Ende 2013 bis Anfang 2014 habe ich alle 11 Hornblower-Bücher am Stück gelesen und möchte auch hierzu noch ein paar Worte nachschicken.
Für die, denen Hornblower nichts sagt: C.S. Forester hat mit seinen Hornblower-Büchern den Urtypus der marinehistorischen Romanserie geschaffen, die dem Helden vom Anfang seiner Karriere als jugendlicher und vor allem seekranker midshipman bis zum verdienten Ruhestand als geachteter Lord folgt. Wie seine zahlreichen Nachfolger (zB Patrick O'Brian, Richard Woodman u.v.a.m.) siedelt Forester seine Geschichten in der Zeit der Napoleonischen Kriege an und wie es das Schicksal (bzw der Autor) will, ist Hornblower bei vielen Wendepunkten dieses langen Krieges anwesend oder sogar beteiligt.
Zu den einzelnen Büchern möchte und kann ich nicht viel sagen, da ging es schon beim Lesen etwas durcheinander, so dass ich manchmal nicht mehr wusste, was zwei Bücher zuvor passiert war. Trotzdem liefern die Bücher alles, was man von einer historischen Abenteuerreihe erwartet: die Historie ist - nach allem, was ich gelesen habe - sehr gut recherchiert (so gut, dass, so erzählt man, manche Historiker über bis dato unbekannte Details des Russlandfeldzuges von 1812 überrascht und erfreut waren, und wissen wollten, aus welchen Quellen Forester davon erfahren habe), die Seeabenteuer und das Leben an Deck sind packend und realistisch geschrieben.
Wozu ich aber etwas sagen möchte sind die Personen und ihre Charakterisierungen: Forester stattet alle seine Figuren mit sehr dezidierten Eigenschaften aus, denen man manchmal etwas das bewußt konstruierte anmerkt. Hornblower zB ist ein ambivalenter Charakter: wenn wir ihn kennenlernen ist er ein unsicherer, von Seekrankheit geplagter midshipman, aber er wächst sehr schnell in die Rolle des brillianten Strategen herein, der mit wenigen Blicken eine Lage erfasst und makellose Strategien entwirft. Seine Selbstzweifel, seine Seekrankheit und seine (immer wieder demonstrativ herausgestellte) Unmusikalität bleiben aber durch alle Bücher erhalten. Das mag man als Realismus schätzen, Hornblower ist eben kein makelloser Superheld, aber es wirkt doch eben manchmal etwas konstruiert, zumahl Forester gerne über Hornblowers Charaktereigenschaften doziert, wo man ihm gerne zugerufen hätte "show, don't tell". Aber das ist wohl insgesamt Forersters großes Thema gewesen: Männer in Extremsituationen, einsame Entscheider und Helden, die nach dem Motto leben "A man's got to do what a man's got to do." Das ist sicher auch der Zeit geschuldet, in der die Bücher erschienen: der erste Band kam 1937 heraus, und ein großer Teil erschien während des zweiten WK, so daß man das herausgestellte Heldentum auch als Unterstützung der Heimatfront in schweren Zeiten deuten kann. In diesem Sinne muss Napoleon wohl auch die Rolle Hitlers als grausamer Despot übernehmen und die französischen und spanischen Soldaten kommen meist sehr schlecht weg (ähnlich dem deutschen "Frrritz" in frühen Kriegsfilmen) - die Engländer brauchten's halt etwas morally uplifting in der Zeit.
Auch die Frauenrollen entsprechen nicht ganz dem heutigen Standard, das kann O'Brian in seinen Aubrey/Maturin Büchern einfach in jeder Hinsicht besser, aber sie erfüllen die ihnen vom Autor zugedachte Rolle im Hinblick auf den zentralen Helden.
Ein paar Worte sind noch zur Lesereihenfolge nötig: Forester hat die Reihe etwa in der Mitte von Horatios Karriere angefangen, dann einige Romane in chronologischer Folge geschrieben und später gewisse Lücke am Anfang und am Ende aufgefüllt. Ich habe, wie es auch oft bei solchen Reihen empfohlen wird, die Bücher in strikt chronologischer Folge gelesen, so wie sie im Schuber der vollständigen Ausgabe standen. Mittlerweile würde ich eher raten, die Bücher in der Folge ihres Erscheinens zu lesen: der Autor und sein Stil reifen merklich über die Jahre, dazu kommt, dass der chronologisch erste Band (Fähnrich Hornblower) eine Sammlung von Episoden ist, der man den Zweck, biographische Lücken zu füllen, deutlich anmerkt.
Fazit
Wer sich für marinehistorische Romane interessiert kommt an diesen Büchern einfach nicht vorbei: sie sind der Ausgangspunkt dieses ganzen modernen Genres, auch wenn Forester natürlich Vorbilder hatte (zB die Bücher von Frederick Marryat, die ich mir irgendwann mal vornehmen muss). Der moderne Leser muss etwas Toleranz aufbringen gegenüber einem Menschenbild und gegenüber Geschlechter- und Charakterzeichnungen, die vielleicht heute etwas angestaubt wirken, aber einfach ihrer Zeit geschuldet sind. Wenn man darüber hinwegsehen kann bleiben 11 spannende Abenteuerroman, die sicher auch in Jahrzehnten noch gelesen werden können.