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Im Sommer 1910 läuft die "Montrose" von Antwerpen aus in Richtung Kanada. An Bord befindet sich die übliche bunte Mischung von Passagieren, darunter die standesbewusste Mrs. Drake mit ihrer Tochter, der stille Mr. Robinson mit seinem Sohn, ein aufmüpfiger, jüngst verwaister Teenager mit seinem Onkel und die schweigsame Martha Hayes, die alleine unterwegs ist.
Kapitän Henry Kendall ist derweil unglücklich, weil sein langjähriger Weggefährte und Erste Offizier aufgrund einer plötzlichen Erkrankung durch den jungen Billy Carter ersetzt worden ist, der ihm ein bisschen zu gutgelaunt und zu sorglos unterwegs ist, um sofort sein Vertrauen zu gewinnen. Doch was diese Überfahrt unvergesslich werden lässt, ist etwas ganz anderes: mitten auf dem Ozean keimt der Verdacht auf, es könne ein Mörder an Bord sein.
Bei diesem handelt es sich angeblich um Hawley Crippen, der verdächtigt wird, seine Frau getötet zu haben. Zwar hieß es, Cora Crippen sei verreist, aber eine ihrer Freundinnen ist überzeugt, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, auch wenn sie dafür noch keine stichhaltigen Beweise hat, und schaltet die Londoner Polizei ein.
Auf zwei Zeitebenen erzählt John Boyne diese an einen wahren Kriminalfall angelehnte, fesselnde Geschichte. Zum einen gelingt ihm eine wunderbare Darstellung der langen Atlantiküberquerung der "S.S. Montrose" mit gelungenen kleinen Porträts der Reisenden und der Stimmung an Bord; zum anderen zeichnet er den Lebensweg des eigenbrötlerischen Hawley Crippen nach. Der hat schon als Jugendlicher davon geträumt, Arzt zu werden, doch so einfach ließ sich dieser Traum nicht umsetzen. Auch sonst lief in seinem Leben nicht alles nach Plan, bis ein trauriger Höhepunkt erreicht ist, als er unter Mordverdacht gerät.
Ein klassischer Krimi ist das nicht, aber das heißt nicht, dass es an Spannung mangelt. Im Gegenteil. Dass wir die Geschehnisse aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln erleben, trägt das Seine dazu bei, es spannend zu machen. Wir sehen Crippens eigene Perspektive und die des ermittelnden Polizeibeamten, der spürnasigen Freundin von Cora Crippen und verschiedener Passagiere und Besatzungsmitglieder. Es gibt keinen allwissenden Erzähler, so dass sich erst nach und nach die gesamte Wahrheit zusammensetzt wie ein Puzzlespiel, während man als Leser rätselt und mutmaßt und immer wieder überrascht wird.
Ein klein bisschen störend empfand ich die relativ einseitige Darstellung von Cora Crippens Charakter. Sonst aber bis hin zu den liebevoll ausgearbeiteten Nebenfiguren und dem beiläufig einfließenden Humor eine ungewöhnliche und lesenswerte Kriminalgeschichte, die mir sehr gut gefallen hat.
Danke auch an die Leserunden-Mädels für die unterhaltsame und nette Spekulations- und Diskussionsrunde!