Gina Mayer - Die Wildnis in mir, Roman/Jugendbuch ab 13

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    Gina Mayer: Die Wildnis in mir, Stuttart 2011, Thienemann-Verlag, ISBN 978-3-522-20074-5, Hardcover mit Schutzumschlag, 330 Seiten, 2 Landkarten, Format 14 x 21 x 3 cm, EUR 16,95 (D), EUR 17,50 (A), sFr 25,90 (CH).


    „Er reichte mir eine Handvoll Beeren, die er von einem der Sträucher am Wasserloch gepflückt hatte. Ich ließ sie aus meiner Hand in meinen Mund rollen. Sie schmeckten ein bisschen herb, aber sehr aromatisch, wild und saftig. Wie mein Leben in Afrika.“ (Seite 278)


    Elberfeld/Wuppertal 1899: Seit dem Tod ihres Mannes, der am Ort Lehrer war, bringt Martha Hauck sich und ihre Tochter Henrietta mehr schlecht als recht mit Näh- und Flickarbeiten über die Runden.


    Henrietta, 16, träumt von einer Ausbildung am Lehrerinnenseminar, doch das vom Vater dafür angesparte Schulgeld hat die Mutter inzwischen für die Kosten des täglichen Lebens aufgebraucht. Anstatt Ausbildungskosten zu verusachen und Lehrerin zu werden, soll Henrietta als Dienstmagd auf dem Hof der geizigen Witwe Künstner arbeiten. Das ist für sie indiskutabel. Sie greift zu einer Notlüge und bauscht vor ihrer Mutter das Interesse des Künstnerhof-Knechts zu einem unsittlichen Übergriff auf. Das mit der Dienstmagdstelle hat sich damit für sie erledigt.


    Marthas Plan B zur Sicherung ihrer Existenz ist abenteuerlich: Sie nimmt den Heiratsantrag eines verwitweten Missionars in Deutsch-Südwestafrika an. Immanuel Freudenreich heißt der gottesfürchtige Mann, den sie bislang nur aus Briefen kennt. Pfarrer Krupka, ohne den Martha seit dem Tod ihres Mannes keine Entscheidung mehr trifft, hat ihr zu diesem Schritt geraten.


    Ende Januar 1900 gehen Mutter und Tochter in Hamburg an Bord der „Gertrud Woermann“ und reisen nach Swakopmund. Henrietta, die ungleich offener und kontaktfreudiger ist als ihre misstrauische und abweisende Mutter, lernt an Bord des Schiffes die gleichaltrige Eva Cordes kennen, die mit ihren Eltern und ihren Brüdern auf den Weg nach Wupperthal im Kapland ist, wo Pastor Cordes eine Missionsstation leiten soll. Und sie trifft auf die allein reisende Edeltraud Hülshoff, ein belesenes und ziemlich sprödes Fräulein, das in Swakopmund bei einer deutschen Ingenieursfamilie als Gouvernante arbeiten will.


    Der Missionar kann sie nicht persönlich abholen. Er hat schickt zwei Hottentotten – Samuel und Petrus – mit einem Ochsenkarren. Vier Wochen lang sind die Frauen über Land zur Missionsstation Bethanien unterwegs. Als sie endlich dort eintreffen, ist das eine Enttäuschung, genau wie der Missionar selbst. Die Missionsstation ist eine Ansammlung schäbiger Baracken mitten im Nirgendwo und Immanuel Freudenreich erweist sich als unzugänglicher und selbstgerechter Wicht.


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    Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.


    Das Kommando auf der Station führt die farbige Haushälterin Susanna, die Henrietta wie eine Dienstmagd behandelt und alle Anweisungen der neuen Hausherrin beharrlich ignoriert. Henriettas Pläne vom Lehrerinnenseminar hält der Stiefvater für Zeit- und Geldverschwendung. Sie würde ja ohnehin heiraten, meint er, und Männern sei eine dumme Frau lieber als eine gebildete. Henriettas Mutter, die wohl noch nie im Leben eine eigene Meinung gehabt hat, gibt ihrem Gatten ein allem recht. Er ist ein Mann, er wird’s schon wissen. Widerspruch wäre sowieso zwecklos.


    Henrietta fühlt sich verraten und grenzenlos einsam. Nicht einmal Briefkontakte sind ihr erlaubt. Der einzige Freund des Mädchens ist Ochsentreiber Petrus, der viel besser deutsch spricht als er zunächst erkennen lässt. Seine Intelligenz und sein Ehrgeiz haben ihm bislang nichts als Ärger eingebracht. Also stellt er sich blöd und hat seine Ruhe.


    Als Henriettas Mutter im Juni des Jahres 1900 stirbt, flieht Henrietta Hals über Kopf von der Station. Bei ihrem Stiefvater bleibt sie keine Sekunde länger! Sie will zu ihrer Reisebekanntschaft vom Schiff, Edeltraud Hülshoff, die inzwischen in Warmbad lebt, doch sie kommt nicht weit. Nach ein paar Tagen auf der Flucht spürt Petrus sie auf. Missionar Freudenreich hat sie überall suchen lassen.


    Zurück nach Bethanien will Henrietta nicht. Sie nach Warmbad zu bringen hält Petrus für zu riskant – also versteckt er sie zunächst bei seinem Stamm, den Nama. Doch auch das ist keine Dauerlösung. Wer könnte ihr jetzt noch helfen? Die Pastorenfamilie Cordes, vielleicht? Aber die lebt im weit entfernten Kapland! Henrietta hat kein Geld. Zu Fuß durch die Wildnis wäre sie viele Wochen unterwegs – wenn sie überhaupt je ankäme. Aber es gibt keine Alternative. Mit dem Mut der Verzweiflung macht sie sich auf den Weg, begleitet von Petrus. Längst empfinden die beiden mehr als nur Freundschaft füreinander.


    Werden sie sich zur Missionsstation der Familie Cordes durchschlagen können? Können sie dort überhaupt Hilfe finden? Und abgesehen von den ganz existenziellen Fragen: Hat in dieser engstirnigen Gesellschaft die Liebe zwischen einer weißen Frau und einem farbigen Mann eine Chance? Und was wird aus Henriettas Lebenstraum, Lehrerin zu werden?


    Im Grunde hat Henrietta Hauck ganz bescheidene, alltägliche Ziele und Wünsche: Sie möchte eine Berufsausbildung absolvieren und mit dem Mann ihres Herzens glücklich sein. Fast kein Problem – wenn man hier und heute lebt. Aber wenn „die Konventionen“ eine solche Lebensplanung nicht vorsehen, hat man ruckzuck die gesamte kleingeistige Gesellschaft gegen sich. So geht es Henrietta. Zum Glück gibt es immer wieder Menschen, die über all diesem kleinkarierten Firlefanz stehen und ein bisschen mehr Grips, Mut und Weitblick haben als der Rest. Erschreckend ist nur, dass das Mädchen rund achteinhalbtausend Kilometer zurücklegen und obendrein monatelang durch die Wildnis irren muss, um (vielleicht!) so jemanden zu finden!


    Für den Leser ist Henriettas Entwicklung vom naiven Mädchen zur ernsthaften und zielstrebigen jungen Frau ein spannendes Abenteuer. Gina Mayer beherrscht es, kleine Andeutungen im Text fallen zu lassen, die einen geradezu zwingen, weiterzulesen. Aber bei so einer packenden, sorgfältig recherchierten und atmosphärisch dichten Geschichte lassen wir Leser das gerne mit uns machen. ;)


    Gar nicht so leicht zu sagen, ob DIE WILDNIS IN MIR nun ein Abenteuerroman oder ein Entwicklungsroman ist. Er hat Elemente von beidem. Konzipiert ist der Roman für jugendliche LeserInnen ab 13 Jahren, wird aber garantiert auch sein erwachsenes Publikum finden. Das Buch wird „Auswandererroman und große Liebesgeschichte“ beworben, was eigentlich Schlimmes ahnen lässt. Zum Glück hat es mit Afrika-Kitsch, affigen Fernsehfilmen und verklärter Auswandererromantik nichts zu tun. Die einzige, die ganz zu Anfang romantische Vorstellungen von der neuen Heimat hat, ist Henrietta. Doch die wird sehr schnell mit der harten Realität konfrontiert und dazu gezwungen, in Rekordzeit erwachsen zu werden.


    Henrietta verstößt in dieser Geschichte mehr als einmal gegen die geltenden Konventionen. Das überlebt sie nicht nur, das macht sie stärker, reifer und bringt sie ihren Zielen näher. Vielleicht gibt das ja manchen ihrer Mitmenschen zu denken und sie hören weniger auf das, was die Leute reden als auf das, was ihnen ihr Herz und ihr Verstand sagen.


    Die Autorin:
    Gina Mayer wurde 1965 in Ellwangen geboren. Sie studierte in Düsseldorf Grafik-Design und machte sich danach als Werbetexterin selbstständig. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder begann sie Bücher zu schreiben. Seit 2006 hat sie eine Vielzahl an historischen und zeitgeschichtlichen Romanen für Jugendliche und Erwachsene veröffentlicht. Gina Mayer ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf.

  • 1900. Das neue Jahrhundert bedeutet für Henrietta und ihre Mutter einen ganz besonderen Neuanfang. Sie wandern nach Afrika aus. Seit Henriettas Vater starb, lebten sie und ihre Mutter in großer Armut, abhängig von den milden Gaben anderer. In Afrika hoffen sie auf ein neues und besseres Leben. Ihr romantischer Traum erliegt allerdings schnell der Realität. Sie lernen schnell, wir hart das Leben hier sein kann.


    „Die Wildnis in mir“ legte ich nur schweren Herzens ab und an aus der Hand. Henrietta mochte ich auf Anhieb, auch wenn sie mir manchmal wie ein verzogenes Gör vorkam. Verwöhnt wurde sie vom Leben allerdings beileibe nicht. Dass sie sich nicht unterbekommen ließ, machte sie mir so sympathisch. Wie verfahren die Situation auch zu sein scheint, Henrietta gibt nicht auf.


    Man spürt in jeder Zeile, dass die Autorin viel recherchiert hat. Die Atmosphäre und das Leben der deutschen Auswanderer, aber auch der afrikanischen Ureinwohner, werden regelrecht greifbar. Natürlich ist auch die Einstellung der europäischen Besatzer und ihr Umgang mit den Ureinwohnern ein wichtiges Thema. Henrietta stellt hier vieles in Frage, was den meisten anderen Einwanderern als selbstverständlich erscheint.


    Die Jugendliteratur wird aktuell von romantischer Fantasy regelrecht überschwemmt. Wer ein Jugendbuch mit Niveau und interessantem historischem Hintergrund sucht, sollte unbedingt zu „Die Wildnis in mir“ greifen. Auch erwachsenen Leserinnen kann ich es empfehlen, die jugendliche Protagonistin ist für mich das einzige Argument, es als Jugendbuch einzustufen.


    Endlich mal wieder ein richtig gutes Jugendbuch, ohne Vampire oder ähnliches. Statt dessen ein wunderschöner historischer Roman über eine Zeit, die mir bisher noch fremd war.


    5ratten

  • Die sechzehnjährige Jette lebt um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert in ärmlichen Verhältnissen in Wuppertal, alleine mit ihrer verwitweten Mutter. Über ihren Pfarrer bekommen die beiden das Angebot, nach Afrika überzusiedeln, wo Jettes Mutter einen ebenfalls verwitweten Missionar heiraten soll. Jette erwartet viel von ihrer Zukunft, ihr heimlicher Verlobter möchte ihr alsbald nachreisen und sie beide wollen sich ein Leben in Afrika aufbauen. Doch alles kommt ganz anders, als die junge Frau es sich vorgestellt hat ...


    Ich habe eine Weile gebraucht, um mich in Jettes Geschichte einzulesen. Über der ganzen Geschichte liegt eine unglaublich düstere Atmosphäre, die sich erst gegen Ende lichtet, das hat mich sehr bedrückt und mir die Lektüre zunächst nicht leicht gemacht. Dennoch machen Jettes Erlebnisse so neugierig darauf, wie es weitergeht, dass man die Lektüre kaum unterbrechen mag. Jette erzählt ihre Geschichte selbst, was nicht jedermanns Sache ist, für mich aber gut funktioniert hat. Über manche sprachlichen Ausdrücke zB Neger oder Hottentotten, bin ich zunächst gestolpert, jedoch waren das zu der Zeit, zu der das Buch spielt, gebräuchliche Ausdrücke für die Afrikaner in den Kolonien, zudem geht die Autorin darauf auch noch ausführlich in ihrem Nachwort ein.


    Das Buch ist sehr realistisch geschrieben, und ich konnte mich so gut einfühlen, dass ich es mehrmals am liebsten an die Wand geworfen hätte - nicht, weil es mir nicht gefallen hat, sondern weil ein Teil der Protagonisten so borniert, arrogant, grausam und unerträglich ist, dass ich es kaum aushalten konnte. Immer wieder werden Anspielungen auf die kommenden Ereignisse gemacht, so dass ich mich vom Buch selbst gespoilert fühlte. Das Ende ist wider allen Erwartens jedoch anders als befürchtet und hat wirklich gut gepasst. Anders hätte es eigentlich nicht sein können.


    Das schon erwähnte Vorgreifen auf zukünftige Geschehnisse war ein kleiner Punkt, der mich persönlich an dem sonst guten Buch gestört hat - ich lese selten Klappentexte oder Diskussionen zu Büchern, die ich noch nicht kenne, weil ich mir nicht die Überraschung verderben möchte, nur hatte ich hier gar keine Chance, einer Vorwegnahme aus dem Weg zu gehen, da in der Geschichte selbst schon zu viel Inhalt vorweg verraten wird, meiner Meinung nach.


    Das tut meiner insgesamt guten Meinung über das Buch jedoch keinen Abbruch, denn man kann hier ganz wunderbar verfolgen, wie aus einem egoistischen Mädchen eine deutlich gereifte junge Frau wird. Ich vergebe 4ratten und hoffe, dass das Buch seine Leser finden wird. Ich kann mir vorstellen, dass es die Geschichte bei der momentanen Trendlage im Jugendbuchsektor schwer haben wird.

    Liebe Grüße,<br />Verena<br /><br />&WCF_AMPERSAND"Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben?&WCF_AMPERSAND" Gandalf in &WCF_AMPERSAND"Die Gefährten&WCF_AMPERSAND", J.R.R. Tolkien

  • Inhalt
    Nach dem Tod ihres Vaters kommen Henrietta und ihre Mutter mehr recht als schlecht durchs Leben und Henrietta kann ihren Traum, Lehrerin zu werden, begraben. Eine Notlüge bringt Henrietta und eines Tages vom verhassten Dasein als Dienstmagd auf einem Hof auf ein Schiff Richtung Afrika. Um ihre Tochter zu schützen, hat nämlich deren Mutter das Heiratsangebot eines Missionars aus Afrika angenommen.


    Dort angekommen muss Henrietta bald erkennen, dass ihre Träume und Vorstellungen so gar nicht der Wahrheit entsprechen und als ihre Mutter schließlich stirbt, verlässt Henrietta das Dorf, um ihren eigenen Weg zu gehen. Doch es wird ein schwieriger Weg, denn auch die Bekanntschaften, die sie auf dem Schiff gemacht hatte und deren Hilfe und Zuspruch sie nun erhoffte, haben ihre eigenen Sorgen. Und für das afrikanische Volk gehört sie zu den Eindringlingen, die ihnen ihre Freiheit genommen haben. Nur der Afrikaner Petrus ist auf ihrer Seite. Doch eine Weiße kann mit einem Schwarzen nicht einfach befreundet sein.


    Meine Meinung
    Ich liebe die Romane von Gina Mayer, die immer in einer schönen und bildhaften Sprache geschrieben sind. Auch wenn sie hier nach meinem Empfinden insgesamt ein bisschen einfacher gehalten ist, als in den Erwachsenenbüchern, so macht das ihrer Intensität keinen Abbruch. Die Worte berühren und wecken Emotionen und lassen dabei ein lebendiges Bild der handelnden Personen vor den Augen entstehen.


    Und dieser Roman weckt sehr viele Emotionen. Besonders durch die erniedrigende und würdelose Behandlung der afrikanischen Bevölkerung durch die Weißen. Da kochte sehr oft die Wut in mir hoch. Gina versteht es sehr gut, die überhebliche und ignorante Einstellung der Weißen rüberzubringen, gleichzeitig damit aber auch zu zeigen, wie normal dies damals einfach war. Dazu gehört auch, dass man für die heutige Zeit abwertende Worte wie Neger, etc. im regelmäßigen Wortschatz der Protagonisten findet. So findet sich diese Einstellung auch in Henrietta wieder, wenn auch in viel schwächerer Form, da sie sowieso schon ein rebellischer Typ ist, der sich eigene Gedanken macht, und mit der Zeit auch aus der Entwicklung der Geschichte heraus eine andere Einsicht erhält. Trotzdem musste ich anfangs immer mal wieder über ihre Worte oder ihr Verhalten schlucken, auch wenn sie dadurch natürlich sehr authentisch wirkte und ich sie ja sehr mochte.


    Überhaupt machte es mir Henrietta anfangs nicht leicht. Sie wirkte etwas egoistisch und mir tat es manchmal leid, wie sie ihre Mutter behandelte oder sogar am liebsten verleugnete, auch wenn ich ihre Gründe dafür verstehen konnte. Doch ist auch die Mutter ein Opfer ihrer Zeit und hat im Gegenzug zu Henrietta nicht den Ehrgeiz, ihre Situation zu verändern. Manchmal hätte ich mir ein bisschen mehr Verständnis ihr gegenüber gewünscht, andererseits ist Henrietta ein junges Mädchen, dass sich freischaufeln und ihr eigenes Leben nach ihren Vorstellungen führen will und dies ist ja auch das, was sie schließlich antreibt und den gefährlichen Weg durch das fremde Land gehen lässt. Und diese Entwicklung als Leser zu verfolgen, war sehr schön.


    Ihr enttäuschendes Leben in der Mission, ihr Zusammenleben mit Einheimischen, die gefahrvolle Flucht durchs Land und die Natur, die Zusammentreffen mit unterschiedlichen Menschen unterwegs, die Wiedersehen mit Bekannten vom Schiff und schließlich die Entscheidung über ihre weitere Zukunft, werden fesselnd und spannend geschildert. Andeutungen über die Zukunft zeigen zwar überwiegend ein eher düsteres Bild und verstärken die eher bedrückende Stimmung, die über der Geschichte liegt, doch zogen sie mich auch von Seite zu Seite, weil ich unbedingt wissen wollte, warum dies und jenes wohl so kommen wird. Aber auch wenn das Thema eher traurig ist, gibt es auch kleine schöne Momente und ein Ende, das auch wieder ein neuer versöhnlicher Anfang ist.


    Das Buch ist zwar ein Jugendbuch, aber auf jeden Fall auch jedem Erwachsenen ans Herz zu legen.


    5ratten


    (Im direkten Vergleich zu den Erwachsenenbüchern der Autorin, bekäme es eine Ratte weniger, weil ich diese einfach als noch intensiver und mit mehr Tiefe empfinde, aber diesen Vergleich bewerte ich ja hier nicht. Aber zur Info für diejenigen, die sich für Bücher der Autorin interessieren. )

  • Henrietta ist nach dem Tod ihres Vaters ganz schön auf sich alleine gestellt, ebenso wie die Mutter. Die beiden leben zur vorletzten Jahrhundertwende in einem ärmlichen und stark pietistisch geprägten Stadtteil Wuppertals. Nachdem der große Traum der 16jährigen Henrietta, ebenso wie der Vater eine Lehrerausbildung zu machen, platzt, da die Mutter das hierfür gesparte Geld schlicht zum Überleben brauchte, nimmt noch mehr Tragik seinen Lauf. Um der tristen Aussicht auf dem Nachbarhof zu entgehen, erfindet das Mädchen eine Notlüge, die ihre Mutter und sie selbst in weitere Schwierigkeiten bringt. Mutter und Tochter wandern nach Namibia aus, ohne die geringste Ahnung zu haben, auf was sie sich dort einlassen...


    Gina Mayer hat mit diesem Buch wieder einmal ein sehr atmosphärisches Buch geschrieben, bei dem ich mich sehr gut in die überaus schwierige Lage Henriettas einfühlen konnte. Mir war dieses Mädchen auf Anhieb sympathisch, obwohl sie kein einfacher und vor allen Dingen kein fehlerfreier Charakter ist - aber das wäre auch viel zu einfach. Henrietta und ihre Mutter sind Gefangene der damaligen Umstände; die eine wagemutiger und forscher, die andere nimmt sich selbst so sehr zurück, dass es einem schon fast wehtut. Beide sind von ihrer Zeit geprägt - vom unabänderlichen Glauben an Gott, einem unfassbar grausamen Rassismus, der in den Kolonien herrscht, und dem Sexismus, der allgegenwärtig ist. Henrietta begegnet dabei immer wieder Menschen, die besonders von einer dieser menschenverachtenden Ansichten betroffen sind und sie versucht durchaus, ihre eigenen Ressentiments zu überwinden - aber letzten Endes werden ihr die Grenzen der damaligen Zeit nicht nur einmal aufgezeigt.
    Im Übrigen ist die Sprache der Figuren im Buch folgerichtig so, wie sie es damals war. Das bedeutet, dass rassistische Begrifflichkeit und Bezeichnungen im Gebrauch sind - aber nicht ohne eine Erklärung in Fußnoten. Auch wenn ich immer wieder schlucken musste, so finde ich dies sehr gut - wenn ich mir überlege, dass vor einigen Jahren solch verachtende Worte wie Neger völlig üblich waren (und auch heute noch genügend Unverbesserliche zu diesen greifen)... Gerade Jugendliche sind da ja immer wieder völlig unüberlegt - oder einfach nur bescheuert - und benutzen solche Beschimpfungen einfach ohne zu wissen, was dahinter steht.
    Die meisten Entwicklungen, die Henrietta während der Geschichte nimmt, haben mir jedenfalls sehr gefallen und kamen mir zu keinem Zeitpunkt unrealistisch für die damalige Zeit vor - was übrigens für die ganze fortlaufende Geschichte gilt. So bleibt eigentlich nur zu sagen, dass dieses Buch von Anfang bis Ende super gelungen ist. Ich wünsche ihm jede Menge jugendliche LeserInnen, ebenso wie erwachsene. Denn zu solch einem Thema gibt es - jenseits zahlreicher Eskapismus-Schinken - leider viel zu wenig Romane! Zudem ist es so toll geschrieben, dass es sich nicht in einem Jugendbuchregal zu verstecken braucht.


    5ratten


    Mir geht es ganz ähnlich wie Heimfinderin: die Erwachsenenromane der Autorin sind noch etwas dichter, haben mehr Personal und einfach ein paar Wendungen mehr. Nichtsdestotrotz finde ich, dass dieses Buch aufgrund seiner Altersfreigabe nicht hinter den anderen zurückstehen soll. Es ist für Jugendliche und eben auch für Erwachsene, die nicht vor Jugendliteratur zurückschrecken - aber eben auch nicht vergessen sollten, dass Die Wildnis in mir ab 13 Jahren gelesen werden kann.


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Hallo Ihr Lieben,


    Die 16jährige Henrietta und ihre Mutter fristen, nach dem Tod des Vaters, ein eher ärmliches Dasein in Wuppertal um die Jahrhundertwende. Nachdem das Geld für Henrietta's großen Traum auch der Not zum Opfer fällt und Henrietta ihrer Mutter eine Lüge auftischt, entschließt sich diese doch nach Namibia auszuwandern und dort einen ihr bis dato fremden Mann zu ehelichen. Jedoch haben die beiden Frauen keine Ahnung von den Herausforderungen, die sie in Afrika erwarten.


    Das Buch ist aus der Ich-Perspektive von Henrietta in Form einer Rückblende geschrieben. Durch diese Rückblenden erahnt man als Leser so schon ziemlich bald, dass die Geschichte keinen guten Lauf nehmen wird. Ich kann bis jetzt immer noch nicht wirklich sagen, ob ich diese Erzählweise gut oder nicht gut finde. Durch die Ankündigung von düsteren Geschehnissen, habe ich mich oft auf das Schlimmste eingestellt und war dann teilweise doch erleichtert, dass es nicht ganz so schlimm geworden ist bzw. auf vieles schon vorbereitet. Ich weiß nicht, ob ich sonst aufgrund einiger schlimmen Vorfälle viel geschockter gewesen wäre!


    Henrietta ist ein 16jähriger Teenager und das merkt man. Man merkt jedoch auch anhand der Rückblenden, dass Henrietta erwachsen geworden ist bzw. erwachsen werden musste und im Nachgang viele Dinge von sich selber viel kritischer sieht und sich selber auch schonungslos verurteilt. Gleichzeitig muss man jedoch sagen, dass auch ihre Mutter nicht immer so reagiert, wie man es sich wünschen würde und die oft fehlende oder falsche Kommunikation zwischen den Beiden hat mich oft hilflos den Kopf schütteln lassen. Gleichzeitig spiegelt natürlich das Verhalten erstens sehr gut die Charaktere wieder und zweitens die damaligen Auffassungen zum Thema Umgang mit Kindern.


    Die Umgebung in Wuppertal und dann schließlich vor allem Afrika sind sehr gut und sehr detailliert beschrieben. Gerade das Erblühen der Pflanzen nach dem großen Regen wurde so wunderbar geschildert, dass ich alles bildlich vor mit sehen konnte und an diverse Dokumentarfilme darüber erinnert wurde! Sehr gut hat mir auch die Entwicklung von Henrietta und die detaillierte Beschreibung von Petrus gefallen.


    Ein großes Thema, dass ganz klar und sehr gut thematisiert wurde, ist die Rassentrennung und das Denken der Weißen, das sie etwas Besseres als die Schwarzen seien. Auch Henrietta hat dieses Gedankengut, macht jedoch im Laufe des Buches eine große Entwicklung durch und sieht schließlich doch ziemlich viele Dinge sehr kritisch und anders. Es ist immer wieder erschreckend mit welcher Arroganz die Weißen das Land an sich gerissen und die ursprüngliche Bevölkerung gedemütigt bzw. von oben herab behandelt haben. Gerade wegen diesem Thema finde ich es sehr gut, dass das Buch als Jugendbuch geschrieben wurde und hoffe, dass es viele Jugendliche zum Nachdenken anregen wird.


    Die Sprache ist entsprechend eines Jugendbuches relativ einfach gehalten, Fremdwörter werden gleich erklärt und es liest sich sehr schnell weg. Nur der Inhalt des Buches ist teilweise nicht so leicht zu verdauen und eine gewisse depressive Grundstimmung hat mich das gesamte Buch über gefangen gehalten. Das Ende macht zwar zum Teil Hoffnung, ist aber zum Teil auch sehr hart, nur leider das einzig realistische Ende, das sein konnte.


    Alles in allem ein gutes Buch, dass mich stark zum Nachdenken gebracht und mich noch lange beschäftigt hat. Dafür gibt es 4ratten


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Ich hatte mir dieses Buch eigentlich für die Leserunde drüben gekauft, aber konnte dann zeitlich nicht daran teilnehmen.
    Nun habe ich es aber in meinem Wellnesswochenende in einem Rutsch durchgelesen ;)


    Mir hat das Buch sehr sehr gut gefallen. Gina Mayer schildert eine interessante Geschichte, die einer jungen Frau, die mit ihrer Mutter nach Südwest-Afrika (heutiges Namibia) auswandert, um dort ihr Glück zu finden. Doch dann steht sie plötzlich fast alleine da - und verliebt sich auch noch in ihren schwarzen Begleiter.


    Was auch heute im südlichen Afrika noch ziemlich verpöhnt ist, erzählt Gina Mayer mit einer Natürlichkeit. Henrietta macht sich anfangs noch die Illustion, sie könne mit Petrus gemeinsam leben. Selbst heute wäre dies fast unmöglich, und wenn möglich doch schwer umsetzbar.


    Dieses Buch zeigt, dass sich im letzten Jahrhundert diesbezüglich eigentlich wenig getan hat.


    Besonders habe ich bei der Route Oranje-Fluss bis Stellenbosch mitgefiebert und mitgelebt, da ich bei meinem Südafrika-Aufenthalt genau diese Route ebenso abgegrast habe. Wobei ich natürlich um einiges komfortabler gereist bin. Man muss es sich mal vorstellen: Stellenbosch - Alexander Bay (bis zur namibischen Grenze) und zurück habe ich in 3 Tagen bereist... Henrietta hat dafür Wochen gebraucht. Und in diesem öden Land, das tatsächlich heute immer noch sehr öde ist (zumindest nördlich von Clanwilliam), hätte ich ohne Proviant sicherlich nicht überlebt.


    Ein schönes Buch, das nicht nur für Jugendliche geeignet ist.


    5ratten