5 - Die Gefangene

Es gibt 34 Antworten in diesem Thema, welches 8.678 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

  • Ab 15. März lesen wir hier "Die Gefangene".


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    Da die Leserunde ziemlich klein ist, freuen wir uns, wenn spontan noch jemand mitlesen möchte. Natürlich sind auch Kommentare erwünscht von allen, die das Buch nicht lesen, aber trotzdem etwas beitragen wollen.


    Viel Spaß den Teilnehmern!


    Liebe Grüße
    Doris

  • Hallo Doris :winken:!


    Danke für den Thread, ich habe es tatsächlich so hinbekommen, dass ich pünklich morgen mit "Die Gefangene" anfangen kann.
    Vielleicht findet sich ja noch jemand, der mitlesen möchte oder das Buch bereits kennt, ansonsten müssen wir beide uns eben intensiver austauschen :zwinker:.


    Liebe Grüße
    knödelchen

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  • Hallo knödelchen,


    ich glaube nicht, dass noch andere mitlesen werden. Bestenfalls kriegen wir ein paar Kommentare, aber ich freue mich über jeden, der etwas beitragen möchte.


    Ich werde auch morgen anfangen. Derzeit lese ich noch ein anderes Buch, aber Proust ist für mich ohnehin immer Parallellektüre, die ich mir mittags zu Gemüte führe. Abends bin ich nicht mehr so aufnahmefähig, da bevorzuge ich etwas Leichtes.


    Liebe Grüße
    Doris :abinsbett:

  • Nun also der 5. Band, in dem es nahtlos weitergeht. Albertine ist bei Marcel eingezogen, und wie es so ist, wenn man etwas lang Ersehntes endlich bekommt, lässt das Interesse schon bald stark nach. Obwohl sie sehr intim miteinander leben und sich nicht nur räumlich nahe sind, betont er auf den ersten 30 Seiten mehrfach, dass er sie nicht mehr liebt. Ich glaube, er will Albertine weniger beschützen als sie vielmehr davon abhalten, ihren sexuellen Neigungen nachzugehen. Eigentlich ist sie ohnehin nicht die Richtige für ihn. Er sucht solche beschützende Liebe wie zu seiner Großmutter oder wie zu Gilberte, also naiv und unverdorben, ohne große Erwartungen an ihn. Und Albertine lässt sich einerseits willig einsperren, nutzt aber doch so manche Gelegenheit für eine kurze Flucht.

  • Marcel betont tatsächlich sehr oft, dass er Albertine nicht mehr liebt und immer weinger hübsch und anziehend findet. An einer Stelle vergleicht er sie sogar mit einem Haustier, was ich jetzt auch nicht sonderlich schmeichelhaft finde.
    Auf der einen Seite scheint er die Einsamkeit während Albertines Ausflügen sehr zu genießen, auf der anderen Seite vergeht er vor Eifersucht, wenn er sich vorstellt, sie könnte wieder ihren - in seinen Augen schrecklichen - Neigungen nachgehen. Er selbst will sie also eigentlich gar nicht, jemand anderes soll sie aber auch nicht bekommen.
    Hofft Albertine tatsächlich auf eine Heirat mit Marcel oder warum bleibt sie bei ihm? Sie ist ja wohl auch noch sehr jung, es wundert mich, dass niemand etwas gegen diese "schlampige" Verhältnis einzuwenden hat.

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  • Hofft Albertine tatsächlich auf eine Heirat mit Marcel oder warum bleibt sie bei ihm? Sie ist ja wohl auch noch sehr jung, es wundert mich, dass niemand etwas gegen diese "schlampige" Verhältnis einzuwenden hat.


    Nur einige Seiten später erfährt man, dass Albertine eine Waise ist und die nächste Verwandte, eine Tante, wohl auf eine reiche Heirat hofft, um die Verantwortung für das Mädchen abgeben zu können und vielleicht sogar selbst davon zu profitieren und deswegen ein Auge zudrückt. Jetzt fällt mit erst auf dass tatsächlich nie von Albertines Eltern die Rede war, bewusst war mir aber nicht, dass sie beide schon tot sind (das muss ich wohl mal überlesen haben :redface:).

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  • Nur einige Seten später erfährt man, dass Albertine eine Waise ist ...


    So weit bin ich noch nicht, aber ich gebe dir recht: Das war mir vorher auch nicht bewusst. Ich bin immer davon ausgegangen, dass Albertine sich einfach sehr große Freiheiten herausnehmen kann, weil sich keiner darum kümmert, was sie außer Haus macht.


    Genauso hatte oder habe ich den Eindruck, dass abgesehen von Françoise keiner weiß, dass sie inzwischen bei Marcel wohnt.

  • Ich bin inzwischen in die Tiefen der Beziehung der beiden jungen Leute eingedrungen. Mit Albertine hat ein regelrechter Wandel stattgefunden. Sie ist nun zurückhaltender, rücksichtsvoller und nicht mehr so impulsiv. Vielleicht ist das der Grund, warum Marcel langsam das Interesse an ihr verliert. Er sieht ihre Schwächen deutlicher und ist kritischer und nicht mehr so tolerant. Ist sie wiederum unsicher, weil sie bei ihm eine Veränderung bemerkt? Ein Zitat in diesem Zusammenhang: "...man begreift dann, welche Modellierarbeit täglich die Gewohnheit vollzieht." Der Reiz des Eroberns ist vorbei. Sie scheint ihn tatsächlich zu lieben, wenn sie sich so einsperren lässt.


    Wenn sie schläft, spricht er ganz anders von ihr, viel liebevoller. Vielleicht sieht er in der wachen Albertine eine Gefahr.


  • Wenn sie schläft, spricht er ganz anders von ihr, viel liebevoller.


    Marcels Ton ist tatsächlich ein ganz anderer, wenn er von der schlafenden Albertine erzählt. Vielleicht ist er sich ihr nur wirklich sicher, wenn sie schläft? Außerdem erwartet sie nichts von ihm, wenn sie schläft ("Wenn sie schlief, brauchte ich nicht mehr zu sprechen, ...ich hatte nicht mehr nötig, an meiner eigenen Oberfläche zu leben"). Im Schlaf legt sie alle und vor allem die in Marcels Augen negativen Charaktereigenschaften ab.


    Es ist schon eine sehr seltsame Beziehung, die die beiden da führen. Ich muss ehrlich gesagt ab und zu an bestimmte Fälle aus Presse und Fernsehen denken, bei denen Mädchen oder Frauen weggesperrt werden um dem Mann voll und ganz zu gehören. Im Moment "darf" Albertine zwar noch Ausflüge machen und Freundinnen treffen, aber es würde mich nicht wundern, wenn Marcel ihr das auch noch verbieten würde :rollen:...

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  • Im Moment "darf" Albertine zwar noch Ausflüge machen und Freundinnen treffen, aber es würde mich nicht wundern, wenn Marcel ihr das auch noch verbieten würde :rollen:...


    Ich bin derzeit auf Seite 160 der Suhrkamp-Ausgabe, und hier hat er zumindest schon ein ungutes Gefühl, wenn sie weggeht, weil er nicht weiß, mit wem sie sich trifft. Irgendwann hat er sie diesbezüglich auch schon beim Lügen ertappt, aber nicht darauf angesprochen. Der Titel dieses Bandes legt den Rückschluss nahe, dass sie irgendwann nicht mehr das machen kann, was sie gerne möchte.


    Ansonsten sinnt er derzeit sehr über die Liebe nach und darüber, wie sie zum Ausdruck kommt. Einmal ist er schon kurz davor, sich von Albertine zu trennen, schafft es dann aber doch nicht. Die Stimmung ist getrübt. Als sie eines Abends ohne versöhnliche Gesten oder Worte in ihr Zimmer geht, leidet er sehr und vergleicht es mit den Abenden in Combray, als ihn seine Mutter ohne Gute-Nacht-Kuss schickte. Genauso verlassen fühlt er sich nun. Es scheint, als suchte er in Albertine nicht nur die Freundin, sondern auch die Mutter.


    Ich frage mich, wie Proust das Schreiben bewältigt hat. Die Handlung verweilt lange bei einer Aktion oder bei bestimmten Gedanken, dann geht es fast unmerklich über zu den nächsten Gedanken. Zwangsläufig musste er mittendrin Schreibpausen einlegen. Ob es wohl einfach war, sich danach wieder in Handlung hineinzuversetzen?


  • Ich bin derzeit auf Seite 160 der Suhrkamp-Ausgabe


    Ich komme leider nicht ganz so schnell voran, hab aber ein terminfreies Wochenende vor mir :smile:



    Ich frage mich, wie Proust das Schreiben bewältigt hat. Die Handlung verweilt lange bei einer Aktion oder bei bestimmten Gedanken, dann geht es fast unmerklich über zu den nächsten Gedanken. Zwangsläufig musste er mittendrin Schreibpausen einlegen. Ob es wohl einfach war, sich danach wieder in Handlung hineinzuversetzen?


    Das ist eine interessante Frage. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass man sich in diese teilweise schon sehr ausufernden Gedankenströme nach einer Pause wieder einfinden kann, aber es muss ja so gewesen sein. Da er aber ja keiner geregelten Arbeit nachging und auch keine Verpflichtungen einer Ehefrau oder Kindern gegenüber hatte, hatte er wahrscheinlich viel freie Zeit und konnte lange am Stück schreiben und sich ausschließlich damit beschäftigen?

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    Einmal editiert, zuletzt von knödelchen ()

  • Zeit zum Schreiben hatte er wegen seiner Krankheit genügend. Er hat ja kaum das Zimmer verlassen und sich dort richtig eingeigelt.


    Ich komme übers Wochenende auch nicht gut zum Lesen, zumindest nicht Proust. Auch in den nächsten beiden Wochen wird es langsamer vorangehen, weil Osterferien sind und meine große Tochter zuhause ist.


  • Ich komme übers Wochenende auch nicht gut zum Lesen, zumindest nicht Proust. Auch in den nächsten beiden Wochen wird es langsamer vorangehen, weil Osterferien sind und meine große Tochter zuhause ist.


    Dann habe ich wenigstens dieses Mal eine Chance, sonst war ich ja immer der "Nachzügler" :zwinker:...
    Ich hatte aber auch vor, zwischendurch mal etwas anderes zu lesen. Proust fordert schon ziemlich...

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  • Ich lese immer etwas anderes nebenbei. Mit Proust bin ich heute bei zwei Mal lesen auch nur 20 Seiten weitergekommen. Aber die waren schön! Marcel schildert hier die Szenerie, die er nach dem Aufstehen vor seinem Fenster erblickt und hört, und die er erst genießen kann, seit Albertine bei ihm lebt. Da gibt es Marktstände und Verkäufer, die lauthals ihre Waren anpreisen, mit einigen zweideutigen Begriffen, die man nur versteht, wenn man des Französischen mächtig ist oder die Fußnoten liest. Bei mir ist Letzteres der Fall.


    Seine Empfänglichkeit für solche Kleinigkeiten wie die Geräusche des Marktes, die er mit Musik vergleicht, deuten für mich darauf hin, dass er durch die Liebe zu Albertine so positiver Stimmung ist. Man neigt in solchen Fälle ja leicht dazu, alles durch die rosarote Brille zu sehen. Mir ist bloß nicht klar, wie viele Tage seit dem Abend vergangen sind, an dem er ohne versöhnliches Wort mit Albertine schlafen gegangen ist. Denn unmittelbar am Tag danach dürfte seine Stimmung nicht so gut sein. Ich habe den Eindruck, er redet sich nur ein, dass er sie nicht mehr liebt. Sonst würde er sich nicht so viele Gedanken machen.


  • Marcel schildert hier die Szenerie, die er nach dem Aufstehen vor seinem Fenster erblickt und hört, und die er erst genießen kann, seit Albertine bei ihm lebt. Da gibt es Marktstände und Verkäufer, die lauthals ihre Waren anpreisen, mit einigen zweideutigen Begriffen, die man nur versteht, wenn man des Französischen mächtig ist oder die Fußnoten liest. Bei mir ist Letzteres der Fall.


    An dieser Stelle des Buches bin ich gestern auch angekommen. Meine Ausgabe hat leider keine Fußnoten, so ist mir die Zweideutigkeit mancher der Ausrufe gar nicht bewusst geworden. Vielleicht finde ich im Internet etwas darüber. Oder kannst du mir evtl. mal ein Beispiel hier aufführen :smile:?


    An diesem Morgen ist Marcel auf jeden Fall tatsächlich in sehr guter Stimmung, es wäre seltsam, wenn dies der Morgen nach dem abendlichen Abschied ohne Kuss wäre.
    Aber schon die Bitte Albertines nach einem Eis bringt ihn wieder dazu, Verrat und Heimlichkeiten von ihrer Seite zu vermuten. Ich stelle es mir schrecklich anstrengend vor, hinter jeder noch so kleinen Bemerkung den Versuch zu vermuten, hintergangen zu werden :rollen:...

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  • An dieser Stelle des Buches bin ich gestern auch angekommen. Meine Ausgabe hat leider keine Fußnoten, so ist mir die Zweideutigkeit mancher der Ausrufe gar nicht bewusst geworden. Vielleicht finde ich im Internet etwas darüber. Oder kannst du mir evtl. mal ein Beispiel hier aufführen :smile:?


    Fußnoten war das falsche Wort, es sind Anmerkungen am Ende des Buches. Vielleicht solltest du dort mal nachsehen. Obwohl - wenn es auch bei dir Anmerkungen gäbe, wärst du in den letzten vier Bänden sicher schon darauf gestoßen.


    Zwei Beispiele also: Ganz am Anfang des morgendlichen Marktes kommt der Ruf "Bigorneau" und "Escargot", wobei es sich um Schnecken handelt, die doppelgeschlechtlich sind, was auch auf Albertine bezogen werden kann, zumindest was ihre sexuellen Vorlieben betrifft.
    Dann ruft die Fischhändlerin "Il arrive le maquereau, maquereau frais, maquereau nouveau. Voilà le maquereau, Mesdames, il est beau, le maquereau." Maquereau bedeutet sowohl Makrele als auch Zuhälter. Der Zusammenhang wird deutlich, als Marcel davon ausgeht, dass damit nicht sein Chauffeur gemeint ist, von dem man weiß, dass er auch als Zuhälter tätig ist.


    Das sind Passagen, in denen ich meinen drei Jahren Französischunterricht nachtrauere, von denen nichts geblieben ist, und häufiger nach hinten zu den Anmerkungen blättere, um nichts zu verpassen.



    Aber schon die Bitte Albertines nach einem Eis bringt ihn wieder dazu, Verrat und Heimlichkeiten von ihrer Seite zu vermuten. Ich stelle es mir schrecklich anstrengend vor, hinter jeder noch so kleinen Bemerkung den Versuch zu vermuten, hintergangen zu werden :rollen:...


    Das wird etwas später auch nochmal richtig deutlich, als er unbedingt vermeiden will, dass Albertine alleine ins Trocadéro geht, weil er argwöhnt, sie könnte sich dort mit jemandem treffen. Er startet eine größere Aktion, um sie von dort wegzulotsen. Langsam nimmt seine Eifersucht bedenkliche Ausmaße an.

  • Hallo Doris :winken:


    erstmal danke für die Beispiele aus deinen Anmerkungen. "Escargot" und "Maquereau" hatte ich zwar noch übersetzen können, aber die zweideutigen Bemerkungen wären mir ohne dich ehrlich gesagt entgangen :rollen:.


    Ich mache im Moment eine klitzekleine Proust-Pause, werde aber ab morgen oder übermorgen wieder weiterlesen.


    Viele liebe Grüße
    knödelchen

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  • Ich bin in den letzten drei Tagen auch nicht viel zu lesen gekommen, auch wenn ich gerne mehr gelesen hätte. Das Schreiben über das Buch ist dabei auch nicht gerade einfach. Bei Klassikern bin ich eine, die zwar gerne liest, aber wenig darüber sagen kann.


    Bei diesem 5. Band fällt mir immer wieder auf, dass er generell recht negativ konnotiert ist. Schon alleine der Titel deutet darauf hin. Marcel liebt zwar laut eigenen Worten Albertine nicht mehr, zerbricht sich aber ständig den Kopf über sie und sein Verhältnis zu ihr, außerdem ist er eifersüchtig, was ein Zeichen dafür ist, dass sie ihm keinesfalls gleichgültig ist. Dann wird viel über das Lügen (und Selbstbelügen) geredet, vor allem auch wieder in Zusammenhang mit Albertine und ihren Ausflüchten. Vor kurzem wurde auch bekannt, dass Bergotte gestorben ist, was Marcel relativ emotionslos hinnimmt,obwohl er doch so ein Verehrer des Schriftstellers war.


    Ich bin gedanklich immer noch damit beschäftigt, wie das Verhältnis der beiden jungen Leute einzuschätzen ist. Albertine lässt sich einsperren und einschränken, ohne den Anschein zu erwecken, dass es ihr unangenehm ist. Gleichzeitig versucht sie aber, ihr Leben mit ihren Freundinnen weiterzuleben wie zuvor. Die Partnerschaft läuft auf drei verschiedenen Ebenen ab, nämlich einer gemeinsamen und der jeweils eigenen. Sie schaffen es nicht, das alles in Einklang zu bringen. Auf die Dauer kann das nicht gut gehen.


    Ich bin derzeit an der Stelle, wo Marcel mit Charlus und Brichot bei den Verdurins eintrifft.


  • Ich lese immer etwas anderes nebenbei. Mit Proust bin ich heute bei zwei Mal lesen auch nur 20 Seiten weitergekommen. Aber die waren schön! Marcel schildert hier die Szenerie, die er nach dem Aufstehen vor seinem Fenster erblickt und hört, und die er erst genießen kann, seit Albertine bei ihm lebt. Da gibt es Marktstände und Verkäufer, die lauthals ihre Waren anpreisen, mit einigen zweideutigen Begriffen, die man nur versteht, wenn man des Französischen mächtig ist oder die Fußnoten liest. Bei mir ist Letzteres der Fall.


    An diese Marktschreier erinnere mich auch und halte sie für eine der besten Neben-Szenen des ganzen Werkes. Sie wirken übrigens auch in den Hörbüchern besonders stark.


    Gruß, Thomas

  • Die Gesellschaft bei Verdurins hat noch nicht richtig begonnen, da ist schon wieder von einem Todesfall die Rede. Er wird ganz beiläufig erwähnt und auch so aufgenommen. Es handelt sich um die Fürstin Scherbatow, keine Person, die eine tragende Rolle spielt. Madame Verdurin als ihre Freundin gibt sich unberührt, weil die Stimmung ihres Festes darunter leiden könnte.


    In diesem Abschnitt wird verhältnismäßig oft vom Tod gesprochen, und laut Anhang hat Proust diese Teile nachträglich in sein Manuskript eingefügt, zum Teil ohne den Text dann weiter zu überarbeiten, so dass später einer der Toten sogar noch einmal einen Auftritt haben soll. Mich irritiert es etwas, denn es gibt der Erzählung einen bitteren Beigeschmack. Von den positiven Gefühlen aus früheren Bänden ist hier nichts mehr zu spüren.