01 - Léon und Louise - Seiten 1 bis 81 / Kapitel 1 bis 6

Es gibt 24 Antworten in diesem Thema, welches 7.094 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tammy1982.

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    Alex Capus - Léon und Louise

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    Durch die Unterteilung in verschiedene Abschnitte ist es nicht nötig, Spoilermarkierungen zu setzen :winken:
    Hier könnt Ihr die Kapitel 1 bis 3 besprechen.


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    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Diesen ersten Abschnitt habe ich gestern abend gelesen, kam dann aber nicht mehr dazu, meine Eindrücke loszuwerden.


    Schon den Einstieg fand ich amüsant. Ich konnte mir das verlorene Häuflein Familie in dieser riesigen Kirche richtig gut vorstellen. Und auch das Getuschel, als diese „unbekannte“ Frau auftauchte, war gut wiedergegeben. Offensichtlich wissen viele in der Familie einiges, aber so richtig drüber gesprochen hat man (ob das jetzt vor allem Léon selbst oder die übrigen Familienmitglieder oder beide Seiten betrifft, ist ja nicht klar) offenbar nie. Wie klingt wohl so eine schöne alte Fahrradklingel in Notre-Dame? Hoffentlich ist da keiner vor Schreck umgefallen :breitgrins: Die Familie selbst wird ja ausgesprochen sympathisch dargestellt, das war mir schon eine Nummer zu idyllisch, vor allem, was die Männer angeht ...


    Und dann der Blick in die Vergangenheit. Bis zum Ende dieses Abschnitts hatte ich gar nicht das Gefühl, mich in der Endphase des Ersten Weltkriegs zu befinden. Der Krieg findet einfach anderswo statt, daran ändert auch ein Lazarettzug nichts, denn dieser hält nur kurz, verschwindet wieder und nimmt den Krieg mit. Im Grunde könnte es irgendein Jahr sein, wenn da nicht auch noch Louises besondere Funktion wäre. Daß der Bürgermeister, so wie er geschildert wurde, die Aufgabe der Benachrichtigung nur zu gerne abgegeben hat, wundert nicht. Ich hatte aber auch den Eindruck, daß die betroffenen Menschen da durchaus einen guten Tausch gemacht haben.


    Die Annäherung zwischen Léon und Louise ist recht zögerlich. Trotzdem kann man nicht sagen, daß einer von beiden eher die treibende Kraft als der andere wäre. Louise ist sicher etwas direkter und provoziert manches, gerade die ersten Zusammentreffen, aber Léon weiß durchaus auch, was er will, sonst wäre er ja nicht mit so vielen Decken zum Radausflug aufgetaucht. Aber auch hier gilt, daß mir die beiden, bislang jedenfalls, ein bißchen zu perfekt und harmonisch sind, die ganze Szenerie wiederum zu idyllisch. Der Ausklang dieses Abschnitts verweist zwar darauf, daß diese Idylle jetzt beschädigt ist oder wird, aber es muß sich noch zeigen, welche Auswirkungen auf die beiden Protagonisten das haben wird. Gänseblümchenpflücken ist hoffentlich vorbei, sonst würde es wohl doch ein wenig langweilig ...


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Mir fällt es recht schwer, etwas zu dem Buch zu schreiben. Viele Kleinigkeiten, die sich nach und nach zu einem Großen Ganzen zusammensetzen werden.


    Die Beerdigung im Prolog - aus wessen Sicht war das wohl geschildert?


    Die Reise in die Vergangenheit... liest sich leicht und beschwingt, obwohl sich Frankreich eigentlich noch im Krieg befindet. Aber der ist eben eher woanders.
    Beinahe beiläufig fallen Bemerkungen über das Grauen des Krieges, wie die Giftgasangriffe, da lief es mir ganz kalt den Rücken runter.
    Ich musste gerade einmal nachlesen (wo ist nur mein Geschichtswissen abgeblieben?!), ja im Sommer 1918 wurde noch gekämpft, erst am 11. November wurde in Compiègne der Waffenstillstand unterzeichnet.


    Die Beschreibung des Dorfes und seiner Einwohner klingt nach einem typischen kleinen Weiler, der Zwist zwischen Bürgermeister und Pfarrer hat mich schmunzeln lassen (ein Urinal an die Kirche? Meine Güte, selbst ich als nicht religiöser Mensch empfinde das als Affront!).


    Wo Louise wohl herkommt? Warum blockt sie alle Fragen ab? Ansonsten scheint sie doch recht offen zu sein und gerne mit Léon zu reden.
    Der Ausflug zum Meer war eine gute Idee - was hat er wohl auf den Zettel geschrieben, den er an die Madonna geheftet hat? Offensichtlich hat es sich aber erfüllt ;)

    LG, Dani


    **kein Forums-Support per PN - bei Fragen/Problemen bitte im Hilfebereich melden**

  • Schön, Capus schreibt wieder in seinem typischen Plauderstil.


    Der Prolog gefiel mir gut. So wie die alte Frau, die da unerwartet auf der Beerdigung erscheint, möchte ich im Alter auch sein. Der Erzähler sagt es zwar nicht laut, aber man kann sich sicher sein, dass es sich um Louise handelt. Und wenn man weiter gelesen hat, versteht man auch die zunächst rätselhafte Bedeutung der Fahrradklingel. Nicht nur, dass sie sie von Léon geschenkt bekommen hat, so wie ich es verstanden habe, war es auch eine Totenglocke, die Louise läutete, wenn sie zu Menschen fuhr, um ihnen von ihren im Krieg gefallenen Verwandten zu berichten. Da passt das Läuten auf der Beerdigung.



    Ich musste gerade einmal nachlesen (wo ist nur mein Geschichtswissen abgeblieben?!), ja im Sommer 1918 wurde noch gekämpft, erst am 11. November wurde in Compiègne der Waffenstillstand unterzeichnet.


    Ich war auch etwas verwundert, dass im Sommer 1918 tatsächlich noch die gleiche Sorte Krieg herrschte. Irgendwie hatte ich gedacht, die jahrelangen Grabenkämpfe wären da schon vorbei und Deutschland auf dem Rückzug.


    Ich musste etwas grinsen, als der Erzähler erst in aller Ausführlichkeit vom Ausflug ans Meer berichtet und dann ein "bis hierher ist das nur eine Legende, jetzt kommt dass, was Großvater Léon uns immer haarklein erzählt hat" von sich gibt -> das relativiert Aldawens Beschwerde über zu viel Idylle dann schon etwas :zwinker:

  • Ich habe gestern leider nur das erste Kapitel von 1986 geschafft. Zuviel Gartengewurstel hat mich unheimlich müde gemacht.


    Mir gefiel die Szene in der Kirche. Ich habe Nôtre Dame vor Jahren mal gesehen, aber kein rechtes Gefühl mehr für diese Dimensionen. Ich stelle mir die Situation jedoch dauernd vor: Eine Reihe ganz vorne belegt mit den Nachkommen. Es sind ja noch nicht einmal wenige! Trotzdem passen alle in eine Reihe. So einsam in einer Kirche mit Leere im Rücken zu sitzen, stelle ich mir komisch für die Trauergesellschaft vor. Man muss halbwegs würdig daherkommen und man sitzt doch in einer grotesken Situation fest.


    Wie Aldawen sagt, hat die Szene etwas Amüsantes.


    Ich frage mich auch, warum der Grossvater überhaupt diese Kirche gewählt hat. Einfach, weil er die beschriebene Situation haben wollte? Oder werden wir Nôtre Dame später noch einmal begegnen und hat es mit der Wahl dieser Kirche etwas auf sich?


    Auftritt Louise: Das hat was :zwinker: Vor allem, weil der Erzähler das Auftreten durch die Beschreibung seiner Familie noch so arg kontrastiert. Auf der einen Seite die bodenständige Familie, der sämtliche höheren Weihen suspekt sind und die jeder Form von Getüddel abgeneigt ist. Auf der anderen Seite die kleine, zierliche und offensichtlich deutlich elegantere Geliebte. Die sich die "Frechheit" herausnimmt, überhaupt zu kommen, am Sarg eine Show abzuziehen, statt sich in die leeren Reihen hinter die Familie zu setzen. Vermutlich war dieses Form von Selbstbewusstsein Teil der Faszination, die Louise ausgeübt hat. Von den anderen scheint keinen einen Draht dazu zu haben.


    Und dann guckt sie jeden einzelnen der Reihe nach an. Was für ein Mumm in den Knochen.



    Und auch das Getuschel, als diese „unbekannte“ Frau auftauchte, war gut wiedergegeben. Offensichtlich wissen viele in der Familie einiges, aber so richtig drüber gesprochen hat man (ob das jetzt vor allem Léon selbst oder die übrigen Familienmitglieder oder beide Seiten betrifft, ist ja nicht klar) offenbar nie.


    Ist darüber nicht geredet worden? Ich schätze, dass sich einige Familienmitglieder darüber mächtig das Maul über die Jahre zerrissen haben. Ich hatte vermutet, dass der Erzähler ein Enkel ist und dass man nur mit ihm nie darüber geredet hat. Kinder müssen halt nicht alles wissen, das schon gar nicht - war in unserer Familie nicht anders.

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  • Schön, Capus schreibt wieder in seinem typischen Plauderstil.


    Guten Morgen :breitgrins: Ich bin seit 6:00 auf den Beinen. Und du?


    Hast Du von Capus schon mehr gelesen? Für mich ist es die erste Begegnung mit ihm. Ein schöner Stil, der gefiel mir auf Anhieb auch gut.

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  • Nicht nur, dass sie sie von Léon geschenkt bekommen hat,


    Nun, ob es wirklich die gleiche Klingel ist, das ist noch so die Frage. Aber zumindest eine Reminiszenz an diese ist es natürlich.



    so wie ich es verstanden habe, war es auch eine Totenglocke, die Louise läutete, wenn sie zu Menschen fuhr, um ihnen von ihren im Krieg gefallenen Verwandten zu berichten. Da passt das Läuten auf der Beerdigung.


    Das auf jeden Fall. Hätte nur noch gefehlt, daß sie mit einem Fahrrad den Gang hinunterrollt :breitgrins:



    Ich musste etwas grinsen, als der Erzähler erst in aller Ausführlichkeit vom Ausflug ans Meer berichtet und dann ein "bis hierher ist das nur eine Legende, jetzt kommt dass, was Großvater Léon uns immer haarklein erzählt hat" von sich gibt -> das relativiert Aldawens Beschwerde über zu viel Idylle dann schon etwas :zwinker:


    Jein. Dieses Gefühl speist sich bei mir ja auch aus der Beschreibung der ganzen Familie. Und selbst wenn es vom Enkel erfunden ist, so ist es ja trotzdem durch das inspiriert, was der Großvater selbst über die Zeit danach erzählt hat. Das muß also doch dergestalt gewesen sein, daß der Enkel überhaupt auf so etwas kommen konnte.

  • Ist darüber nicht geredet worden? Ich schätze, dass sich einige Familienmitglieder darüber mächtig das Maul über die Jahre zerrissen haben. Ich hatte vermutet, dass der Erzähler ein Enkel ist und dass man nur mit ihm nie darüber geredet hat. Kinder müssen halt nicht alles wissen, das schon gar nicht - war in unserer Familie nicht anders.


    Sicher ist darüber gesprochen worden, daß es Louise gab und welche Rolle sie spielte, aber wohl nur hinter vorgehaltener Hand mit entsprechend viel Vermutung und Klatsch. Wie weit das geht, hängt natürlich davon ab, wieviel Léon überhaupt selbst zu erzählen bereit war, wieviel man in der Familie vielleicht auch zufällig erfahren hat und ob überhaupt ein ernsthaftes Interesse an „Aufklärung“ bestand. Vielleicht war es ja auch allen lieber, wenn der Großvater ein wenig „skandalumwittert“ ist :zwinker:


  • Hast Du von Capus schon mehr gelesen? Für mich ist es die erste Begegnung mit ihm. Ein schöner Stil, der gefiel mir auf Anhieb auch gut.


    3 Romane und einmal Kurzgeschichten. Die ("13 wahre Geschichten") waren mir zu Schweiz-zentriert, aber der Rest hat mir sehr gut gefallen. "Léon und Louise" wäre auch ohne die Leserunde von mir gekauft worden, wenn auch vielleicht erst als Taschenbuch, da noch ein paar Capus in meinem SUB liegen.



    Jein. Dieses Gefühl speist sich bei mir ja auch aus der Beschreibung der ganzen Familie.


    Ich mag die Familie, ich glaube, da wäre ich gerne mal auf einer Familienfeier zu Gast. Die Männer klingen nach sympathischen Nichtsnutzen, die irgendwann (dank einer energischen Frau) die Kurve kriegen und einen halbwegs ordentlichen Job bekommen. Bei dem einen Familienmitglied, dass "Palmen in der Bretagne verkauft" habe ich gestutzt. Bretagne+Palmen? Ich konnte mich an keine erinnern und es klingt nicht sehr überzeugend (oder gewinnbringend (oder vielleicht doch, wenn sie immer wieder eingehen :zwinker:)), laut Internetrecherche wachsen die da allerdings schon.


  • Ich mag die Familie, ich glaube, da wäre ich gerne mal auf einer Familienfeier zu Gast.


    Ich sage ja auch gar nicht, daß sie mir unsympathisch sind. Aber für einen Roman eben zu langweilig, da sollten es schon ein paar Ecken und Kanten mehr sein :zwinker:

  • Hallo ihr Lieben,


    ich kam bisher erst dazu, die ersten beiden Kapitel zu lesen, weshalb ich eure Beiträge erst einmal auch nur überflogen hab, um nicht zu weit "vorzulesen" :)


    Aber ich stimme euch soweit zu, die Eingangsszene war schön, gerade weil sie bereits auf die besondere Verbindung zwischen Léon und Louise hinweist und die Herausstellung des Konträren zwischen Louise und Léons Familie ist wirklich toll. Der "Auftrit Louise", da schließe ich mich Bettina an: das hat was!


    Im zweiten Kapitel beeindruckte mich vor allem dieser scheinbar nahtlose Übergang von der Erzählung des Enkels zur eigenständigen Geschichte, zumindest für mich war dies zunächst so unmerklich, dass ich erst beim weiteren Lesen darauf aufmerksam wurde, so sehr war ich gedanklich mit auf Léons Fahrrad :)


    Freue mich schon auf die weitere Lektüre und wünsche euch schonmal einen schönen Sonntag :winken:

    :leserin: Ozzy Osbourne - I Am Ozzy<br /><br /><br /><br />Never trust anything that can think for itself, if you can&#39;t see where it keeps its brain

  • Hallo allerseits,


    oh, ich bin mal wieder total begeistert von Herrn Capus! Dieser herrlich leichte, lockere Erzählstil, der tolle Bilder in relativ knappen Beschreibungen heraufbeschwört, ist für mich echt ein Genuß. Dieser Capus'sche Stil beweist für mich auch immer wieder, dass man eine schöne Geschichte sehr gut leicht erzählen kann - ohne jemals auch nur im Ansatz einen Tendenz Richtung Kitsch, Oberflächlichkeit oder Langeweile zu haben.


    Allein der Beginn ist - trotz der Trauerfeier - amüsant: ein Enkel des verstorbenen Léon Le Gall berichtet von der etwas absurd wirkenden Trauergemeinde in der riesigen Kathedrale Notre Dame. Auch hier gefallen mir die kleinen, fast nebensächlich eingestreuten kleinen Bemerkungen des Autors wie zum Beispiel die Touristen, die noch beim Frühstück in ihren Hotels sitzen... Noch mehr gefällt mir allerdings die Typisierung der eigenen Familie Le Gall, bei der die Männer als eher träge hinwegkommen, während die Frauen (fast ausschließlich angeheiratet) fleißig und besser verdienend dargestellt werden. Dafür haben die männlichen Le Galls aber auch andere Vorzüge, so ist es nicht. :zwinker:
    Und dann der Auftritt der alten, bestimmten Dame! Keiner der Anwesenden weiß, um wen es sich handelt - aber alle oder zumindest einige vermuten es rasch. Offensichtlich hat keiner Louise jemals gesehen, dafür aber schon von ihr gehört! Und da wird es interessant, denn wie wir im ersten Abschnitt noch erfahren, hat Léon bei seinem ersten Ausflug mit Louise ja gegenüber seiner Familie später einen Louis aus ihr gemacht. Wo begegnen sich die beiden also wieder? Und wie erfährt seine Familie letzten Endes doch noch von ihr?


    Mit am besten gefallen mir wirklich die knappen, aber sehr schönen Beschriebungen im ersten Abschnitt. Zum Beispiel solche Bilder, wie der amerikansichen Getreidetanker, der friedlich neben Kriegsschiffen im Hafen liegt, oder der seit Jahren ungeschnittene Apfelbaum unter dem Léon eine Pause macht, oder Tante Simones rissiger Mund, der Beweis für ihre Angst und Verbitterung ist...
    Und auch die allmähliche Annäherung Léons und Louises hat Alex Capus sehr schön eingefangen - Louise gefällt mir als Person dabei sehr gut. Einerseits wirkt sie tough und ist gegenüber Léon schon fast ein bißchen forsch, andererseits ist da noch was mit ihr, das sie ein bißchen geheimnisvoll erscheinen lässt und was ich nicht einordnen kann. Léon möchte sie beispielsweise nach ihrer Herkunft fragen, aber sie blockt rigoros ab. Hat sie Schlimmes erlebt? Ich denke, ja. Und vielleicht ist sie ja auch einsam und sehnt sich nach einer Freundschaft - schließlich ist sie noch jung.
    Den Ausflug der beiden habe ich als schön empfunden: alleine, wie sie sich unterschwellig verstehen, sich an den Händen fassen beim radfahren. Aber was hemmt sie in ihrer Unterhaltung? Ich meine nicht bei der Reise, da kann ich das Schweigen gut verstehen - aber später, als sie ankommen und auch als Léon den Zettel schreibt und Lousie extra noch einmal zurück geht um ihn zu lesen. Oder ist es einfach nur die damalige Zeit? Ein üblicher, schüchterner Umgang, wie er 1918 wahrscheinlich nicht allzu ungewöhnlich war?


    Mir sind die beiden jedenfalls fast sofort ans Herz gewachsen :smile: und ich bin gespannt, wie sie sich weiter entwickeln...


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea


  • Ich frage mich auch, warum der Grossvater überhaupt diese Kirche gewählt hat. Einfach, weil er die beschriebene Situation haben wollte? Oder werden wir Nôtre Dame später noch einmal begegnen und hat es mit der Wahl dieser Kirche etwas auf sich?


    Bestimmt gibt es einen Zusammenhang mit Louise, oder? Seit der Szene in Le Tréport, bei der Louise so verächtlich über die Pariser Blödmänner spricht, halte ich es für möglich, dass sie selbst vielleicht aus Paris kommt.




    Und dann guckt sie jeden einzelnen der Reihe nach an. Was für ein Mumm in den Knochen.


    Das fand ich auch ziemlich couragiert! Ob es irgendwelche Vorfälle mit der Familie Léons gab, weshalb Louise fast schon provokativ jeden anschaut oder will sie nur seine Nachkommen in Augenschein nehmen?

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Hallo Ihr Lieben,


    für mich der erste Roman von Alex Capus, aber bis jetzt bin ich von dem Schreibstil und dieser lockeren Erzählweise sehr begeistert.


    Der Prolog hat mich, wie euch auch, gleich zum Schmunzeln gebracht. Zum einen finde ich es schon sehr amüsant, dass Léon seine Totenfeier in Nôtre Dame abgehalten haben möchte! Zum anderen fand ich den die kleine Dame, bei der es sich wohl eindeutig um Louise handelt, schon sehr taff und auch sehr mutig. Wie sie da hinein stiefelt, allen Blicken zum Trotz, ihre Szene am Sarg spielt und dann auch noch alle Familienmitglieder offen ansieht, hat mich schon beeindruckt. Wieso sie die Fahrradklingel mitgebracht hat, klärt sich dann ja schnell in dem nächsten Kapitel! :zwinker: Fand ich aber ingesamt sehr lustig!


    Bestimmt gibt es einen Zusammenhang mit Louise, oder? Seit der Szene in Le Tréport, bei der Louise so verächtlich über die Pariser Blödmänner spricht, halte ich es für möglich, dass sie selbst vielleicht aus Paris kommt.


    Daran habe ich noch gar nicht gedacht, aber vielleicht hängt es wirklich mit den Parisern Blödmännern zusammen. Es ist ja schon frevelhaft, wenn man bei einer Totenmesse eine Fahrradklingel in der Kirche betätigt. In Nôtre Dame muss die auch noch richtig schön hallen. Vielleicht haben die beiden sich das ja schon früher mal so überlegt? :gruebel: :breitgrins:


    Die Fahrradtour von Léon zu seinem neuen Arbeitsplatz hatte es ganz schön in sich. Die Beschreibungen dazu waren klasse und irgendwann haben mir gemeinsam mit Léon die Beine ganz schön wehgetan. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, dass es für viele Leute damals einfach normal war, sich im Zweifelsfall halt mit dem Rad oder so fortzubewegen und für längere Strecken kein Auto in der Garage stehen zu haben! :zwinker:



    Mit am besten gefallen mir wirklich die knappen, aber sehr schönen Beschriebungen im ersten Abschnitt. Zum Beispiel solche Bilder, wie der amerikansichen Getreidetanker, der friedlich neben Kriegsschiffen im Hafen liegt, oder der seit Jahren ungeschnittene Apfelbaum unter dem Léon eine Pause macht, oder Tante Simones rissiger Mund, der Beweis für ihre Angst und Verbitterung ist...


    Die Bilder, die Alex Capus einfach so entstehen lässt, finde ich auch ganz klasse!


    Fasziniert bin ich auch davon, dass bis zum Ende des Abschnitts vom Krieg quasi nichts zu spüren ist und dann bricht er mit aller Gewalt über die beiden frisch verliebten herein! Da bin ich ja jetzt neugieig, wie das weiter geht. Dass beide überleben, ist ja schon klar...


    Die Annäherung zwischen Léon und Louise fand ich ja zuerst schon etwas spröde. Sie ist ja eindeutig nicht auf den Mund gefallen, aber er nimmt einige ihrer Sprüche doch sehr gelassen auf. Alle Achtung! Ich vermute schon, dass in ihrer Vergangenheit etwas Schlimmes vorgefallen ist, worüber sie nicht reden möchte und weshalb sie sich auch so spröde gibt!



    Der Ausflug zum Meer war eine gute Idee - was hat er wohl auf den Zettel geschrieben, den er an die Madonna geheftet hat? Offensichtlich hat es sich aber erfüllt ;)


    Was genau auf dem Zettel gestanden hat, würde mich ja auch brennend interessieren! Aber war wohl etwas Gutes... :breitgrins: :zwinker:


    Tolle Lektüre und eignet sich hervorragend bei so schlechtem Wetter, wie ich es hier gerade habe! :rollen:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)


  • Es ist ja schon frevelhaft, wenn man bei einer Totenmesse eine Fahrradklingel in der Kirche betätigt. In Nôtre Dame muss die auch noch richtig schön hallen. Vielleicht haben die beiden sich das ja schon früher mal so überlegt? :gruebel: :breitgrins:


    Wahrscheinlich ist es aber nur symbolisch gemeint, oder? Léon hat mit dem Reparieren des Rads den Betroffenen, die Louise mit den Todesnachrichten 'überfällt', die Chance genommen, Louise schon kommen zu hören und sich innerlich zu wappnen. Mit der Klingel, die er ihr dann ans Rad anbringt, gibt er ihnen diese Chance zurück - und Louise kann so ihre Toten 'ankündigen'. Eben das tut sie jetzt wahrscheinlich für Léon.



    Fasziniert bin ich auch davon, dass bis zum Ende des Abschnitts vom Krieg quasi nichts zu spüren ist und dann bricht er mit aller Gewalt über die beiden frisch verliebten herein!


    Ja, das ging mir haargenauso. Capus deutet dies ja sogar an, als er beschreibt, dass die Kriegslinie nur wenige hundert Meter vor der Kleinstadt verläuft - irgendwie ist es für mich trotzdem nahezu unvorstellbar, dass ein paar Kilometer weiter junge Soldaten grausam sterben, während in einer nahen Kleinstadt alle ihrem weitestgehend geregelten Leben nachgehen... Natürlich sind auch da die Bewohner betroffen, sind in Angst und Sorge um ihre Söhne, Männer und Brüder - aber dennoch gehen sie in ihre Cafés, trinken Rotwein und versuchen sich die Sorgen irgendwie erträglicher zu machen. Léon und Louise sind vermutlich zu jung und Léon sicherlich auch unbekümmerter (bei Louise denke ich das nicht) um sich deshalb vom Leben und Verlieben abhalten zu lassen...



    Tolle Lektüre und eignet sich hervorragend bei so schlechtem Wetter, wie ich es hier gerade habe! :rollen:


    Bei Dir auch? Hier ist es auch scheußlich! Das glatte Gegenteil zu gestern. :rollen:


    Viel Spaß Euch allen heute noch mit Léon und Louise! :winken:


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Wahrscheinlich ist es aber nur symbolisch gemeint, oder? Léon hat mit dem Reparieren des Rads den Betroffenen, die Louise mit den Todesnachrichten 'überfällt', die Chance genommen, Louise schon kommen zu hören und sich innerlich zu wappnen. Mit der Klingel, die er ihr dann ans Rad anbringt, gibt er ihnen diese Chance zurück - und Louise kann so ihre Toten 'ankündigen'. Eben das tut sie jetzt wahrscheinlich für Léon.


    Daran habe ich noch gar nicht gedacht, aber das stimmt: Louise kann wieder einen "Toten" ankündigen. Eine wirklich starke Szene! Weiß nicht, ob ich an dem Sarg eines geliebten Menschen diesen Humor aufbringen könnte! :heul:



    Ja, das ging mir haargenauso. Capus deutet dies ja sogar an, als er beschreibt, dass die Kriegslinie nur wenige hundert Meter vor der Kleinstadt verläuft - irgendwie ist es für mich trotzdem nahezu unvorstellbar, dass ein paar Kilometer weiter junge Soldaten grausam sterben, während in einer nahen Kleinstadt alle ihrem weitestgehend geregelten Leben nachgehen... Natürlich sind auch da die Bewohner betroffen, sind in Angst und Sorge um ihre Söhne, Männer und Brüder - aber dennoch gehen sie in ihre Cafés, trinken Rotwein und versuchen sich die Sorgen irgendwie erträglicher zu machen. Léon und Louise sind vermutlich zu jung und Léon sicherlich auch unbekümmerter (bei Louise denke ich das nicht) um sich deshalb vom Leben und Verlieben abhalten zu lassen...


    Ein bisschen spielt da denke ich auch die Erzählweise von Capus mit hinein. Er beschreibt alles so locker leicht, dass nicht einmal die schweren Gänge, die Louise auf sich nimmt, um den Hinterbliebenen mitzuteilen, dass eine geliebte Person gestorben ist, bei mir wirklich hart angekommen sind. Alles wird ganz leicht erzählt. Jetzt wenn ich so darübe nachdenke, ist es das aber gar nicht. Spiegelt aber vielleicht auch wirklich so ein bisschen die Unbeschwertheit von Léon wieder, die jetzt ganz schnell und plötzlich ein jehes Ende findet! :entsetzt:


    Bei Dir auch? Hier ist es auch scheußlich! Das glatte Gegenteil zu gestern. :rollen:


    :five: Gestern schönster Sonnenschein und total heiß, heute regen, regen, regen und es ist ganz schön kalt geworden! :rollen:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Hallo zusammen,


    auch mich hat Capus sofort in seinen Bann geschlagen. Seine Sprache, die Trauerfeier, das Kennenlernen von Léon und Louise - toll. Ich werde mich aber nicht nochmal lang und breit darüber auslassen. ;)


    Ich habe allerdings gar nicht den Eindruck, dass man bis zum Bombardement am Ende des Abschnitts überhaupt nichts vom Krieg mitbekommt, denn Capus streut immer wieder deutliche Hinweise darauf ein: die zerstörten Dörfer in der Umgebung, die Rationalisierung von Lebensmitteln, die Verwundetentransporte, die schlecht bestellten Felder und vor allem die Tatsache, dass einige Männer nicht nach Hause zurückkehren. Wahrscheinlich haben sich die Menschen inzwischen so daran gewöhnt und sehnen sich nach einem "normalen" Leben, dass sie so gut es geht ihre früheren Alltagsrituale wieder aufgenommen haben. Außerdem gab es kein Nachrichtennetz, wie wir es heute kennen, und die Kämpfe waren zu einem Grabenkrieg geworden. Beides hat es den Menschen sicherlich erleichtert, sich auch einige Kilometer von der Front entfernt bestmöglich mit den Verhältnissen zu arrangieren.


    Capus schafft es mit einer verblüffenden Leichtigkeit, mich als Leserin in eine behagliche Lesestimmung zu versetzen, wodurch die Momente, in denen der Krieg durchbricht, umso fiesere Spitzen in der ansonsten fast idyllischen Realität sind. Ich hatte in solchen Momenten fast ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich dabei erwischte, bis dahin lächelnd gelesen zu haben.


    Die Glorifizierung der Familie Le Gall fand ich recht amüsant, der Erzähler versteht es doch sehr gut, eventuelle Schwächen runterzuspielen oder gar in Stärken zu verwandeln. :breitgrins: Wer sagt schon gerne frei heraus, dass seine männlichen Vorfahren grobschlächtig, faul und wenig intelligent waren? Dann lieber einen platten Hinterkopf zum höchsten Gut erklären. ;)


    Viele Grüße,
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges


  • Ich habe allerdings gar nicht den Eindruck, dass man bis zum Bombardement am Ende des Abschnitts überhaupt nichts vom Krieg mitbekommt, denn Capus streut immer wieder deutliche Hinweise darauf ein: die zerstörten Dörfer in der Umgebung, die Rationalisierung von Lebensmitteln, die Verwundetentransporte, die schlecht bestellten Felder und vor allem die Tatsache, dass einige Männer nicht nach Hause zurückkehren.


    Ja, natürlich, all diese Hinweise gibt es. Und sie zeigen sehr dezent, welcher Zeit wir uns bewegen. Und es ist auch so, wie Du sagst:



    Wahrscheinlich haben sich die Menschen inzwischen so daran gewöhnt und sehnen sich nach einem "normalen" Leben, dass sie so gut es geht ihre früheren Alltagsrituale wieder aufgenommen haben.


    Das ist ja auch nicht verwerflich. Im Grunde können die Menschen in diesem Ort, und vielen anderen seiner Art, auch nicht wirklich viel anderes tun. Solange der Krieg nicht unmittelbar im eigenen Vorgarten stattfindet, läßt er sich auch deshalb gut ausblenden, weil keine „eingebetteten Reporter“ rund um die Uhr live berichten. Umgekehrt bedeutet das auch, daß man meist wohl gar nicht so genau weiß, wo gerade die Front verläuft und wie die letzten Kriegsentwicklungen aussehen. Gerade für diejenigen, die Mann, Sohn, Bruder, ... im Krieg haben, bleibt also nur die Möglichkeit, über der Ungewißheit irre zu werden, oder es so gut wie möglich zu verdrängen und Alltag zu spielen. Es überrascht nicht, daß letzteres überwiegt. Nichtsdestotrotz wirkt gerade Léon davon merkwürdig unberührt. Bei Louise dürfte die Ruhe vorgeschoben sein, sie würde nicht so viele Fragen abblocken, wenn es keine Erinnerungen und Erlebnisse gäbe.


  • Nichtsdestotrotz wirkt gerade Léon davon merkwürdig unberührt. Bei Louise dürfte die Ruhe vorgeschoben sein, sie würde nicht so viele Fragen abblocken, wenn es keine Erinnerungen und Erlebnisse gäbe.


    Ich frage mich, inwiefern Léon bisher tatsächlich mit dem Krieg in Berührung gekommen ist, auf mich wirkt seine Einstellung dazu auch eher wie ein großes Abenteuerspiel. Droht ihm in seinem Alter nicht auch, eingezogen zu werden? Die Verluste in der Verwandtschaft lassen ihn auch seltsam kalt, aber auch das habe ich mir damit erklärt, das eigene Leben so normal wie möglich führen zu wollen.


    Was Louise angeht, gebe ich Dir Recht. Ich befürchte, auch die ständigen Anspielungen, dass Männer nur auf das Eine aus seien, haben einen bitteren Hintergrund.

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Ich war übers Wochenende nicht online und hatte mir auch noch die Einteilung der Abschnitte falsch gemerkt, weshalb ich jetzt schon bis Kapitel 8 gelesen habe. Aber dann versuche ich hier mal, meine Gedanken nur bis Kapitel 6 auszuführen.


    Ich hatte bisher noch nichts von Capus gelesen, finde das Buch aber auch sprachlich ganz angenehm und ansprechend.


    Die Geschichte finde ich auch ganz interessant bisher, obwohl ich normalerweise selten Bücher lese, in denen einer der beiden Weltkriege eine Rolle spielt. Wie ihr aber auch schon teilweise geschrieben habt, steht der Krieg hier nicht so sehr im Vordergrund, obwohl er durch viele Details doch ständig in Erinnerung bleibt. Die Leute versuchen anscheinend auch, so lange es geht ein normales Leben zu führen und die Grausamkeit, die in ihrer direkten Umgebung passiert gar nicht an sich heranzulassen. Im 6. Kapitel holt zumindest uns als Leser die Realität ein.


    Die Szene in der Kirche war ein interessanter Einstieg. Man kann sich die trauernden Verwandten richtig gut vorstellen und auch die Situation, als Louise plötzlich mit ihrer Fahrradklingel auftaucht. Den jungen Léon habe ich gleich ins Herz geschlossen und auch Louise mit ihrer etwas schroffen, aber doch liebenswerten Art. Angenehm fand ich auch, dass die Beziehung zwischen Léon und Louise sich so langsam entwickelt, dass beide am Anfang vorsichtig und zurückhaltend sind und man nicht eine unglaubwürdige schicksalhafte große Liebe aufgetischt bekommt.



    Was Louise angeht, gebe ich Dir Recht. Ich befürchte, auch die ständigen Anspielungen, dass Männer nur auf das Eine aus seien, haben einen bitteren Hintergrund.


    Ich befürchte auch, dass es bei Louise in der Vergangenheit unschöne Erlebnisse diesbezüglich gab.

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