3 - Guermantes

Es gibt 34 Antworten in diesem Thema, welches 8.911 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von knödelchen.

  • Ab Juli 2012 lesen wir den 3. Band der "Recherche". Quereinsteiger und sonstige Diskussionswillige sind herzlich willkommen!


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Viel Spaß allen Teilnehmern!


    Liebe Grüße
    Doris

  • Hallo zusammen,


    ich habe inzwischen die ersten 100 Seiten gelesen. Es war nicht schwer, sich wieder in Prousts Welt hineinzuversetzen. Am Anfang erzählt er wenig von sich, sondern gönnt Françoise einen längeren Auftritt. Ich weiß nicht, wie viele Jahre vergangen sind, seit er das erste Mal von ihr berichtete, aber inzwischen kommt sie mir noch ein wenig verschrobener vor als im ersten Band. Nun ja, auch Romanfiguren kommen in die Jahre. Falls man ihre Geschichte nicht von Beginn an kennt, dürfte man Schwierigkeiten haben, echte Sympathie für sie aufzubringen. Bisweilen wirkt sie doch etwas eigen.


    Der Besuch in der Oper ist wunderschön geschildert. Man sieht die einzelnen Logen und das Publikum förmlich vor sich, lediglich die allgemeine Atmosphäre kommt zu wenig zum Tragen. Dafür knistert es förmlich, als Marcel den Blick der Herzogin von Guermantes einfängt. Sie müsste um einiges älter sein als er und trotzdem verliebt er sich in sie. Ist es nur aufgrund dieses Blickes oder hegte er schon vorher Gefühle für sie? Das war mir nicht ganz klar. Falls sie vom Alter her seine Mutter sein könnte, wäre das eine weitere Parallele zu Prousts Leben, in dem die Mutter eine wesentliche Rolle spielte.


    Im Moment bin ich bei Marcels Besuch bei Saint-Loup in der Kaserne. Auch hier gibt es eine bemerkenswerte Schilderung, nämlich von der Stille in Saint-Loups Zimmer. Sie wirft ganz neue Sichtweisen auf. Saint-Loup freut sich über die Maßen, Marcel wiederzusehen. Wenn ich an die vielen Bekanntschaften Prousts mit jungen Männern denke, frage ich mich, wen Saint-Loup hier verkörpert.

  • Bei mir geht es langsam voran, derzeit bin ich auf Seite 185.


    Marcel ist inzwischen umgezogen und erzählt sehr bildhaft über sein Zimmer im Hotel. Es hat auch etwas sehr Anrührendes. Mit Zimmern beschäftigt er sich sehr intensiv, das war ja auch im 2. Band schon so. Anscheinend baut er eine richtige Beziehung dazu auf. Das ging Proust genauso, schließlich hielt er sich ja während des Schreibens tage- wenn nicht wochenlang in seinem Zimmer auf und verbarrikadierte sich förmlich darin. Auch seine Liebe für das Stille, die er hegte, findet sich in der Erzählung wieder.


    Mittlerweile ist auch klar, dass er sich mit Saint-Loup wegen dessen Verwandtschaft zu den Guermantes wieder in Verbindung gesetzt hat. Das ist eigentlich sehr berechnend, gar nicht so, wie man Marcel aus der "Mädchenblüte" noch kennt. Er erscheint mir viel reifer als zu Albertines Zeiten.


    In der Kaserne ergeht sich Saint-Loup über längere Zeit über die Kunst der Kriegsführung. Das ist etwas, das mich weniger interessiert (es erinnerte mich aus unerklärlichen Gründen an Krieg und Frieden). Vielleicht ist das der Grund, warum ich nicht verstanden habe, was diese Exkursion uns sagen wollte. Irgendeinen handfesten Hintergrund muss sie haben, bei dieser Ausführlichkeit.


  • Wie sieht es bei euch mit dem Lesen des 3. Bandes aus? Im LR-Thread tut sich ja gar nichts :schulterzuck:


    Schon zur Stelle! :stillgestanden:
    Ich habe den Band schon begonnen, bin aber längst nicht so weit wie du, Doris - in etwa 50-60 Seiten (genau kann ich es nicht sagen, da ich auf dem Kobo lese und die Seitenzahlen in der ebook-Version durch alle Bände fortlaufend sind). So ganz hat mich Proust auch noch nicht gepackt, weshalb ich momentan etwas anderes parallel lese. Aber ich gebe mein bestes. :winken:

  • Ophelia, irgendwann wirst du mich wieder überholt haben :zwinker:. Gibt es im E-Book auch Anmerkungen wie in der Suhrkamp-Ausgabe?


    So ganz hat mich Proust auch noch nicht gepackt, weshalb ich momentan etwas anderes parallel lese. Aber ich gebe mein bestes. :winken:


    Ich fand gerade den Anfang schön. Da ging es mit dem Lesen flott voran. Die Kriegsstrategien waren dagegen recht zäh, auch deshalb, weil ich mir ständig den Kopf zerbrochen habe, was dieser Abschnitt aussagen soll.


  • Gibt es im E-Book auch Anmerkungen wie in der Suhrkamp-Ausgabe?


    Es ist ja die ebook-Variante der Suhrkamp-Ausgabe - es ist alles enthalten: Nachwort, Anmerkungen/ Kommentar, Resumee, Bibliographie, Namensverzeichnisse. :winken:

  • So, ich melde mich auch mal :winken:


    Ich bin gerade an der Stelle angelangt, an der Marcel, nachdem er erst eine Nacht bei Saint Loup in dessen Zimmer in der Kaserne verbracht hat, sein Zimmer im Hotel bezieht und sich erstaunlicherweise sofort darin wohlfühlt.


    Mittlerweile ist auch klar, dass er sich mit Saint-Loup wegen dessen Verwandtschaft zu den Guermantes wieder in Verbindung gesetzt hat. Das ist eigentlich sehr berechnend, gar nicht so, wie man Marcel aus der "Mädchenblüte" noch kennt. Er erscheint mir viel reifer als zu Albertines Zeiten.


    Diesen Eindruck kann ich nicht so recht teilen. Ich habe mich beim Lesen der Szenen, in denen Marcel sich wieder mal vor dem Ortswechsel fürchtet und Tränen vergießt, als Saint-Loup ihm anbietet, bei ihm übernachten zu können, ehrlich gesagt gefragt, ob Marcel denn nie erwachsen und selbständig werden will. Dass er seine Freundschaft zu Saint-Loup nur wegen dessen Verwandtschaft zu den Guermantes aufwärmt, ist natürlich berechnend, aber ähnlich hat er im zweiten Band doch auch schon gehandelt, als der Maler Elstir auch nur interessant für ihn war weil dieser in mit der Mädchengruppe bekannt machen konnte...


    Insgesamt komme ich in den dritten Band eher schwer hinein, das kann vielleicht auch daran liegen, dass ich mit Urlaubsvorbereitungen beschäftigt bin. Im August bin ich aber dann ganz für Proust da und hoffe, ich kann noch irgendwie zu euch aufholen :zwinker:



    Die Kriegsstrategien waren dagegen recht zäh


    Oje, das klingt ja nicht gerade motivierend :rollen:. Über wieviele Seiten erstrecken sich denn diese Ausführungen?

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen


  • Oje, das klingt ja nicht gerade motivierend :rollen:. Über wieviele Seiten erstrecken sich denn diese Ausführungen?


    Sorry, ich habe vergessen, gleich zu antworten. So lang sind die Ausführungen nicht, etwa 10 - 12 Seiten. Vielleicht bist du ja schon dort angelangt.


    Marcel hat unterdessen Saint-Loups Freundin Rachel kennen gelernt und festgestellt, dass er sie bereits kennt. Mir ist nicht klar, ob sie ihn auch wiedererkannt hat. So wie ich Saint-Loup sehe, erstaunt es mich, dass er an einer Frau wie Rachel hängen bleibt, aber da hat ihn wohl dasselbe Problem ereilt wie viele Männer, die mit einem anderen Körperteil als dem Kopf "denken". Davon abgesehen dürften sich gewisse Absichten bei den jungen Frauen seiner Gesellschaftsschicht nur schwer in die Tat umsetzen lassen. Rachel ist sich ihrer Macht sehr bewusst und setzt sie auch ein, wie es ihr passt. Diese Beziehung erinnert mich sehr an Swann und Odette.


    Ich bin inzwischen mit Marcel zurückgekehrt in die Pariser Salons. Hier tauchen einige Namen und Personen auf, die wir aus dem ersten Band schon kennen. In den Plaudereien geben sich die illustren Gäste mit leisem Humor und einigen Spitzen dem üblichen gesellschaftlichen Tratsch hin, wobei auch Saint-Loup ein Thema ist. Ansonsten dreht sich vieles um die Dreyfus-Affäre. Hier haben sich Lager gebildet, was einiges Fingerspitzengefühl unter den Gästen erfordert. Dieser Abschnitt ist bislang recht amüsant und auch spannend, vor allem, wenn Bloch wieder auftaucht oder das Gespräch, wie aktuell bei mir, auf Madame Swann kommt.


    Marcels neue Leidenschaft für die Herzogin Guermantes spielt im Moment keine große Rolle. Irgendwie erscheint es mir, als hätte er seine Gefühle vorübergehend auf Eis gelegt.

    Einmal editiert, zuletzt von Doris ()


  • Sorry, ich habe vergessen, gleich zu antworten. So lang sind die Ausführungen nicht, etwa 10 - 12 Seiten. Vielleicht bist du ja schon dort angelangt.


    Kein Problem, ich hab die paar Seiten schon hinter mich gebracht :zwinker:


    Recht viel weiter bin ich aber leider nicht gekommen, im Moment versucht Marcel über sein Interesse an den Gemälden von Elstir zu einer Einladung bei Madame Guermantes zu kommen, da Saint-Loupes wegen seiner Geliebten in nächster Zeit nicht nach Paris kommen will.
    Ich nehme das Buch jetzt aber trotzdem mal mit aufs Schiff, vielleicht mag ich ja doch nicht immer Bücher über Island lesen...


    Ich wünsche Euch zwei schöne Wochen und melde mich nach meinen Urlaub wieder :titanic:

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen

  • Hallo ihr Lieben! :winken:


    Diesmal seid ihr mir ein wenig voraus beim Lesen, aber ich bin nun endlich in Prousts Welt angekommen und fühle mich schon wieder recht wohl. Ich hatte zu Beginn meine Schwierigkeiten mich hineinzudenken, was aber nicht am Buch liegt, sondern an meiner inneren Unruhe. :redface:


    Die Passage über Saint-Loup und seine Geliebte habe ich gerade hinter mir gelassen - ich habe mich zugegebenermaßen sehr amüsiert über die Beziehung zwischen den beiden, da es mich doch an die eine oder andere reale Beziehung erinnert hat, die ich in meinem Umfeld beobachten konnte. Aber ich hoffe auch, dass Saint-Loup eher früher als später aufwachen und sehen wird, was er da eigentlich an der Hand hat. Ich finde ihn nach wie vor sehr sympathisch und ich bin froh, dass er nach dem zweiten Teil hier wieder eine Rolle spielt.


    knödelchen
    Ich wünsche dir einen wunderschönen Urlaub! :eis:

  • Aber ich hoffe auch, dass Saint-Loup eher früher als später aufwachen und sehen wird, was er da eigentlich an der Hand hat.


    Ich denke, er ist Rachel total verfallen und in dieser Hinsicht unbelehrbar. Da er wirklich liebenswert ist, tut er mir doppelt leid.


    Bei mir war übers Wochenende Pause mit Proust, es war einfach zu viel los, um Ruhe dafür zu finden.
    knödelchen, ich wünsche ebenfalls einen schönen Urlaub!

  • Auch wenn ich um einiges voraus bin, schreibe ich weiter, damit mir nicht zu viel von meinen Eindrücken verloren geht.


    Marcel hat inzwischen den Salon verlassen, begleitet von Charlus, der sich sehr um ihn bemüht und seine Zurückhaltung fallen lässt. Seine Aufmerksamkeit und Vertrautheit überschreitet die üblichen Grenzen deutlich. Er fordert Marcel auf, sich aus dem Kreis um die Guermantes zurückzuziehen, weil sie ihm schaden könnten. Ich bin sicher, dass er dabei in erster Linie an sich selbst denkt, weil er eigene Pläne mit dem jungen Mann hat, in die dessen Schwärmerei für die Herzogin nicht passt. Mir ist nicht ganz klar, mit welchem Recht er sich solche Privilegien herausnimmt. Madame Villeparisis hat eine konkrete Vorstellung über Charlus' Absichten, sonst hätte sie Marcel nicht so unhöflich aus ihrem Salon gedrängt, als sie erkannte, dass die beiden Männer zusammen gehen wollen. Ob Proust das selbst auch einmal so erlebt hat?


    Marcels Auftauchen im Salon der Madame Villeparisis macht mich etwas stutzig. War es denn normal, dass man ohne besondere Verdienste in diesem jungen Alter schon in Salons verkehrte? Marcel ist ja bislang nicht mehr als nur "Sohn". Er steht zwar nicht so im Mittelpunkt wie andere Gäste, doch er scheint dort der Einzige seines Schlages zu sein, wenn man mal von Saint-Loup absieht, der sich immerhin als Soldat verdient macht und seine Mutter besucht.


    Zuhause erwartet Marcel eine völlig andere Situation als die ungezwungene Salonatmosphäre, denn seine kranke Großmutter braucht ärztlichen Beistand. Der Arzt redet beruhigend auf sie ein, unternimmt aber nur wenig gegen ihre Symptome. Man könnte fast meinen, sie brauche gar keine Hilfe, weil sie sich alles nur einredet. Allerdings weiß ich schon, wie es mit ihr weitergeht. Ist das auch eine Erfahrung aus Prousts Leben? Auf Anhieb kann ich mich nur erinnern, dass ihm der Tod seiner Mutter sehr nahe ging, aber wie es sich mit seiner Großmutter verhielt, ist mir nicht bekannt.

  • So weit voraus bist du mir gar nicht mehr, Doris. :smile:


    Ich bin ebenfalls beim Spaziergang von Charlus und Marcel angekommen und wundere mich doch ein bisschen über die Impertinenz von Charlus. Sein Rat war ganz sicherlich nicht uneigennützig.


    Die Szene im Salon fand ich an manchen Stellen recht langatmig und zum Teil verwirrend, da hier viele Namen auftauchen, die einem erst einmal wenig sagen. Da werde ich noch mal ein wenig im Proust Lexikon nachlesen. Auch die Dreyfus-Affäre war mir bisher nicht bekannt und ich habe mich gestern mal ein bisschen belesen, was es damit auf sich hat. Dass die Affäre solche großen Auswirkungen auf die Gesellschaft in Frankreich hatte, finde ich erstaunlich, aber zumindest der aufkeimende Antisemitismus wird ja hier im Buch schon recht deutlich. Ich bin gespannt, was sich zu diesem Thema noch entwickeln wird, denn Proust selbst hatte eine jüdische Mutter (die er abgöttisch geliebt hat) und kann dieser Thematik also nicht gleichgültig gegenüber gestanden haben.


    Interessant fand ich auch das Auftauchen von Odette. Saint-Loups Reaktion dazu, er möchte keiner "ehemaligen Dirne" vorgestellt werden, ließ mich schmunzeln. Wenn er wüsste. Aber selbst wenn er wüsste, was seine Rachel für eine Vergangenheit hat, würde er sie noch in Schutz nehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Ophelia ()

  • Teil II, Kapitel 1


    Im Kapitel 1 ist doch noch einiges passiert und wir wissen nun, wie es mit Prousts Großmutter weitergeht - nämlich nicht sehr weit. Die Szene im Park Champs-Élysées fand ich unheimlich anrührend, als die Großmutter versucht, ihren Schlaganfall zu kaschieren, Marcel damit aber nicht täuschen kann. Wunderschön beschrieben:


    Zitat

    Man hatte sie sehen können, obwohl sie neben mir saß, versunken in jener unbekannten Welt, aus deren Tiefe sie schon die Schläge erhalten hatte, deren Spuren sie trug, als ich sie kurz zuvor in den Champs-Élysées erblickt hatte, Hut, Antlitz und Mantel entstellt von der Hand des unsichtbaren Engels, mit dem sie gerungen hatte.


    Tatsächlich erliegt die Großmutter bald den Folgen ihrer Erkrankung. Die Stimmung im Hause hat Proust sehr eindringlich und mitfühlend eingefangen. Noch im Todeskampf der Großmutter kommen Besucher, um bereits ihre Anteilnahme auszudrücken, allen voran der Herzog von Guermantes, der mir hier wieder einmal unangenehm aufgefallen ist. Man trifft bereits Vorkehrungen für die anstehende Beisetzung, selbst Francoise nimmt ihr geschäftiges Gebahren recht bald wieder auf.


    Zitat

    Sie hatte sich nämlich ein Trauerkleid bestellt und wollte die Schneiderin nicht warten lassen. Im Leben der meisten Frauen läuft alles, selbst der größte Schmerz, auf eine Anprobe hinaus.

    :breitgrins: Gut beobachtet.



    Teil II, Kapitel 2
    Momentan bin ich im Kapitel 2 schon etwas vorangeschritten. Albertine ist wieder aufgetaucht und besucht Marcel des öfteren und es bleibt nicht nur bei artigen Gesprächen. Aber ich habe das Gefühl, dass Marcel Albertine nur als gegeben hinnimmt, sich aber von selbst nicht nach ihr gesehnt hat. Zumindest schweifen seine Gedanken immer wieder zum anstehenden Diner mit Madame de Stermaria, dem er schon sehr entgegenfiebert.


    Und wie es aussieht, hat sich Saint-Loup doch von seiner Rachel lossagen können, scheinbar weil sie ihm zu kostspielig und die Eifersucht zu groß wurde.


  • So weit voraus bist du mir gar nicht mehr, Doris. :smile:


    Nicht mehr lange, dann werde ich bloß noch deine Staubwolken am Horizon sehen :zwinker:



    Mich beschäftigen noch Krankheit und Tod der Großmutter. Proust lässt sie an derselben Krankheit leiden, an der seine Mutter starb. Im Gegensatz zu der Trauer, die ihn danach lange Zeit im Griff hielt und dazu führte, dass er sich über Monate hinweg von der Außenwelt abkapselte, wird dieser Abschnitt im Buch nach dem Tod der Großmutter völlig übergangen. Noch bin ich am Anfang des 2. Kapitels, aber Trauer findet bisher nicht statt. Das finde ich schon etwas befremdend. Ich hatte schon während der Krankheit den Eindruck, als wolle sich keiner mit der Möglichkeit auseinandersetzen, dass die Großmutter stirbt, obwohl das Ende bereits absehbar war. In gewisser Weise wird es einfach ignoriert. Man trauert zwar öffentlich, mit Freunden und Bekannten, aber alles bleibt im Rahmen. So ein schmerzlicher Prozess ist leichter zu bewältigen, wenn man sich den Tatsachen stellt, denn irgendwann muss es verarbeitet werden. Aber viel zu schnell geht das Leben weiter, als wäre nichts gewesen.



    Und wie es aussieht, hat sich Saint-Loup doch von seiner Rachel lossagen können, scheinbar weil sie ihm zu kostspielig und die Eifersucht zu groß wurde.


    Ich habe herausgelesen, dass sich Saint-Loup dem Druck von Familie und Freunden gebeugt hat. Darüber hinaus war Rachel aber auch sehr anspruchsvoll. Sie hat den Bogen allmählich überspannt.


  • Nicht mehr lange, dann werde ich bloß noch deine Staubwolken am Horizon sehen :zwinker:


    Ich habe noch ca. 80-90 Koboseiten zu lesen. Erstaunlich, wie schnell das Lesen diesmal bei mir ging. Aber wenn man einmal drin ist in der Proustschen Spirale, dann mag man auch kaum aufhören zu lesen. :smile:



    Noch bin ich am Anfang des 2. Kapitels, aber Trauer findet bisher nicht statt. Das finde ich schon etwas befremdend.


    Nunja, zumindest die Trauer der eigenen Tochter (Prousts Mutter) wurde hinreichend thematisiert, wie ich finde. Scheinbar war es allen anderen mehr als klar, dass ihr Tod nache bevorsteht, und aus meiner eigenen Erfahrung kann ich für mich behaupten, dass man sich schon in der Krankheitsphase mit dem Tod der betroffenen Person beschäftigt und auch zu einem gewissen Teil abfindet. Zumal die Großmutter auch recht betagt ist und sicherlich ein langes (und gutes) Leben geführt hat.


    Im Übrigen birgt das Nachschlagen im Proust Lexikon einige Risiken. Wenn man nicht aufpasst, wird man unheimlich stark gespoilert. Nun weiß ich schon einige Details aus dem nächsten Band, die ich noch gar nicht wissen wollte.


  • Nunja, zumindest die Trauer der eigenen Tochter (Prousts Mutter) wurde hinreichend thematisiert, wie ich finde. Scheinbar war es allen anderen mehr als klar, dass ihr Tod nache bevorsteht, und aus meiner eigenen Erfahrung kann ich für mich behaupten, dass man sich schon in der Krankheitsphase mit dem Tod der betroffenen Person beschäftigt und auch zu einem gewissen Teil abfindet. Zumal die Großmutter auch recht betagt ist und sicherlich ein langes (und gutes) Leben geführt hat.


    Sicher, man weiß, dass ihre Zeit langsam abläuft und kann sich gedanklich darauf vorbereiten. Aber wenn der Fall dann schließlich eintritt, ist es manchmal doch schwerer, als man dachte. Es hängt auch davon ab, wie innig das Verhältnis zum Verstorbenen war. Ich hatte erwartet, dass Proust seine eigenen Erfahrungen nach dem Tod seiner Mutter im Buch verarbeitet, weil es ein einschneidendes Erlebnis für ihn war. Möglich, dass er die Trauerphase in der Geschichte ausgelassen hat, weil die Erinnerung zu viel in ihm aufgewühlt hätte. Der junge Marcel ist ein empfindsamer Mensch, da passt so ein Verhalten schlecht ins Gesamtbild.



    Im Übrigen birgt das Nachschlagen im Proust Lexikon einige Risiken. Wenn man nicht aufpasst, wird man unheimlich stark gespoilert. Nun weiß ich schon einige Details aus dem nächsten Band, die ich noch gar nicht wissen wollte.


    Ach, das sehe ich bei Klassikern nicht so schlimm. In der Sekundärliteratur zur "Recherche" wird bisweilen so viel verraten, dass man sich das Lesen auch sparen könnte, wenn man sich rein aufs Inhaltliche beschränkt. Ich sehe es positiv, weil ich auf so manche Dinge aufmerksam werde, die ich sonst möglicherweise nicht beachtet hätte.

  • Mich beschäftigen noch Krankheit und Tod der Großmutter.


    Der Tod der Großmutter ist eine der zentralen Szenen der gesamten Recherche, wie ich später irgendwo gelesen habe. War mir beim Lesen nicht so bewusst. Die Szene ist in der Mitte des 3. Bandes und somit in der Mitte des gesamten 7bändigen Zyklus. Das ist kein Zufall, wenn man den professionellen Analysten glauben schenken darf.


    Gruß, Thomas

  • Der Tod der Großmutter ist eine der zentralen Szenen der gesamten Recherche, wie ich später irgendwo gelesen habe. War mir beim Lesen nicht so bewusst.


    Doch, ich habe die Szene jetzt in der Rückschau schon als sehr zentral empfunden. Mir ging sie sehr nahe, und ich habe auch ein kleines Tränchen weggewischt.
    Aber ebenso "gelungen", besser gesagt prägnant finde ich die Schlussszene von Guermantes - man erfährt, wie krank Swann wirklich ist. In einem Moment der Vertrautheit teilt er der Herzogin mit, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Gleich darauf folgt die Szene mit den Schuhen der Herzogin - ein ziemlich krasser Gegensatz.


    Ihr seht, ich bin also mit diesem Band durch. Mir hat er sehr gefallen, wenngleich er ein paar Längen hatte, die mich zum Teil ermüdet haben. Ich fand manche Szenen (die Abende in den Salons) einfach übertrieben in die Länge gezogen. Nichtsdestotrotz hat sich hier Proust wieder einmal als einmaliger Beobachter bewiesen. Seine Ausdrucksweise ist ein reiner Genuss. :smile:

  • Dein Tempo wieder... :zwinker: So schnell könnte ich Proust nicht lesen, das muss alles erst immer ein wenig sacken, bevor ich den nächsten Teil in Angriff nehme. Ich habe mch auf eine Stunde pro Tag eingependelt und lese dann 30 - 35 Seiten. Wäre vielleicht anders, wenn ich alleine wäre, aber mit meinen Kindern im Hintergrund brauche ich mit der Recherche gar nicht erst anfangen.


    Ich fand manche Szenen (die Abende in den Salons) einfach übertrieben in die Länge gezogen.


    Das empfand ich nicht so. Es tat sich ja immer wieder etwas Neues, humorvolle Abschnitte wechselten mit kritischen, und das mehr oder weniger gehaltvolle Salongeplauder hat einfach was.


    Ich bin gerade Mäuschen im Zimmer bei Albertine und Marcel und staune, was sich Françoise alles herausnehmen darf.