Olga Grjasnowa - Der Russe ist einer, der Birken liebt

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    "Der Russe ist einer, der Birken liebt". Schon der Titel dieses Romans ist ein Klischee und mit Klischees spielt die junge Autorin gekonnt in ihrem Debütroman. Ihre Protagonistin Mascha ist Mitte 20, Jüdin und Aserbaidschanerin, lebt aber seit ihrer Kindheit in Deutschland. Sie ist sehr ehrgeizig, spricht fünf Sprachen fließend und strebt eine Karriere als Dolmetscherin bei der UNO an. Eine folgenschwere Sportverletzung ihres Freundes Elias wirft sie aus der Bahn. Mascha begibt sich auf die Suche nach Heimat und Identität und verliert sich selbst immer mehr.


    Das Buch, wie auch die Protagonistin Mascha, sind recht eigenwillig. In den ersten beiden Teilen des Buches konnte ich Maschas Entscheidungen und ihre Lebensweise noch verstehen, doch je mehr ihr Leben aus der Bahn läuft, desto weniger konnte ich nachvollziehen, wie sie handelt. Das macht das Buch aber keineswegs schlechter. Ganz im Gegenteil, Olga Grjasnowa zeichnet Maschas Entwicklung überzeugend und stimmig, auch wenn die Protagonistin mir als Leserin dabei immer fremder wurde.


    Die sympathische Autorin, die ich im Mai bei einer Lesung live erleben durfte, hat sich in diesem Roman viel vorgenommen. So viele schwerwiegende Themen werden angesprochen, dass man kaum verstehen kann, wie diese in 288 Seiten Platz haben. Von einer Kindheit in einem Krisengebiet mit den dazugehörigen Nachwirkungen und dem Verlust eines geliebten Menschen spannt Olga Grjasnowa den Bogen zu einer Suche nach Identität und der wahren Heimat, der Zerrissenheit zwischen einem Zuhause-Fühlen und einem Ausgestoßen-Sein.


    Dieses Buch und auch die Lesung der Autorin, die ich besucht habe, haben mich zum Nachdenken angeregt über Ausländer, über Menschen, die zwar in Deutschland geboren wurde, aber trotzdem nicht als Deutsche akzeptiert werden, darüber, dass manchmal nett gemeinte Fragen schon Ausgrenzung und Diskriminierung sein können. Allein für diese Denkanstöße bin ich dem Buch dankbar und bin froh, dass ich es gelesen habe. 4ratten

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Danke für die schöne Rezi, ich habe dazu mal eine Kritik im DRadio Kultur gehört und mir war der außergewöhnliche Titel im Gedächtnis geblieben. Irgendwie bin ich hin und her gerissen ob ich es wagen soll oder nicht...
    Der negative Punkt der Kritik im DRadio war, zu viele Diskussionsbedürftige Themen, die alle nur angerissen werden ohne Tiefe hineinzubringen.


    Naja 2 interessante angefangene Bücher, im Moment wird es aufgeschoben.


    Grüsse
    schokotimmi

  • Meine Meinung

    Der negative Punkt der Kritik im DRadio war, zu viele Diskussionsbedürftige Themen, die alle nur angerissen werden ohne Tiefe hineinzubringen.


    Diesen Kritikpunkt kann ich verstehen. Aber hauptsächlich ist der Roman die Geschichte von Mascha. Natürlich betreffen die Themen sie, aber sie sind nicht das wichtigste. Wichtig ist vor allem ihre Suche nach sich selbst, die sie eigentlich immer weiter wegbringt von dem, nach was sie sucht. Solange sie noch in Deutschland ist, hat sie ihre Freunde, die ihr helfen. Aber sobald sie auf sich alleine gestellt ist, läuft sie mit offenen Augen einer Katastrophe entgegen.


    Es ist mir selten passiert, dass mich ein Buch so von der ersten Seite angesprochen hat. Meine erste Bemerkung im Lesetagebuch war "bewegend". Mascha erzählt ihre Geschichte ohne Schnörkel. Jedes ihrer Worte trifft aber direkt ins Herz. Ich konnte ihre Verzweiflung über den Unfall ihres Freundes und die Folgen nur zu gut spüren. Auch im späteren Verlauf der Geschichte war sie so präsent, dass alles andere neben ihr verblasste. Es war von Anfang an klar, dass ihre Geschichte kein gutes Ende nimmt. Trotzdem ist es ein Buch, das ich jedem ans Herz lege.
    5ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Oha,


    2 Meinung von Leuten die ich in diesem Forum sehr schätze und die oft auch meinen Geschmack treffen, ich sollte das Buch wirklich demnächst auf meine Leseliste setzen...



    Meine Meinung


    Diesen Kritikpunkt kann ich verstehen. Aber hauptsächlich ist der Roman die Geschichte von Mascha. Natürlich betreffen die Themen sie, aber sie sind nicht das wichtigste. Wichtig ist vor allem ihre Suche nach sich selbst, die sie eigentlich immer weiter wegbringt von dem, nach was sie sucht. Solange sie noch in Deutschland ist, hat sie ihre Freunde, die ihr helfen. Aber sobald sie auf sich alleine gestellt ist, läuft sie mit offenen Augen einer Katastrophe entgegen.


    Vielleicht ist es wirklich so, dass diese grundlegenden allgemeinen Thema hinter der persönlichen Ebene zurücktreten, denn hier trifft deine Beschreibung genau dass was ich auch im DRadio gehört habe.
    Es heißt also, selbst ein Bild machen.


    Grüße
    schokotimmi

  • Es heißt also, selbst ein Bild machen.


    Das schadet eigentlich nie, aber in diesem Fall denke ich auch, dass du nichts falsch machen kannst. Ich habe mich an das Buch lange nicht herangetraut. Der Titel hat mich zwar direkt angesprochen, aber die Inhaltsangabe hat mich ein sehr schwermütiges Buch vermuten lassen. Das ist es auch, aber auf eine sehr ansprechende Art.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Den Roman habe ich vor einer Weile gelesen und bin doch etwas zwiegespalten in meiner Meinung.
    Einerseits lässt er sich gefällig lesen und gibt gute Denkanstöße, andererseits erscheint mir der Roman etwas überladen mit "Schicksalschwere" (das passt wohl zu der DRadio-Kritik: zuviel Themen ohne Tiefe)
    Auch Maschas Entwicklung empfinde ich als nicht glaubwürdig. Anfangs wirkt sie noch eigenwillig, selbstbewußt, fast schon etwas überheblich; zudem ist sie eine sehr gute Studentin, intelligent und zielstrebig.
    Doch das wandelt sich und sie wird zur fremdbestimmten Frau. (Die Freunde melden sie zu einer Prüfung an, sie schläft mit dem Professor etc.) Dass der Tod von Elias sie so aus der Bahn geworfen hat, mag ich nicht so recht glauben.
    Insgesamt ist es dennoch ein gutes Debüt und durchaus lesenswert.


    4ratten

    Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Boden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.<br />(Hermann Hesse)

  • Meine Meinung ist eine völlig andere:


    Letztendlich berührt die Autorin zwar viele interessante Themen, aber für meine Begriffe schneidet sie sie nur an, kann sich für keine klare Linie Entscheiden. Bei mir sorgte das für Unruhe beim Lesen. Es wird über das Judentum, jüdisch sein in Deutschland und Israel gesprochen, dann springt man über zu der Frage warum es viele in Deutschland überrascht wenn ein junger Mensch aus Ländern wie etwa der Türkei einen sehr guten Schulabschluss hat. Dann wieder wird das Thema der Trauer aufgegriffen und das hat mich dann schon berührt. Die Trauer war real und greifbar, Mascha hat auf eine Art reagiert die sehr glaubhaft beschrieben wird. Der Verlust eines geliebten Menschen ist ja meist ein sehr einschneidendes Erlebnis. Aber auch hier, im Grunde ist die Trauer Mittel zum Zweck. Irgendwie muss Mascha ja die Idee bekommen nah Israel zu reisen.
    Mascha als Person war mir sehr unsympathisch. Irgendwie eine zickige Pute die sich ausnützen lässt, aber genauso gerne ausnützt und dann jammert, empfunden. Sie hat mich genervt und aufgeregt. Und das nicht nur einmal.
    Die Unklare Linie, das aufgreifen zu vieler (wenn auch interessanter) Themen, dieses hin und her springen in diesen Themen, das alles hat mich etwas ratlos und entäuscht zurück gelassen. Der Schluss konnte mich ebenfalls nicht überzeugen. Für mich blieb ein unfertiger Eindruck, als ob die Autorin selbst keine Lust mehr gehabt hätte weiter zu schreiben.


    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus: