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Auf einer Nordpolexpedition wird der englische Forscher Robert Walton mit seinem Schiff vom Eis eingeschlossen. Groß ist seine Überraschung, als er in dieser unwirtlichen Gegend in der Ferne einen Hundeschlitten vorbeiziehen sieht, der von einer riesenhaften Gestalt gelenkt wird. Alles wird noch seltsamer, als sich am nächsten Tag ein Mann dem Schiff nähert, der dem Tode durch Erfrieren nahe ist. Walton pflegt ihn und erfährt dabei die Geschichte dieses merkwürdigen Gastes.
Victor Frankenstein - so sein Name - hat in seiner Studienzeit in Ingolstadt das Rätsel des Lebens entschlüsselt und einen künstlichen Menschen geschaffen, von dem er sich aber im Moment der Schöpfung in Grausen abwendet. Dieses Abwenden treibt das unglückliche und für menschliche Augen unfassbar hässliche Monster weg von seinem Schöpfer.
Von einem schweren Nervenfieber gepackt, verbringt Frankenstein die nächsten Ingolstädter Monate in einem Dämmerzustand. Nach einer langwierigen Rekonvaleszenz plant er die Rückkehr ins heimatliche Genf, als ihn die Nachricht vom gewaltsamen Tode seines jüngsten Bruders erreicht. Frankenstein eilt zurück in die Schweiz, wo er seiner Kreatur wieder begegnet. Dies weckt einen schrecklichen Verdacht in ihm.
Auf einer einsamen Bergtour wird Frankenstein schließlich von seinem namenlosen Geschöpf gestellt und dazu gezwungen, sich dessen herzzerreißende Geschichte anzuhören. Unfähig sich den Menschen zu nähern, ohne Grauen und Gewalt zu erregen, reift in dem Ungetüm der Wunsch nach einer zweiten Schöpfung, ebenso abstoßend wie er selbst, mit der er fernab der Menschen seine Sehnsucht nach Liebe befriedigen will. Weigert sich Frankenstein ihm diesen Wunsch zu erfüllen, schwört das Geschöpf, schreckliche Rache an seinem abweisenden Schöpfer zu nehmen.
Mary Shelley hat mit Frankenstein in einem Moment den heute wohl bekanntesten Schauerroman verfasst, da diese Gattung ihren Zenit eigentlich schon überschritten hatte. Besonders gruselig ist Frankenstein nicht, denn das Monster - von dessen Karloffschen Bild des behäbigen, quadratköpfigen Riesen ich mich während der Lektüre kaum einmal befreien konnte, obwohl Shelley es ganz anders beschreibt - erzeugt vor allem Mitleid, wie es beerensammelnd und den Vögeln lauschend die ihm durch einen Zufall zugekommenen Leiden des jungen Werthers liest.
Bemerkenswert an der Darstellung der Entwicklung (und die eingebettete Ich-Erzählung des Monsters ist eine Art sehr kurzer Entwicklungsroman) ist für mich die Idee der sozialen Genese menschlichen Verhaltens. So mutmaßt das Monster an einer Stelle:
Zitatperhaps, if my first introduction to humanity had been made by a young soldier, burning for glory and slaughter, I should have been imbued with different sensations (S.125 der Penguin-Ausgabe)
Diese Idee wird nicht die ganze Zeit durchgehalten, aber immer wieder aufgegriffen und von verschiedenen Seiten beleuchtet.
Victor Frankenstein wird - bei aller Sympathie auch für dessen Schicksal - als jemand dargestellt, der sich sehr stark im Lamento über dieses Schicksal verliert. So bleibt die Reflexion des unnötigen und klar als anmaßend gekennzeichneten Schöpfungsprozesses merkwürdig unterbelichtet. Shelley gelingt es dadurch die moralische Bewertung der Auflehnung gegen die Ungerechtigkeiten des Schicksals zum größten Teil in einer bemerkenswerten Schwebe zu halten. Ob sich die Waage am Ende zugunsten des selbstsüchtigen Schöpfers oder des rachsüchtigen Geschöpfes senkt, darüber ist bei der Leserschaft wahrscheinlich keine Einigkeit zu erzielen.