Dara-Lynn Weiss: Wonneproppen

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  • Dara-Lynn Weiss: Wonneproppen. Diät mit sieben? Wie ich um die Gesundheit meiner Tochter kämpfte


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    Zitat

    Dara-Lynn Weiss’ Tochter Bea ist sieben, als die Kinderärztin die Diagnose Adipositas stellt. Für die Mutter zweier Kinder ist klar, dass sie handeln muss – dabei hadert sie selbst mit ihrem Körper und pflegt einige bedenkliche Essgewohnheiten. Wie soll sie ihrer Tochter da erfolgreich im Kampf gegen das Übergewicht helfen?
    In ihrem heiß diskutierten Buch beschreibt Dara-Lynn Weiss ihr Ringen um die Gesundheit ihrer Tochter. Schonungslos offen schildert sie den beschwerlichen Weg zu Beas Normalgewicht, ihre erstaunlichen Strategien im Kampf gegen die Fettleibigkeit, ihre Frustration und ihre Selbstvorwürfe. Nicht zuletzt enthüllt sie auch die Scheinheiligkeit, mit der das Thema Essen in der Öffentlichkeit diskutiert wird: Es geht um Fertigsnacks und Biolebensmittel, um Diäten, Essstörungen und umstrittene Erziehungsmethoden.
    Wonneproppen ist ein mutiges Buch, das einen frischen Blick auf ein brisantes und hochaktuelles Thema wirft: Übergewicht bei Kindern. Vor allem aber ist es die berührende Geschichte einer Mutter, die aus Liebe zu ihrem Kind eine schwierige Entscheidung trifft und sich damit unbeliebt macht



    Meine Meinung:

    Das Buch hat mich an vielen Stellen überrascht.
    Ich hatte vorab viele Berichte darüber gelesen und die Vorstellung gewonnen, dass die Mutter grausam war und die Diät v.a. mit Fastfoodprodukten stattfand.


    Nach dem Lesen des Buches revidiere ich diese Meinung dahingehend, dass die Mutter auf jeden Fall ein Problem hat und oft gedankenlos ist, die Diät zwar ernährungsphysiologisch okay war aber psychologisch falsch aufgezogen wurde.


    Das Kind war mMn am Ende der Diät bzw. des beschriebenen Jahres "kaputt" fürs Leben.


    Die Diät wird nur nach Kalorien aufgezoegen und die Mutter berechnet diese für jeden Tag, jede Mahlzeit, jedes Lebensmittel exakt.
    Die Mutter ist nur am Rechnen.
    Egal, wie gesund oder ungesund Sachen sind, es kommt auf die Kalorienzahl an.
    So gibt es unter anderem Cola Light statt Orangensaft und "Cool Whip" ("künstliche Schlagsahne") als Nascherei. :rollen: Die hat nämlich fast keine Kalorien.


    Schlimmer als die Rechnerei ist die mMn völlig falsche Herangehensweise der Mutter unter Missachtung der Psyche ihrer 7jährigen Tochter.


    Ein paar Beispiele:
    Essen, dass sie schon in der Hand hat, wird ihr vor Freunden weggenommen.
    Der Bruder (jünger, und auch ein schwieriger Esser, da er v.a. Nudeln isst und nur wenig anders) bekommt grundsätzlich größere Portionen am gemeinsamen Esstisch.
    Immer wieder muss Bea hören, was sie essen darf und was nicht, dass sie übergewichtig ist, dass sie abnehmen muss.
    Immer wieder muss Bea berichten, was sie so alles gegessen hat (erstaunlich, dass sie dabei nicht lügt).


    Am schlimmsten fand ich die Ungleichbehandlung der Geschwister.
    Ich kenne die Situation.
    Mein Bruder war geistig behindert und auf einer Sonderschule; die meisten Mitschüler wohnten weiter weg und so waren Besuche selten.
    Einmal kamen drei Kinder zu Besuch für einen Nachmittag, er war vielleicht 12 (aber emotional und intellektuell eher 6), ich 16. Die Kinder verbrachten einen schönen Nachmittag, abends gab es für alle Abendbrot und danach, weil Besuch da war, Nachtisch.
    Eine der Besucherinnen, die sich nicht sonderlich gut ausdrücken konnte, sagte beim Nachtisch selbstverständlich "Björn darf nicht mehr!"
    Fragen Blicke unsererseits.
    Die Lehrerin in der Schule hatte beschlossen, dass er abnehmen muss und das einfach mal so umgesetzt, indem sie ihm vor anderen das Essen (Nachnehmen) verbot. Die Kinder nahmen diese Mahnungen schnell auf.
    Ich war ziemlich geschockt.
    Ich kann nicht sagen, dass ich meinem Bruder zu der Zeit besonders nahe war, aber diese Behandlung schloss ihn aus und erhob die anderen über ihn: SElbst vor seinen Eltern war es selbstverständlcih, dass sie über ihn entscheiden konnten und er musste das - in der Schule zumindest - hinnehmen.


    Bea passiert so etwas nun täglich am Esstisch durch v.a. die Mutter.


    Vieles an dem Buch erinnert mich am Amy Chuas Buch "Die Mutter des Erfolgs".
    Eine Mutter, die genau weiß, was für ihre Kinder gut ist und das umsetzt, indem sie ihren Tagesablauf minutiös plant und überwacht. Eine Mutter, die ihre verpassten Träumen auf die Kinder projiziert und diese zwingt, sie umzusetzen.
    Eine Mutter, die nicht mitbekommt, was sie da eigentlcih ihrer Tochter antut.
    Eine Mutter, der es hinterher oft Leid tut.


    Das fällt auf: An einigen Stellen am Buch wird erst eine Handlung beschrieben, etwa der Tochter auf der Geburtstagsfeier vor anderen Kindern den Keks aus der Hand zu reißen, und hinterher Gewissensbisse zu haben, die aber in der Zukunft nicht das gleiche Verhalten verhindern.


    Im Laufe des Buches/ Jahres, wird die Mutter immer besessener und schafft es, dass der Vater in die gleiche Schiene rutscht.
    Die größte Angst ist es, dass Bea Kalorien aufnimmt, von denen sie nichts weiß, etwas isst, bevor Dara-Lynn Weiss dessen Kalorien berechnet hat und bestimmt hat, ob es an diesem Tag noch gegessen werden darf.


    Die Tochter macht relativ brav mit, meint sogar nach kurzer Zeit resignativ


    Auch erschrickt die Mutter, zieht aber keine Konsequenzen.


    Im Laufe des Buches werden alle immer paranoischer.
    Das Ganze kulmininert in einem Kapitel über eine Reise ins Feriencamp.
    Mama und Papa sind beim Anblick der Cafeteria

    und versuchen tatsächlich, den Betreuern einen Plan aufzudrücken


    und zudem

    .


    Es kommt dann aber ganz anders, Bea bekommt keine Sonderbehandlung und als die Eltern sie abholen, erleben sie eine Überraschung, denn Bea hat


    Stolz berichtet die Mutter, dass Bea nur "einmal beim Kochkurs" war.
    Wäre das denn nicht eine Chance gewesen, selbst gesundes und Kalorienarmes Essen zuzubereiten?


    Hier sieht man übrigens Bea "nach" der Diät.


    Nach in Anführungszeichen, denn die Diät ist ja nie beendet und Bea hat erfolgreich verinnerlicht, dass sie fett ist und weiterhin jede Woche abnehmen muss.


    Nicht ganz so schlimm wie in der veröffentlichten Berichten war:
    Bea wurde nicht ständig etwas aus der Hand gerissen.
    Sie bekam nicht nur Fastfood.
    Sie wurde nicht ständig in der Öffentlichkeit gedemütigt.


    Übel war allerdings:
    ihre wurde die Angst vor Kalorien eingetrichtert.
    Sie weiß jetzt evtl. dass sie weniger wert ist, als ihr Bruder, der nie in diesem Maße kontrolliert wurde.
    Sie kasteit sich schon früh selbst.
    Wenn sie etwas "falsch" machte, wurde ihr schon mal fast das ganze Abendessen gestrichen, damit die "Punkte stimmten". Sie erlebt früh, dass sie fast keine Kontrolle über ihr Leben hat (und kompensiert das dan evtl. später mit der antrainierten Kontrolle über ihr Essverhalten?).


    Interessanterweise äußert sich die Autorin über diese Kritik im Buch (und auch andere Kritikpunkte).


    Ihre Aussage dazu: Sie hat ja nur das Beste für ihr Kind getan, gegen Adipositias könne man nichts anders als rigide Kalorienkontrollereduktion machen und Sport sei erwiesenermaßen dazu nicht geeignet. Interessanterweise, weil man davon angeblich mehr Hunger bekommt. (Habt Ihr Hunger nach dem Sport? Eher doch Durst, oder?).


    Es fällt auf, dass sich die Mutter sehr mit Bea identifiziert, immer wieder Gemeinsamkeiten findet oder auf die besondere Nähe zu ihr hinweist, aber den Bruder im Allgemeinen viel positiver sieht, ihm viel mehr Freiheiten lässt.
    Dass der Bruder fast nur Nudeln isst, stört sie nicht, das ist kein Grund für eine Ernährungsumstellung.
    Alles, was an Bea positiv beschrieben wird, kommt mit einem kleinen, manchmal gar nicht wirklich fassbaren "Aber" daher.


    Man kann nur hoffen, dass Bea frühzeitig einen Menschen außerhalb ihrer Familie findet, der ihr Stabilität gibt und sie erkennen lässt, dass einen eigenen Wert hat und diesen nicht durch Wohlverhalten ihrer Familie oder sonstwem stets aufs Neue beweisen muss.
    So lese ich jedenfalls einen Großteil des Buches.


    Bewertung:
    Fällt schwer. :rollen:
    Idee: Mies.
    Inhalt: Bemitleidenswert.
    Schreibstil: Na ja... an vielen Stellen ist, wie bei Chua, nicht klar, ob das nun Ironie oder einfach Gefühlskälte mangelnde Empathie ist.



    Wenn man wissen will, ob das, was man über das Buch gelesen hat, wahr ist, ist es schon lesenswert:
    3ratten


    Wenn man sich einfach für Biografien, Mutter-Tochter-Verhältnisse, Erziehungsstile oder Selbstreflektion interessiert, ist es eher traurig:
    1ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Mir scheint, dass es eine neue Generation von selbsternannten Übermüttern gibt, die Projekte gnadenlos auf dem Rücken ihrer Kinder austragen, dann darüber schreiben und am Ende immer noch nicht erkannt haben, dass ihre Kinder unter ihnen leiden.
    Mal sehen, was als nächstes kommt.... :rollen:

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Ich muss zugeben dass mich deine Rezi neugierig gemacht hat, auch wenn du nicht so begeistert von dem Buch bist.




    Das hat mich allerdings umgehauen. Muss man einer Mutter wirklich klar machen, dass ihr Kind übergewichtig ist? Hat sie sich ihr Kind in den letzten Jahren nicht angeschaut oder war ihr das egal?


    Ich kann nicht verstehen, wie Eltern ihren Kindern so etwas antun können. Da werden in jungen Jahren Verhaltensmuster anerzogen, die später nur schwer abzulegen sind. Ganz zu schweigen von den körperlichen Folgen. Natürlich ist es nicht immer leicht, konsequent zu sein. Aber gerade wenn es um die Gesundheit meines Kindes geht, sollte es mir egal sein, ob ich mir gerade seinen Unwillen zuziehe, weil ich ihm etwas verbiete.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Meine Meinung

    Ich fange mit meiner Frage an...

    Muss man einer Mutter wirklich klar machen, dass ihr Kind übergewichtig ist? Hat sie sich ihr Kind in den letzten Jahren nicht angeschaut oder war ihr das egal?.

    .. und stelle fest, dass ich darauf keine Antwort bekommen habe. Bea war sieben, als die Ärztin ihre Mutter auf das Gewicht angesprochen hat. Wenn die Kleine nicht über Nacht explodiert ist, dann war das eine Entwicklung, die sowohl Mutter als auch Ärztin egal waren. In beiden Fällen hätte man früher etwas unternehmen oder ansprechen können.


    In einem Punkt stimme ich Dara-Lynn Weiss zu: Außenstehende sehen immer nur den Moment. Wenn sie ihrer übergewichtigen Tochter die Portion auf dem Teller halbiert, wird sich ein Außenstehender fragen, wie das Kind so dick sein kann wo doch die Mutter offensichtlich auf das Essen achtet. Erlaubt sie ihrer Tochter eine kleine Süßigkeit, weil sie sich eine Zeitlang wirklich gesund ernährt hat, wird ein Außenstehender denken "kein Wunder, dass das Kind so dick ist".


    Die Autorin hat, wie sie selbst zugibt, kein gutes Verhältnis zum Essen und zu ihrem Körper. Das geht über ungesundes Essen, unvernünftige Ernährungsmuster bis zum Verstecken und Verleugnen ihrer Maße. Wobei ich da nicht genau weiß, wie dick oder dünn sie wirklich war oder ob sie vielleicht nur nicht einem gängigen Ideal entsprochen hat.


    Das mag egal sein, solange es nur sie betrifft. Aber in dem Moment, in dem ihr Kind offensichtlich ein Problem hat, kann sie nicht die Augen verschließen. Da kann sie nicht sagen, dass sie nur Kalorien zählen will und sich nicht darum kümmert, ob die Kalorien in einem gesunden Lebensmittel stecken. Denn von gesunder Ernährung hat sie offensichtlich keine Ahnung. Irgendwann ist ihr aufgefallen, dass Bea zwischendurch als Snack mehrere Äpfel oder Bananen gegessen hat. Offensichtlich hat sie ihrem Kind gesagt, dass Obst in Ordnung geht, unabhängig von der Menge.


    Als die Diät von Bea beginnt, sind die Eltern planlos. Denn der jüngere Bruder soll nicht abnehmen und so werden abends mehrere verschiedene Mahlzeiten gekocht. Damit wird die Kleine alleine gelassen. Ich hätte es schöner gefunden, wenn die Familie an einem Strang gezogen hätte.


    Ihre Einstellung zum Sport finde ich auch grenzwertig. Sport hilft ihrer Meinung nicht beim Abnehmen, also macht sie keinen. Dass es für Bea schöner wäre, wenn die ganze Familie sich gemeinsam bewegt, schwimmen oder spazieren geht oder sich mal aufs Rads setzt, kommt ihr nicht in den Sinn. Lieber überträgt sie die Verantwortung an die Schulkantine, das Feriencamp... an andere also. Letztendlich hat Bea abgenommen, aber ich fand den Weg fragwürdig und habe auch den Eindruck gewonnen, dass das Mädchen einen falschen Eindruck von der ganzen Sache gewonnen hat.


    Fazit: ein interessantes Buch darüber, wie auch der falsche Weg zum Erfolg führen kann.

    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich finde dieses harte Urteil irgendwie - problematisch.

    Kann man als Leserin des Buches, die weder die Mutter, das Mädchen noch sonst irgendjemanden aus der Familie der Autorin kennt, wirklich sagen, dass die Tochter "kaputt fürs Leben" ist?

    Ich würde mir ein solches Urteil so nicht zutrauen. Das Mädchen wird immerhin als sozial aktiv,fröhlich und selbstständig beschrieben. Mir kam sie beim Lesen ganz normal vor, muss ich sagen. Wie es den Kind jetzt geht bzw. in Zukunft gehen wird, ist doch etwas, was wir als Leserinnen gar nicht so genau wissen und beurteilen können.


    Auch diese Kritik, dass die Eltern zu spät reagiert haben, finde ich schwierig - es wird ja an mehreren Stellen beschrieben, dass Bea als Kleinkind wirklich viel isst, wo andere Kinder längst aufgehört haben (im Kindergarten, bei Geburtstagsfeiern usw.). Klar hätte man da schon reglementieren müssen - also genau das tun, wofür die Mutter dann, als sie das später durchsetzt, massiv kritisiert wird: das Kind nicht alles essen lassen, was es essen möchte.


    Dass ihr in Gegenwart anderer Kinder das Essen reglementiert wird, ist natürlich schwierig. Aber Bea leidet an einer Krankheit, und die Mutter hat Angst um sie, wie es nun mal so ist, wenn ein Kind schwer krank ist. Wenn eins meiner Kinder an einer schweren Nahrungsmittelallergie leiden würde, würde ich das gleiche tun - auch vor anderen Kindern. Und ich würde die Geschwisterkinder nichtimmer absichtlich alle auf die Diät setzen, die für das allergiekranke Kind notwendig ist, weil sich das im Alltag (Schule usw.) sowieso nicht durchsetzen lässt und das kranke Kind auch lernen muss, dann "standhaft" zu bleiben, wenn mama und papa nicht dabei sind, und die anderen Kinder Dinge essen, die für es selbst gefährlich sind. Ich würde versuchen, das zu kochen, was alle essen können, aber immer geht das nach meiner Erfahrung nicht. Adipositas ist eine gefährliche, gesundheitsschädliche Erkrankung, deren Heilung eben dies erfordert.


    Und Sport: Es ist etwas her, seit ich das Buch gelesen habe, aber nach meiner Erinnerung macht das Kind Sport: Ballett. Und später Judo oder irgendweine andere Kampfsportart. Und geht schwimmen. Und spielt draußen. Die Mutter sagt nicht, dass Sport unwichtig ist, sondern nur, dass es fürs Abnehmen nicht viel bringt, sondern dass es dafür mehr bringt, wenn man weniger Kalorien zu sich nimmt.


    Ich bin sehr beeindruckt von dem Buch. Die Mutter macht Fehler und gibt das auch zu. Aber sie schafft es, dass ihr Kind nicht mehr an Adipositas leidet. Das finde ich eine sehr starke Leistung. Und das geht jedenfalls nach meinem Wissen nur durch die Reduktion der Essensmenge. Das, was das Kind zu essen bekommt, finde ich immer noch eine ordentliche Menge. Dass nicht alles supergesund ist , finde ich auch nicht problematisch - welches Siebenjährige Kind isst denn wirklich nur gesunde Vollwertprodukte? Ich habe Kinder (alle schon etwas älter) und achte auch auf gesunde Ernährung, sie trinken durchgängig Leitungswasser, Fertiggerichte uw. gibt es nicht - aber wenn sie woanders essen, ist das eben durchaus mal der Fall, und sie essen immer mal wieder auch ein Eis oder mal Chips oder so. So dramatisch finde ich das nicht, wenn die "Grundlinie" stimmt. Was die Mutter ihrer Tochter beibringt - dass nur eine dauerhafte Umstellung der Ernährungsgewohnheiten hilft, ein normales Gewicht zu halten - ist doch auch total richtig. Auch bei Erwachsenen ist es doch so, dass eine erfolgreiche Diät ein ist, die man "für immer" einhält, also eine Essensumstellung, die man sich generell angewöhnen sollte, ansonsten hat man diese Jojo-Effekte.

    Wie würde es Bea gehen,wenn sie adipös geblieben wäre? Möglicherweise würde es ihr psychisch und gesundheitlich super gehen. Möglicherweise wäre sie auch dann "kaputt fürs Leben". Vielleicht auch nicht. Das wissen wir doch einfach nicht. Aber die Menschen mit starkem Übergewicht, dich ich kenne - und darunter sind auch Jugendliche - ich kenne keinen, der darunter nicht leiden würde. Wenn auch nicht psychisch, dann gesundheitlich. Und der sich nicht wünschen würde, "normalgewichtig" zu sein. Und mir würde das auch so gehen.


    Ich fand spannend an dem Buch, dass es ein Problem anspricht, mit dem wir alle leben, egal ob übergewichtig oder nicht: Wir sind mit einem brutalen Überangebot an Essen konfrontiert, ständig. ich lebe in einer Großstadt, wenn ich morgens mit der U-Bahn zur Arbeit fahre, komme ich an zig Kiosken vorbei, die Schokocroissants verkaufen, an zig Bäckern, die "to go" alles mögliche auf die Hand verkaiufen; mittags sind es dann die Nordseebrötchenstände, Ditsch-Pizzabuden, Dönerbuden, mal ein Brötchen zwischendurch. Wenn meine Kinder andere Kinder besuchen, steht da ständig Essen für Zwischendurch auf dem Tisch. Mal Hunger abwarten, ohne sofort etwas in den Mund zu stecken, sich wirklch hungrig an den Tisch zu setzen - das ist eine Erfahzrung, die viele Kinder so nicht mehr unbedingt kennen. Wie man damit umgeht - dazu hat das Buch mir viele Nachdenk-Impulse gegeben (auch wenn ich selbst normalgewichtig bin und meine Kinder eher untergewichtig sind). Aber dass Übergewicht so verbreitet ist in der Bevölkerung und gleichzeitig der Schlankheitswahnsinn in allen Köpfen sitzt - das finde ich eine absolut problematische Entwicklung. In diesem Kontext fand ich das Buch sehr spannend.

    Einmal editiert, zuletzt von Gesine ()

  • Kann man als Leserin des Buches, die weder die Mutter, das Mädchen noch sonst irgendjemanden aus der Familie der Autorin kennt, wirklich sagen, dass die Tochter "kaputt fürs Leben" ist?

    Beziehst du dich mit der Aussage auf meine Rezi? Denn ich habe das nicht gesagt. Aber mir hat weh getan, dass Bea sich auch noch nach dem Abnehmen als dick ansieht und sie das traurig macht. Ich hätte es schöner gefunden, wenn Dara-Lynn Weiss ihr gesagt hätte, dass ihr Übergewicht ein momentanes Problem ist, das man angehen kann.


    Auch diese Kritik, dass die Eltern zu spät reagiert haben, finde ich schwierig - es wird ja an mehreren Stellen beschrieben, dass Bea als Kleinkind wirklich viel isst, wo andere Kinder längst aufgehört haben (im Kindergarten, bei Geburtstagsfeiern usw.).

    Was ist schwierig daran, wenn das Kind schon länger deutlich übergewichtig ist? Das ist für mich ein Zeichen dass die Eltern zu spät eingegriffen haben. Sonst wäre die Kleine nicht so dick geworden. Es ist sicherlich leichter, ein Kind das machen zu lassen was es will anstatt eine Szene zu provozieren. Und wenn schon auffällt, dass die Kleine dicker ist als andere Kinder, ist es Zeit etwas zu unternehmen.

    Und Sport: Es ist etwa Ss her, seit ich das Buch gelesen habe, aber nach meiner Erinnerung macht das Kind Sport: Ballett. Und später Judo oder irgendweine andere Kampfsportart. Und geht schwimmen. Und spielt draußen. Die Mutter sagt nicht, dass Sport unwichtig ist, sondern nur, dass es fürs Abnehmen nicht viel bringt, sondern dass es dafür mehr bringt, wenn man weniger Kalorien zu sich nimmt.

    Sicher, Bea macht Sport. Aber ihre Mutter eben nicht und so kann sie leicht den Eindruck gewinnen dass man Sport nur machen muss,wenn man dick ist. Schöner hätte ich es gefunden, wenn sie sich mehr gemeinsam mit ihrer Tochter bewegt hätte. Sicher ist es in einer Stadt schwerer, aber es geht. Das bisschen Bewegung, das die Familie zusammen macht, ist in meinen Augen das absolute Minimum.


    Soweit ich mich erinnern kann sagt die Autorin sehr wohl, dass Sport für sie nicht wichtig ist. Teilweise habe ich den Eindruck, als ob sie sich über Sporttreibende lustig macht, weil man ja auch ohne abnehmen kann.


    Vielleicht haben mir mit unserer Tochter Glück, dass sie zum einen nie Probleme mit ihren Gewicht hatte, zum anderen auch sehr vernünftig ist, was Essen betrifft. Aber wir haben ihr auch von klein auf eine gesunde Lebensweise vorgelebt und die hat sie von uns übernommen. Deshalb kann ich viele Aussagen in dem Buch nicht verstehen.

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  • Danke für die Antwort! Dann habe ich dich falsch verstanden. Ich bezog mich auf diese Aussage in Keshias Text:

    "Das Kind war mMn am Ende der Diät bzw. des beschriebenen Jahres "kaputt" fürs Leben." (Tschuldigung, die Zitierfunktuion hier kriege ich rírgendwie nicht hin). Das hatte ich so verstanden, als wenn du dir sicher darüber wärest, dass das Kind "kaputt fürs Leben ist".


    Ich habe auch eine dünne, sogar untergewichtige Tochter - obwohl wir ihr nicht von klein auf eine gesunde Lebensweise vorgelebt haben. Sie ist trotzdem dünn und geht vernünftig mit Essen um. Vielleicht ist es das, was mich etwas stört an der Kritik an der Autorin (wobei ich mich nicht unbedingt auf deinen beitrag bezogen habe; ich habe schon viele sehr kritische Rezensionen dieses buches gelesen): Man denkt, dass man selbst nie in die Situation kommt, dass das eigene Kind adipös wird, weil man selbst ja "alles richtig" macht mit seinem Kind. Beas Bruder ist ja aber auch dünn. Bea ist eben anders - sie hat kaum Impulskontrolle beim Essen, von sich aus wrde sie immer eher zu viel essen, wenn man sie ließe. Und klar haben die Eltern sie zu lange so viel essen lassen, wie sie wollte, das sehe ich auch so. Aber ich kann auch verstehen, dass es schwierig ist, einem Kleinkind das Essen wegzunehmen, wenn es sagt, dass es hingrig sei. Bei meinen Kindern glaube ich nicht, dass wir alles richtig gemacht haben, sondern dass wir eher Glück gehabt haben, dass sie - bisher jedenfalls - so vernünftig sind. Ich kenne etliche Eltern, die ihren Kinder alles richtig und vorbildlich vorleben (Umgang mit Essen, Medien, Konsum, Alkohol usw.), und die Kinder das nicht übernehmen. Wenns mit dem eigenen Kind rundläuft, schreibt man sich das oft zugute und kann dann nicht verstehen, wenn es bei anderen weniger rund läuft. Aber das ist natürlich wieder ein anderes Thema.

    3 Mal editiert, zuletzt von Gesine ()

  • Glück gehört bei Kindern immer dazu, da haben wir auch eine große Portion abbekommen ;) Ich glaube, dass es einen Unterschied zwischen Vorleben und Vormachen gibt und dass deshalb ein gutes Beispiel nicht immer zum Erfolg führt.


    Ich habe keine Kritik von dem Buch gelesen, sondern bin erst hier darauf gestossen. Ich finde das Thema spannend, weil meine Schwester und ich ähnlich unterschiedlich wie Bea und ihr Bruder waren. Da haben meine Eltern auch ähnlich argumentiert wie die Mutter, was für meine Schwester immer ein bisschen eine Ausrede war. Deshalb denke ich, dass man so ein Problem nicht früh genug angehen kann.

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  • Doch,das Buch ist völig verrissen worden. Das fand ich auch spannend, dass es so starke Ablehung hervorgerufen hat.

    Schön. dass mit deinen Kindern alles gut läuft.

  • Wir haben "nur" eine Tochter, aber da haben wir anscheinend ziemlich viel richtig gemacht- und natürlich Glück gehabt ;) Übrigens war sie auch sehr lange viel zu leicht. Das ging so weit, dass der Kinderarzt uns hat aufschreiben lassen, was sie isst (und sich sehr gewundert hat, wie viel in so eine leichte Person hineingeht).


    Ich kann verstehen, dass Dara-Lynn Weiss kritisiert wurde. Aber dass das Buch abgelehnt wurde, kann ich nicht verstehen. Meine Kritik ist, dass ihr Weg nicht meiner gewesen wäre. Am Stil kann ich nichts aussetzen.

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  • Witzig, wir mussten das auch machen! Bei allen Kindern. Alle: Im Kindergarten- und Grundschulalter stark untergewichtig, da musste ich mehrfach Essenprotokolle führen, in denen ich genau aufschreiben musste, was ich zu Essen angeboten habe - da lag immer so ein kleines Schulheft mit am Esstisch. Und die Teller waren immer voll, aber gegessen wurde nicht so viel - gespielt, geredet, gelacht die ganze Zeit, sie saßen auch gerne am Tisch, aber gegessen haben sie einfach kaum was. Ging sogar übers Jugendamt, da musste ich diese Hefte vorzeigen (vom Kinderarzt veranlasst). Zwei Kinder wurden in die Klinik eingewiesen, um abzuchecken, ob sie unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten leiden - das war nicht der Fall.Seitdem sie in der Pubertät sind, hat sich das Gewicht aber von selbst verbessert, ohne dass sie nun so viel mehr essen würden - noch immer Untergewicht, aber nur noch leichtes Untergewicht. Und ich muss sagen, dass ich das auch anstregend fand, dass am Gewicht der Kinder immer erstmal ich als Mutter die Schuld bekommen habe - in Gesprächen mit Freunden, Verwandten, Kinderarzt usw. wurde jedenfalls immer das als Erstes angenommen. Ich wusste nicht, was ich noch machen sollte außer regelmäßige gehaltvolle Mahlzeiten anbieten mit Sachen, die die Kinder mögen, die Atmosphäre bei Tisch schön gestalten, den Tisch schön decken. Hab ich gemacht, trotzdem mochten/mögen sie nicht essen. "Schuld" war ich natürlich trotzdem, für die Dame vm Jugenamt, den Arzt, die Nachbarn, meine Mutter usw.


    Die Kritik am Buch entzündete sich vor allem am Elle-Interview, das sie mal gegeben hat und für das sie auch ein Foto von sich und ihrer Tochter hat machen lassen. Sie schreibt ja auch selbst, das sie das kritisch sieht.


    Was "mein Weg" wäre, wenn ich wirklich ein adipöses Kind hätte, das beim Essen wenig Impulskontrolle hat - ich weiß es wirklich nicht. ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass ich es ganz anders machen würde als die Autorin. Das finde ich auch so schwierig bei der Kritik an dem Buch. Massives Übergewicht ist nicht nur ein gesundheitliches Problem, sondern irgendwann auch ein psychisches. "Dicke" werden verachtet. Der erste Harry-Potter-Band fängt gleich damit an, das geschildert wird, wie blöd und gemein und bescheuert der Cousin von Harry Potter ist - und dick ist er natürlich dazu, logisch. In der neuen illustrierten Ausgabe sind gleich zu Beginn Bilder von ihm drin, auf denen er unsäglich fett, dumm und nervig dargestellt wird. Im Text wird er mit einem überfressenen Schwein verglichen. Als das gelesen hab, hatte ich gleich keine Lust mehr, diese sagenhaften Harry-Potter-Bcher weiterzulesen. Aber so geht es doch nicht nur bei Harry Potter, ssondern überall in der Gesellschaft. Ich bin mir sicher, dass alle Eltern normalgewichtiger Kinder froh sind, kein adipöses Kind zu haben - nicht nur wegen der rein körperlichen Aspekte, sondern weil gleich negative Rückschlüsse auf den Charakter des Kindes und den der Eltern gezogen werden. Die Eltern mit normalgewichtigen Kindern haben natürlich immer alles richtig gemacht in der Ernährung der Kinder. Das wurde mir von anderen Eltern auch oft gesagt, dass sie ja alles richtig gemacht haben - für mich beeindruckend, ich habe es auch geglaubt - das Ergebnis des normalgewichtigen Kindes sprach ja für sich - , aber weitergeholfen hat mir das nicht.


    Ich würde wohl schon auch die Essensmenge begrenzen, so wie sie es gemacht hat. Und sehe auch den Konflikt, dass man dann schnell als unmenschliche Rabenmutter dasteht, die ihrem Kind ein wichtiges Bedürfnis versagt: essen, den Hunger stillen. ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Adipositas anders geheilt wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Gesine ()

  • @ Gesine,

    ich hatte das Buch wirklich mit Interesse gelesen, mit der Einstellung, so schlimm wie in den Artikeln kann es ja nicht sein. Was ich las war ständiges Reglementieren und das in dem Mittelpunt Rücken von Verzicht, das die Tochter am Ende völlig verinnerlicht zu haben schien. Das meinte ich mit kaputt. Essen muss für sie so eine Art Religion sein, bei der es darum geht, sich durch Verzicht hervorzutun. Kaputt im Sinne von "ein normales Verhältnis zum Essen, zu essen, worauf man Appetit hat, zu spüren, wann man satt ist, scheint für längere Zeit nicht mehr möglich" (jedenfalls, wenn ich das letzte Kapitel zugrunde lege).

    Online wurde an einigen Stellen erwähnt, die ursprüngliche Bewertung der Ärztin könnte aufgrund eines Missverständnisses falsch gewesen sein, das Übergewicht war evtl. nicht so hoch. Ebenso wurde sehr oft betont (amerikanische Rezis), dass die Mutter das Ampelsystem, das mMn eher dem Kind Kontrolle über sein Essverhalten geben sollte, völlig falsch verstanden hat - sie hat genau das Gegenteil gemacht, dem Kind Kontrolle über sein Essverhalten so lange genommen, bis es ihre Vorgaben verinnerlicht hatte.

    Mit "kaputt" meine ich auch die Auswirkung aufs Selbstbild, die dieses fortwährende "ich bin zu dick, ich muss mich zurückhalten, alle anderen dürfen genießen, ich muss verzichten" langfristig auf einen Menschen haben könnte.

    Ich habe zugegebenermaßen nicht recherchiert, ob es Berichte von der weiteren Entwicklung Beas gab. Ich wäre dabei eher an ihrem Selbstbild als an ihrem Gewicht interessiert.

    Es gab in dem Buch diverse Szenen, bei denen ICH als Kind zu weinen angefangen hätten, unter anderem, einen Kakao als Belohnung versprochen zu bekommen, sich den ganzen Tag darauf zu freuen und dann den Kakao schon in der Hand zu halten, aus der Hand gezogen zu bekommen, weil da Sahne drauf ist...:( So etwas hätte ich tagelang sehr, sehr negativ mit meiner Mutter verbunden, wäre frustriert gewesen und hätte entweder gegen die Mutter gekämpft oder schlimmstenfalls verinnerlicht "ich darf mich halt auf nichts freuen, das mit Essen zu tun hat".



    LG von

    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Keshia ich denke nicht, dass Essen eine Art Religion für die Autorin ist. Sie hat einfach kein gesundes Verhältnis dazu. Ihr Essverhalten ist irgendwann in der Pubertät stehen geblieben und sie hat nichts getan, um sich in dieser Hinsicht weiter zu informieren. Viele Menschen kennen sich da nicht wirklich aus und glauben alles, was sie in den Medien über gesunde oder ungesunde Ernährung lesen und hören. Das merke ich immer wieder, wenn ich mich mit Leuten über das Thema unterhalte oder Unterhaltungen zu diesem Thema mitbekomme.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.