Clemens J. Setz - Indigo

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    Inhalt
    Ja, der Inhalt ... schwer zu erklären. Vordergründig geht es um das Indigo-Syndrom. Kinder und Jugendliche sind von dieser Krankheit betroffen. Jeder, der sich ihnen nähert, wird von Schwindelattacken, Übelkeit oder allgemeinem Unwohlsein heimgesucht. Das Phänomen breitet sich immer mehr aus, man spricht von einem neuen Menschen. Um ihre Umgebung und sie selbst zu schützen, werden eigene Erziehungsheime für diese Kinder erbaut. Dort werden sie unter Einhaltung des Sicherheitsabstandes unterrichtet, sie entwickeln eine eigene Sozialstruktur.
    Die Handlung ist auf zwei Personen aufgeteilt. Einmal der Mathe-Lehrer Clemens J. Setz, der an einem solchen Erziehungsheim unterrichtet. Er bemerkt dort seltsame Vorgänge, wird kurz darauf gefeuert und versucht dann herauszufinden, was es mit der sogenannten "Relokation" auf sich hat.
    Auf der anderen Seite agiert ein ehemaliger Schüler von Setz, Robert Tätzel. Das Indigo-Syndrom hat sich bei ihm "ausgebrannt", aber er steht unter ständiger Medikation und leidet unter Gewaltfantasien.


    Meine Meinung
    Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich nicht glaube, dass ich dieses Buch verstanden habe. Mit dem kleinen Wort "kafkaesk" kann man das Buch meiner Meinung nach am besten beschreiben, am Ende saß ich etwas ratlos davor und dachte mir: "Und jetzt?" Das macht das Buch nicht schlecht, im Gegenteil: Es löst unglaubliche Gefühle im Leser aus (hauptsächlich Frust, ein Gefühl, welches der Charakter Setz ständig empfindet), aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich wirklich zu den Tiefen des Buches vorgedrungen bin.


    Der Autor Setz spielt in diesem Buch mit sehr vielen Details. Schon wenn man das Buch aufschlägt, erkennt man das. Verschiedene Schriftgrößen, Schriftarten und Bilder stechen einem sofort ins Auge. Auch beim Lesen erkennt man die Liebe zum Detail. Überall werden kleine, absonderliche Geschichten miteingefädelt oder stehen einfach für sich allein. Ich fand diese Geschichten allesamt faszinierend, ob sie nun wahr sind oder nicht.


    Die Handlung an sich ist schwer zu greifen. Die Sprünge zwischen den verschiedenen Zeitebenen sind dabei noch das geringste "Problem". Die oben beschriebene Handlung scheint mir nur der Deckmantel für ganz andere Erkenntnisse zu sein ... leider weiß ich nicht so richtig, welche bzw. ob meine Vorstellungen dazu richtig sind. Aber gut, vielleicht mache ich mir da auch zu viel Gedanken. Es werden unglaublich viele Fragen aufgeworfen und so gut wie keine wird beantwortet. Weder der Charakter Setz noch der Leser erhalten die so lange erhofften Antworten, das ist unglaublich frustrierend, aber gleichzeitig auch inspirierend.


    Ich muss sagen, dass ich den Autor für dieses Buch bewundere, es ist so vielschichtig, nicht wirklich zu greifen. Das Buch war tatsächlich eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte, nochmal werde ich das Buch dennoch sicher nicht lesen. Für mich war das alles teilweise zu viel, ich habe mich gefühlt wie der Lehrer Setz: überfordert und dauerschwindelig.


    4ratten


    Ich würde noch gerne ein Interview mit dem Autor verlinken, welches ich persönlich sehr erhellend fand.

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

    Einmal editiert, zuletzt von mondy ()

  • Deine Rezension deckt sich ziemlich mit der von Jens Jessen, die heute in der ZEIT erschienen ist. Zitat:


    "Ganz ohne beklemmenden Kopfschmerz kann man das Buch jedenfalls nicht lesen - als sei es selbst ein Indigo-Kind, dessen Aura man nicht länger als eine individuell bemessene Zeit aushalten kann."


    und er schließt mit:


    "... man muss doch sagen, dass Setz mit einer Grausamkeit alle übrige deutsche Literatur des Herbstes der vollendeten Harmlosigkeit überführt."


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Hm, interessant. Das mit dem beklemmenden Kopfschmerz kann ich durchaus nachvollziehen und um ehrlich zu sein musste ich immer wieder Pausen machen, um mich von dem Buch zu erholen.
    Wie gesagt, ein sehr eigenes Buch, welches bestimmt zu spannenden Diskussionen einlädt. Leider kenne ich noch niemanden, der es gelesen hat, dabei würde ich mich gerne darüber austauschen. Aber ich finde es irgendwie beruhigend, dass Jens Jessen das Buch ähnlich empfunden hat wie ich. :smile:

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • Ich lese Indigo zur Zeit - ebenfalls eher Häpphenweise, das geht hier nicht anders weil man fast automatisch über die einzelnen Kapitel nachdenkt. (Finde ich zumindest)
    Momentan würde ich behaupten das es keinen allgemeinen Sinn gibt, sondern nur einen den sich der Leser selbst erschließen soll/kann/will wie auch immer ;) ob er einen dahinter findet bleibt ihm selbst überlassen.

  • Ich hatte wohl damals nicht den Kopf frei und hatte meine Lektüre unterbrochen. Dennoch hat mich "Indigo" nie ganz losgelassen. Daher lese ich nun gerne weiter.
    Ich habe gerade das obig verlinkte Interview anschaut (und den Buchladen erkannt, dort war ich schon mal^^) und bin gespannt wie es meine Lektüre beeinflussen wird.

  • "Indigo" fasziniert mich zunehmend, wenn man sich einfach komplett auf die Handlung einlässt und erstmal nicht weiter hinterfragt was merkwürdig ist, kommt man finde ich gut voran.


    Setz spielt mit der Identität von Erzähler und Autor: Realität und Wahrheit im Roman verwischen dadurch oder sollen es vielmehr. Für mich persönlich ist es aber recht einfach Erzähler und Autor auseinander zu halten. Hierbei finde ich interessant das Setzt in einem Interview (das Klassikfreund oben verlinkt hat) auch auf Wahrheit im Roman eingeht. Fast wie aus dem Germanistik Lehrbuch *g* An der Uni wird eigentlich ständig über die Doppelbödigkeit von Literatur gesprochen. Das sie auch eine eigene Wahrheit erzeugt, die mit der Wahrheit außerhalb des Romans nicht zwingend etwas zu tun haben muss. Dabei wird auch eine eigene Realität erzeugt. Setz hält sich sehr stark an diese Annahmen. (Was nichts Schlechtes ist, mir persönlich aber vor allem eine Art roter Faden bietet)
    Der Roman ist aber insgesamt auch so aufgebaut das man das Gefühl hat tatsächlich eine Art Akte mit verschiedenen Berichten und Notizen (auf Schreibmaschine) vor sich zu haben. Da immer mal wieder auch Bilder eingestreut werden verstärkt sich das noch. Auch das "Indigo" Syndrom selbst erscheint auf den ersten Blick sehr durchdacht. Vor allem die menschlichen Reaktionen, das Geheimnisvolle um die betroffenen Kinder, sowie die Ereignisse die dadurch ausgelöst werden (wenn auch oftmals nur Angedeutet) verstärken diesen Eindruck.
    Hi und da merkt man übrigens das der Autor aus Österreich ist. Nicht nur weil der Roman dort spielt, sondern auch an bestimmten Redewendungen. Das gefällt mir gut, ich habe eine kleine Schwäche für die Sprache^^


    Erst diesen Monat habe ich einen anderen Roman gelesen ("Die Entdeckungen der Gwen Carrick" von Martha Lea) in denen es vor Andeutungen und Fragen die nicht beantwortet wurden, nur so wimmelte. Das hat mich beim Lesen fast wahnsinnig gemacht. "Indigo" macht vieles ähnlich. Auch hier gibt es immer wieder Andeutungen und Fragen die in der Schwebe bleiben. Aber irgendwie schafft der Autor es trotzdem auch ab und zu welche zumindest ein bisschen zu beantworten. Das verstärkt das Geheimnisvolle um den ganzen Fall der beschrieben wird. Vor allem die verschiedenen Zeitebenen helfen aber doch, das ein oder andere erstmal zu durchschauen, damit man weiter lesen kann ohne zu sehr zu verwirrt zu sein. In wie weit das gelöst wird, wird sich ja noch zeigen. Außerdem wird ja auch angedeutet das vielleicht nicht immer alles tatsächlich so passiert.

  • Zum Abschluss:
    Eine generelle Leseempfehlung würde ich eher nicht aussprechen. Außer wenn der geschätzte Leser schon vorher eine gewisse Affinität zu Setzt literarischem Schaffen oder anderer Literatur die man eventuell der Postmoderne zuschreiben könnte (wobei ich da vorsichtig wäre), hegt. Gerade die Tatsache das es zu keiner befriedigenden Auflösung kommt kann beim Lesen wirklich etwas schwierig sein. Vor allem dann wenn man es nicht gewohnt ist, so einen Verlauf der Handlung vor sich zu haben.
    Vieles bleibt immer wieder nur Andeutung oder wird gar nicht erst zur Sprache gebracht. Dadurch wurde bei mir das Gefühl erzeugt Clemens Setz selbst zu sein oder in anderen Kapiteln Robert, einer seiner ehemaligen Schüler auf dem Internat für Indigo- Kinder. Wie schon erwähnt fand ich es in diesem Fall (im Gegensatz zu Die Entdeckungen der Gwen Carrick) aber nicht so schlimm. Nicht das Ende ist das Ziel für mich, sondern das Lesen selbst. Das Grübeln über den Text scheint mir hier weit wichtiger. Und ich habe mich genauso auch unterhalten gefühlt. Es war durchaus spannend und beunruhigend, durch bestimmte Verfremdungseffekte kam dann auch das Gefühl mehr über eine Gesellschaft zu lesen, die sich mit der Frage auseinander setzen muss, wie sie in Zukunft mit Außenseiten umgehen möchte. Gerade auch HIV/Aids, Alzheimer, psychische Krankheiten usw. ließen mich sehr stark an das Indigosyndrom denken. Eine Krankheit bei der die Umgebung sich immer schlechter fühlt und nicht sehr lange in der Gegenwart des jeweiligen Kindes leben kann. Liebe und Zuneigung scheint ausgeblendet. Für mich persönlich sind das die Themen die ich dabei heraus gelesen habe.
    Ein nicht ganz einfacher Roman, der aber für meine Begriffe zurecht für den Deutschen Buchpreis nominiert war.

  • Hallo Holden,


    Ich lese "Indigo" seit gestern und mir kommt es so vor, als handeln die meisten Abschnitte, Berichte, Reportagen etc. zu den Indigokindern davon, kleine Puzzleteile zu einem Großen Ganzen zu fügen.

    In Setz Sprachstil klingt etwas latent Bedrohliches an , es bleibt subtil spannend.


    Ich werde weiter berichten.

  • Ich habe "Indigo" vor einiger Zeit spontan von meiner Mutter geschenkt bekommen und bin nun etwa bei der Hälfte des Buches. Ich finde, dass "Indigo" so von Setz konzipiert wurde , als sei das ganze Buch ein "uncanny Valley" , wie er es ja auch in einem der erfundenen (?) Zeitungsartikel beschreibt.

    Ich weiß noch nicht, worauf das Buch hinaus läuft, wie es möglicherweise enden könnte.