Bibliotheca Reiner Speck - Ein Besuchsbericht.
Reiner Speck, Kölner Mediziner, hat neben dem Sammeln von hochwertiger Kunst, zwei weitere Sammelleidenschaften: Bücher von und über Marcel Proust sowie von und über Francesco Pretarca. Er hat inzwischen mehrere Tausend Bücher zusammengetragen, darunter befinden sich auch Originalbriefe Prousts, einige seiner berühmten Cahiers und von Proust signierte Bände. Pretarca ist mit einer Buchausgabe von 1331, wenn ich das richtig gesehen habe, vertreten. All diese Kostbarkeiten haben seit heute ein neues Zuhause. Die vielen Bände befanden sich bisher im Privathaus der Familie Speck. Um die Sammlung der Nachwelt zu erhalten, dachte Speck schon 2008 an ein eigenes Haus für seine Bücher, wie man im FAZ-Interview nachlesen kann.
Im Jahr 2011 wurde dazu in Köln-Müngersdorf eine am Stadtwald erbaute Villa erworben. Es handelt sich um ein "architektonisches Manifest" des im Jahre 2007 verstorbenen Star-Architekten O.M. Unger. Mir ist nicht genau bekannt, ob in diesem Haus jemals jemand privat gewohnt hat, die Einrichtung einer Dusche lässt mich dies fast vermuten, auch wenn man nach gut (spieß-)bürgerlichen Maßstäben dieses Haus als vollkommen unpraktisch ansehen müsste. Wikipedia klärt auf:
"Hier sollen auf die beiden Autoren und ihre Wirkungsgeschichte ausgerichtete Colloquien, Vorträge, Konzerte und Ausstellungen für interessierte Kreise stattfinden.", wie es auf der edlen Büttenpapier-Einladung zur heutigen Bibliothekseröffnung heißt. Das Haus steht nicht der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung, aber doch dem interessierten Wissenschaftler oder neugierigen Proustianer.
Als Mitglied der etwa 500 Mitglieder umfassenden deutschen Marcel-Proust-Gesellschaft, deren Vorsitzender und Mitbegründer Professor Reiner Speck ist, durfte ich der feierlichen Einweihung zusammen mit wenigstens 100 weiteren Gästen heute beiwohnen. Neben zwei von renommierten Wissenschaftlern gehaltenen Vorträgen zu Petrarca (von Karlheinz Stierle) und Proust (von Jürgen Ritte) gab es als besonderen Höhepunkt den Besuch des französischen Botschafters S.E.M Maurice Gourdault-Montagne. In seiner Ansprache betonte er die Verdienste des Sammlers Speck bei der Verbreitung des deutsch-französische Kulturguts. Professor Speck wurde zum Ritter ernannt und mit einem Orden geehrt.
Die Bibliothek selber fasst wohl nur einen Bruchteil der umfangreichen Sammlung. Zum einen wollte Speck natürlich nicht sein Privathaus komplett leer räumen, zum anderen lassen die (sichtbaren) Räumlichkeiten nur eine begrenzte Bücherzahl zu, zudem man das Architekturkonzept durch das Zustellen der Räume mit Regalen nicht zerstören wollte.
In den Schaukästen konnte man anschließend interessante Originalstücke bestaunen, so einen Brief vom 10.11.22 (es war ein Freitag) an seine Haushälterin Celeste oder aber wunderbar farbig illustrierte Proust-Ausgaben. Auch einige Manuskriptseiten mit den so zahlreich hinzugefügten Korrekturen waren zu sehen. Die etwas weniger wertvollen Bände waren nicht verschlossen, so dass man durchaus hineinschauen konnte, darunter auch manch verrücktes Stück wie der englische Text der Recherche auf 1100 Seiten, wobei alle Textstellen nur durch Punkte ausgeixt waren, lediglich die Namen ließ man an den Originalstellen stehen.
Für alle die sich nicht für Proust begeistern, vielleicht diese Begebenheit zum Abschluss des Berichts: Auf der Rückfahrt bin ich überraschend einem Bus begegnet, es war der Mannschaftsbus des HSV, wohl auf dem Weg ins Stadion, wir wissen ja inzwischen dass die Mannschaft 1:0 gewonnen hat.
Gruß, Thomas