Markolf Hoffmann - Das Flüstern zwischen den Zweigen
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Erstveröffentlichung in Deutschland: 2011
Verlag: Shayol
Seiten: 178
Bindung: Taschenbuch
Klappentext:
Mit leisem Rauschen warnen und locken die Stimmen zwischen den Zweigen. In acht Erzählungen führt Markolf Hoffmann seine Leser in das Grenzland zwischen Mensch und Natur, wo Geister und Fabelwesen geboren werden, wenn die Vorstellungskraft ins finstere Herz des Waldes vordringt. Druiden besuchen ein Dorf, um die kleinen Jungen fortzuholen, die der rachsüchtige Forst als Tribut fordert. Ein Elf erweist sich als fremdartiger, als seine menschlichen Gastgeber erwartet haben. Ein kindlicher Traum von der Einheit mit der Natur wendet sich ins Grausame. Ein Botschafter dringt in die Weiten der Steppe vor, um die Wahrheit über die gefürchteten Halbmenschen zu erfahren, die sein Kaiser auf ewig vertrieben wähnte … Hoffmanns Fantasymotive wirken vertraut, doch mit jedem weiteren Schritt ins Unterholz erscheinen sie älter, knorriger und fremder, als wir sie bisher kannten.
Markolf Hoffmann ist Autor des bei Piper erschienenen vierteiligen Fantasy-Zyklus Das Zeitalter der Wandlung. Mit Das Flüstern zwischen den Zweigen liegt die erste Sammlung seiner Fantasy-Erzählungen vor.
Meine Meinung:
Zwar gehören Kurzgeschichten nicht zu meinem bevorzugten Lesestoff, aber da Markolf Hoffmann seit seiner überragenden Fantasy-Tetralogie "Das Zeitalter der Wandlung" zu den Autoren gehört, denen ich besondere Beachtung schenke, traute ich es ihm zu, mich auch mit einem Erzählband fesseln zu können. Gemeinsam mit Boris Koch und Christian von Aster ist der Autor jeden zweiten Donnerstag in Berlins "Stirnhirnhinterzimmer" anzutreffen - "ein Raum jenseits der tristen Korridore des Alltags".
"Das Flüstern zwischen den Zweigen", sowohl Buchtitel als auch Titel einer der Erzählungen, ist ein Reigen von acht geheimnisvollen, mystischen und rätselhaften Geschichten, die sich in unbekannten phantastischen Welten zum gemeinsamen Tanz einfanden. Stilistisch bedient sich Hoffmann mal eines Ich-Erzählers, mal der distanzierteren Erzählperspektive der dritten Person, wagt dabei keine seiner sprachlichen Experimente, sondern vertraut einzig auf die Wirkung seiner Geschichten.
"Meine Jagd" ist die eher ironische, boshafte und skurrile Erzählung eines Dämonenjägers, der den Fehler begeht, nur einen Auftrag zu erledigen. In "Der Mann aus dem Wald" kämpft der Mensch gegen die Natur und es ist wie immer fraglich, ob die Menschen letztendlich als Sieger hervorgehen, wenn sie die letzte Schlacht gewinnen. Die Dorfbewohner nennen es "Der Fluch im Farn", denn alljährlich wird eines ihrer Kinder von Druiden in ein ungewisses Schicksal in den Wald entführt.
Der Wald. Fast immer ist es der Wald, um den sich das Herz der Geschichte rankt. Markolf Hoffmann erzeugt Atmosphäre und bald glaubt man, das Flüstern der Blätter im Wind zu hören:
"Der Wald wird lichter. Statt der Gräser umwehen Farnbüschel meine Knöchel. Die Blätter sind dunkelgrün, ihre Spitzen bewegen sich wie Finger. Je weiter wir gehen, desto ungezähmter wuchern die Farne. Sie werden mannshoch, so dass ich kaum über sie hinwegblicken kann. Oder bin ich es, der mit jedem Schritt kleiner wird?"
Doch ein solcher Autor benötigt keinen Wald, um den Leser in seiner Geschichte versinken zu lassen. "Am Strand" geschehen grausame Taten aus Verzweiflung - und jede zieht weitere grausame Taten nach sich.
"Ich höre sie noch immer, die Wellen. Wenn ich erwache aus dunklen Träumen, deren Sinn der Schlaf mir entrissen hat, dann höre ich sie aus der Ferne heranrollen, mit dumpfem Plätschern nach dem Land greifen und sich an der Küste brechen."
"Das Flüstern zwischen den Zweigen", so der Titel der fünften Kurzgeschichte, berichtet von aus der Art geschlagenen Elfen, die Unglück über die Welt bringen. Diese Geschichte birgt sehr viel Erzählpotential und ist dennoch so pointiert geraten und bietet so viel Atmosphäre, dass man mit den Charakteren mitfiebert und mitleidet. In "Die Kerker von Abîme" erscheint der namenlose Erzähler wie ein Spieler, der süchtig nach der Jagd ist. Irgendwann wird er sein Glück finden. Irgendwann. Nur noch ein Versuch. Nur noch einmal....
"Feenholz", eine sehr tragische und traurige Geschichte, wurde rasch zu meiner Lieblingserzählung des Buches. Sie passiert überall. Täglich. Tausend, ja sogar millionenfach. Nicht mit Feen, aber mit Kälbern, die direkt nach der Geburt von ihren Müttern getrennt werden. Kälber, die schreien vor Sehnsucht, wobei sich der gefangenen Fee nur ein Seufzer entrang. Sie geschieht mit Gänsen, denen Stahlrohre so tief in den Schlund geschoben werden, dass innere Organe dabei verletzt werden - nur um die Delikatesse Stopfleber zu gewinnen. Sie passiert auch mit Schweinen, die sich nicht bewegen dürfen, damit sie schnell fett werden. Bienenköniginnen werden die Flügel beschnitten, um den Stock am natürlichen Schwärmen zu hindern ....
Den Abschluß bildet "Grenzland" mit einem "richtigen" Ende, denn im Gegensatz dazu waren die vorangegangenen Geschichten offen und mit sehr viel Deutungsspielraum und Stoff zum Nachdenken. Außerdem ist die Auflösung hier auch weniger düster und traurig.
Niemals weiß man so genau, welche Seite gut, welche böse ist und auch nach dem jeweils letzten Satz muss man erst noch eine Weile darüber nachdenken und kommt vielleicht doch zu einem anderen Schluß, wie jemand, der die gleichen Zeilen gelesen hat. Düstere Geschichten und düstere Legenden mit bekannten Figuren der Phantastik - eine empfehlenswerte Kurzgeschichtensammlung für anspruchsvolle Leser.