Thomas Hardy - Tess of the D'Urbervilles

Es gibt 65 Antworten in diesem Thema, welches 23.755 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von yanni.

  • Ihr Lieben,


    ich mache schon mal unseren Leserundenthread auf :smile:


    Regeln wie immer - Spoiler bitte kennzeichnen bzw. Eure Postings mit deutlichen Kapitelangaben versehen, und auf eher sinnarme Postings à la "Ich fange jetzt gleich an zu lesen" verzichten. Ihr kennt das ja schon ;)


    Ich freue mich auf den Austausch mit Euch!


    Teilnehmer:
    Kirsten
    Valentine
    Yanni
    Tammy1982
    finsbury


    vorsichtiges Interesse:
    illy


    mit Fragezeichen:
    Knödelchen
    Juggalette
    stefanie_j_h

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo Ihr Lieben,


    super, wollte schon heute fragen, wo wir uns denn treffen! :breitgrins:


    Ich habe gestern mit dem Buch begonnen, bin aber erst ein paar Seiten weiter gekommen. So vom Lesen fing das schon ganz gut an, ich muss mich noch ein bisschen an den Stil gewöhnen, aber ich denke das wird schon gut klappen.


    Worüber ich mich so aufregen muss, ist, dass ich nicht acht gegeben habe und mir eine Ausgabe geholt habe, wo gleich auf der Buchvorderseite ein großer Hinweis prangt, dass es sich um das Lieblingsbuch von Ana Steele aus Fifty Shades handelt. Und das Ärgerliche ist, dass das kein Kleber ist, denn man abmachen kann, sondern der mit gedruckt wurde! Ah, das regt mich echt auf! Ist ja schon peinlich das Buch in der Öffentlichkeit zu lesen! :grmpf: :rollen:


    Dann bin ich mal gespannt, wie uns das Buch so gefallen wird!


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)


  • Worüber ich mich so aufregen muss, ist, dass ich nicht acht gegeben habe und mir eine Ausgabe geholt habe, wo gleich auf der Buchvorderseite ein großer Hinweis prangt, dass es sich um das Lieblingsbuch von Ana Steele aus Fifty Shades handelt. Und das Ärgerliche ist, dass das kein Kleber ist, denn man abmachen kann, sondern der mit gedruckt wurde! Ah, das regt mich echt auf! Ist ja schon peinlich das Buch in der Öffentlichkeit zu lesen! :grmpf: :rollen:


    Im unseren Thalia ist das Buch übrigens genau deshalb gerade bei der Erotikliteratur zu finden. :rollen: Frage mich, wer für so etwas verantwortlich ist...


    Bin gespannt auf eure Leserunde. Ich hab das Buch schon gelesen und war leider etwas enttäuscht. Werde hier aber eifrigst mitlesen. :winken:

    "This was another of our fears: that Life wouldn't turn out to be like Literature" (Julian Barnes - The Sense of an Ending)


  • Im unseren Thalia ist das Buch übrigens genau deshalb gerade bei der Erotikliteratur zu finden. :rollen: Frage mich, wer für so etwas verantwortlich ist...


    Offenbar niemand, der sich schon mal ernsthaft mit Literatur befasst hat :rollen:


    Ich gebe dann mal wieder an mit meiner schönen Penguin-Clothbound-Ausgabe ;)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich lese die Reclam-Ausgabe,


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    in der mehrere Vorworte und jede Menge Anhang enthalten sind.


    Nachdem nun der Erklärenden Anmerkung zur ersten Ausgabe drei Vorworte von Thomas Hardy folgten, in denen auf die Anmerkungen des Herausgebers zum Text verwiesen wurde, habe ich kurzer Hand gleich noch Zur Übersetzung und Edition das Nachwort: Plädoyer für ein in Deutschland vernachlässigten Autor folgen lassen. Dass ich brav die Literaurverweise nachgelesen habe, versteht sich ja von selbst. Das Nachwort hat übrigens ein eigenes Literaturverzeichnis. Leicht ermattet von all dieser Lektüre vertiefte ich mich in die beigefügte Karte von Wessex.


    Nun weiß ich, in wie vielen Versionen dieser Roman bereits geschrieben wurde. Wie oft und warum er abgeändert wurde. Dass auch die deutsche Übersetzung nochmals überarbeitet wurde, um sie besser lesbar zu machen und um Hardys Anschauung richtig rüber zu bringen. So wurde das Wort Weib, das anscheinend in der ersten Übersetzung noch recht oft gebraucht wurde, durch Frau ersetzt, außer es handelt sich um biblische Texte. Wenn man dann allerdings die Bezeichnung Bauerndirne liest, ist zu vermuten, dass Hardy damit das abschätzige Gehabe besser gestellter Herren zum Ausdruck bringen wollte. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob es 1978 für Hardys country hoydens nicht eine besere Übersetzung gegeben hätte.



    Interessant finde ich die Einteilung des Romans in Phasen. Wir begleiten also Tess kapitelweise durch ihre verschiedenen Lebensphasen. Da ich mich nun nicht zu diesen überaus feinfühligen Lesern zähle, die nicht imstande wären das eine oder andere auf den folgenden Seiten zu verkraften (Hardys Vorwort hat mich köstlich amüsiert), machte ich mich daran die Durbeyfields kennen zu lernen.


    Und da standen sie nun, Jake und Joan Durbeyfield, ganz so wie Thomas Hardy sie für uns zum Leben erweckte. Im nachhinein könnte ich Pastor Tringham noch was auf sein loses Mundwerk hauen. Die Erkenntnis kam ihm zwar auch noch, aber leider zu spät. :rollen:
    Schon nach wenigen Seiten war ich recht froh über die vielen Anmerkungen, da sonst vieles spurlos an mir vorüber gegangen wäre. Die vielen Zitate aus Werken Shakespeares habe ich auch gleich wieder vergessen, aber andere Einzelheiten, wie die Codes von 1862 und 1867, die besagen, dass Lehrkräfte nach Erfolgsquoten der Schüler bezahlt werden sollten, bleiben sicher länger hängen.

  • Meine Penguin-Ausgabe hat auch ein umfangreiches Vorwort, das ich aber erst nach beendeter Lektüre lesen möchte, um mich nicht zu spoilern.


    Die Fußnoten zum Romantext lese ich allerdings auch mit. Viele Details, die damaligen Lesern vertraut gewesen sein mögen, sind uns ja heute reichlich fremd.


    Hardys Vorwort hat mir auch gefallen. Ich fürchte, er hat das nicht zu Unrecht vorangestellt ... so manch viktorianisch-empfindsames Seelchen mag sich angesichts der Thematik geschockt abgewendet haben.


    Ich lese die Originalausgabe; mit Hardys Sprache komme ich ganz gut klar. "Bauerndirne" ist ja fürchterlich!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Phase 1 (Kapitel 1 - 3)
    Ich finde die Unterteilung in Lebensphasen auch sehr interessant, weil ich bis jetzt kein Buch gelesen habe, in dem so eine Abgrenzung der verschiedenen Lebensabschnitte vorkommt. Pastor Tringham hat sich wahrscheinlich in den Allerwertesten gebissen, nachdem er mit seiner geplaudert hatte. Wahrscheinlich kam er sich mit seinem Wissen über die Durbeyfields sehr schlau vor und wollte damit ein bisschen angeben. Dieser Schuss ging aber nach hinten los. Ich weiß noch nicht, ob ich Tess ihrer Familie wegen bedauern soll. Sicher, der Vater wirkt auf mich wie ein unzuverlässiger Trunkenbold, der im Dorf anscheinend auch einen ganz bestimmten Ruf genießt und Geld ist bestimmt auch keines da. Aber dass sich Tess dann davonmacht und ihre Mutter mit der ganzen Arbeit alleine läßt... ich weiß nicht... auf der anderen Seite will sie bestimmt auch mal etwas anderes sehen als nur ihre bescheidenen vier Wände.


    Valentine: über die "Bauerndirne" würde ich mich nicht zu sehr aufregen. Als Dirne hat man doch früher auch ein Mädchen bezeichnet, das finde ich jetzt nicht so schlimm :winken:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Phase 1 (Kapitel 1 - 3)
    Ich finde die Unterteilung in Lebensphasen auch sehr interessant, weil ich bis jetzt kein Buch gelesen habe, in dem so eine Abgrenzung der verschiedenen Lebensabschnitte vorkommt.


    Geht mir genauso.


    Zitat

    Valentine: über die "Bauerndirne" würde ich mich nicht zu sehr aufregen. Als Dirne hat man doch früher auch ein Mädchen bezeichnet, das finde ich jetzt nicht so schlimm :winken:


    Ja, ich weiß schon. Aber trotzdem klingt es einfach ... hässlich in meinen Ohren.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine: kann ich verstehen. Ich weiß gar nicht, welches Wort in meiner englischen Ausgabe verwendet wird. Wahrscheinlich keines, das mir so sehr aufstößt, als dass es mir auffällt.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Bis Kapitel XI


    Nein, unbedingt beneiden kann man Tess um ihre Eltern nicht. Aber ich bin sicher, es gibt wesentlich schlimmere. Irgendwo ist es doch verständlich, dass sie die Hoffnung hegen durch diese Entdeckung einen Vorteil herausholen zu können. Wenn allerdings Jake richtig zugehört hätte, dann wäre ihm vielleicht von vornherein klar gewesen, dass man finanziell nichts erwarten kann, da ja die Familie d'Urberville als ausgestorben gilt.
    Schlechte Eltern sind sie nicht. Zwar drängt die Mutter Tess bei der entfernten Verwandten vorstellig zu werden, aber als es dann soweit ist, dass sie dorthin gehen wird, fällt es auch ihr schwer. Erstaunt hat mich die Haltung des Vaters, als er das Pferd lieber im Garten vergräbt, als es für ein paar Münzen zu verkaufen. Ist das nun bewundernswerter Stolz oder Dummheit? So schlecht kann es der Familie also doch nicht gehen, oder ist er so geblendet von seiner zukünftigen Stellung, dass er es nicht für nötig hält?


    Tess ist zu bewundern. Ich hätte es sicher nicht fertig gebracht zu dieser Familie zu gehen und eine mögliche Verwandtschaft zu offenbaren um Vorteile daraus zu erhoffen (erbetteln trifft es wohl eher). Andererseits ist ihr Schuldgefühl doch sehr groß und es ist ihre derzeit einzige Möglichkeit einer Wiedergutmachung. Eine Stelle als Lehrerin hätte ich ihr von Herzen gegönnt. Aber leider ist es dann dieser Alexander, der ihr über den Weg läuft. Er machte von Anfang an keinen guten Eindruck. Dass er dann auch noch verschwieg, was es mit dem Namen auf sich hat, brachte ihn sogleich meine aufrichtige Abneigung ein.


    Geschickt bringt er die Mutter auf seine Seite und schwups ist Tess mit dem Geflügel betraut. Über die alte Dame und ihre Neigung zum Federvieh musste ich lachen. Ausgerechnet Hühner!
    Warum hat Tess, als ihr klar wurde, dass die alte Dame über die Vorgeschichte ihrer Einstellung nichts wusste, nicht mit ihr darüber gesprochen? Wollte sie vielleicht damit warten, bis ihre Stellung gefestigt ist?


    Dieser Alexander ist wie ein dunkler Schatten. Ständig taucht er irgendwo auf. Sein Verhalten ist geschickt. Zwar verfolgt er sein Ziel, gleichzeitig gibt er scheinbar nach, nur um dann erneut sein Glück zu versuchen.
    Ich fragte mich schon die ganze Zeit, wie Hardy es anstellen würde, das schier unvermeidliche geschehen zu lassen. Von nächtlicher Schwärze verborgen ließ er das Unsägliche geschehen.
    Hardys Wortwahl lässt einem das Blut in den Adern gefrieren, meine Güte, entpuppe ich mich nun doch als eine dieser empfindlichen Seelen? Aber es ist faszinierend, wie er einerseits diese grauenvolle Tat schildert, ohne sie wirklich je beim Namen zu nennen, andererseits Tess völlig Unschuld in den Vordergrund zu rücken weiß. Seine Bemerkung über die Moral von Gottheiten hat ihn sicherlich nicht das Wohlwollen der Kirche eingebracht. Mutig!


    Warum nun eigentlich diese Szene in Kapitel X, der Tanz in der Scheune, so lange aus dem Roman entfernt war, leuchtet mir nicht recht ein. War es damals so verwerflich sich auf diese Weise zu vergnügen, oder war es nur speziell die Szene, in der die Tänzer, die nicht immer miteinander verheiratet waren, zu Fall kamen und sich am Boden wälzten?


    Da die nächste Phase mit Kein Mädchen mehr umschrieben ist, und ich diesem Herr keine ehrbaren Absichten unterstelle, schwant mir bereits Schlimmstes. Die ersten beiden Phasenbezeichnungen sind auf jeden Fall sehr aussagekräftig. Die groben Tatsachen mit einem Schlag auf den Tisch gebracht.



    Ja, ich weiß schon. Aber trotzdem klingt es einfach ... hässlich in meinen Ohren.


    Im richtigen Kontext habe ich gegen diesen Ausdruck nichts einzuwenden. Aber da gerade im Anhang darauf hingewiesen wurde, dass in der deutschen Übersetzung das Wort Weib, weil es abschätzig klingt, nur in den Bibeltexten beibehalten wurde, um somit Hardys Gesinnung zum Ausdruck zu bringen, erstaunte mich dieser Ausdruck. Da er aber in der wörtlichen Rede verwendet wurde, bin ich der Ansicht, dass dadurch die Gesinnung besagter Herren zum Ausdruck gebracht werden sollte. Wenn es sich dabei offensichtlich um Mägde gehandelt hätte, wäre es was anderes gewesen, da das Wort Dirn auch für das Wort Magd verwendet wurde und je nach Herkunft von alten Leuten heute noch so bezeichnet wird.

  • Phase 1 (Kapitel 4 bis Kapitel 9)
    Kommt es nur mir so vor oder soll Tess so schnell wie möglich an die reichen Verwandten verschachert werden? Wie praktisch, dass sie einen jungen Cousin hat :rollen: Ihr selbst scheint ihre Rolle noch nicht klar zu sein, erst als sie von ihrer Familie Abschied nimmt, verplappert sich eines der jüngeren Geschwister. Vielleicht wollte sie aber auch ihr Schicksal noch nicht so ganz wahrhaben.


    Alec (so heißt Alexander in meiner englischen Ausgabe) war mir vom ersten Augenblick suspekt. Es kommt mir so vor, als ob er in Tess leichte Beute sieht und alles unternimmt, um sie zu "erlegen". Wie yanni schon gesagt hat: er ist wie ein dunkler Schatten. Irgendwie gruselig, vor allem weil ich weiß, was dem armen Mädchen passieren wird :sauer:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ende Phase 1 und Phase 2:
    Richtig heimisch scheint sich Tess nie bei den "reichen" Verwandten gefühlt zu haben. Auch ihre Nachbarn im Dorf scheinen zu denken, dass sie sich für etwas Besseres hält. Dazu noch die ständigen Nachstellungen von Alec: die Arme hatte wirklich keine schöne Zeit.


    Alec unternimmt wirklich alles, um Tess für sich zu gewinnen. Es gibt sogar Geschenke für den Vater und die Kinder. Will er damit wirklich nur ein Schäferstündchen herausschlagen oder verspricht er sich doch mehr? Das ist mir bei ihm nicht klar.


    Als Tess wieder nach Hause kommt, hat sie sich verändert. Das merkt man schon auf dem Heimweg bei ihrer vorläufig letzten Begegnung mit Alec. Sie spricht erwachsener und fürchtet sich auch nicht mehr, direkte Worte zu finden. Schade, dass diese Entwicklung so einen traurigen Hintergrund hat. Im zweiten Teil kommen Tess' Eltern nur noch selten zu Wort. Die Mutter taucht nur noch am Anfang auf, als sie ihrer Tochter Vorwürfe macht dass sie die Träume der Eltern nicht erfüllen konnte und der Vater ganz zum Schluss, als er Tess im Haus einschließt. Dazwischen erfährt man nichts über sie, obwohl ein ganzes Jahr vergeht. Das zeigt ein deutliches Bild der Einsamkeit, die Tess in dieser Zeit gefühlt haben muss. Aber am Ende dieses Teils bricht sie wieder in ein anderes Leben auf. Dieses Mal hat sie sich die Bedingungen ausgesucht und hofft, dass sich ihre Träume diesmal erfüllen.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Worüber ich mich so aufregen muss, ist, dass ich nicht acht gegeben habe und mir eine Ausgabe geholt habe, wo gleich auf der Buchvorderseite ein großer Hinweis prangt, dass es sich um das Lieblingsbuch von Ana Steele aus Fifty Shades handelt. Und das Ärgerliche ist, dass das kein Kleber ist, denn man abmachen kann, sondern der mit gedruckt wurde! Ah, das regt mich echt auf! Ist ja schon peinlich das Buch in der Öffentlichkeit zu lesen! :grmpf: :rollen:


    Dann bin ich mal gespannt, wie uns das Buch so gefallen wird!


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:


    Man muss sich niemals schämen Thomas Hardy zu lesen. Er ist einer meiner absoluten Lieblingsautoren. Ein wahrer Meister seines Faches. Ich kenne Shades of Grey nicht, aber wenn die diese Person so unsympathisch ist, muss man doch immer wieder bedenken, wie viele Menschen Bücher lesen, welche sie in ihrer wahren Schönheit der Sprache gar nicht verstehen und zu würdigen wissen, aber sie können sagen sie haben es gelesen.


    Und überhaupt: Hardy in die "Erotische Ecke" zu stellen: :ohnmacht:


    Ich wünsche Euch viel Spaß bei diesem wunderschönen Buch.

  • Bis Kapitel 5


    Hm, ich habe es eigentlich nicht so empfunden, dass Tess sich heimlich davongemacht hat, um "Party zu machen". Dieser Maitanz oder wie auch immer das im Deutschen heißt ist ja eine alte Tradition, und ich glaube nicht, dass ihre Mutter deswegen böse war.


    Die Eltern wirken ein bisschen überfordert mit ihrem Leben. Der Vater hat offenbar einen Hang zum Alkohol und auch die Mutter ist froh, wenn sie ihn "aus der Schenke abholen" gehen kann, weil sie dort dann eine Weile aussteigen kann aus der täglichen Plackerei mit der Wäsche und der großen Kinderschar.


    Der Pfarrer hat da ja schön was losgetreten mit seinem Gefasel über die adelige Abstammung der Durbeyfields. Umso interessanter fand ich dann, dass die neureichen Stoke-D'Urbervilles gar nichts mit den "Ur-D'Urbervilles" zu tun haben und der Name nur angenommen ist.


    Dieser Alec ist mir nicht gerade sympathisch, mir schwant Übles für Tess.


    Oh, und diese Geschichte mit dem Pferd war furchtbar. Das arme Tier, und mir taten auch Tess und ihr kleiner Bruder leid, die mitten in der Nacht unterwegs sein mussten, weil der Vater zu besoffen war, um seine Arbeit zu tun, und dann auf diese Weise gestrandet sind.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hm, ich habe es eigentlich nicht so empfunden, dass Tess sich heimlich davongemacht hat, um "Party zu machen".


    Heimlich davongestohlen hat sie sich natürlich nicht. Aber es ist eigentlich ungewöhnlich für eine Heldin, dass sie das Vergnügen vor die Pflichten stellt.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • I,1-3
    Hallo,


    konnte erst heute einsteigen und bin daher noch nicht weit gekommen. Was mir sofort aufgefallen ist, ist der schnörkellose und direkte Stil Hardys, der den Leser geradezu in seine Romankonstruktion miteinbezieht:
    Soviel zu normannischem Blut ohne die Hilfe des viktorianischen Mammons(I,2)
    Wenn sie (Mutter und Tochter) zusammen waren, fand man das jakobäische und viktorianische Zeitalter Seite an Seite.(I,3)


    Außerdem wird der Leser direkt in das Hauptthema der Handlung hineingezogen: Das Thema der d'Urbervilles
    erscheint bereits auf der zweiten Seite des Romans.


    Hardys Landschaftsbeschreibungen fand ich schon in "Am grünen Rand der Welt" grandios, und auch hier ist die Beschreibung des Blackmore-Tals in I,2 wieder ein tolles Beispiel dafür.


    Im Moment wirkt die Gestaltung von Tess' Eltern noch ein wenig burlesk, Tess scheint vom Autor ernster genommen zu werden.

  • Heimlich davongestohlen hat sie sich natürlich nicht. Aber es ist eigentlich ungewöhnlich für eine Heldin, dass sie das Vergnügen vor die Pflichten stellt.


    Da es sich um eine Veranstaltung des Vereins, in dem Tess Mitglied war, handelte, sollte sie doch anwesend sein. Dass es wie eine unerlaubte Vergnügung auf den Leser wirken könnte, lag an Tess eigenem Gedankengang als sie ihre Mutter mit der Wäsche beschäftigt sah, umgeben von ihren jüngeren Geschwistern. Klar, dass Tess dann nicht mehr wohl war und sich selbst ausschimpfte. Ihre Mutter aber dachte gar nicht daran ihr dieses Vergüngen zu missgönnen. Auch wenn sie erfreut war, Tess nun zu Hause zu wissen, um selbst ihren Mann abholen zu können. :zwinker:



    Im Moment wirkt die Gestaltung von Tess' Eltern noch ein wenig burlesk, Tess scheint vom Autor ernster genommen zu werden.


    Die Eltern scheinen mir nur notwendige Statisten zu sein. Sein Hauptanliegen dreht sich, wenn ich die bisherigen Infos zu diesem Buch richtig sehe, um das Ansehen und den Lebensweg von jungen Mädchen und Frauen in Tess' Situation. Darauf, wie er ihren Lebensweg weiterspinnt, bin ich schon höchst gespannt.


  • Hardys Landschaftsbeschreibungen fand ich schon in "Am grünen Rand der Welt" grandios, und auch hier ist die Beschreibung des Blackmore-Tals in I,2 wieder ein tolles Beispiel dafür.


    O ja, das macht er einfach wunderbar.



    Dass es wie eine unerlaubte Vergnügung auf den Leser wirken könnte, lag an Tess eigenem Gedankengang als sie ihre Mutter mit der Wäsche beschäftigt sah, umgeben von ihren jüngeren Geschwistern. Klar, dass Tess dann nicht mehr wohl war und sich selbst ausschimpfte.


    Als rückwirkendes schlechtes Gewissen von Tess' Seite habe ich das auch verstanden.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo Ihr Lieben,


    ich hatte zwar viel Zeit zum Lesen, aber nicht zum Posten, bin daher schon mitten in der 2. Phase. Ich ärger mich immer noch, dass ich diese Ausgabe habe: Kein Vorwort zum Autor, keine Erklärungen und die Einteilung in die verschiedenen Lebensphasen habe ich nur Dank eurer Hinweise erkannt, sonst hätte das noch gebraucht, bis ich das sehe! :grmpf: Echt ärgerlich! Aber zum Inhalt:


    1. Phase


    Als rückwirkendes schlechtes Gewissen von Tess' Seite habe ich das auch verstanden.


    Ja, das habe ich auch so verstanden, dass Tess sich ein schlechtes Gewissen macht. Ihre Mutter ist ja eher unbedarft und freut sich dann, dass sie ihrem Mann noch Gesellschaft leisten kann. Traurig und lustig zugleich fand ich die Beschreibungen, wie sie da zusammen im oberen Stockwerk der Schänke sitzen und je mehr Alkohol fließt, desto edler wirkt die Einrichtung.


    Die Geschichte mit dem Pferd war wirklich übel. Nicht schon schlimm genug, dass Tess und ihr Bruder für den Vater einspringen müssen, dann passiert auch noch dieser Unfall. Nur aufgrund von diesem Unglück fühlt sich Tess dann ja quasi gezwungen das Angebot für die Pflege der Hühner anzunehmen. Hätte sie bloß auf ihr schlechtes Bauchgefühl gehört! Schlimm, wie auch die Mutter zwar als Tess weg ist, dann einen lichten Moment hat, es dann aber zu spät ist, um Tess noch zu beschützen.


    Man konnte förmlich auf den Seiten dann spüren, wie sich das Unheil immer mehr verdichtet und es nur so enden kann, wie es dann endet. Dramatisch, wie der Autor das in Worte fasst. Obwohl er eigentlich nicht schreibt, was passiert, fand ich es trotzdem auch richtig schlimm!



    Alec unternimmt wirklich alles, um Tess für sich zu gewinnen. Es gibt sogar Geschenke für den Vater und die Kinder. Will er damit wirklich nur ein Schäferstündchen herausschlagen oder verspricht er sich doch mehr? Das ist mir bei ihm nicht klar.


    Ja, da rätsel ich auch noch, ob er wirklich noch weiteres Interesse an Tess hatte oder sie nur ihm zu Willen haben wollte. Irgendwie habe ich ja schon das Gefühl, dass sie ihm nicht gänzlich egal ist, ihm aber einfach nicht bewusst ist, was er ihr angetan hat? Ein kleiner Hinweis dazu, dass er wohl nie wirkliche Grenzen gelernt hat, wurde ja schon erwähnt im Zusammenhang mit seiner Mutter. Die ist zwar von ihm genervt, im Zweifelsfall gibt sie aber doch nach. Er denkt, dass er sich einfach nehmen kann, was er will und sieht gar nicht, was er Tess damit antut! :grmpf:


    Phase 2



    Als Tess wieder nach Hause kommt, hat sie sich verändert. Das merkt man schon auf dem Heimweg bei ihrer vorläufig letzten Begegnung mit Alec. Sie spricht erwachsener und fürchtet sich auch nicht mehr, direkte Worte zu finden. Schade, dass diese Entwicklung so einen traurigen Hintergrund hat. Im zweiten Teil kommen Tess' Eltern nur noch selten zu Wort. Die Mutter taucht nur noch am Anfang auf, als sie ihrer Tochter Vorwürfe macht dass sie die Träume der Eltern nicht erfüllen konnte und der Vater ganz zum Schluss, als er Tess im Haus einschließt. Dazwischen erfährt man nichts über sie, obwohl ein ganzes Jahr vergeht. Das zeigt ein deutliches Bild der Einsamkeit, die Tess in dieser Zeit gefühlt haben muss. Aber am Ende dieses Teils bricht sie wieder in ein anderes Leben auf. Dieses Mal hat sie sich die Bedingungen ausgesucht und hofft, dass sich ihre Träume diesmal erfüllen.


    Ja, das hast du sehr schön zusammengefasst. Die Einsamkeit von Tess merkt man wirklich während der gesamten Phase. Am Ende der Phase hat man jetzt wirklich das Gefühl, dass Tess wieder etwas positiver gestimmt ist und es stimmt: Jetzt hat sie sich die Bedingungen selber ausgesucht und lässt sich nicht zu etwas überreden, bei dem sie ein schlechtes Gefühl hat.


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • I,10



    Traurig und lustig zugleich fand ich die Beschreibungen, wie sie da zusammen im oberen Stockwerk der Schänke sitzen und je mehr Alkohol fließt, desto edler wirkt die Einrichtung.


    Ja, diese Stelle hat mir auch gut gefallen. Ich finde insgesamt, dass Hardy, obwohl der Roman absolut keine lustige Handlung hat, dennoch die Geschichte mit viel Humor erzählt, oft natürlich mehr sarkastisch als humorig.



    Man konnte förmlich auf den Seiten dann spüren, wie sich das Unheil immer mehr verdichtet und es nur so enden kann, wie es dann endet. Dramatisch, wie der Autor das in Worte fasst. Obwohl er eigentlich nicht schreibt, was passiert, fand ich es trotzdem auch richtig schlimm!


    Auch da kann ich dir nur zustimmen: Hardy beherrscht die Kunst der Vorausdeutung auf vielen Ebenen, ob als direkte Anspielung, Naturmetapher oder verallgemeinernden Erzählerkommentar:


    Interessant finde ich, wie weit die Freiheit für Tess während ihrer Anstellung auf dem Hühnerhof geht. Gemeinsam mit "Häuslern" und - ich nehme an - der Dienerschaft besucht sie das nächste Marktdorf und geht allein zu ländlichen Festen: Aber wie soll sie es auch anders tun, da sie keine Verwandten in der Nähe hat und sich anscheinend bei den "d'Urbervilles" auch niemand um die jungen Angestellten kümmert. Nun kommt ihr aber auch schon Alec entgegen, da ist die Katastrophe schon absehbar ... .