Dava Sobel - Längengrad

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    Beim Autorennamen habe ich mich wohl vom Vorurteil technisches Thema = männlicher Autor leiten lassen - bis zum ersten Satz: „ Als ich ein kleines Mädchen war“. :redface: Bis auf die einleitenden Sätze, wie es zu diesem Buch kam, spielt das aber natürlich keine Rolle, dann geht es tatsächlich nur noch um den Längengrad und wie man ihn messen kann.


    Das war lange Zeit ein Problem und wenn man z.B. durch Sturm oder Strömung vom geplanten Breitengrad abgewichen war, konnte man nicht einschätzen, ob man sich vor oder bereits hinter der fürs Vorräte-Auffüllen dringend benötigten und angestrebten Insel befand – von gefährlichen Untiefen ganz zu schweigen. Also lobte die britische Krone einen Preis aus, für denjenigen, der eine praktikable Methode ersann, ihn an Bord eines Schiffes sicher bestimmen zu können. Dava Sobel konzentriert sich auf den Uhrmacher John Harrison, dem es gelang eine Uhr zu konstruieren, die unabhängig von Seegang, Klima und Temperatur genau genug ging um anhand des Zeitunterschieds zum Heimathafen die Position zu bestimmen. Außer seinem eigenen Perfektionismus kamen ihm aber dabei Strömungen in der englischen Wissenschaftselite in die Quere, die ganz klar Uhren als technisches Spielzeug ansahen und sich lieber auf Astronomische Tabellen konzentrierten.


    Das ganze beschreibt Sobel zwar recht genau und zum Teil auch mit Vergleichen aus dem modernen Leben, aber ohne so viele wissenschaftliche Details, dass man als Laie das Interesse verlieren würde. Trotz der sachlichen Darstellung und obwohl er nicht unbedingt nach dem nettesten Menschen klingt, tut einem Harrison leid, man ärgert sich über die vielen unnützen Hürden, die immer wieder erneut zwischen ihn und das Preisgeld platziert wurden.


    Ich war zwar schon einmal in Greenwich, aber nach diesem Buch habe ich Interesse an einem erneuten Besuch dort und bin mir sicher, die ausgestellten Uhren und nautischen Gerätschaften dann mit einem anderen, bewundernderen Auge zu betrachten. Und außerdem weiß ich nun, dass die Augenklappe kein Piratenfilmklischee ist, sondern Blindheit auf einem Auge lange Zeit typisch für einen älteren Kapitän eines Schiffes war: das ständige Starren in die Sonne zur Positionsbestimmung forderte irgendwann seinen Tribut.


    Für die, die sich danach weiter mit dem Thema beschäftigen möchten, finden sich zwei Seiten Bibliographie im Anhang und zum Nachschlagen gibt es einen Index.


    4ratten

  • Auf diese Rezi habe ich schon gewartet :smile:. Hast du das Taschenbuch gelesen? In irgendeiner Kritik bei Amazon steht zu lesen, dass man das HC lesen sollte, weil im TB die vielen Illustrationen oder Fotos fehlen sollen. Wie sieht es damit aus? Das Buch interessiert mich schon lange, aber ich kann mich nicht entscheiden, welche Ausgabe ich nehmen soll.

  • Oh, wenn das HC tatsächlich mit Bildern ist, würde ich das schon empfehlen. Im TB sind keine drin und manchmal hätte das schon gut gepasst.

  • Danke für die Rezi, illy.
    Meine Lektüre des Taschenbuches ist schon einige Jahre her, aber es hat einen ähnlichen Leseeindruck hinterlassen wie bei dir. Mir hat gefallen, dass hier nicht der Fortschritt von Wissenschaft und Technik hymnisch gefeiert wird, sondern deutlich wird, welchen Hindernissen und Enttäuschungen sich jemand, der sich letzten Endes um alle verdient macht, ausgesetzt ist.
    Mich interessieren geografische Themen jeglicher Art, besonders auch deren Wissenschaftsgeschichte im weitesten Sinne. Dafür ist dieses Buch ein sehr guter Beitrag. Ich las es zu einer Zeit, als meine Lektüre von Ecos "Die Insel des vorigen Tages" noch nicht allzu lange zurücklag: Da es da um eine ähnliches Thema - wenn auch aus einer ganz anderen und eben auch literarischen Warte - geht, taten sich für mich spannende Verbindungen auf.


    Grundsätzlich finde ich auch, dass Illustrationen in solchen Büchern äußerst sinnvoll sind und ich hätte sie mir auch gewünscht: Also besorge dir lieber die HC-Ausgabe, Doris!


  • Grundsätzlich finde ich auch, dass Illustrationen in solchen Büchern äußerst sinnvoll sind und ich hätte sie mir auch gewünscht: Also besorge dir lieber die HC-Ausgabe, Doris!


    Diesen Rat habe ich beherzigt und es nicht bereut. Das Buch ist voll mit Abbildungen, die nicht nur schön anzusehen, sondern auch aufschlussreich sind. Alleine von den schriftlichen Beschreibungen her wäre ich nie in der Lage gewesen, mir John Harrisons Uhren vorzustellen.


    Den richtigen Längengrad auf See zu bestimmen, war eine Notwendigkeit, denn davon konnten Leben abhängen. Die englische Regierung versprach sich davon auch, die Ausweitung ihrer Präsenz auf den Weltmeeren voranzutreiben. Daher wurde ein Preisgeld für denjenigen ausgelobt, der eine zufriedenstellende Lösung bieten konnte und eigens eine Kommission gegründet, die die Vorschläge geneigter Wissenschaftler auf Herz und Nieren prüfen musste. John Harrison, der als erster erkannte, dass man für die einfachste und schnellste Methode zur Feststellung des Längengrades vor allem eine Uhr benötigt, musste erkennen, dass die Kommission ihre Arbeit sehr genau nahm. Es vergingen Jahrzehnte, und es gab erbitterte Streitereien, bis Harrisons Chronometer endlich entsprechend gewürdigt wurden.


    Für meine Begriffe ging es in technischer Hinsicht mitunter schon sehr ins Detail. Wenn es um die Konstruktion der Uhren ging, konnte ich nicht mehr als ein Kapitel am Tag lesen. Aufschlussreich war es aber trotzdem, vor allem, wenn man bedenkt, dass manche Einzelteile in unveränderter Form heute noch in analogen Uhren verwendet werden.


    Genauso spannend wie die Entwicklung der Uhr war der Streit, welche Methode zur Längengradbestimmung für die Nutzung auf Schiffen übernommen werden sollte. Harrison musste lange auf sein Geld und die Würdigung seiner Leistung warten. Auch anderen Erfindern, die einen Teil zur Lösung beitrugen, erging es so. Teilweise kamen erst die Erben in den Genuss einer finanziellen Anerkennung. Das Verfahren wurde zusätzlich erschwert, indem die Vorschriften für die Erstellung des gewünschten Instrumentes von der Längengradkommission über die Jahre hinweg mehrfach geändert wurden. Ein Wunder, dass die Tüftler über Jahrzehnte nicht die Lust verloren.


    4ratten

  • Ich habe das Buch mittlerweile auch gelesen, nachdem es jahrelang bei mir auf dem SUB lag - zu Unrecht, wie ich jetzt erfreulicherweise festgestellt habe. Ich hatte immer ein wenig Angst vor einem trockenen, wissenschaftlichen Text mit hochkompliziertem Inhalt, denn die Längengradbestimmung ist nicht gerade ein Thema, das man als Landratte bereits mit der Muttermilch verpasst kriegt. Falsch gedacht! Ich fand das Buch sehr interessant und dabei aber auch unterhaltsam.


    Dava Sobel erklärt anfangs das Grundproblem der noch nicht entdeckten Methode zur Längengradbestimmung auf See - der Einstieg war noch etwas holperig. Dann aber erzählt sie die spannende Geschichte der Wissenschaft des 18. Jahrhunderts, die ein Auf und Ab in der Suche nach einer korrekten und zuverlässigen Methode darstellt. Das Erzähltempo ist forsch und dynamisch, die Autorin hält sich nicht lange auf und führt ihre Leser durch die Jahrzehnte, in denen diese wissenschaftliche Fragestellung die Forscher und Erfinder dieser Zeit intensiv beschäftigt hat. Es gab sowohl ernstzunehmende astronomische Ansätze, abstruse okkulte Verfahren und letztendlich die Lösung in der Erfindung einer auf See funktionierenden, absolut zuverlässigen Uhr.


    Damit sind wir auch beim Hauptprotagonisten des Buches, nämlich bei dem schottischen Uhrmacher John Harrison, der sein Leben der Konstruktion des perfekten Chronometers gewidmet hatte und dem es auch wirklich gelang. Dadurch hatte er sich eigentlich das astronomisch hohe Preisgeld verdient, das von einer Kommission zur Längengradbestimmung für den Erfinder einer funktionierenden Methode ausgelobt wurde; aber das ging natürlich nicht glatt und Harrisson hatte einige Rückschläge in dieser Hinsicht einzustecken. Dennoch sind seine Chronometer H1 bis H5 Meilensteine der Wissenschaft und Uhrmacherkunst, heute zu sehen in Greenwich, England, im Museum.


    Eine beeindruckende Lektüre, die viele wissenschaftliche Informationen enthält und dennoch viel unterhaltsamer ist wie vermutet.


    4ratten

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Siehste, hat sich's doch gelohnt! ;)


    Mir ging es ähnlich mit dem Galileo-Buch von Dava Sobel. Das lag ewig bei mir rum, weil es mir ein bisschen Respekt eingeflößt hat, und anfangs fand ich es auch anstrengend zu lesen, am Ende war es aber eine richtig lohnende Lektüre.


    Und Du machst mir richtig Appetit auf dieses Buch!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine: na dann werde ich das Buch mal auf die Bücher der Tamka-Gewinne setzen. :zwinker: Und danke für den Tipp mit dem Galileo-Buch, vielleicht verlockt mich das auch eines Tages.


    Ich bin übrigens so wie einige andere hier über die Leserunde zu "Die Insel des vorigen Tages" von Umberto Eco zu dem Buchtipp gekommen (danke yanni), denn in Ecos Roman wird das Problem der Längengradbestimmung ja auch thematisiert; allerdings die abstruse und okkulte Seite der Lösungsansätze. Ich sag nur "sympathetisches Pulver" und hab noch heute Mitleid mit dem Hund, der da als Versuchstier herhalten musste. :traurig: Das Verfahren wurde bei Dava Sobel auch beschrieben und so hatte ich es sofort wieder im Gedächtnis.

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Auf 229 locker gedruckten kurzweiligen Seiten erzählt Dava Sobel die Geschichte des Kampfes um die exakte Bestimmung des Längengrades in der Seefahrt. Obwohl eher ein Sachbuch als ein Roman, liest sich das Ganze so spannend und stilistisch angenehm, dass ich das Buch quasi in einem Rutsch innerhalb eines Tages ausgelesen und eine Menge neuer Dinge dabei gelernt habe!

    Absolut empfehlenswert.


    (Vielen Dank hier noch mal an Miramis, die das Buch "damals" in den TAMKA-Gewinnpool geworfen hatte! :))

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Beitrag von Alice ()

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