Sabine Kuegler - Dschungelkind

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 12.804 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Blum.

  • Inhalt: Was uns unvorstellbar erscheint - Sabine Kuegler hat es erlebt. Unter archaischen Bedingungen wuchs sie im Dschungel West-Papuas auf. Heute lebt sie in Deutschland. Angst habe ich erst hier kennen gelernt , sagt sie. Und sie weiß, dass sie zurückkehren wird. Sabine Kueglers Geschichte beginnt, als sie mit fünf Jahren als Tochter deutscher Sprachforscher und Missionare nach West Papua kommt. Mitten im Urwald lebt die Familie mit dem Fayu-Stamm, der für Kannibalismus und unvorstellbare Brutalität steht und dessen Menschen erst langsam lernen, zu lieben statt zu hassen, zu vergeben statt zu töten. Für die heranwachsende Sabine wird der Stamm jedoch zum Teil ihrer selbst, der Dschungel zur Liebe ihres Lebens: Sie ist keine Deutsche mehr, kein weißes Mädchen aus Europa, sie wird eine Eingeborene, die schwimmt und jagt, fühlt und handelt wie eine Fayu. Mit 17 Jahren wird Sabine auf ein Schweizer Internat geschickt, um ihren Schulabschluss zu machen - ein katastrophaler Einschnitt für sie...


    Meine Meinung: Ein sehr schönes Buch, eine spannende Geschichte, schöne Bilder und wenn man das Buch zuklappt, träumt man noch ein wenig weiter...
    Einzig das Ende des Buches, nämlich als Sabine wieder hier lebt, kommt eindeutig zu kurz. Das hat mich geärgert und deshalb ziehe ich eine Ratte ab !


    4ratten


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    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Über dieses Buch habe ich sehr unterschiedliches gelesen. In einer Literaturzeitschrift wurde das Buch ziemlich zerissen. Es wurden Sätze aufgelistet und "Fakten" dagegengestellt. Zum Beispiel sei sie auf viele Probleme nicht eingegangen. Sie verteidigt sich damit, dass sie aus der Sicht eines Kindes erzählt, jedoch wurde wiederum bemängelt, das sie das nicht konsequent tue.


    Wenn ich daheim bin, kann ich den Artikel raussuchen, wenn es interessiert. Ich selbst habe das Buch noch nicht gelesen. Mich würde es aber interessieren.
    Ich kenne einige Missonare, darunter auch welche aus PNG, deren Kinder auch teilweise dort aufgewachsen sind (wäre mal interessant zu erfahren, wie die das beurteilen, muss mal nachfragen, ob die das Buch gelesen haben).

  • Ich verstehe wenn manchem das Buch nicht so gefällt. Vieles hört sich naiv an, aber es ist nun mal eben ein Leben aus der Sicht eines Kindes ! Es wird schon teilweise auf die Problematik eingegangen die dort im Urwald herrscht, über Krieg zwischen den Völkern, oder wie sie mit Dieben, Ehebrechern etc. dort umgehen... Ich fand das Buch auch zu kurz aber es soll nun mal kein Bericht über die Fayu sei, sondern Sabine erzählt wie sie aufgewachsen ist, nicht mehr und nicht weniger !


    Über weitere Infos zu dem Thema und vielleicht anderen Buchtipps in diese Richtung freue ich mich !! "Die Wüstenblume" hab ich allerdings schon gelesen, fand ich auch sehr spannend, "Die weisse Massai" ist eher das was ich als sehr naiv bezeichnen würde...

  • Ich habe das Buch auch gelesen und fand es äußerst interessant. Die plötzliche Erkenntnis, dass unsere Zivilisation wie wir sie kennen nur eine Lebensform ist und es neben ihr auch andere gibt fand ich sehr bereichernd.
    Womit ich leider unzufrieden war, war die Beschreibung Sabine Kueglers Lebens in Europa. Sie war eindeutig zu ungenau im Vergleich zum Rest des Buches.
    Aber der Konflikt zwischen zwei Welten zu schweben und sich nirgends eingliedern zu können hat mich total fasziniert in diesem Buch.


    @ Jona 77: Leider bin ich auf diesem Gebiet nicht so bewandert und kann dir deshalb keine weiteren Lesetips geben. Tut mir Leid.

  • Ich habe das Buch damals auch mit Interesse gelesen.
    Und dann das zweite.
    Und das dritte.


    Das Interesse nahm dabei immer weiter ab.


    Letzte Woche habe ich das Buch ihrer Mutter -Dschungeljahre - in der Bücherei gelesen.
    (Doris Kuegler: Dschungeljahre)

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    Und das kam mir so komisch vor, dass ich mal anfing, zu googeln.


    Was ich fand:
    Zwei Infos.
    Erste:
    Sabine Kuegler vertreibt/vertrieb (jetzt kann ich sie jedenfalls gerade nicht aufrufen...) eine Webseite, auf der sie anbietet, die eigene Biografie ihrer Kunden zu vermarkten...


    Und dann die Info, dass ihre Eltern nicht unbedingt in erster Linie als Linguisten, sondern eher als Missionare zu den Fayu kamen; Mission: Die Bibel in deren Sprache, bzw. in alle Sprachen der Welt übersetzten.


    Zum Buch Dschungelkind:
    Mir stellten sich, vor allem nach nochmaligem Lesen jetzt, mehrere Fragen.
    Die erste:
    In dem Buch sind Sabines Interessen vor allem Tiere, "Abenteuer" und kleine Kinder (man sieht sie auf den Fotos oft mit kleinen Kindern au dem Arm).
    Schule soll ihr nicht so viel Spaß gemacht haben.
    Warum studiert so jemand ausgerechnet Wirtschaft?
    Warum nicht Kulturwissenschaften, Pädagogik, Biologie?


    Dann wird immer und immer wieder von der Sehnsucht nach dem Dschungel geredet.
    Aber sie lebt immer noch hier in Deutschland...
    Sie scheint auch, nach dem was, sie schreibt, nicht, noch nicht mal vor Veröffentlichung des zweiten Buches, mal Urlaub bei dem Stamm gemacht zu haben.


    Auch komisch:
    Alle Kinder wurden recht schnell alleine in die weite Welt geschickt, nachdem vorher von Kulturschock bei den Heimatbesuchen die Rede war.
    Auf den ersten Seiten des Buches ist davon die Rede, dass Sabine mit 17 ganz allein mit dem Zug von Hamburg in die Schweiz fahren muss.
    Warum?
    Hätten ihre Eltern sie nicht hinbringen müssen, vielleicht auch die ersten paar Wochen bleiben, wenn ihr diese Welt so fremd war?


    Ich meine, wer würde seine 17jährige Tochter, die bis dato nur in Deutschland gelebt hat und noch nie alleine geflogen ist, alleine nach Indonesien schicken?


    Auch wunderte mich schon beim ersten Lesen, dass der letzte Teil, der Bericht über das Leben nach dem Dschungel, extrem kurz geraten ist, vielleicht eher wie eine Rohfassung.


    Auch vorher werden viele Ereignisse in dem Buch nur angerissen, vor allem der Schulbesuch in Jayapura...

    Jetzt, als ich das Buch ihrer Mutter las, war ich sehr irritiert:

    Sabine Bücher unterscheiden sich sehr im Stil, Buch eins eher Richtung Jugendbuch, episodisch, Buch zwei eher sachlich, Buch 3 sehr distanziert, kalt.
    Das Buch der Mutter erinnert SEHR an "Dschungelkind" in Stil und Inhalt.
    Extrem, wie ich fand, vom Sprachstil und Aufbau her.
    Ist das normal?
    Hat man als Mutter nicht normalerweise einen anderen Schreibstil als die Tochter?


    Bei beiden Büchern fällt mir das sehr schlechte Verhältnis Sabines zu ihrer Schwester Judith auf.
    Ich habe auch Geschwister, auch einen Bruder, der mich gern und viel ärgerte, aber nie auf diesem Niveau.
    So wirft Sabine Judith im Dschungel einmal eine tote Schlange hin, die Judith aber für lebendig = lebensgefährdend hält/ halten sollte.
    Macht man so etwas mit seiner Schwester?
    Dann findet Sabine das Haus nach einer Flug mit Spinnen bedeckt vor und als erstes fällt ihr ein, Judith zu wecken, sie hätte eine Überraschung für sie - woraufhin Judith so etwas wie einen Nervenzusammenbruch erleidet.
    Auch die Geschichte der ersten Menstruation von Judith fand ich seltsam:
    Sabine, die wusste, das ihre Familie deutsch, weiß und anders als die Fays ist/ lebt, glaubte, ihre Schwester würde von nun an in einer Hütte im Dschungel leben...? :gruebel:


    Wenn man mal die Fotos in "Dschungelkind" genauer ansieht, fällt einem auf, dass auf vielen Gruppenfotos der weiße (div. Menschen) direkt in die Kamera strahlt, die Fayu aber neutral bis genervt schauen, auf einem Bild auch alle zum linken Bildrand hin...


    Ich hätte keine Probleme damit, dass das Buch als Roman, animiert vom eigenen Leben veröffentlicht worden wäre.


    Immer noch finde ich allerdings, dass es stärker hätte ausgearbeitet werden können/ müssen; vieles wirkt nur angerissen und unvollständig.
    Für vieles fehlen Erklärungen, etwa warum die Kinder so schnell und anscheindend für immer so weit weg zogen, und warum so weit auseinander?
    Ich an deren Stelle hätte doch wenigstens zum ersten Halt mit meinen Geschwistern zusammen sein wollen, so dass ich Unterstützung und Verständnis in der unbekannten Welt hätte finden können.
    Warum kam niemand, wenigstens zeitweisen im Urlaub zurück?
    Was beeinflusse die Entscheidung, in der "fremden Welt" ausgerechnet Wirtschaft zu studieren, ein doch recht trockenes und von der "Dschungelwelt" weit entferntes Fach?
    Wie gelang die Akklimatisierung in die europäische Welt (darüber schreibt auch die Mutter extrem wenig, sie gibt als Beispiel nur Probleme an, sich an den Euro als Währung/ die Europreise zu gewöhnen)?

    Am Ende frage ich mich, ob dies nicht, wie ich irgendwo las (Webseite vergessen) eine "typische", wenn auch drastische und vielleicht außergewöhnlich tiefgreifende Geschichte über den Verlust der Kindheit ist?

    Und ob nicht DAS vielleicht eher den Reiz des Buches ausmacht, das Gefühl, das jeder Erwachsene mit einer einigermaßen glücklichen Kindheit kennt "Die unbeschwerten Jahre sind für immer vorbei" (die Jahre, als man eben ohne große Gedanken an die Zukunft unbeschwert vor sich hin lebte, nicht, dass man danach nie wieder unbeschwert leben kann...nur nicht so :zwinker:).

    Wie habt Ihr diese und andere evtl.Ungereimtheiten empfunden?


    LG
    von Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

    Einmal editiert, zuletzt von Keshia ()

  • Ich denke ich muss hier nicht nochmal den Inhalt des Buches wiedergeben, das haben meine "Vorschreiber" schon getan.
    Dschungelkind habe ich im Rahmen des diesjährigen SLW gelesen und war beigeistert, denn endlich mal wieder, hat es ein Buch geschafft mich zu fesseln, Emotionen zu wecken und mich sogar auf der Arbeit war ich in Gedanken bei Sabine Kuegler, ihrer Familie und ihren Fayu Freunden.
    Oft genug ertappte ich mich bei dem Gedanken, was Sabine wohl noch alles erlebt hat?
    Ich habe mit ihr gelacht und geweint, dachte oft, das geht nicht gut und freute mich wenn doch alles gut ging.
    Ich kann verstehen, wenn viele sagen, ihre Zeit nach dem Dschungel komme im Buch zu kurz, aber auch dqs wurde hier ja schon erwähnt:Es ging im Buch hauptsächlich um ihre Kindheit.
    Ebenso kann ich ihren plötzlichen Aufbruch aus dem Dschungel gut verstehen, immerhin hat sie ihren geliebten Fayubruder verloren und wurde von schrecklichen Alpträumen geplagt.
    Und sie schreibt ja auch, das ihr Heimaturlaub sie verändert hat. Auf einmal kam sie mit manchen Dingen nicht mehr so klar. So hat ihr der Tod, vor ihrem Aufenthalt im zivilisierten Westen, nichts ausgemacht, denn es war etwas ganz natürliches für sie.
    Zwischendurch dachte ich auch, warum geht sie nicht zurück in den Dschungel, aber ich kann es wie gesagt auch verstehen.


    Es tat mir sehr leid zu lesen wie sehr sie unter dem Kulturschock gelitten hat und das sie ihrem Leben ein Ende setzen wollte.
    Ebenso stellte sich mir die Frage, hat sie auf die Briefe ihrer Eltern geantwortet?
    Darüber erfährt man ja leider nichts.


    Alles in allem, hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich gebe
    4ratten

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

    2116 /25.525 Seiten


  • (Ich hab das Buch auch gelesen, ist aber schon eine Weile her)
    Keshia: Du sprichst von "Ungereimtheiten" - sind es nicht eher "Unperfektheiten", die Dich stören??


    - Dass jemand mit einer so "besonderen" Kindheit deren Erfahrungen im Erwachsenenleben quasi fortführt (z.B. bei der Studienwahl) - würde man sich wünschen; vielleicht ist aber gerade der Gegenpol das, was man sich selbst dann wünscht..
    - Dass bei einer "Heldenfamilie" menschlich alles harmonisch ist - sieht man gerne; aber gerade unter besonderen Belastungen und bei Menschen, die konsequent ein bestimmtes Ziel verfolgen, ist das eben oft nicht der Fall (so hat ja auch z.B. der berühmte Kinderpsychologe Bruno Bettelheim seine eigenen Kinder wohl nicht besonders gut behandelt..).


    Ich halte es eher für realistisch, wenn eben nicht immer alles "perfekt" zugeht - wollten wir insgeheim doch eine "Idealisierung?


    Dass man bei einem Menschen, in dessen Leben man durch solch ein Buch nahe hineinblicken durfte, wissen will, wie's danach weitergegangen ist mit ihm nach Rückkehr in die "Zivilisation", ist menschlich - aber das ist, wie schon jemand erwähnte, nicht Thema des Buches.

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()


  • (Ich hab das Buch auch gelesen, ist aber schon eine Weile her)
    Keshia: Du sprichst von "Ungereimtheiten" - sind es nicht eher "Unperfektheiten", die Dich stören??


    Ja, das mag sein.
    Ich war wohl auch etwas voreingenommen nach einigen Berichten über Frau Kuegler. Der erste Eindruck des Buches wich einem ziemlichen Misstrauen, das sich vermutlich auch auf die Bewertung des Buches übertragen hat.

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    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Ich habe das Buch und auch die Folgebände gelesen, und besonders Dschungelkind hat mich auch sehr berührt und gefangengenommen. Ich war genauso zerrissen wie Sabine, einerseits eine unheimlich aufregende und schöne Kindheit, andererseits aber auch irgendwie unverantwortlich seinem Kind so etwas zuzumuten. Ich verstehe, was Keshia mit Misstrauen meint. Bei mir ging das eher gegen die Eltern. Ich denke nicht, dass sie die Tragweite abschätzen konnten, als sie mit ihren Kindern in den Dschungel gingen. Vielleicht waren sie da genauso naiv, oder was auch immer ihre Beweggründe waren.


    Da sind auch bei mir einige Fragen offen geblieben, die mich beschäftigt haben, aber ich hätte nicht verlangt, dass das alles an die Öffentlichkeit getragen werden muss. Die Geschichte ihrer außergewöhnlichen Kindheit hat mir genügt. Ich empfand es als sehr echt und tragisch, wie sie ihren Konflikt geschildert hat. Ihr Verhalten kam mir oft fremd vor, aber das ist ihr schließlich auch so gegangen.
    Ich finde es daher unfair ihr Vorwürfe zu machen, wie sie sich denn verhalten soll, was sie verschweigt oder übertreibt, wenn ich doch wie die meistens Menschen (Stern Reporter inkl.) überhaupt nicht nachvollziehen kann, wie es sein muss mit so einer Kindheit. Vielleicht ist sie naiv und geschäftstüchtig zugleich, aber schließlich habe auch ich die weiteren Bücher gekauft, weil ich gerne wissen wollte, wie es mit ihr weiterging. Und zu hinterfragen, wie weit das nicht vielleicht nur sensationsgeil ist, ist auch eher unbequem.


    Heuchlerisch war für mich hingegen die Geschichte der Weissen Massai, als eine „von ihnen“. Da hätte ich mir noch gewünscht, dass ich es dem Verlag vorwerfen könnte.

    ~ es gibt andere Welten als diese ~<br /><br />SUB-Challenge<br />Start: 31.07.2014


  • Ich habe das Buch und auch die Folgebände gelesen, und besonders Dschungelkind hat mich auch sehr berührt und gefangengenommen. Ich war genauso zerrissen wie Sabine, einerseits eine unheimlich aufregende und schöne Kindheit, andererseits aber auch irgendwie unverantwortlich seinem Kind so etwas zuzumuten. Ich verstehe, was Keshia mit Misstrauen meint. Bei mir ging das eher gegen die Eltern. Ich denke nicht, dass sie die Tragweite abschätzen konnten, als sie mit ihren Kindern in den Dschungel gingen. Vielleicht waren sie da genauso naiv, oder was auch immer ihre Beweggründe waren.


    Ich war eher schockert darüber, dass Sabine im Buch immer von linguistischer Arbeit und Respekt vor den Stammestraditionen schreibt, die Eltern aber von Wycliff angestellt waren, um zwar schon die Sprache zu lernen, aber für die Bibelübersetzung. Das kommt im zweiten Band zu tragen, als erwähnt wird, dass die Fayu jetzt an Gott glauben.
    Missionsarbeit also. Für mich das Gegenteil von Respekt, denn hier heißt es ja "unser Gott ist besser als eurer!"
    Anklänge daran findet man schon im ersten Buch.



    Dann wundert es mich aber auch, dass Sabine einerseits vom Verschmelzen mit der Fayukultur schreibt, von ihrer Sehnsucht, zurück zu gehen - dies aber nur für ihr zweites Buch tut und ansonsten in Deutschland lebt.
    Sie hätte ja z.B. auch Linguistik studieren und die Arbeit ihrer Eltern weiterführen können oder sonstwie in Indonesien arbeiten können, wenn es ihr wirklich so wichtig gewesen wäre, den Kontakt mit den Fayu aufrecht zu erhalten.
    Die ganze Geschichte der Schule, des Studiums und des "Lebens nach den Fayu" fand ich sehr merkwürdig, sowohl von Seiten der Eltern als auch der Kinder. Auch komisch, dass alle Kinder an anderen, weit entfernten Orten leben.
    Jedenfalls finde ich es sehr merkwürdig, dass man seine gesamte Jugend hindurch fast mit einer Kultur "verschmilzt", sich damit identifiziert, wie es im ersten Buch beschrieben wird, dann mit 17. in eine ungeliebte Außenwelt geschickt wird und nie wieder zurück kommt, außer für einen dokumentierten Besuch.


    Der Ton im zweiten Buch ist auch ganz anders.
    Dies wurde von Kritikern als "erwachsene Stimme" gedeutet.
    Ich sehe das nicht so.
    Sooo viel Zeit ist ja zwischen der Abreise und dem "Urlaub" aus Sicht eines Erwachsenen gar nicht vergangen, man müsste sich noch gut an seine Jugend und seine damaligen Empfindungen und Vorlieben erinnern, aber im zweiten Buch nimmt Sabine eher die Rolle einer um Freundschaft und Erinnerung bemühten Beobachterin ein. Im Gegenteil zum ersten Buch nicht nur bzgl. der politischen Lage, sondern vor allem den Fayu sehr distanziert.


    Mich wunderten auch die sehr guten Fotos im ersten Buch. Das waren analoge Fotos, die später digitalisiert wurden und sie sollten als Familienerinnerungsfotos durchgehen. Sie sehen aber - vor allem die auf dem Buchumschlag - eher wie Werbefotos für einen Film aus. Also auch ziemlich gestellt?!
    Wurde da evtl. schon früh Vorarbeit für eine Vermarktung geleistet?
    Wenn ja, wird auch der Blick der Kinder auf die Fayu anders gewesen sein als im Buch geschildert, denn es wird wohl dann schon früh erklärt worden sein, dass man mit bestimmten Szenen später Geld machen kann.


    Schaut euch mal die Fotos an - viele sind perfekt inszeniert, perfekt ausgeleuchtet.
    Dann schaut euch mal eure eigenen Kinderfotos an: Die werden, gerade wenn es noch analoge sind, oft sehr anders aussehen.
    Schaut euch mal dieses Bild an.
    Ist der Blick der beiden Fayukinder nicht komisch? Die sehen nicht so aus, als wollten sie umarmt werden oder wären darüber glücklich. Man könnte sich denken, dass Papa oder Mama da gesagt haben, umarme die beiden mal, ich mache ein Foto. Wenn es aber gute Freunde wären, würde man nicht einige Fotos zur Auswahl haben, auf denen man das auch sieht?


    Ich kann nur sagen, dass ich nach einigen Infos und einigem Überlegen das erste Buch eher als gut vermarkteten Roman ansehe. Das trübt natürlich die Lesefreude, wenn die Geschichte offiziell als Erinnerungsbuch vermarktet wird, also als Wahrheit.


    LG von
    Keshia

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  • Es ist schon etwas länger her, dass ich die Bücher gelesen habe und weiß nicht, ob ich mich noch an alles richtig erinnere, aber das beschäftigt mich dann doch noch. Ich habe diesen medialen Zerriss damals überhaupt nicht mitbekommen.


    Ich war eher schockert darüber, dass Sabine im Buch immer von linguistischer Arbeit und Respekt vor den Stammestraditionen schreibt, die Eltern aber von Wycliff angestellt waren, um zwar schon die Sprache zu lernen, aber für die Bibelübersetzung. Das kommt im zweiten Band zu tragen, als erwähnt wird, dass die Fayu jetzt an Gott glauben.
    Missionsarbeit also. Für mich das Gegenteil von Respekt, denn hier heißt es ja "unser Gott ist besser als eurer!"
    Anklänge daran findet man schon im ersten Buch.


    Ich hatte das Buch überhaupt schon so begonnen, dass es um Missionare ging, ich denke das wurde doch irgendwo erwähnt. Dementsprechend kritisch war ich gegen die Eltern und ihre „Arbeit“ dort eingestellt, und was sie eigentlich damit bezwecken wollten. Jedoch nicht weil missionieren gleich Zwangsmissionierung ist. Ich kenne Wycliff aber nicht. Ich konnte nicht herauslesen, dass die Intention die war, die Fayu-Kultur zu „guten Christenmenschen“ umzuerziehen oder erweckungs-theologisch die verlorenen Seelen der Wilden zu retten.
    Im Gegenteil, ich fand den Blick niemals überheblich oder herablassend, sondern sehr respektvoll. Ich denke Fayu- und weisse Kinder sind im gegenseitigen Einfluss aufeinander aufgewachsen. Wie sollte man das auch verhindern.


    Zitat

    Mich wunderten auch die sehr guten Fotos im ersten Buch. Das waren analoge Fotos, die später digitalisiert wurden und sie sollten als Familienerinnerungsfotos durchgehen. Sie sehen aber - vor allem die auf dem Buchumschlag - eher wie Werbefotos für einen Film aus. Also auch ziemlich gestellt?!
    Wurde da evtl. schon früh Vorarbeit für eine Vermarktung geleistet?
    Wenn ja, wird auch der Blick der Kinder auf die Fayu anders gewesen sein als im Buch geschildert, denn es wird wohl dann schon früh erklärt worden sein, dass man mit bestimmten Szenen später Geld machen kann.


    Das finde ich jetzt arg unterstellt. Dass die Eltern nur deswegen in den Dschungel gegangen sind, um ihre Kinder zu benutzen, damit die dann darüber lukrative Bücher schreiben. So sekten-gehirngewaschen kam sie mir wirklich nicht vor. Und anders kann man es gar nicht verhindern, dass sich Kinder anfreunden, wenn sie so nahe miteinander leben. Oder die Welt als vertraut ansehen, in der sie jahrelang aufgewachsen sind.



    Zitat

    Am Ende frage ich mich, ob dies nicht, wie ich irgendwo las (Webseite vergessen) eine "typische", wenn auch drastische und vielleicht außergewöhnlich tiefgreifende Geschichte über den Verlust der Kindheit ist?
    Und ob nicht DAS vielleicht eher den Reiz des Buches ausmacht, das Gefühl, das jeder Erwachsene mit einer einigermaßen glücklichen Kindheit kennt "Die unbeschwerten Jahre sind für immer vorbei" (die Jahre, als man eben ohne große Gedanken an die Zukunft unbeschwert vor sich hin lebte, nicht, dass man danach nie wieder unbeschwert leben kann...nur nicht so ).


    Genau so hab ich es gelesen, als drastische und außergewöhnliche, tiefgreifende Geschichte. Jedoch alles andere als typisch. Die wenigsten Menschen müssen beim Übergang von romantischer Kindheit zu Erwachsen-werden einen derartigen Kulturschock überwinden, von Depression und Selbstmordversuch ganz zu schweigen. „Dschungelkind“ mag nicht objektiv genug geschildert sein, aber das hätte auch kaum zu dem Kindheitsbericht gepasst, bei dem ich nicht gezweifelt habe, dass Sabine es so empfunden hat, wie sie es eben geschildert hat.

    ~ es gibt andere Welten als diese ~<br /><br />SUB-Challenge<br />Start: 31.07.2014

  • Ich hatte das Buch überhaupt schon so begonnen, dass es um Missionare ging, ich denke das wurde doch irgendwo erwähnt. Dementsprechend kritisch war ich gegen die Eltern und ihre „Arbeit“ dort eingestellt, und was sie eigentlich damit bezwecken wollten. Jedoch nicht weil missionieren gleich Zwangsmissionierung ist. Ich kenne Wycliff aber nicht. Ich konnte nicht herauslesen, dass die Intention die war, die Fayu-Kultur zu „guten Christenmenschen“ umzuerziehen oder erweckungs-theologisch die verlorenen Seelen der Wilden zu retten.
    Im Gegenteil, ich fand den Blick niemals überheblich oder herablassend, sondern sehr respektvoll. Ich denke Fayu- und weisse Kinder sind im gegenseitigen Einfluss aufeinander aufgewachsen. Wie sollte man das auch verhindern.


    Sie hat es ja auch sehr geschickt dargestellt. Möglicherweise so, wie die Familie es auch wahrgenommen hat: Wir bringen den Fayu behutsam bei, dass ihre Rituale schädlich für sie sind und sie nun an "den großen Vater im Himmel" glauben dürfen, der gütig ist (dessen Namen haben sie auch übersetzt).
    Und dann kommt (im zweiten Band) die Szene, in der der Häuptling stirbt und vorher noch schnell sagt, dass er nicht traurig ist, weil er ja jetzt zum großen Vater im Himmel geht.


    Alles sehr nett und herzerwärmend.


    Nur: Religionstoleranz ist bei uns doch auch gerade (immer noch) ein großes Thema.
    Wie würden sich viele Deutsche aufregen, wenn man ihnen Teile ihrer Religion vorhalten würde, die "schädlich" sind (z.B. könnte man als Christ in die Hölle kommen und Angst davor entwickeln) und dann anbieten würde, doch zur eigenen Religion überzutreten, wo das anders sei.
    Man stelle sich entsprechende Gespräche zwischen Christen und Muslimen vor!
    Viele hätten vollkommen Verständnis für die Empörung derjenigen, die den Glauben wechseln sollen.
    Das ist also ein aktuelles Thema - es gibt immer noch viele Fettnäpfchen zwischen Gläubigen verschiedener Religionen.
    Im Buch wird es aber ganz locker so dargstellt, dass NATÜRLICH der Glaube von Sabines Eltern in vielen (allen?) Punkten dem der Fayu überlegen sei, dass sie sich aber deshalb nicht über die Fayu stellen. Sie haben nur den besseren Glauben. Wenn die Fayu mal ihren Argumenten folgen, erkennen sie das.
    Diese Einstellung finde ich gerade in der heutigen Zeit (mehr noch als vielleicht in den 70er/80er Jahren des letzen Jhds.) bedenklich, weil (fast) keiner das mit sich selbst würde machen lassen wollen.


    Und ehrlich: Möchte man seine Kinder so großziehen, dass sie der Ansicht sind, einer überlegenen Religion anzugehören, die besser für die Menschen ist als andere Religionen?


    Das Buch ist mMn gut geschrieben, gerade als Kind dieser Zeit (+/-) kann man sich mit vielem identifizieren, die Ansichten werden auch mal so nebenei erwähnt und man stolpert beim ersten Lesen nicht zwingend darüber.


    Bspw. der erwähnte Psalm, das Rückgrat der Umsiedlung der Famlie - Märchen für die Leser oder wurde das den Kindern tatsächlich so verkauft: Papa hatte eine Vision und jetzt wacht Gott über uns? :gruebel:


    Beim ersten Lesen klingt das toll, bei weiterem Nachdenken bereitet es wenigstens Kopfzerbrechen, wenn nicht Magenschmerzen, sowohl aus Eltern- als auch aus Kindersicht.


    Wie man sieht, stellt Sabine ihren "Papa" ja zumindest teilweise "gottähnlich" da, er hat immer eine Lösung, gibt Sicherheit.
    Das kann eine Nachzeichnung der kindlichen Empfindung sein, die man im frühen Kindesalter hat - Eltern wissen und können alles, mit ihnen kann nicht schiefgehen - es könnte aber auch Folge von solchen Geschichten sein, die sich tief (da früh) ins Unterbewusstsein eingegraben haben.


    Als ich etwa 8 war, sagte meine Mutter öfter "die Mutter sieht alles und hört alles".
    Ich dachte dann manchmal wirklich darüber nach, ob sie in meinem Zimmer eine Kamera angebracht hätte. :lachen:
    Man muss schon als Eltern überlegen, was man sagt und wie die Kinder das ggf. auffassen könnten.


    LG von
    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

    Einmal editiert, zuletzt von Keshia ()

  • Die Kueglers sind eindeutig nicht zur reinen Beobachtung zu den Fayu gegangen, zur Dokumentation eines bis dato unentdeckten Volkes. Das lässt sich deutlich herauslesen. Man kann also wirklich vorwerfen, dass das Buch dieses Thema auch verlangt hätte, denn es zu verschweigen kommt wie absichtliche Täuschung/Schönfärberei vor.
    Andererseits, wäre daraus dann doch ein ganz anderes Buch entstanden, und das wäre für die Autorin vielleicht ein noch größerer Kompromiss gewesen. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr ein ehrliches Bedürfnis war, über ihre Kindheit zu schreiben, und das Wesentliche war für sie eben ihre persönlichen Erfahrungen, und nicht die kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit ihrer Eltern. Ob und wie weit sie dazu bereit ist (sein muss), sich bewusst davon distanziert oder bewusst eben nicht, darüber mag ich erst recht nicht urteilen. Es macht die Zerrissenheit zwischen den beiden "Beeinflussungen" in der Kindheit nur umso deutlicher.


    Wenn das Kind als halbe Fayu zurückkehrt und darüber auch noch ein Buch schreibt, was sie von ihnen gelernt und übernommen hat, wie sehr sie in ihrem jetzigen Leben von ihnen beeinflusst ist und wie auch „wir“ von ihnen lernen können, könnte man auch sagen, dass die missionarischen Tätigkeit wohl eher in die verkehrte Richtung gelaufen ist. Sonst würde sie sich auch kaum für die Rechte der Fayu einsetzen.
    Man kann auch hinterfragen, ob es wahr ist, dass die Fayu die Kueglers um Hilfe bei ihren kriegerischen Konflikten gebeten haben, oder ob sie es nur so darstellen wollte. Andererseits müsste man dann sehr viele Tätigkeiten der Entwicklungshilfe weltweit als missionarische, westliche, und damit ungebetene, Einmischung und Beeinflussung der ursprünglichen Kultur betrachten. zB Aufklärung gegen den religiösen Ritus der Beschneidung junger Mädchen in Afrika.


    Über das Buch der Mutter würde ich wahrscheinlich viel härter urteilen und wäre wesentlich unversöhnlicher mit Aussparungen oder Naivität. Denn ihre Geschichte ist eine ganz andere. Nur interessiert mich die Geschichte der Mutter viel weniger, erst recht wenn kritische Reflexion ausbleibt. Aber vielleicht werde ich Dschungelkind noch einmal lesen, wäre jetzt eigentlich interessant.

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