Thomas Willmann - Das finstere Tal

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 2.785 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Ich habe hin und her überlegt, in welcher Kategorie ich diesen Thread eröffnen soll, Historisches (weil es im 19. Jh spielt), Krimi (wegen der Todesfälle), Abenteuer (wegen der Westernelemente), aber nichts davon passte wirklich und so landet das Buch bei den Sonstigen.


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    Ein abgeschiedenes Alpental, Ende des 19. Jahrhunderts im Spätherbst. Das Tal wird von einer bestimmten Familie beherrscht und so ist sie es auch, die entscheidet, ob und wer dem Fremden, einem Maler, der kurz vor Wintereinbruch im Tal ankommt, das gewünschte Winterquartier anbietet.


    Thomas Willmann dankt in seinem Nachwort Ludwig Ganghofer und Sergio Leone und tatsächlich ist ihm mit „Das finstere Tal“ eine äußerst lesenswerte Mischung aus Heimatroman und Western gelungen. Die Kulisse in diesem Roman entspricht einem typischen Heimatroman: hohe Berge, ein einfaches Leben, Gottesfürchtigkeit, verschlossene Einheimische. Dem gegenüber stehen die Westernelemente: die alles beherrschende RancherBauernfamilie, gegen die sich aufzulehnen, die Vorstellungskraft der Bewohner sprengt und der Fremde, der ins Dorf kommt und dessen Intentionen und Pläne der Dorfgemeinschaft nicht nur unbekannt, sondern auch fremd sind.


    Das Buch beginnt langsam, der Autor beschreibt in aller Ruhe das Tal und seine Bewohner, alles aus dem Blickwinkel eines Fremden und somit distanziert, der Erzähler maßt sich nicht an, die Gefühle seiner Figuren zu kennen, sondern schlussfolgert sie höchstens aus ihrem Verhalten, wobei der Fremde ebenso von außen beschrieben wird, so, wie er den Dorfbewohner erscheinen muss. Doch ab der Mitte erfährt man etwas aus seiner Vergangenheit und plötzlich ergeben sich ganz neue Interpretationen für bestimmte Geschehnisse und Verhaltensweisen und die Geschichte nimmt Tempo auf.


    Ich hätte nicht vermutet, dass dieser Genremix tatsächlich funktioniert und dass er es so gut tut, liegt zu einem großen Teil sicherlich an Willmans Stil. „Das finstere Tal“ ist für mich auch ein sprachlich sehr gelungener Roman, dessen Beschreibungen den Leser tief in die Welt dieses Alpentals abtauchen lassen. Die Wortkargheit der Talbewohner spiegelt sich auch im Mangel an Dialogen und deren Kürze wieder, wobei der verwendete Dialekt den Eindruck der Abgeschiedenheit noch verstärkt.


    Der Autor erklärt in einem Interview, sein nächster Roman würde etwas völlig anderes, ich bin mir aber fast sicher, dass seine Qualitäten genreunabhängig sind und ich bin jetzt schon neugierig, was noch von ihm erscheinen wird.


    :tipp:
    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Danke fürs Vor-Lesen, auch wenn dabei keine Lücke im Regal herausgekommen ist. Klingt jedenfalls wirklich interessant, ich nehm's dann also nächsten Monat gerne zurück :breitgrins:

  • Obwohl die Handlung einfach ist wie im Märchen und auch die Stimmung tatsächlich irgendwie an "Spiel mir das Lied vom Tod" erinnert, hat mich diese Geschichte sehr gefesselt. Es ist wirklich Kino-im-Kopf, was hier vermittelt wird und eine schöne Geschichte für's Herz, trotz der Grausamkeiten und Schwarz-Weiß-Malerei. Auf jeden Fall lesenswert!


    4ratten

  • Hallo im Forum, hallo Vorredner!
    Gut und treffend rezensiert. Kann ich alles bestätigen. Ich war begeistert und habe dies in meinem Buchladen weitergegeben. Eine irre stimmige Mischung von Ganghofer und Sergio Leone, wie gesagt.
    Jetzt bin ich gespannt auf die Verfilmung, sie kommt demnächst in die Kinos.
    Ich weiß, das ist immer zwiespältig, aber muss ihn sehen.
    mfg
    kHW

  • Ich lese es gerade und bin völlig gefangengenommen von dieser Atmosphäre. Die sparsamen, aber prägnanten Dialoge, die Beschreibung der Leute und des Dorfes aus der distanzierten/beobachtenden Sicht von Greider. Es braut sich zusammen, wie die Schneefront die über die Berge heranzieht. Ich liebe Bücher, die so ungekünstelt sind und mich so mitnehmen können. Ich weiß jetzt schon, dass ich danach wieder viel Sonnenschein brauche, ähnlich wie es mir mit "Schlafes Bruder" und "Die Wand" gegangen ist.

    ~ es gibt andere Welten als diese ~<br /><br />SUB-Challenge<br />Start: 31.07.2014

  • Meine Meinung
    Die Atmosphäre im Dorf ist gut beschrieben: es sind nicht nur die hohen Berge die verhindern, dass das Licht ins Dorf kommt. Es sind auch die Söhne vom Brennerbauern, die das tun. Aber warum sie das tun und welche Rechnung der Fremde noch mit ihnen offen hat das habe ich erst ganz am Schluss verstanden.


    Trotzdem hat gerade diese Atmosphäre der Grund, warum ich das Buch im ersten Drittel fast abgebrochen hätte. Es schien nichts zu passieren und auch wenn es klar war, dass es aufgrund der Spannungen die im Dorf herrschten irgendwann zu einer Explosion kommen würde: ich war mir nicht sicher, ob ich so lange warten wollte.


    Der abrupte Genrewechsel hat mich überrascht. Aber er hat zumindest erklärt, warum es ausgerechnet dieses Dorf sein musste, in das der Fremde gekommen ist. Aber da war immer noch die Frage nach dem Warum, auch wenn ich mittlerweile eine Ahnung hatte, worum es gehen könnte.


    Das Ende war dramatisch, wie ich es erwartet hatte. Was aber an Geheimnissen ans Tageslicht kam, damit habe ich nicht gerechnet. Trotz der unterschiedlichen Handlungsorte und -stränge ist es eine stimmige Geschichte. Dass ich den Anfang als so lang empfunden habe, ist eine persönliche Sache.
    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:



    Der Autor erklärt in einem Interview, sein nächster Roman würde etwas völlig anderes, ich bin mir aber fast sicher, dass seine Qualitäten genreunabhängig sind und ich bin jetzt schon neugierig, was noch von ihm erscheinen wird.


    Hast du mittlerweile etwas anderes von ihm gelesen?

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hast du mittlerweile etwas anderes von ihm gelesen?


    Alle paar Monate fällt er mir wieder ein und ich gucke nach, aber bislang ist nichts anderes von ihm erschienen oder auch nur in irgendeiner Vorschau erwähnt :rollen: