Titus Müller - Nachtauge

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    Kurzbeschreibung:


    Akribisch recherchierter Tatsachenroman und packender Spionagethriller
    Seit drei Jahren macht der britische Geheimdienst MI5 Jagd auf „Nachtauge“. Hinter diesem Codenamen verbirgt sich eine deutsche Spionin, die Schienen und Brücken zerstört und Verfolger kaltblütig umbringt. Jetzt steht sie vor ihrem größten Coup: der Aufdeckung einer womöglich kriegsentscheidenden großen Operation der britischen Luftwaffe. Diese bereitet die Bombardierung der größten deutschen Stauseeanlagen vor. Erstes Ziel: die Möhnetalsperre.


    Hier arbeiten über tausend ukrainische Frauen unter entwürdigenden Bedingungen in einer Munitionsfabrik. Im Lager unterstehen sie dem Befehl von Georg Hartmann. Er gerät unter Druck, weil Gerüchte kursieren, dass er nicht hundertprozentig auf Parteilinie sei. Tatsächlich ist er bei den Arbeiterinnen weit weniger gefürchtet als die brutalen Männer vom Werkschutz. Ahnt Hartmann, dass einige Frauen, unter ihnen auch die ihm sympathische Nadjeschka, einen spektakulären Fluchtversuch planen?



    Über den Autor:


    Titus Müller, geboren 1977 in Leipzig, studierte in Berlin Literatur, Geschichtswissenschaft und Publizistik. 1998 begründete er die Literaturzeitschrift "Federwelt". 2002 war er Mitbegründer des Autorenkreises Historischer Roman "Quo vadis". Im gleichen Jahr veröffentlichte er, 24 Jahre jung, seinen ersten Roman: "Der Kalligraph des Bischofs". Es folgten weitere historische Romane wie "Die Brillenmacherin" (2005).Titus Müller wurde mit dem C. S. Lewis- Preis und den Sir Walter-Scott-Preis ausgezeichnet. 2011 erschien im Blessing Verlag sein Roman über den Untergang der Titanic: "Tanz unter Sternen".



    Leseprobe:


    http://www.randomhouse.de/cont…ition/excerpts/372477.pdf



    Website des Autors:


    http://www.titusmueller.de/



    Meinung zum Buch:


    England, 1943. Eric Knowlden muss mit seiner Familie in den Luftschutzbunker fliehen. Auf dem Weg dahin, kommt ihm eine Idee, wie sie Nachtauge – eine deutsche Spionin - fangen könnten. Er dreht um, lässt seine Familie allein. Zusammen mit anderen MI5 macht er Jagd auf Nachtauge und … findet sie. Doch sie ist schneller und ehe Eric es sich versieht, schießt Nachtauge auf ihn und trifft.
    Zeitgleich dreht Georg Hartmann, ein ehemaliger Lehrer, in einer Munitionsfabrik in Neheim als Lagerleiter seine Runden. Eigentlich sollte er zufrieden sein, immerhin hat ihn sein Schwager Axel Rottländer mit diesem Posten vor dem Fronteinsatz bewahrt.


    Georg versucht die Welt auf seine Weise ein klein wenig zu verbessern und vor allem den Frauen in der Munitionsfabrik das Leben zu erleichtern. So schreibt er immer wieder Eingaben für mehr Nahrung und eine bessere Krankenversorgung. Auch versorgt er die Frauen heimlich mit russischer Literatur und Zeitungen aus der Heimat.
    Doch Georg gerät ins Kreuzfeuer. Immer wieder tauchen Gerüchte auf, er sei nicht auf der Parteilinie, spende nicht genug und sei auch sonst zu weich.


    Doch dann kommen neue ukrainische Frauen im Lager an. Ausgerechnet in eine von ihnen verliebt sich Georg und macht sich damit der Blutschande strafbar. Kann diese Liebe bestehen?
    Während dessen bereitet die britische Luftwaffe eine Bombardierung von deutschen Stauseen vor. Allen voran die Möhnetalsperre bei Neheim. Die Zeit läuft …



    In diesem Roman laufen zwei Handlungsstränge parallel. Zum einen die britische Seite, die Jagd auf Nachtauge macht und dabei den Angriff auf die Möhnetalsperre vorbereitet, zum anderen die deutsche Seite, vertreten vor allem durch Georg Hartmann, die dem Leser das Leben in einem Lager nahebringt.
    Der Roman ist daher eine packende Verknüpfung aus Spionagethriller, Tatsachenbericht und Liebesgeschichte.


    Titus Müller hat sich als Anker für seinen Roman die vor 100 Jahren erbaute und vor 70 Jahren zerstörte Möhnetalsperre bei Neheim ausgesucht. Sehr bildlich schildert er das Leben der britischen Spionageabwehr und das Lagerleben in einer Munitionsfabrik.
    Der Roman basiert auf historischen Zeugnissen und der Liebesgeschichte liegen reale Wurzeln zu Grunde. Titus Müller hat sehr intensiv recherchiert und sich nicht nur mit dem Geschehen auseinandergesetzt, sondern auch noch Wissenswertes drum herum in den Roman reingepackt. So erfährt der Leser z.B. einiges über den Funkbetrieb, warum Fanta eine deutsche Erfindung ist und wieso die Spritreserven damals schon knapp waren.


    Der Autor geht sogar noch einen Schritt weiter und passt die Wortwahl und die sprachliche Gestaltung des Romans an die Zeit an. Dadurch wird der Leser gleich nach den ersten Seiten regelrecht in die Kriegszeit von 1943 reinversetzt und erlebt das geschehen praktisch mit.
    Durch die beiden Handlungsstränge, die Dichte des Romans und den Erzählstil fiebert der Leser automatisch für beide Seiten mit. Wird der Angriff gelingen, oder doch kurz vor Ziel sabotiert? Schaffen es Georg und die Zwangsarbeiterin in eine gemeinsame Zukunft? Werden die Bewohner von Neheim überleben, sollte die Talsperre brechen?


    Die Protagonisten sind alle sehr farbig und lebendig dargestellt. Keiner ist überzeichnet oder unglaubwürdig.
    Die Geschichte spielt zum einen in England und zum anderen in Neheim/Deutschland.


    Der Leser hat kaum Gelegenheit in die Geschichte reinzufinden, denn gleich nach den ersten Seiten, beginnt auch schon die Jagd auf Nachtauge und die Zeit rennt den MI5 davon. Immerhin muss die Operation Chastise Erfolg haben. Dieser Spannungsbogen bleibt dem Leser dann bis zum Schluss erhalten. Das offene Ende lässt sogar eine Fortsetzung zu, denn der Krieg ist noch nicht vorbei.
    Im Anhang findet man noch ein Nachwort zum historischen Hintergrund. Hier gibt Titus Müller die Namen des Liebespaares preis, das für seine Liebesgeschichte Vorbild war. Er widmet sich aber auch Agentinnen im zweiten Weltkrieg, fügt Auszüge aus dem Tagebuch des Propagandaministers Joseph Goebbels über die Bombardierung der Talsperren ein, geht auf Neheim und das „Russinnenlager“ ein, erwähnt die Schulen, Lehrer und Lehrpläne in Nazideutschland sowie einige Auszüge aus den Schulheften von Elfriede H. und sagt noch einige Worte zu den Rotationsbomben und das 617. Geschwader der Royal Air Force.


    Ein Sachliteraturverzeichnis und einige Dankesworte schließen das Buch ab.



    Fazit:


    Ein packender Tatsachenroman, der einen Spionagethriller, einen historischen Roman und eine Liebesgeschichte in sich zu vereinen weiß.



    5ratten

    LG, Ariadne

  • Hallo Ariadne,


    vielen Dank für Deine Rezension, die mir noch mehr Lust auf dieses Buch macht; mehr als der Klappentext schon! :smile:
    Für alle, die das Buch noch lesen möchten: es gibt schon einen Leserunden-Wunsch dazu und die Chancen stehen verdammt gut! :breitgrins:


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Ich habe das Buch bereits begonnen und kann gar nicht mehr aufhören :leserin:.
    Ich hätte großes Interesse an einer Leserunde, die dann aber möglichst schnell anfangen müsste..........



    LG

    Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark.Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen.Hermann Hesse

  • Das klingt super, mir gefällt auch das Retro-Cover.


    Die Leserunde ist eine schöne Idee, aber momentan komme ich eh nicht rum mit meiner Leserei, also lieber nicht ...

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Das Cover selbst gefällt mir nicht unbedingt, die Dame macht so ein seltsames Gesicht. Aber für die Leserunde drüben habe ich mich bereits angemeldet :klatschen:

    //Grösser ist doof//

  • Ja, sie schaut ein bisschen komisch, aber dieser 40er-Jahre-Stil gefällt mir hier sehr gut.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Normalerweise gefällt er mir eigentlich auch ganz gut. Hier passt es ja auch zum Thema.

    //Grösser ist doof//

  • Also das Cover gefällt mir an sich, aber mein erster Eindruck (ohne den Inhalt zu kennen) war, dass ich die Frau für einen Mann hielt :rollen: und noch dazu für einen schottischen. So viel können leicht androgyne Züge und ein paar Karos ausrichten... :redface:


    Sammy: Was wäre für Dich bald?

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Die Dame hat ja auch sehr scharfe Züge und kurzes Haar, da kann man sich rasch "vergucken" :breitgrins:

    //Grösser ist doof//

  • Zitat

    Sammy: Was wäre für Dich bald?


    Tja, ich habe jetzt schon knapp 200 Seiten gelesen.Wenn ich wüsste, dass es in den nächsten Tagen losgeht, würde ich- notgedrungen :zwinker:- mein Tempo drosseln.

    Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark.Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen.Hermann Hesse


  • Tja, ich habe jetzt schon knapp 200 Seiten gelesen.Wenn ich wüsste, dass es in den nächsten Tagen losgeht, würde ich- notgedrungen :zwinker:- mein Tempo drosseln.


    Ach so, nein, so schnell lässt sich die Runde dann doch nicht auf die Beine stellen. Schade!

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Ich habe nun aufgrund der Leserunde drüben den Anfang gelesen und muss sagen, dass das Buch echt packend ist. Gleich der Beginn baut sehr viel auf und man lernt schon viele tolle Figuren kennen. Bisher habe ich noch nichts von Titus Müller gelesen, deswegen bin ich gespannt, ob mich das ganze Buch überzeugen können wird.

    //Grösser ist doof//

  • "Nachtauge" ist eine deutsche Spionin in London während des Zweiten Weltkriegs. Bisher hat sich der britische Geheimdienst an ihr die Zähne ausgebissen, doch dem jungen Agenten Eric Knowlden gelingt es schließlich, sich auf ihre Fährte zu setzen. Denn offensichtlich ist Nachtauge einer großen Sache auf der Spur, deren Weitergabe an die Deutschen eventuell kriegsentscheidend sein könnte. Eric arbeitet nicht nur gegen eine skrupellose Feindin, sondern auch gegen die Zeit!


    Parallel zu der spannenden Hetzjagd in Großbritannien wird eine ungewöhnliche Liebesgeschichte in Deutschland erzählt. Georg ist ein nazikritischer ehemaliger Lehrer, der sich von seinem Schwager auf einen kriegswichtigen Posten hat setzen lassen, um der Einberufung zu entgehen und nun ein Lager voller osteuropäischer Zwangsarbeiterinnen leitet. Als die hübsche und intelligente Ukrainerin Nadjeschka ins Lager kommt, fühlt er sich zu ihr hingezogen und auch sie entwickelt nach anfänglicher Skepsis Gefühle für den feinfühligen Mann. Doch eine Liebe wie ihre ist in diesen Zeiten ein Unding, Rassenschande, auf die als Strafe das Konzentrationslager oder gleich der Tod steht. Dennoch gehen die beiden, insbesondere Georg, mit einer erstaunlichen Naivität vor, bei der man als Leser schnell fürchtet, dass das kein gutes Ende nehmen kann.


    Die Verbindung der beiden Handlungsstränge liegt in der Möhnetalsperre, in deren unmittelbarer Nähe sich Georgs Heimatort Neheim und das Lager befinden, und der Operation Chastise, in der die Briten im Mai 1943 die Talsperren angegriffen haben, um die deutsche Rüstungsindustrie zu schwächen.


    Beide Handlungsstränge beruhen auf historischen Tatsachen und der Autor verknüpft diese Gegebenheiten äußerst geschickt mit seinen fiktiven Geschichten. Die unglaubliche Liebesgeschichte hat ein reales Vorbild, wie der Autor im Nachwort schildert, die Spionin Nachtauge entspringt hingegen seiner Phantasie.


    Sehr gut beschrieben fand ich die Umstände der damaligen Zeit. Durch diverse Nebenfiguren bekommt man als Leser einen tiefen Einblick die die Gedanken der Menschen damals, sowohl der überzeugen Nationalsozialisten als auch deren Gegner. Obwohl vieles sicherlich als bekannt vorausgesetzt werden kann, waren es für mich gerade diese kleinen Einblicke, die die Geschichte so persönlich und fesselnd machen!


    4ratten

    LG, Dani


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  • Das Buch „Nachtauge“ von Titus Müller ist eine gekonnte Mischung aus Agentenroman und Liebesgeschichte, bei dem er sehr geschickt historische Fakten und Fiktion miteinander verknüpft. Die Handlung spielt auf 2 Ebenen im Jahre 1943: in Großbritannien verfolgt der Leser die Jagd des MI5 auf die deutsche Agentin Nachtauge und die Vorbereitungen zur Operation Chastise, deren Ziel die Sprengung mehrerer Staumauern in Nordrhein-Westfalen ist. In Neheim, nahe der Möhnetalsperre, erlebt man die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Lagerleiter Georg Hartmann und der ukrainischen Zwangsarbeiterin Nadjeschka.
    Geschickt schafft es der Autor, diese beiden Handlungsstränge zum Schluß miteinander zu verbinden.


    Was mir an dem Buch sehr gut gefallen hat, daß nicht nur die geplante Sprengung der Staumauern authentisch ist, sondern die Liebesgeschichte ebenfalls eine reale Vorlage hat. Der Schreibstil ist flüssig und spannend.


    Die Beschreibung der Charaktere fand ich ebenfalls sehr gelungen, da sie vielschichtig dargestellt und nicht nur in Gut und Böse unterteilt werden. Die Beweggründe der einzelnen Charaktere werden sehr gut herausgearbeitet, ebenso ihre Zweifel und Ängste. Georg Hartmann beispielsweise ist nicht der strahlende Held, sondern eher der introvertierte Lehrertyp und manchmal etwas naiv, wenn man bedenkt, daß sein parteitreuer Schwager bei der Gestapo arbeitet.


    Ein tolles Buch, das ein Stück deutscher Geschichte erzählt, die mir so gar nicht geläufig war.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Liebe Grüße

    Karin

    Einmal editiert, zuletzt von odenwaldcollies ()

  • Inhalt:


    London während des Zweiten Weltkrieges: Seit drei Jahren fahndet der britische Geheimdienst MI5 jagd auf eine deutsche Spionin, die sich Nachtauge nennt. Während Nachtauge an einem grossen Plan feilt, ist ihr Eric Knowlden dicht auf den Versen.


    Unterdessen tobt aber auch in Deutschland der Krieg. Der passionierte Lehrer Georg Hartmann leitet hier das Gefangenenlager, in welchem sich russische und ukrainische Gefangene die Seele aus dem Leib schuften. Als Georg auf die Gefangene Nadjeschka trifft, passiert Unglaubliches: Die Beiden verlieben sich...


    Meine Meinung:


    Titus Müller hat mich "Nachtauge" einen Roman geschrieben, der einen von der ersten Seite an mit seiner Dichte und seiner Atmosphäre packt. Ich fühlte mich direkt in die Zeit des Zweiten Weltkrieges versetzt, erlebte die Schrecken und Ängste mit und knabberte unterdessen im 21. Jahrhundert an meinen Fingernägeln.


    Dass einen dieses Buch so packt, liegt vor allem daran, dass Müller wie kaum ein anderer Autor Fakten und Fiktion verbinden kann. In dieser Geschichte steckt nicht nur sehr viel Leben, sondern auch sehr viel Liebe zum Detail. Man merkt, dass der Autor sich intensiv mit dem Material beschäftigt hat. Vor allem der Anhang hat es mir angetan, in welchem erklärt wird, was Realität ist und was der Fantasie des Autoren entspringt.


    Wirklich toll fand ich auch, dass man den Krieg aus jeder Sicht erlebt. Wir haben die geheimnisvolle und talentierte Nachtauge, den einfühlsamen Georg, der mit dem Krieg nichts anfangen kann, man trifft auf Vollblutnazis und auf Mitläufer. Sie alle tragen ihren Teil zur Geschichte bei. Zwar konnte ich mich nicht mit Nadjeschka anfreunden, sie ging mir sogar ziemlich auf die Nerven, aber sie konnte mich nur deshalb so gut nerven, weil sie so lebendig geschildert wurde.


    Ich fühlte und litt mit den Figuren und der Geschichte mit und zwar bis zum grossen, tragischen Finale, über das ich hier aber nicht berichten werde, damit ihr das Buch ebenfalls lest!


    Fazit:


    Ein genial recherchierter Roman über den Zweiten Weltkrieg, der es schafft, zu unterhalten ohne zu urteilen. Ein bravouröses Stück Literatur!


    4ratten

    //Grösser ist doof//

  • Auf dem absteigenden Ast


    befindet sich Nazideutschland im Frühjahr 1943 - die Deutsche Armee war in Stalingrad Monate zuvor vernichtend geschlagen worden und jedem, der sich einigermaßen in Politik und Kriegsführung auskannte, war klar, dass dieser Krieg für Nazideutschland nicht mehr zu gewinnen war.


    Den Fanatikern auf deutscher Seite - aber nicht nur denen, sondern auch dem Gros der deutschen Bevölkerung, das einfach nur mit dem täglichen Überleben beschäftigt war, ist das nicht so klar, auch wenn die Rationen geringer werden und zunehmend mehr Teile der männlichen Bevölkerung eingezogen werden.


    Titus Müller spricht in seinem Roman "Nachtauge" neben der Spionagethematik - die Titelfigur ist eine deutsche Spionin in England, die die Pläne der Briten zu durchkreuzen und dadurch den Krieg umzukehren versucht - ein sehr wichtiges und in der Belletristik definitiv bislang vernachlässigtes Thema an: die Zwangsarbeit im Dritten Reich.


    Konkret geht es um das Zwangsarbeiterlager auf den Möhnewiesen unterhalb der Möhnetalsperre, von dem aus vor allem Arbeiterinnen aus den eroberten Ostgebieten auf die umliegenden Betriebe verteilt wurden. Es wird von Georg Hartmann geleitet, einem Schöngeist, der eigentlich Lehrer ist und den Sinn des Nationalsozialismus von Anfang an nicht nachvollziehen konnte. Anders sein Schwager Axel, der im Polizeidienst tätig ist und dem Georg diese Position verdankt, die ihn vor dem Wehrdienst - einem fast sicheren Tod in diesen Tagen - rettet. Georg ist gebildet, kritisch und hört britische Radiosender. Ihm ist - im Gegenteil zu vielen anderen, die die Augen verschließen - klar, wohin der Weg führt.


    Im Lager begegnet der erst 19jährigen Ukrainerin Nadjeschka, deren Zauber er sich nicht entziehen kann - damit beginnt für ihn, der durch die Lektüre verbotener Literatur, kritische Äußerungen und die mangelnde Euphorie und Partizipation an nationalsozialistischen Veranstaltungen sowieso angreifbar war, ein gefährliches Leben, denn es ist nicht nur sein übereifriger, auf den eigenen Vorteil bedachter Blockwart, der ihm zusetzt.


    Ein wenig unpassend gewählt erscheint mir der Titel: "Nachtauge" spielt zwar eine entscheidende Rolle, sie ist aber nicht nicht Diejenige, um die sich die Handlung maßgeblich dreht - nein, das sind schon Georg und Nadjeschka. Wer also einen rasanten Spionageroman erwartet, wird nur teilweise zufrieden sein, zu sehr fokussiert sich die Handlung auf den Alltag im nationalsozialistischen Deutschland - ein Aspekt, der mir ganz besonders gut gefiel, zumal der Autor ganz ausgezeichnet recherchiert hat. Die Entstehung von Fanta, die Existenz italienischer Eisdielen in Hitlerdeutschland, die politischen Aktivitäten von Thomas Mann - es sind gerade diese kleinen Details, die den Roman für mich ausmachen, die seine Qualität und Atmosphäre prägen.


    Und auch sprachlich gibt es nur Positives zu berichten: Titus Müller versteht es, den Leser zu fesseln, Bilder in ihm entstehen zu lassen, die das Leben in Deutschland 1953 sehr anschaulich machen - wie froh ich im Nachhinein bin, dies nicht "in Echt" erlebt zu haben!


    Ein wenig geht dies auf Kosten einiger Erzählstränge, der Ausarbeitung mancher Figuren, auch die Logik bleibt gelegentlich auf der Strecke. Doch das sind Kleinigkeiten, die für mich den Genuss dieses Romans in keinster Weise geschmälert haben!
    4ratten

  • Unter dem Codenamen „Nachtauge“ versucht eine deutsche Spionin, Meldung an die Briten zu machen. Dies muss im Deutschland des Zeiten Weltkriegs verhindert werden.


    Vor dem Hintergrund des Angriffs auf die Möhnetalsperre im Jahr 1943 erzählt „Nachtauge“ von der Jagd auf eine deutsche Agentin, die gegen die Briten arbeitet. Dies wird spannend und sehr detailliert erzählt, so dass der Roman stellenweise eher ein Krimi, als ein historischer Roman ist.

    Apropos Historie: Natürlich darf hier nicht vergessen werden, dass Titus Müllers Roman während des Zweiten Weltkrieges spielt. Auch wenn ich mich bei historischen Romanen eher für die frühere Geschichte interessiere, war ich dennoch fasziniert und zugleich erschreckt von der Absurdität und der widersprüchlichen Doppelmoral des Dritten Reiches, die man entweder nicht bemerken konnte oder wollte.

    Zentral ist hier aber, wie so oft bei Müllers Romanen, eine Liebesgeschichte vor historischem Spannungsfeld. Hier ist es die Liebe eines deutschen Lagerarbeiters zu einer ukrainischen Zwangsarbeiterin, die allen Spannungen und Widerständen zum Trotz sich ihren Weg bahnt und jeden Lesenden mitleiden lässt.


    So gelingt Titus Müller mit „Nachtauge“ trotz der schweren Thematik ein lesenswerter Roman, der nicht nur für diejenigen, die gerne Romane über den Zweiten Weltkrieg lesen, interessant sein dürfte.


    4ratten

    Hier ist mein SuB und mein SgB :)

  • Ich habe "Nachtauge" vor einigen Jahren gelesen (es war glaube ich das erste von Titus Müller) - und fand es wirklich gut! Noch besser (fast) fand ich "Geigen der Hoffnung".

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)