.
    Ziemlich aufgeregt haben mich erst Carl Josephs Worte zu Max, dass er keine Schuld an der Sache habe, aber es könnte ja auch ein verklausuliertes Signal an Max sein, dass er eben kein Verhältnis mit seiner Frau hatte. Wie dem auch sei, ich finde, er reflektiert nicht so besonders über seine eigene Rolle in der Sache.


    Interessant fand ich in diesen Kapiteln noch das Motiv der Augen/Kurzsichtigkeit. Trotz abgelegter Brille sieht Demant beim Duell klar, anders, als er es im Gespräch mit Carl Joseph angekündigt hat. Klar sehen ist ja eigentlich etwas Positives, aber das ist doch dieses Duell nicht für ihn.
    Wie habt Ihr das denn verstanden?

    :lesen: Cathy Ytak: Rendez-vous sur le lac<br /><br />Deine Freunde sind die, die neben dir stehen, wenn die Welt Death Metal spielt.<br />(Aleksander Melli: Das Inselexperiment)<br /><br />SLW 2011<br />Seychella-List

  • Bis Ende Kapitel 12


    Der zweite Teil des Buches beginnt mit dem Besuch des Bezirkshauptmanns Trotta bei seinem Sohn an der russischen Grenze. Dieses Kapitel waren zugleich rührend und zeigten mal wieder, die so oft versteckte, emotionale Seite des Vaters. Mir erscheint, er bereut immer mehr seinen Sohn so streng und distanziert behandelt zu haben. Wie schlimm muss es sein, wenn man eines Tages erkennt, dass man seine Bindung zu seinem Kind verloren, bzw, nie besessen zu haben. Wie traurig, wenn man sich nicht traut seinem Sohn zu sagen, dass man ihn liebt.
    Ich fand es übrigens sehr gelungen, den bevorstehenden Untergang der K. und K. Monarchie mit Zustand von Carl Joseph in gewisser Weise zu vergleichen. Beide scheinen nach und nach den Boden unter den Füßen zu verliehren und ich befürchte fast, dass sich Carl dem schlechten Einfluss seiner Kameraden nicht entziehen kann und in übermäßigen Alkohol- und Spielkonsum untergeht.


    Dass Duellieren empfinde ich ebenfalls als eine völlig sinnfreie Aktion, aber so waren die Jungs nun mal damals. Eine dumme Bermerkung die die Frau war Witwe.Für manche vielleicht auch ein Seegen. :breitgrins:


    So, nun werde ich noch ein oder zwei Kapitel lesen.


    Viele Grüße Tina


  • Das Gespräch zwischen dem Arzt und seiner Frau - uiuiui, sie ist ja schon eiskalt.


    Wir erfahren aber praktisch nichts aus ihrer Sicht über die Ehe, nur durch Max und durch ihren Vater. Sicher gehört einiges dazu, dem eigenen Mann so platt ins Gesicht zu sagen, daß man ihn nicht liebt, aber wer weiß, wie lange und aus welchen Gründen sie sich damit getragen und auf diese Gelegenheit gewartet hat?



    Ich bin mal gespannt, auf welche weiteren Frauenfiguren wir noch so treffen werden. Dass Frauen kaum eine Rolle in der Familie Trotta spielen/spielten, haben wir ja schon festgestellt, bisher treten sie hauptsächlich als Prostituierte/Geliebte auf.


    Ja, das ist schon recht bezeichnend. Ich bin auch gespannt.



    Interessant fand ich in diesen Kapiteln noch das Motiv der Augen/Kurzsichtigkeit. Trotz abgelegter Brille sieht Demant beim Duell klar, anders, als er es im Gespräch mit Carl Joseph angekündigt hat. Klar sehen ist ja eigentlich etwas Positives, aber das ist doch dieses Duell nicht für ihn.
    Wie habt Ihr das denn verstanden?


    Ist es das nicht? Ich weiß nicht recht. Natürlich hat Max das Duell nicht gerade selbst heraufbeschworen, und ich will auch nicht behaupten, daß er sich freudig hineingestürzt hat. Aber er hat seine Angelegenheiten geordnet und ich denke schon, daß er zumindest mit sich selbst im Reinen war und daher auch dem Tod klar ins Auge sehen konnte.



    Ich habe jetzt auch bis Kapitel 11 gelesen.



    Dieses Kapitel waren zugleich rührend und zeigten mal wieder, die so oft versteckte, emotionale Seite des Vaters.


    Ja, er hat eine solche Seite, das war ja auch schon Jacques gegenüber zu merken. So verständnisvoll, wie er mit dem alten Diener umgegangen ist, das hätte man dem strengen Bezirkshauptmann doch gar nicht zugetraut, oder? Ich war jedenfalls sehr überrascht. Danach hat mich nicht mehr so sehr überrascht, daß er den Kontakt zu seinem Sohn sucht, aber ich hatte schon befürchtet, daß dieser Kontakt im Unausgesprochenen hängen bleibt und letztlich keiner von beiden wirklich etwas davon hat.



    Ich fand es übrigens sehr gelungen, den bevorstehenden Untergang der K. und K. Monarchie mit Zustand von Carl Joseph in gewisser Weise zu vergleichen. Beide scheinen nach und nach den Boden unter den Füßen zu verliehren und ich befürchte fast, dass sich Carl dem schlechten Einfluss seiner Kameraden nicht entziehen kann und in übermäßigen Alkohol- und Spielkonsum untergeht.


    Das wird Carl Joseph wohl, wenn nicht jemand die Notbremse zieht. Aber wer sollte das sein? Von dem Major ist nichts zu erwarten, der betrachtet es als eine normale und vorübergehende Phase. Chojnicki? Er bezeichnet sich zwar als Carl Josephs Freund, aber er scheint einen eher lockeren Begriff von diesem Konzept zu haben. Bliebe also nur der Vater, aber der ist zu weit weg. Ich sehe da gerade keinen Ausweg, genauso wenig wie für die Monarchie, daher ist die Analogie durchaus in gewisser Weise gegeben, das stimmt.

  • Bis Ende Kapitel 14


    Wie erwartet gerät Trotta in die Fänge von Spiel und Alkohol. Ersteres zwar eher indirekt, aber doch genügend, um sich in Schulden zu stürzen. Und anstatt das bei seiner Reise gewonnene Geld sinnvoll zu deren Tilgung einzusetzen, schmeißt er dieser alternden Tussi eine Perlenkette hinterher :rollen: Auch beim Einsatz gegen die Demonstranten zeigt sich seine Veranlagung sehr gut, diese Darstellung gelingt Roth wirklich vorzüglich, so vorzüglich, daß ich kurz davor bin, Carl Joseph eigenhändig zu erwürgen. Er ist antriebslos, meinungsfrei, selbstmitleidig und charakterschwach und solche Leute treiben mich zum Wahnsinn! :grmpf: Wie kann man so jemanden zum Offizier machen? Das muß doch auch Vorgesetzten auffallen. Sind die alle derartig abgestumpft? Spielt(e) Qualifikation wirklich eine so untergeordnete Rolle?


    Am besten würde er Hauptmann Wagner gleich in den Wald folgen und ihn sich zum Vorbild nehmen, das würde bestimmt einer Menge Leute eine Menge Unannehmlichkeiten ersparen, aber dafür würde ja wieder ein Mindestmaß an Charakter oder Ehrgefühl gebraucht werden. Wahrscheinlich würde es also nur funktionieren, wenn ihm ein Vorgesetzter einen entsprechenden Befehl erteilte, dann funktioniert er ja wie eine Marionette. Zugegeben seine ganze Erziehung einerseits und die Strukturen beim Militär andererseits sind sicher auch nicht dazu angetan gewesen, die besseren Seiten seines Charakters hervorzuholen, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß er sich unter anderen Bedingungen als um Klassen lebenstüchtiger erwiesen hätte.


    Was ich mich immer schon mal gefragt habe und nach der Schießerei auf die Demonstranten erst recht: Ob Roth den Namen Trotta hier zufällig gewählt hat. Irgendwie erinnert mich das immer an die von Trothas und hier besonders an das unerquickliche Familienmitglied Lothar, Kommandeur der Schutztruppen in Deutsch-Südwestafrika während des Herero-Nama-Aufstandes. Dessen Schießbefehl war zwar um vieles schlimmer, weil kalt geplant und mehr Opfer fordernd, aber er kommt aus einer recht ähnlichen, wenn auch in gewissem Grade zeittypischen, Geisteshaltung – ob nun Afrikaner oder Sozialisten, das war für viele Mitglieder der „höheren Stände“ ja doch irgendwie alles gleichermaßen beleidigend.