Jonas Jonasson - Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

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  • Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
    Hundraåringen som klev ut genom fönstret och försvann
    10 Minuten vor Beginn seiner Geburtstagsfeier beschließt Allan Karlsson kurz entschlossen, dass er keine Lust auf die Gesellschaft hat. Ohne Vorbereitung steigt er aus dem Fenster und ergreift die Flucht vor dem Heim, dem Pflegepersonal und der Feier.


    Allan ist ein Freund spontaner Handlungen, die ihn und alle um ihn herum sehr schnell in einen Strudel grotesker Ereignisse reißen…


    Ganz zu Beginn des Buches nervte mich das Stilmittel der Wiederholung, und ich hatte Bedenken, ob das was für mich ist. Aber dann hat mich die Geschichte doch gepackt. Mit leichter Hand und einem verschmitzten Augenzwinkern wird hier generös fabuliert. Eine wahre Räuberpistole mit Diebstahl, Mord & Totschlag und allerhand weiteren fragwürdigen Begebenheiten. Besonders die Rückblicke in das Leben Allans mit all seinen merkwürdigen Stationen und Begebenheiten fand ich sehr unterhaltsam. Der in der Gegenwart handelnde Strang enthielt zum Schluss hin irgendwie zu viele Personen in der Clique um Allan für meinen Geschmack.


    Nichts für Leute, die logische, realistische Bücher bevorzugen. Wer nicht darüber lachen kann, dass einem in Schweden ein Elefant zuläuft wie andernorts vielleicht eine Katze, der sollte lieber was anderes lesen. :smile:


    4ratten


    Bechdel-Test: :pueh:


    (Ich hätte das Buch im Bereich "Abenteuer" einquartiert.)

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Jonas Jonassons sehr schräger Humor hat genau meinen Geschmack getroffen, gerade weil er an etlichen Stellen so übertrieben daher kam. Phasenweise hat mich zwar Allans Lebensgeschichte, die im Rückblick erzählt wurde, etwas gelangweilt und ich verfolgte sehr viel lieber die aktuelle Entwicklung der Räuberpistole. Aber dieses Gefühl der Langeweile hielt sich absolut in Grenzen und wurde durch die rasche Entwicklung und die eingebaute und manchmal etwas versteckte Situationskomik wieder wett gemacht.


    Dieser kautzige und sehr liebenswerte Alte hat es irgendwie geschafft, sich in mein Leserherz zu schleichen und sein Lebensmotto ("Es ist wie es ist und es kommt wie es kommt") erinnert mich nicht nur sehr stark an das Kölsche Grundgesetz, sondern ist mir ebenfalls sehr sympathisch und ich sollte mir von seiner abgrundtief positiven Gelassenheit eine dicke Scheibe abschneiden :breitgrins:


    Fazit: Ein absolutes Lesevergnügen für Leute, die schrägen Humor mögen :daumen:


    4ratten

    Liebe Grüße, <br />Maria

  • Inhalt:


    Der Schwede Allan Karlsson steigt an seinem 100. Geburtstag aus dem Fenster seines Altenheims in Malmköping und macht sich aus dem Staub. Er verspürt so gar keine Lust auf die geplanten Feierlichkeiten mit lokaler Prominenz und Presse, zumal er gewisse Differenzen mit der energischen Altenpflegerin Alice hat. Eine Flucht vor dem Ganzen erscheint ihm da schon deutlich spannender.


    Im Reisezentrum klaut er dann einem unsympathischen jungen Mann spontan einen Koffer und fährt in einem Reisebus davon. Er landet in Byringe Bahnhof, mitten im Wald, wo der 70-jährige Kleinganove Julius Jonsson lebt, der Allan erst einmal Einlass gewährt. Im Laufe der Nacht fließt der Alkohol in Strömen und die beiden betagten Herren freunden sich an. Ihr Trinkgelage wird von dem Besitzer des Koffers unterbrochen, der diesen gerne wieder hätte. Aufgrund eines unglücklichen Zwischenfalls sind die beiden Freunde schließlich gezwungen, möglichst unauffällig eine Leiche zu beseitigen. Bei dieser Gelegenheit lernen sie den Imbissbudenbesitzer Benny Ljungberg kennen, der so ziemlich alles studiert hat, was man studieren kann, aber leider keinen einzigen Abschluss besitzt. Spontan engagieren sie ihn als Chauffeur. Auf der Flucht vor der Polizei lernen die drei Freunde schließlich noch die attraktive Gunilla Björklund kennen, die mit Schimpfwörtern nur so um sich wirft und sich einen Elefanten namens Sonja als Haustier hält.


    Aus der Flucht des Alten wird ein großes, nationales Medienereignis, die unwahrscheinliche Clique spielt Katz und Maus mit ihren Verfolgern, zu denen neben Polizei und Staatsanwaltschaft auch noch ein gefährlicher Gangsterboss gehört…


    Meine Meinung:


    Jonas Jonassons Debütroman erzählt die skurrile, schräge Lebensgeschichte eines Hundertjährigen, die sicherlich nicht jedermanns Humor trifft. Ich persönlich habe mich jedoch beim Lesen köstlich amüsiert. Der trockene, stellenweise schwarze Humor des Romans traf meinen Geschmack ziemlich gut und die Diskrepanz zwischen der vornehmen Ausdrucksweise des Erzählers und der abstrusen Handlung lässt die Geschichte herrlich komisch wirken, besonders in Kombination mit den zuweilen zynischen Dialogen.


    Der Autor verwebt zwei Handlungsstränge miteinander: Passagen, die in der Gegenwart spielen und in denen wir Allan und seine Freunde auf ihrer Flucht begleiten, wechseln sich ab mit Passagen, die von der turbulenten Vergangenheit des Protagonisten erzählen. Durch viele haarsträubende Zufälle wird Allan im Laufe seines langen Lebens oft Zeuge von bedeutenden politischen Ereignissen auf der ganzen Welt, wird oft sogar aktiv in sie verwickelt – und das, obwohl er sich eigentlich so gar nicht für Politik interessiert. Der Protagonist begegnet zahlreichen wichtigen Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, unter anderem haben Stalin, Truman, Mao und Churchill ihren Auftritt und spielen eine Rolle in der ereignisreichen Lebensgeschichte des Allan Karlsson. Auf diese Weise kann der Leser gemeinsam mit Allan einen Streifzug durch die neuere Weltgeschichte unternehmen. Die Handlung ist natürlich alles andere als realitätsnah, aber dafür zumeist unterhaltsam, kurzweilig und sprühend von Ideen.


    Die Charaktere sind allesamt sehr verschroben und gerade deshalb auch sehr liebenswert gezeichnet – und außerdem typisch schwedisch. Besonders den Hauptprotagonisten mit seiner etwas exzentrischen, aber stets gelassenen Art (Motto: „Es ist wie es ist, und es kommt wie es kommt.“) habe ich ins Herz geschlossen.


    Das Buch ließ sich aufgrund des einfach gehaltenen Schreibstils sehr flott weglesen, nur zum Ende hin gab es nach meinem Empfinden ein paar Längen in den Passagen, die in Allans Vergangenheit spielen, was meinen positiven Gesamteindruck leicht geschmälert hat. Für ein paar vergnügliche Lesestunden gibt es von mir


    4ratten

    :lesen: Joe Navarro - Menschen lesen

  • 4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Allan Karlsson, 100 Jahre alt, reicht's. Er hat keine Lust mehr auf Haferbrei, Vorschriften wann er was wo essen darf und generell behandelt zu werden wie ein kleines Kind. Also klettert er an seinem 100. Geburtstag kurzerhand durch's Fenster seines Zimmers im Altenheim und macht sich auf den Weg: Es kommt eh wie es kommt - seine Lebensmaxime, mit der er die letzten 100 Jahre ganz gut gefahren ist. Auf seinem Weg nach irgendwohin packt es ihn plötzlich und er stiehlt einem jungen nervigen Mann dessen Koffer. Dumm nur, dass dieser bis oben hin mit Geld gefüllt ist und der junge Mann ihn um jeden Preis wieder zurückhaben will. Dass es hierbei zu diversen Komplikationen kommt, versteht sich sicherlich von selbst, doch Allan Karlsson trifft unterwegs auf einige Menschen, die ihm durchaus wohlgesonnen sind und ihm hilfreich zur Seite stehen - wobei die Aussicht auf einen Anteil am Koffervermögen vermutlich auch dazu beiträgt.
    Es ist eine wirklich humorvolle, aberwitzige Geschichte, wobei im Wechsel auch die Lebensgeschichte Allans erzählt wird, die nicht weniger unterhaltsam und abenteuerlich ist als das momentane Geschehen. Das Alles ist nicht unbedingt realitätsnah, aber wie meinte schon der Großvater des Autors im Vorwort: 'Wenn ein'n man jümmers bloß die Wohrheit vertellt, denn is dat de Tid nich wert, dat je em tohört.' Die handelnden Personen sind durchweg liebenswert dargestellt, und wenn auch so mancher Toter den Weg der Gruppe pflastert, drückt man doch allen fest die Daumen, dass sie mit der Sache durchkommen.
    Der Schreibstil ist etwas gewöhnungsbedürftig: recht schlicht, fast schon naiv, passt aber in idealer Weise zur Art der Hauptperson Allan und man fühlt sich nach einigen Seiten auf du und du mit ihm. Es waren ein paar vergnügliche Lesestunden, die (zumindest bei mir) ein ständiges Schmunzeln verursachten.

    Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden.&nbsp; &nbsp; Ludwig Feuerbach (1804 - 1872)