J.J. Abrams, Doug Dorst - S/Das Schiff des Theseus

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  • Ihr habt es bestimmt schon im Buchhandel bewundert, denn der Roman ist ein Fest für Bibliophile!


    Ein Buch, das beim Erscheinen gehypt wurde bis zum Geht-nicht-Mehr. Man schwärmte von der Ausstattung. Über den Inhalt habe ich dann wenig mehr gelesen. Ich halte das Ding für - Kitsch.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Nun habe ich die ersten drei Kapitel gelesen.
    Ich habe erstmal überlegen müssen, wie ich die Lektüre gestalte. Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten. Alles, also angeblicher Romantext, Anmerkungen, Kommentare und Beigaben parallel lesen oder zuerst den Roman und dann die Anmerkungen. Ich habe mich für einen Kompromiss entschieden: zuerst ein Romankapitel mit den Fußnoten der angeblichen Übersetzerin, dann die Kommentare und Beigaben der beiden Studenten. So bleibt mir der Lesefluss beim Roman und ich lese dennoch relativ zeitnah die Glossen.


    Am Anfang hat mich die Lektüre sehr enttäuscht. Der neoexpressionistische Stil, der auch einige Elemente der Trümmerliteratur nachahmt, erschien mir sehr aufgesetzt und die Kommentare der Studenten waren entweder bemüht pseudowissenschaftlich oder doch sehr kitschig-klischeehaft, wie sandhofer auch anmahnt.


    Nun muss ich aber sagen, dass mich inzwischen die Handlung der eigentlichen Romans "Das Schiff des Theseus" gepackt hat und ab dem zweiten Kapitel die Handlung zwar noch mysteriöser, aber nicht mehr so angestrengt-epigonal ist. Was die beiden Studenten angeht, nun die Klischees muss ich eben so mitnehmen, aber dieses Bezugsspiel zwischen Originaltext, dem Nachspüren nach dem angeblichen Autoren und Übersetzer zusammen mit den Beigaben, macht mir Spaß.
    Keine hohe Literatur, aber recht vergnüglich, manchmal aber auch anstrengend, denn nicht alle Beigaben liegen bei mir zwischen den richtigen Seiten.

  • Hallo finsbury, ich lese hier mit und bin neugierig auf deine weiteren Eindrücke. Wir haben das Buch im Forum schon diskutiert, allerdings eher das Buch als solches und nicht den Inhalt. Sandhofers Rezi klingt ja nicht besonders positiv, daher bin ich gespannt, ob du am Ende anderer Meinung bist.


    Über die losen Beilagen gibt es bei KiWi eine Liste, anhand der du alles richtig einordnen kannst.

  • Momentan habe ich beruflich sehr viel zu tun, deshalb komme ich kaum zum Lesen. Inzwischen bin ich im sechsten Kapitel und meine Meinung ist immer noch ähnlich. Ich sehe das Buch nicht als ein Werk der hohen Literatur, lege also auch keine großen Maßstäbe an. Es macht Spaß, das Buch zu lesen, weil es so eine Art Rätsel-Rallye ist. Der "Original-Text" ist gar nicht so schlecht geschrieben, aber natürlich gegenüber seinem großen Vorbild, dem "Totenschiff" von B.Traven (wie sandhofer in seiner Rezension erwähnt hat), nicht nur epigonal, sondern auch trivial, weil es eigentlich nur um eine Art Matruschka-Rätsel geht, das immer ein neue Fragen stellt, wenn eine scheinbar gelöst wurde. Außerdem werden insbesondere in den Studenten-Kommentaren eine Menge verwirrender Spuren gelegt, die man einfach nicht behalten kann. Das ist schon sehr ärgerlich. Da wäre weniger deutlich mehr gewesen, damit man wenigstens die Chance hätte, den Überblick zu behalten. Aber am Haken hat mich das Buch immer noch, weil ich wissen will, wie's weitergeht.
    Ganz herzliche Dank für den hilfreichen Link zu der Position der Materialien, Doris!

  • Nach einer längeren Pause, in der andere Lektüre anstand, bin ich jetzt wieder mittendrin und im letzten Fünftel. Allerdings ermüdet mich die Lektüre immer mehr: Aus dem zuvor recht interessanten Plot des Haupttextes ist jetzt so eine Art Sozial-Killer-Thriller geworden, ziemlich plakativ und in keiner Weise dem Anspruch standhaltend, ein Werk zu sein, mit dem sich Literaturwissenschaft intensiv auseinandersetzt. Es geht auch in den Randbemerkungen der beiden Studenten kaum um literaturwissenschaftliche Fragen, höchstens die der Entstehungsgeschichte und biografischer Einflüsse. Auch die Anmerkungen der "Übersetzerin" sind einfach nur nervig, weil sie nichts zu dem Haupttext beitragen, sondern nur die Grundlage zu der nebenherlaufenden Rätselgeschichte bilden. Und die "Liebesgeschichte" der beiden Studenten, schnarch ... . Ich lese das Buch noch zu Ende, weil ich das so gut wie immer tue, aber Freude habe ich nicht daran.

  • Inzwischen habe ich die Leküre vor ein paar Tagen beendet.


    Zum Inhalt:
    Ein als S bezeichneter Mann mit Amnesie wird in dem Hafenviertel einer nicht näher verorteten Stadt auf ein seltsames Schiff verschleppt, dessen Mannschaft aus gräßlich stigmatisierten Matrosen besteht. Auf diesem Schiff gelangt S zu verschieden Handlungsorten, die von den schrecklichen Taten eines skrupellosen Industriemagnaten gekennzeichnet sind.


    Soweit die Haupthandlung. Dieser Roman von einem (fiktiven) V.M. Straka ist die Basis für die zunächst analysierenden, dann sich immer mehr vom Text lösenden Kommentare der Studentin Jennifer und des Doktoranden Eric. Sie sind in einen Wettbewerb mit einem Professor ihrer Uni und dessen Assistentin verstrickt, weil beide Parteien ein Buch darüber veröffentlichen wollen, wer V.M. Straka eigentlich ist. Dabei kommt es zwischen den beiden ersteren zu einer Liebesgeschichte.



    Meine Meinung:


    Am Anfang hat mir die Lektüre durchaus Spaß bereitet, aber sowohl der Roman als auch die Kommentare werden immer abstruser und wirken abstoßend bemüht. Die Qualität des zugrundeliegenden Textes ist zu gering, als dass man ernsthaft von solch einem literaturwissenschaftlichen Wettbewerb ausgehen könnte und außerdem habe zumindest ich ein völlig anderes Verständnis von Literaturwissenschaft, die nichts mit der Jagd nach Verschwörungen und ähnlichem Quark zu tun haben sollte.


    Es hat ungefähr bis zur Hälfte des Romans Spaß gemacht, die verschiedenen Paralleltexte und Beigaben zuzuordnen und sich in diesen Bezügen zurechtzufinden, aber je mehr sich die Ursprungsgeschichte als reiner sozialromantischer Unsinn herausstellte, desto weniger Lesefreude blieb mir. Als Unikum behalte ich den Roman in meinen Regal, zum Lesen aber kann ich ihn nicht empfehlen.

  • Nachdem ich das Buch auf Deutsch letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt bekommen habe, habe ich mich nun endlich ans Lesen gewagt.


    Meine ersten, oberflächlichen Eindrücke zur Gestaltung: Ich liebe das Buch! Die Aufmachung ist wirklich schön und etwas ganz besonderes. Mit Bibliotheksstempel (merkwürdigerweise aber ohne Zugangsnummer!), vielen Randnotizen, Postkarten, Zettelchen usw. ist es superschick und für mich als Buchliebhaberin eine Liebe auf den ersten Blick.


    Auf den zweiten Blick sieht es dann schon etwas differenzierter aus. Schon das Vorwort fand ich persönlich extrem anstrengend. Ich hatte mich dazu entschieden, Geschichte und Notizen parallel (also quasi Seite für Seite) zu lesen. Das ist aber ziemlich anstrengend, wie ihr hier im Thread auch schon bemerkt habt. Dazu kommt noch, dass die Unterhaltung in den Notizen zwischen Jen und Eric auf mich ziemlich gestellt wirkte. Dieses "große Geheimnis" um den fiktiven Autor Straka und wie das alles aufgebauscht wird, ging mir schon auf der zweiten Seite auf die Nerven. Und auch, dass sich die zwei Studenten in den Randnotizen unterhalten, wirkt in dieser Form unglaubwürdig. Haben sie tatsächlich immer wieder das Buch ausgetauscht und immer wieder alle Notizen gelesen, um zu sehen, wo der andere nun noch etwas hinzugefügt hat? Nicht wirklich praktikabel, ein Brief wäre da die bessere Lösung gewesen.


    "Strakas" Schreibstil hat mich auch nicht wirklich überzeugt, so dass ich das Buch jetzt doch abgebrochen habe. Es wird sicherlich eine Platz in meinem Regal bekommen und immer mal wieder durchgeblättert werden, aber zum kompletten Durchlesen kann ich mich (momentan) einfach nicht aufraffen.

  • Auf den zweiten Blick sieht es dann schon etwas differenzierter aus. Schon das Vorwort fand ich persönlich extrem anstrengend. Ich hatte mich dazu entschieden, Geschichte und Notizen parallel (also quasi Seite für Seite) zu lesen. Das ist aber ziemlich anstrengend, wie ihr hier im Thread auch schon bemerkt habt.


    Ich habe das Buch noch nicht gelesen und nach deinem Kommentar beschlossen, es mir auf Deutsch zuzulegen, denn das englische Original ist mir zu schwer. Dann kann ich mich wenigstens ganz auf den Inhalt konzentrieren und nicht aufs Übersetzen. Jetzt sehe ich, dass die deutsche Ausgabe fast 80 Euro kostet :entsetzt:. Zwar eine limitierte Auflage, aber wer soll das noch kaufen? Will man es auf diese Weise zu etwas Besonderem machen?

  • Ich meine, es hat ursprünglich mal 40 oder 50 Euro gekostet, war aber von vornherein auf eine relativ kleine Stückzahl ausgelegt.
    Das aktuelle Angebot bei amazon ist ja von Drittanbietern...

    LG, Dani


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  • Das aktuelle Angebot bei amazon ist ja von Drittanbietern...


    Ach, das hatte ich nicht gesehen. Anscheinend wird es derzeit nicht aufgelegt. Die Angebote bei den bekannten Gebrauchtbuchbörsen gehen bis 150 Euro. Das Buch scheint eine gute Geldanlage zu sein :zwinker:.

  • 80 Euro ist wirklich heftig. Ich habe es letztes Jahr von einer Freundin geschenkt bekommen, damals lag der Preis bei den von Dani genannten 40-50 Euro.


    Auf Englisch wäre ich wahrscheinlich komplett überfordert gewesen, die Formulierungen im "Originaltext" sind schon im Deutschen etwas schwerfällig.

  • Hallo zusammen,


    ich hab leider keinen Extra-Rezensions-Thread für das Buch gefunden, ist das richtig? Insofern poste ich meine Meinung zunächst einmal hier, kann aber gerne verschoben werden, wenn es woanders hingehören sollte.


    Inhalt:

    Eine junge Studentin findet in der Bibliothek ein Buch, in das ein anderer Student Hunderte von Randbemerkungen gekritzelt hat, offenbar im Bemühen, der wahren Identität des unter Pseudonym schreibenden Autors V. M. Straka auf die Spur zu kommen. Die junge Frau ist fasziniert und ergänzt die Notizen mit eigenen Mutmaßungen. Zwischen den beiden Studenten Jen und Eric entspinnt sich eine lebhafte Unterhaltung, die allein auf den Seiten des Romans »Das Schiff des Theseus« stattfindet. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem mysteriösen Autor V. M. Straka. Ein unbekannter Übersetzer hat den Roman herausgegeben und ihn mit teilweise verwirrenden Fußnoten versehen. Doch die beiden finden heraus, dass diese Fußnoten einen geheimen Code ergeben, der ihnen Informationen liefert, die der Straka-Forschung bisher völlig unbekannt waren. Was wie ein Spiel beginnt, wird im Laufe der Zeit bitterer Ernst, denn jemand scheint Interesse daran zu haben, dass die Identität des Autors nicht gelüftet wird. Jen und Eric geraten in gefährliche Verstrickungen, die sie fast das Leben kosten.


    Meine Meinung:

    Mit dem Roman „S – Das Schiff des Theseus“ ist dem amerikanischen Schriftsteller Doug Durst in Zusammenarbeit mit J.J. Abrams, einem Film- und Fernsehproduzenten und Drehbuchautor aus Hollywood, ein echtes Meisterwerk gelungen, das ich auf dem Booktube-Kanal „bookfriends4ever“ entdeckt habe und unbedingt haben musste. Leider ist die wunderbare Ausgabe des Kiepenheuer&Witsch-Verlages, die bei Auflage in 2015 schon „neu“ 50 Euro gekostet hat, heutzutage nur noch gebraucht zu bekommen und dies zu horrenden Preisen, die sicherlich die wenigsten bereit sind zu zahlen.


    Das Buch zu bewerten, fällt leider ziemlich schwer. Ich wünschte, ich könnte es als da absolute Highlight schlechthin bezeichnen, ein 5-Sterne-Buch, aber das ist es für mich leider nicht. Und dabei sind die Idee, die Konzeption und die gestalterische Umsetzung grandios, aber es ist kompiziert, kein Buch, das man einfach locker-flockig lesen und wegsuchten kann. Und leider berührt es mich nicht, lässt mich nicht mitfiebern, mitfühlen, mitleiden, was zum Großteil an den Figuren liegt, die mich eher kalt lassen – leider!


    Auf den ersten Blick handelt es sich hierbei um den Roman „Das Schiff des Theseus“ des fiktiven Autors V.M. Straka in einer Ausgabe von 1949. In diesem Roman spielt ein Mann, der sein Gedächtnis verloren hat und nur „S“ genannt wird, die Hauptrolle. Auf der Suche nach seiner Identität begegnet S immer wieder einer geheimnisvollen Frau namens Sola und wird Teil der Mannschaft eines alten Segelschiffs sowie einer Gruppe von Revolutionären, die sich dem Kampf gegen Vedova verschrieben hat, einer Firma, die mit Spezialwaffen handelt und Verbindungen zu Diktatoren in die ganze Welt hat. Diese Ausgabe des Buches von 1949 ist im Gegenzug zu allen anderen Werken des Autors ausgestattet mit einem Vorwort und etlichen Fußnoten des Übersetzers F.X. Caldeira, welche den Weg ebnen für die zweite Ebene dieses Gesamtkunstwerks von Dorst und Abrams. Denn die Identität des Autors V.M. Straka ist umstritten und Literaturwissenschaftler aller Welt liefern sich einen Wettlauf, wer das Rätsel um diesen Autor lösen wird. So auch Eric, der die hier vorliegende Ausgabe vor Jahren aus der Bibliothek seiner Highschool gestohlen und mit einigen Randbemerkungen versehen hat. Er erhält eines Tages unerwartet Hilfe von Jen, einer Studentin, die Erics Buch in der Bibliothek der Universität findet, in der der Eric eingeschrieben war. Zwischen Eric und Jen entwickelt sich über unzählige handschriftliche Randbemerkungen in Erics Buch eine Zusammenarbeit und Freundschaft, die jedoch lange Zeit wortwörtlich „nur auf dem Papier“ besteht, da Eric ein persönlichen Treffen mit Jen zu scheuen scheint.


    Wie bereits gesagt liebe ich die Konzeption und die gestalterische Umsetzung der Idee von Dorst und Abrams: die handschriftlichen Notizen von Eric und Jen,in verschiedenen Farben, welche zu unterschiedlichen Zeitpunkten in das Buch geschrieben wurden. Die vielen tollen Beilagen wie Briefe, Postkarten, Zeitungsartikel, eine Campusplan auf einer Stoffserviette … die machen das Buch wirklich zu etwas ganz, ganz Besonderem. Aber das Gesamtkonstrukt ist kompliziert, der Schreibstil von VM Straka in dem Buch im Buch, sowie von FX Caldeira in den Fußnoten mit Fremdworten gespickt, die ich mein Lebtag noch nicht gehört habe. Viele Rätsel werden angedeutet, aber nicht alle sind am Ende für mich gelöst. Bei ca. der Hälfte des Buches habe ich einen Re-Read der Randbemerkungen von Jen und Eric gestartet und bin dann erst deutlich besser hinter die Gesamtgeschichte gestiegen. Aber im Endeffekt war ich relativ lange mit dem Buch beschäftigt und am Ende regelrecht froh, als ich das Buch zuklappen und zu leichterer Lektüre greifen konnte. Mehr als einmal habe ich mich nach locker-leichter, einfach zu lesender Lektüre gesehnt. Aber ich bin leider komplett unfähig, was das Parallel-Lesen angeht, und mit diesem Buch wäre es nie und nimmer gelungen, da „S – Das Schiff des Theseus“ all meine Aufmerksamkeit für sich beanspruchte. Ich hatte permanent das Gefühl, dass ich beim Lesen etwas übersehen könnte, etwas, das wichtig ist für des Rätsels Lösung um die Identität von VM Straka. Für mich ist es ein Buch, das man nicht unbedingt alleine lesen sollte. Mir persönlich hat jemand gefehlt, mit dem ich mich zu dem Buch austauschen konnte. Ich muss aber leider auch sagen, wenn jetzt jemand das Buch lesen wollen und ich gefragt würde, ob wir das Buch zusammen lesen wollen, dann würde die Antwort „nein“ lauten. Für einen Re-Read hat es mir zu wenig gefallen und es warten zu viele andere Bücher auf mich, die mich viel mehr reizen.


    Ich glaube, das klingt es alles etwas negativer als es wirklich war. Das hier ist wirklich Meckern auf hohem Niveau. Ich wollte schon auch das Rätsel um VM Straka knacken oder wissen, was aus Jen und Eric wird. So ist es nicht, aber das alles hätte fesselnder erzählt werden müssen, damit ich näher an allem dran bin,

    Bewertung:

    4ratten