Thomas Hardy - Tess of the D'Urbervilles

Es gibt 65 Antworten in diesem Thema, welches 23.752 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von yanni.

  • Phase II


    Bei Hardys Beschreibung von Tess' misslicher Lage schwankte meine Auffassung hin und her. Mal hatte ich den Eindruck Tess selbst presse sich in die Schablone der "Sünderin", während ihre Umwelt sich gar nicht so sehr daran stoße, wie sie glaubt. Dann wieder lässt Hardy durch eine oder mehrere Personnen mit geringschätzig, boshaften Blicken und Bemerkungen einen anderen Blickwinkel durchklingen.


    Tess' Seelennot in der Nacht als ihr Kind starb, ist sehr eindrücklich beschrieben. Auch ihre Erkenntnis am nächsten Morgen, dass sie sich nachts zu sehr hineingesteigert hat in ihre Angst.
    Ich hatte schon befürchtet, der Priester würde ihr erklären, dass ihre Nottaufe keine Gültigkeit hat. Durch die Aussage dieses Mann sah ich ihren Vater in einem noch weniger positiven Licht. Wie konnte er nur so grausam sein!


    Ihre Bemühungen von Marlott wegzukommen sind verständlich. Ein Neuanfang ist nur möglich, wenn keiner ihre Vergangenheit kennt. Wie beschrieben, war es gar nicht nötig übermässig weit zu reisen, um diese Voraussetzung zu gewährleisten. Hoffentlich verirrt sich Kunde ihrer Schande nicht versehentlich dorthin.


    Dass sie dort den jungen Mann vom Maifest wiedertrifft, lässt so einiges an zukünftigen Ereignissen vermuten. Mal sehen, ob er sich ihrer wirklich nicht erinnert. Oder womöglich mit den falschen d'Urbervilles bekannt ist. :rollen:



    Ja, diese Stelle hat mir auch gut gefallen. Ich finde insgesamt, dass Hardy, obwohl der Roman absolut keine lustige Handlung hat, dennoch die Geschichte mit viel Humor erzählt, oft natürlich mehr sarkastisch als humorig.


    Dazu fällt mir eine Stelle aus dem Vorwort Hardys ein, wo er schreibt, dass er die Wirklichkeit aufzeigen wolle, aber nicht beurteilen.

    Zitat

    Man lasse mich wiederholen, daß ein Roman Eindrücke von der Wirklichkeit vermittelt und nicht Auseinandersetzungen mit ihr.

  • So ... erst mal meine unsortierten Eindrücke der gelesenen Kapitel; auf Eure Kommentare gehe ich dann noch separat ein.


    Kapitel 6-8


    Tess ist zwar immer noch reichlich skeptisch, was das Unterfangen angeht, sich bei den D'Urbervilles anzubiedern, doch das schlechte Gewissen wegen des Pferdes lässt ihr letztendlich keine andere Wahl, als sich auf ihre neue Arbeit einzulassen.


    Ihr schlechtes Bauchgefühl, was Alec angeht, bewahrheitet sich schon auf dem Weg nach Trantridge. Nicht nur nimmt er keinerlei Rücksicht auf ihre Angst bei der rasanten Bergabfahrt, was ich noch mit jugendlichem Übermut hätte entschuldigen können, sondern überschreitet ganz eindeutig eine Grenze, als er sie gegen ihren Willen küsst und sie dann auch noch als empfindliches Pflänzchen hinstellt.


    Kapitel 9


    Das ist ja ein merkwürdiger Haushalt ... die Hühner als Schoßtiere der alten Dame und die überall herumfliegenden und alles vollklecksenden Finken haben mich etwas schmunzeln lassen und ich frage mich, ob sowas damals öfter vorkam oder ob Hardy hier ein bisschen satirisch übertreibt.


    Kapitel 10-11


    Dass sich Tess nicht unbedingt einen Gefallen getan hat, indem sie der betrunkenen Meute aus dem Dorf dadurch zu entfliehen sucht, doch bei Alec aufs Pferd zu steigen, dachte ich mir schon gleich - aber dass der die Situation so derartig ausnutzt, hätte ich an dieser Stelle (noch) nicht erwartet.


    Traurig fand ich hier auch die Einstellung zu derartigen Geschehnissen:


    Zitat

    As Tess's own people down in those retreats are never tired of saying among each other in their fatalistic way: "It was to be".


    Kapitel 12-13


    Neben Hardys wunderschönen Landschaftsbeschreibungen finde ich auch seine Worte über die Musik oft sehr schön und treffend, wie wenn er etwa über Tess' Freude an der Musik, die sie selbst in ihren dunklen Stunden ein wenig tröstet, schreibt:


    Zitat

    That innate love of melody, which she had inherited from her ballad-singing mother, gave the simplest music a power over her which could wellnigh drag her heart out of her bosom at times.


    Sehr berührend fand ich auch, wie Tess sich in der Dämmerung aus dem Haus wagt und in dem Gedanken Trost findet, dass es der Natur egal ist, ob sie in den Augen der anderen etwas Unmoralisches getan oder gegen gesellschaftliche Regeln verstoßen hat. (Ist es nicht schrecklich, wie sie, Opfer einer Vergewaltigung, als gefallenes Mädchen hingestellt wird? :traurig: )


    Kapitel 14


    Erst am Rande einer wunderbar detailliert gemalten Darstellung der Getreideernte wird klar, was man schon befürchtet oder vermutet hat: Tess ist tatsächlich schwanger geworden und hat, selbst fast noch ein Kind, nun ein Baby, dem sie - verständlicherweise - offenbar reichlich gemischte Gefühle entgegenbringt.


    Die darauffolgenden Szenen über die plötzliche Erkrankung und den Tod des Kleinen haben mir dann wirklich die Tränen in die Augen getrieben. Tess' flehentliche Bitten an den Gott, dessen sie sich manchmal selbst nicht mehr sicher zu sein scheint, das Kind nicht für ihre eigenen Sünden büßen zu lassen, den verzweifelten Versuch, dessen Seele durch eine Nottaufe zu retten und dann die Begegnung mit dem Pfarrer, der offenbar zwischen seinen menschlichen Regungen und den kirchlichen Lehren hin- und hergerissen ist - puh, ganz schön heftig :sauer:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Zitat von yanni

    Hardys Wortwahl lässt einem das Blut in den Adern gefrieren, meine Güte, entpuppe ich mich nun doch als eine dieser empfindlichen Seelen? Aber es ist faszinierend, wie er einerseits diese grauenvolle Tat schildert, ohne sie wirklich je beim Namen zu nennen, andererseits Tess völlig Unschuld in den Vordergrund zu rücken weiß.


    Da ist er wirklich ein Meister seines Fachs. Gerade weil er das Furchtbare nicht explizit ausspricht, ist es so eindrücklich.


    Zitat

    Seine Bemerkung über die Moral von Gottheiten hat ihn sicherlich nicht das Wohlwollen der Kirche eingebracht. Mutig!


    Das ist mir auch aufgefallen. Hardy zeigt sich in diesem Buch öfter mal kritisch an der institutionalisierten Religion (man denke auch an diesen Typen, der warnende Bibeltexte an die Zäune pinselt und der Tess auf ihrem beschwerlichen Weg nach Hause begegnet, als sie die D'Urbervilles verlässt).


    Tess' Einsamkeit hat mich auch sehr berührt. Sie hat ja keine Menschenseele, mit der sie sprechen kann, hat das Gefühl, ihre Schande verbergen zu müssen und kann sich von niemandem richtige Hilfe erwarten. Ich bin gespannt, wie es nun in Phase 3 für sie weitergeht auf diesem Milchhof ...

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Phase 3
    Ich finde es schön zu sehen, wie Tess abseits von zu Hause (und ihrer Vergangenheit) aufblüht. Ich habe das Gefühl, dass sie endlich auch von Frauen akzeptiert wird. In den vorigen Kapiteln hatte ich das Gefühl, als ob keine Frau, der sie begegnet ist, ihr wirklich freundlich gesinnt war. Aber Tess' Frieden ist nicht von langer Dauer, denn ihr Herz macht ihr wieder einen Strich durch die Rechnung. Ich kann verstehen, dass sie vorsichtig geworden ist. Trotzdem finde ich es schade, dass sie es sich so schwer macht. Sie hat endlich Glück verdient!

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Phase 3


    Fast habe ich befürchtet, Tess würde sich auf dem Milchhof ganz von den anderen absondern. Aber allein durch die gemeinsamen Mahlzeiten war ihr das schon nicht möglich. Sie hat in den anderen Milchmägden zwar keine richtige Freundin gefunden, wurde von ihnen jedoch akzeptiert und problemols aufgenommen. Selbst als sich herauskristallisierte, dass Angel sie den anderen vorzog, begegnete keine ihr mit Widerwillen.


    Wie sie sich verbog, nur um aus seinem Interesse zu entschwinden und eine der drei schmackhaft für ihn zu machen. Sie kann ja nicht ahnen, dass er nicht so konventionell eingestellt ist wie die Allgemeinheit. Ob er allerdings Tess' Vergangenheit einfach so wegschieben würde, vermag ich noch nicht richtig einzuschätzen. Jedenfalls fühlt Tess sich seiner unwürdig.


    Die Pfützenüberquerung war ein echtes Schauspiel! Ich konnte die leisen Seufzer und verdrehten Augen geradezu hören und sehen. :breitgrins: Glücklicherweise waren die Mädchen viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um zu erahnen wie ihr Galan wohl darüber dachte.
    Als er mit Tess auf dem Arm erschien, zerplatze auch die letzte Seifenblase. *seufz*


    Letztendlich ist sein feuriges Temperament mit ihm durchgegangen. Nur gut, dass dies seinem Vater nicht zugetragen werden kann. Wo man doch bereits eine Braut für ihn ausgesucht hat, wenn die Gerüchte stimmen.




    Trotzdem finde ich es schade, dass sie es sich so schwer macht. Sie hat endlich Glück verdient!


    Ich kann ihr Verhalten schon verstehen. Gerade als Sohn eines Pfarrers wird sie von ihm annehmen, dass er eine solche Vergangenheit für seine zukünftige Frau nicht akzeptieren wird. Und erfahren würde er es auf alle Fälle. Irgend eine boshafte Stimme würde es sich nicht nehmen lassen, nachzufragen, ob diese Tatsache auch bekannt sei.
    Sie kann besser mit einem unerfüllten Traum leben, als mit einer harschen Abfuhr. Dann wäre ihr Selbstwertgefühl arg angekratzt.

  • yanni: ich finde, Tess macht es sich nicht nur in Herzensdingen schwer. Sie ist auch sehr vorsichtig im Umgang mit den anderen Milchmädchen. Manchmal kommt es mir so vor, als ob sie glaubt, Glück nicht mehr verdient zu haben.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Manchmal kommt es mir so vor, als ob sie glaubt, Glück nicht mehr verdient zu haben.


    Oder sie ist es einfach nicht "gewöhnt", Glück zu haben bzw. glücklich zu sein?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Oder sie ist es einfach nicht "gewöhnt", Glück zu haben bzw. glücklich zu sein?


    Dazu habe ich heute eine mögliche Antwort gefunden:


    Phase 4: bis Kapitel 30
    Hier schreibt Hardy, dass Tess eine große Verantwortung fühlt. Nicht nur für ihr Leben, sondern auch für alle Menschen um sich herum. Vielleicht war deshalb auch am Anfang das schlechte Gewissen so groß, als sie zum Tanzen gegangen ist, statt ihrer Mutter zu helfen.


    Ansonsten hätte ich Tess hier gerne ein bisschen angeschubst. Nicht nur, dass sie sich endlos quält, weil sie Angel nicht die Wahrheit über sich sagen kann/will. Sondern auch, weil sie im letzten Moment kneift und dann nur von der Angst vor seiner Abneigung gegen alte Familien redet. Das schreit förmlich nach einem schlechten Ende.


    Angels Familie wirkt auf den ersten Blick sympathisch auf mich. Sie ist ein bisschen streng, was Alkohol und rotes Fleisch angeht, aber das ist nichts Schlechtes. Bei der Diskussion um die zukünftige Schwiegertochter kamen sie mir aber ein bisschen verbohrt vor. Angel darf natürlich die Frau seiner Wahl heiraten, solange sie nur den Wünschen der Eltern entspricht. Und auch die Brüder wirken zwar nett, aber irgendwie auch ein bisschen zu stolz auf ihre Ansichten. Da sehe ich einige Probleme für eine glückliche Zukunft!

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Phase 4: bis Kapitel 30
    Hier schreibt Hardy, dass Tess eine große Verantwortung fühlt. Nicht nur für ihr Leben, sondern auch für alle Menschen um sich herum. Vielleicht war deshalb auch am Anfang das schlechte Gewissen so groß, als sie zum Tanzen gegangen ist, statt ihrer Mutter zu helfen.


    Vielleicht liegt es zum Teil auch daran, dass sie als Älteste schon früh Verantwortung übernehmen musste. Zwar ist ihr Bruder nur drei Jahre jünger, aber als Sohn fällt er aus der häuslichen Pflicht und der Beaufsichtigung seiner Geschwister heraus. Und die nächste Schwester ist bereits sechs Jahre jünger. Das mag sie im Zusammenhang mit dem Lebenswandel ihrer Eltern in diese Richtungn hin geprägt haben.


    Mehr fällt mir dazu im Moment nicht ein, da ich etwas hinterherhinke.

  • Phase 4 bis Ende
    Ich habe in den letzten Kapiteln mit Tess mitgelitten. Auf der einen Seite will sie ihre Verfehlung beichten, auf der anderen Seite rät ihr sogar die Mutter davon ab. Dann scheint kurz vor der Hochzeit alles aufzufliegen... es ist schon viel, was sie aushalten muss. Und je länger sie wartet, desto größer wird ihre Angst. So etwas kann doch nicht gutgehen, aber mittlerweile gibt es keinen Ausweg mehr. Ich habe nach ihrer Beichte aufgehört zu lesen und bin gespannt, was mich erwartet, wenn ich wieder zum Buch greife. Etwas Gutes wird es leider nicht sein :sauer:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Phase 3


    Das scheint ja ein recht munteres Völkchen zu sein auf der Crickschen Farm, und Tess fühlt sich zwar nicht hundertprozentig zugehörig, hält sich lieber am Rande, doch ich habe schon den Eindruck, dass es ihr gefällt unter diesen sehr bodenständigen, zupackenden Leuten. Wunderschön auch wieder die Naturschilderungen und die Einblicke in das Alltagsleben auf dem Hof - der Vorgehensweise beim Melken, der Probleme mit der Butter, die nach Knoblauch schmeckt, oder der Milch, die partout nicht zur Butter werden will.


    Hach, bei solchen Sätzen geht mir einfach das Herz auf:


    Zitat

    The gray half-tones of daybreak are not the gray half-tones of the day's close, though the degree of their shade may be the same. In the twilight of the morning light seems active, darkness passive; in the twilight of the evening it is the darkness which is active and crescent, and the light which is the drowsy reverse.


    Interessant fand ich, mehr über Angel Clare zu erfahren, der trotz (oder gerade wegen?) seiner "frommen" Herkunft einen Weg einschlägt, der ihn von der Institution Kirche wegführt und sich, nachdem er nun nicht mehr studieren kann/darf, für eine Laufbahn als Landwirt entscheidet. Bei der ersten Begegnung hatte ich den Eindruck, dass er zwar nicht ganz so vergeistigt ist wie seine Brüder, aber mit so etwas Handfestem hätte ich auch nicht gerechnet.


    Und natürlich bleibt beim Auftauchen eines attraktiven jungen Mannes (so stelle ich ihn mir zumindest vor; so richtig näher beschrieben wurde er ja noch nicht) auch eine Schar von Verehrerinnen nicht aus. Universell auch das Getuschel, Gekicher, Erröten und Herzklopfen von Retty, Izz und Marian, das mich sehr an das "himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt" meiner eigenen Teeniezeit erinnert hat.


    Doch auch den verliebten Milchmädchen ist klar, dass Angel eigentlich nur Augen für Tess hat, was in der Szene am überfluteten Weg zur Kirche endgültig sichtbar wird. Wie schön für Tess, dass er zurückhaltend ist und die Situation nicht ausnutzt, genausowenig wie dann auf der Kuhweide - und schade, dass sie sich nicht darauf einlassen kann :traurig:


    Hier muss ich noch schnell einen Satz zitieren, der mir unheimlich gefallen hat:


    Zitat

    And it was the touch of the imperfect upon the would-be perfect that gave the sweetness, because it was that which gave the humanity.


    :herz:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Phase 4, Kapitel 25


    Von den Clares ist mir Angel mit Abstand am sympathischsten. Seine Eltern sind sicherlich herzensgute, hilfsbereite, selbstlose Menschen, aber dieses total Asketische, hm, damit habe ich Probleme, wie auch mit den etwas verbohrt wirkenden Ansichten der Brüder ...


    Schön beobachtet auch, wie Angel merkt, dass er sich zwar nach wie vor in Gegenwart seiner Familie geliebt und wohl fühlt, aber nicht mehr wirklich zugehörig. Ich bin gespannt, was sie von Tess halten werden ...

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Phase 5: bis Kapitel 41
    Tess' schlimmste Befürchtungen sind wahr geworden. Ihre Beichte hat einen Graben zwischen ihr und ihrem Mann aufgerissen, der nicht überwunden werden kann. Angels Bild von ihr ist zerstört. Dabei übersieht er völlig die Frau, die sie jetzt ist und beurteilt sie nach einer Sache, die Jahre zurück liegt und an der sie, wie er selbst zugibt, nur wenig Schuld trägt. Und trotzdem kann er nicht ertragen, mit ihr zusammen zu sein.... obwohl er sie eigentlich noch liebt... oder doch nicht? Und bis er sich seinen Gefühlen sicher ist, soll sich Tess doch bitte in Geduld üben... :rollen: Mit diesem Verhalten hat er alle Sympathie bei mir verspielt. Ich würde Tess am liebsten sagen, dass es sich nicht lohnt, um diesen Mann zu trauern. Aber würde sie auf mich hören? Ich in ihrer Situation würde es sicherlich nicht.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Phase 4


    Dieser Abschnitt war seitenmäßig bisher der längste. Der Titel Die Folge verhieß für mich erst mal nichts Gutes. Was (noch?) nicht eingetroffen ist. Aber so recht mag ich daran nicht glauben, da die Überschrift des nächsten noch direkter wird.


    Dass Tess dem Werben Angels nicht spontan oder auch nach kurzer Zeit nachgeben würde, war uns eigentlich sofort klar. Sie fühlt sich seiner nicht würdig! Nach damaligen Moralvorstellung war sie es dann auch nicht. :sauer: Sie kann ihm keine positive Antwort geben, da sie sich seiner nicht würdig fühlt und auch aus Angst vor seiner Reaktion, wenn er die Wahrheit erfährt.
    Ihr sich selbst gegebenes Gelübde, niemals zu heiraten, hätte sie nie in diese Bedrängnis gebracht. Aber sie ist jung und hübsch, wenn wundert es da, das sich bald ein anderer junger Mann für sie interessiert. Dass es nun gerade Angel ist, für den sie vom ersten Augenblick an eine Schwäche hat, ist aus ihrer Sicht fatal. Und er ist hartnäckig!


    Angels Familie! Ach je! Seine Brüder sind die Art von Menschen, denen man im Leben am liebsten nur einmal gegegnet. Seine Eltern im engsten Umfeld und deren Gefühle.
    Dass Angel heimatliche Gefühle, oder vielleicht eher die Erinnerung daran, verspürt und sich gleichzeitig nicht mehr zugehörig, ist leicht nachzuvollziehen. Sein Leben bewegt sich in ganz anderen Bahnen. Er ist bodenständiger geworden. Er ist seinem Vater sehr zugetan, möchte daher natürlich seine Zustimmung in der Wahl seiner Ehefrau haben. Wie geschickt er ihn dann lenkt, um seine Wahl der Logik gehorchend hinzustellen. :smile:


    Geärgert habe ich mich über Angel in dem Moment, als er es plötzlich wunderbar fand, dass Tess von den d'Urbervilles abstammt, weil er dadurch die Meinung seiner Eltern positiv beeinflusst sah. Wenn ich dann bedenke, wie er sich gegenüber einer anderen Magd mit gleichem Hintergrund verhielt, finde ich seine Reaktion heuchlerisch. Dass er auch in anderen Dingen mit zweierlei Maß messen wird, sagt mir eigentlich schon der Titel des nächsten Abschnitts. Seine Lebensbeichte soll Tess gütigst zur Kenntnis nehmen und verzeihen. Bei ihm wird es bestimmt nicht so sein! Ich glaube, ich werde mich auf den fogenden Seiten fürchterlich aufregen.


    Wunderbar geschildert fand ich das Bemühen der Cricks der Hochzeit, trotz der gewählten Form, noch einen festlichen Anstrich (im wahrsten Sinne des Wortes :breitgrins:) zu geben.

  • Ich glaube, ich werde mich auf den fogenden Seiten fürchterlich aufregen.


    Das habe ich schon. Aber ich bin auch erleichtert, dass du Angel genauso kritisch siehst wie ich. Nachdem die Mädchen im Buch alle eine so hohe Meinung von ihm haben dachte ich schon, dass ich ihm Unrecht tue.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Das habe ich schon. Aber ich bin auch erleichtert, dass du Angel genauso kritisch siehst wie ich. Nachdem die Mädchen im Buch alle eine so hohe Meinung von ihm haben dachte ich schon, dass ich ihm Unrecht tue.


    In Tess' und den Augen der anderen Milchmägde mag er ja der Inbegriff des idealen Mannes sein, ich seh das aber glücklicherweise nicht durch eine rosarote Brille.


    Schön, dass wir da einer Meinung sind. :winken:

  • Phase 3
    Grandios sind wieder die Naturmetaphern zu Beginn. Tess steigt in ein Tal hinab, das man erst von unten richtig wahrnehmen kann, und das sich dort als besonders grün und fruchtbar, von leicht zu atmender Luft durchweht, darstellt. Sie begibt sich also wieder aus der Distanz (Höhe, Überblick) hinunter ins pralle Leben, wo sie wieder beteiligt, d.h. aber auch gefährdet ist. Dennoch, ihr weitet sich das Herz wie das weite grüne Teil und sie fühlt die Befreiung von ihrer traurigen Vergangenheit wie tiefes Durchatmen nach langer Beengung.


    Die Beschreibungen des Landlebens, des Tagesablaufs mit den Kühen, die Begegnungen mit Angel und die selbstlose Liebe der vier Freundinnen, das alles hat etwas Idyllisches. Da wir aber schon wissen, dass Hardy kein Vertreter der Friede-Freude-Eierkuchen-Ideologie ist, können wir schon vermuten, dass irgendwann das dicke Ende folgt.


    Phase 4
    Und wenn man, wie yanni schon schrieb, den nächsten Phasentitel "Die Folge" liest, dann wird man schon bedenklich ... .
    Sehr hübsch, wie sich in Kapitel 25 die Brüder gegenseitig - genau entgegengesetzt zu ihrer Ausbildung - einschätzen. Während Angels Brüder ihn, der sich mit immer neuen Personen und Tätigkeiten während seiner landwirtschaftlichen Ausbildung erfolgreich bekanntmacht, für "gesellschaftlich untauglich" halten, unterstellt ihnen Angel, womit er vermutlich Recht hat, trotz ihrer Studiertheit "geistige Enge", eben genau deshalb, weil sie Gefangene der Konventionen ihrer Gesellschaftsschicht sind.

  • Kapitel 26


    Schön fand ich, wie beschrieben wird, dass Angel Tess um ihrer selbst willen liebt, und eben weil sie nicht irgendwelchen Konventionen der "höheren" Gesellschaft unterworfen und nicht im Übermaß gebildet ist.


    Dass Clare senior eine unerfreuliche Begegnung mit Alec hatte, ist ja auch interessant.


    Kapitel 27-29


    Mir tut Tess so leid, wie sie glaubt, Angels Antrag immer wieder ablehnen zu müssen, weil sie seiner nicht würdig ist, und es dabei nicht übers Herz bringt, ihm die Wahrheit zu gestehen :traurig: Dass er dann meint, man könne ja fast annehmen, sie treibe kokette Spielchen, obwohl er weiß, dass das nicht ihre Art ist, muss besonders geschmerzt haben.


    Kapitel 30


    Glaubt Angel wirklich, dass ihr die Abstammung von den D'Urbervilles solche Kopfschmerzen bereitet hat, nur weil er einmal gesagt hat, dass er nicht viel von altehrwürdigen Familienstammbäumen hält? Auf jeden Fall scheint er zu denken, dass das Thema damit erledigt ist.


    Kapitel 31


    Tess' Liebe zu Angel erscheint mir hier zum ersten Mal ein wenig naiv und blind für eventuelle Fehler. Irgendwie habe ich dabei plötzlich ein ungutes Gefühl. Auch finde ich inkonsequent, dass er auf einmal einen solchen Hermann um ihre Herkunft macht: "I am reserving it for a grand effect when we are married" - das passt nicht ganz zu seiner vorherigen Behauptung seinen Eltern gegenüber, dass seine Frau in erster Linie eine liebevolle, zupackende Partnerin sein soll und Standesunterschiede keine Rolle spielen.


    Kapitel 32


    Es liest sich, als ob sich Angel nicht so ganz im klaren darüber ist, wo sein Weg in Zukunft hinführen soll, weder beruflich noch privat, und seinen Ausspruch


    kann man als charmantes "Ich kann nicht ohne dich leben" sehen, aber irgendwie hört es sich für mich auch ein wenig kontrollfreakig an, wie auch der Absatz danach, in dem es klingt, als mache er Tess, die sich willig seine Ansichten und sein Wissen aneignet, mehr und mehr zu seinem Geschöpf (oder ist das nur meine persönliche Kontrollfreak-Allergie?)


    Und auch, dass er im Alleingang die "marriage licence" beantragt statt des wohl sonst üblichen Aufgebots, hat mich ein wenig gestört.


    Kapitel 33


    Wenn das mal nicht Alec war, den Angel in der Kneipe niedergeschlagen hat ...


    Blöd, diese Sache mit dem Brief ... da dachte das arme Ding, sie hätte endlich ihr Geständnis abgelegt und Angel mache es nichts aus, was geschehen ist, und dann hat er ihn gar nicht bekommen. Hm, andererseits ist natürlich fraglich, ob es dann überhaupt zu der Hochzeit gekommen wäre, die die Cricks so nett mit vorbereitet haben.


    Bei dem nachmittäglich krähenden Hahn musste ich, noch bevor ich den Verweis darauf im Anhang gelesen habe, sofort an Petrus in der Bibel denken. Sind die drei Hahnenschreie hier womöglich auch Vorboten eines Verrats, oder ist anderes Unglück für Tess im Busch? (Dass es Unglück geben wird, bin ich mir inzwischen ziemlich sicher.)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo Ihr Lieben,


    Phase 3 bis einschl. Kap. 19


    Ich hänge ein bisschen hinter her. Irgendwie hat mich dieses Buch nicht wirklich gepackt. Schiebe andauernd andere Lektüre dazwischen und kann mich immer nicht wirklich auf dieses Buch konzentrieren. Dabei finde ich die Beschreibungen echt schön, aber ich lese immer nur so zwischendurch und kann die schöne Sprache und bildhaften Beschreibungen immer gar nicht richtig genießen. Außerdem habe ich die ganze Zeit so ein schlechtes Gefühl im Bauch, dass diese glückliche Zeit für Tess nicht so lange anhalten wird.


    Sehr gut hat mir die Szene mit der Harfe draußen in der Nacht gefallen. Ich hatte fast das Gefühl, dass ich das Harfenspiel selber höre. Sehr spannend finde ich auch die Diskussionen zwischen Tess und Clare und v. a. dass Tess sich so stark bewusst wird, wie wenig sie eigentlich weiß. Gleichzeitig fand ich es dann irgendwie verwirrend, dass sie aber trotzdem auch nicht mehr erfahren möchte.


    Die Geschichte über Clare, die ihr der Meier erzählt hat, dass Clare alte Adelgeschlechter herablassend behandelt, trägt wohl auch nicht dazu bei, dass Tess sich ihm mal anvertrauen kann.


    Werde wohl länger an dem Buch hängen, da einfach jede andere Lektüre mich im Moment mehr reizt. Irgendwie schade!


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)