Ann Seidl - Es wird keine Helden geben
Verlag: Oetinger
Erstausgabe (D): 2014
Seiten: 256
Ausgabe: Gebundene Ausgabe
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Klappentext:
Berührend, fesselnd, unfassbar: Wenn nichts mehr ist, wie es war. Kurz, nachdem es zur Pause geläutet hat, hört Miriam einen Schuss. Zunächst versteht niemand, was eigentlich passiert ist, aber dann herrschen Chaos und nackte Angst. Matias, ein Schüler aus ihrer Parallelklasse, schießt um sich. Auch Miriams Freund Tobi wird tödlich getroffen. Miriam überlebt - aber sie fragt sich, ob das Leben ohne Tobi und mit den ständig wiederkehrenden Albträumen überhaupt noch einen Sinn hat. Waren sie und ihre Mitschüler Schuld an der Katastrophe? Das großartige Debüt von Anna Seidl, die erst 16 Jahre alt war, als sie diese aufwühlende Geschichte geschrieben hat: eine intensive Auseinandersetzung mit den Folgen eines Amoklaufs für die Überlebenden, mit Schuld und Trauer, schonungslos erzählt.
Meine Meinung:
Schlagartig ändert sich alles im Leben der 15-jährigen Miriam. Als sie morgens eine SMS ihres Freundes Tobi erhält, ahnt sie noch nichts von der schrecklichen Tragödie, die sich an diesem Tag in ihrer Schule abspielen wird. Danach wird nichts mehr so sein, wie es vorher war. Ihr Mitschüler Matias Staudt wird insgesamt sieben Menschen erschießen. Miriam hat Glück und überlebt, doch sie ist schwer traumatisiert und muss von vorne anfangen, ihr Leben zu leben. Sie muss wieder lernen, wie man lacht und Spaß hat. Lernen, wie man unendliche Trauer überwindet. Lernen, wie man verzeiht: Sich selbst und anderen.
Anna Seidl ist noch keine 20 Jahre alt und legt mit "Es wird keine Helden geben" ein unglaublich berührendes, zu Herzen gehendes Debüt vor. Die meisten Geschichten enden mit dem Tod, doch hier ist dies erst der Anfang. Schritt für Schritt nähern wir uns der Frage: Wie geht ein Teenager mit einem so traumatischen Erlebnis um? Wie kann man überhaupt mit so etwas fertig werden? Kann man als Außenstehender überhaupt nur ansatzweise nachvollziehen, wie es den Schülern während eines Amoklaufes (und danach) geht?
Die Autorin lässt ihre Leser tief in Miriams Gedankenwelt eindringen und diese ist nicht selten erschütternd:
"Es heißt, Katzen haben neun Leben. Vielleicht haben wir Menschen das auch. Vielleicht müssen wir einen bestimmten Anteil an Schmerz durchleben, bis wir erlöst werden.
Ich dachte immer, sterben ist schwer. Aber Philipp hat mir gezeigt, dass es einfach ist. Das Einfachste der Welt. Wie ausatmen. Es geht von ganz alleine.
Da haben alle Menschen ihr ganzes Leben lang Angst vor dem Augenblick, der alles beendet, und dann ist es so einfach. Ich würde mir lieber Sorgen um morgen machen. Oder übermorgen. Denn das Leben ist es, wovor wir Angst haben sollten. Während der Tod die Erlösung ist, zwingt uns das Leben immer wieder in die Knie."
Es gibt Menschen, die müssen 50 Jahre alt werden, um so weise und durchdachte Gedanken zu Papier zu bringen. Manche Menschen schaffen dies bis zu ihrem Lebensende nicht. Und dann gibt es noch Menschen wie Anna Seidl.
Ich erinnere mich noch sehr genau an "meinen" ersten Bericht zu einem Amoklauf in einer Schule. Der geschah weit weg, irgendwo in den USA. Man empfindet Anteilnahme und großes Bedauern, aber dennoch: Es betrifft einen nicht. Viel zu weit weg. Solche Dinge passieren immer nur anderen und Amerika ist das Land der Schusswaffen. Kein Wunder, dass dort so etwas geschieht. Doch dann 2002 in Erfurt: Ein 19-jähriger Schüler tötete 17 Menschen während eines Amoklaufs im Gutenberg-Gymnasium. Es folgten Coburg, Emstetten, Ansbach und 2009 Winnenden mit 15 Todesopfern. Damit war das Grauen fast bis vor meine Haustür gelangt. Wenn man sich als Außenstehender paralysiert fühlt - wie müssen dann erst die Menschen empfinden, die es miterleben mussten?
Das Thema wurde schon oft in Literatur und Film verarbeitet und so gut wie immer stellt man sich den Fragen: Wie konnte so etwas geschehen? Hätte man die Tat verhindern können? Wer trägt (Mit)Schuld? Wie werden die Betroffenen damit fertig? Wie kann man Amokläufe in Zukunft verhindern? Da sich Anna Seidl ausschließlich auf Miriam und ihren Freundeskreis konzentriert, bleiben einige dieser Fragen unbeantwortet. Seidl beleuchtet weniger die globale Sicht, als vielmehr die persönliche, zwischenmenschliche. In Rückblenden lernen wir Miriam immer besser kennen und so ergibt sich von Seite zu Seite ein intensives Bild auf eine junge Frau, eigentlich noch ein Mädchen, das viel zu schnell erwachsen werden musste.
Im letzten Drittel entwickelte sich Miriam für mein Gefühl etwas zu schnell in eine Richtung, aber das ist bei diesem gelungenen Debüt verzeihlich. Nicht selten ging mir das Buch so nahe, dass mir die Tränen herunter liefen. "Es wird keine Helden geben" ist ergreifend und erschütternd. Es ist ein Zeugnis unserer Zeit und ein großartiges Buch über Trauer, Freundschaft, Verlust, Liebe und Zuversicht.
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Achtung: Heute begann eine große Bloggeraktion mit vielen Preisen. Eine Übersicht dazu findet ihr hier: Bloggeraktion "Es wird keine Helden geben"