Mechtild Borrmann - Die andere Hälfte der Hoffnung:

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    Mechtild Borrmann - Die andere Hälfte der Hoffnung


    Klappentext:


    In der verbotenen Zone von Tschernobyl, wo nur lebt, wer nicht anders kann oder gezwungen ist, sich zu verstecken, wartet Valentina auf die Rückkehr ihrer Tochter aus Deutschland. Seit Monatenhat Valentina nichts mehr von ihr gehört. Sie scheint spurlos verschwunden – wie viele andere Studentinnen, die angeblich ein Stipendium in Deutschland erhalten haben. Um dem trostlosen Warten und dem bitterkalten Winter zu trotzen und die Hoffnung nicht zu verlieren, beginnt Valentina ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. In Deutschland versteckt währenddessen Martin Lessmann eine junge osteuropäische Frau vor ihren Verfolgern. Als sie sich kurz darauf die Pulsadern aufschneidet, rettet er sie ein zweites Mal – und erfährt Ungeheuerliches.
    ____________________________


    Auch zu diesem Buch startet am 10. Oktober eine autorenbegleitete Leserunde - wer mag noch mitmachen? Der Lostopf ist bis Freitag geöffnet :winken:

    LG, Dani


    **kein Forums-Support per PN - bei Fragen/Problemen bitte im Hilfebereich melden**

  • In „Die andere Hälfte der Hoffnung“ wird aus drei Handlungssträngen in der „Gegenwart“ und einem in der Vergangenheit eine dramatische Geschichte zwischen Ukraine und Deutschland gestrickt. Dank Mechthild Borrmanns virtuoser Erzähltechnik entsteht daraus ein gehaltvolles Buch, welches den Leser von der ersten Seite in seinen Bann zieht.


    Es geht um Tanja und ihre Freundin Marina, die aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind, um zu studieren und möglichst schnell Geld zu verdienen. Aber sie wurden wie viele andere junge Frauen getäuscht und im „gelobten Land“ wartet ein grausames und beängstigend menschenverachtendes Schicksal auf die beiden Mädchen. Doch Tanja gelingt die Flucht und sie landet bei einem einsamen Bauern, der auf ungeahnte Weise in das Geschehen eingreift.


    Währenddessen versucht ein ukrainischer Polizist herauszufinden, wohin so viele Studentinnen spurlos verschwinden. Er lernt dabei Walentyna, die Mutter eines der Mädchen kennen, und verspricht ihr, dass er die Tochter finden und heil zurück bringen wird. Walentyna ihrerseits wird von der Ungewissheit fast erdrückt und beginnt in ihrer Not die Erlebnisse ihrer Vergangenheit für ihre vermisste Tochter aufzuschreiben. Und diese Geschichte ist mindestens genauso erschütternd, wie die Geschehnisse der Gegenwart.


    Seit meinem ersten Buch von Mechthild Borrmann bin ich eines Besseren belehrt, dass nicht die große Seitenanzahl Kennzeichen eines großartigen Romans sein muss, sondern dass man mit wenigen Seiten und wohlgesetzten Worten mehr aufwühlen und begeistern kann, als manch dicker Schinken. Auch in „Die andere Hälfte der Hoffnung“ (ein kongenialer Titel, wie ich finde) ist es mir so ergangen.


    Man wird sofort in die Geschichte reingeschmissen und hat kaum Zeit Luft zu holen. Die Hauptdarsteller kommen dem Leser ganz schnell ganz nahe und man leidet mit ihnen und hofft und bangt um sie, als wären es langjährige Freunde. Der Kummer, der die meisten von ihnen irgendwann im Buch ereilt oder ereilt hat, ist manchmal fast zu groß, um ihn zu begreifen. Und doch hat man immer das Gefühl, dass es eine Wahrheit in dieser Geschichte gibt, eine Verbindung zu realen Personen einer realen Welt. Deshalb ist es nicht immer leicht zu lesen und man sollte sich Zeit dabei lassen und die einzelnen Kapitel auch verdauen und überdenken.


    Besonders interessant fand ich die Tagebucheintragungen des Lebens von Walentyna. Hier wird ein Stück Zeitgeschichte beschrieben, welches ich noch am Rande in meiner Jugend selbst erlebt habe ohne zu ahnen, wie es wirklich in Russland und der Ukraine abgelaufen ist und was die Menschen im Einzelnen dort erlebt haben. Dabei wird gezeigt, wie der damalige russische Machtapperat Tausende von Menschen missbraucht, im Ungewissen gelassen und mit seinen Maßnahmen und Anordnungen gar zu Krankheit und Tod verurteilt hat. Und noch heute leiden die Menschen unter den Auswirkungen eines Unglücks, welches jederzeit auch jedes andere Land der Welt ereilen könnte – siehe Fukoshima.


    Der letzte Abschnitt löst alle Rätsel, deckt alle Lügen und Unwahrheiten auf, lässt keine Zweifel und keine Fragen zurück. Alle Stränge sind miteinander unlöslich verknüpft, haben ihre Ende und ihren Anfang gleichermaßen gefunden.


    Das Buch ist sicherlich keines, welches man mit glücklichem Gefühl beiseitelegt, weil es teilweise einfach sehr traurig ist und die Menschen im Buch stellvertretend für die realen Menschen Schreckliches erleiden müssen. Aber das aufwühlende Leseerlebnis hat mich dennoch auch zufrieden gemacht, weil es ein Buch ist, welches so viel Tiefgang und Menschlichkeit in sich hat und ich eine Menge Dinge auf eindringliche neue Weise erfahren durfte.


    5ratten

    :lesen:





  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Die Hoffnung stirbt immer zuletzt…


    "Die andere Hälfte der Hoffnung" ist mein erster Roman von Mechtild Borrmann, den ich ohne große Erwartungen begann zu lesen und der mich total überrascht hat. Positiv natürlich.


    Die Handlung wird uns aus drei Perspektiven geschildert. Zum einen begleiten wir Walentyna, die damals den atomaren Unfall um Tschernobyl live miterlebte und nun in der verbotenen Zone lebt, um dort auf ihre verschollene Tochter Kateryna zu warten. Des Weiteren verfolgen wir das Geschehen um Leonid, Ex-Milizmitglied, der nach zwei ukrainischen Studentinnen sucht, die in Deutschland spurlos verschwunden sind. Dabei deckt er Unglaubliches auf. Und zu guter Letzt nimmt der Leser daran teil wie Matthias Lessmann versucht einer flüchtigen Frau zu helfen. Wird es ihm gelingen?


    Mir hat vor allem gefallen, dass die Perspektiven / Handlungsstränge ständig wechseln und immer an den spannendsten Stellen unterbrochen wird, so dass man gar nicht mehr mit Lesen aufhören mag.


    Frau Borrmann greift im Part um Walentyna zur Briefform und lässt den Leser die damaligen Ereignisse um Tschernobyl durch Tagebucheintragungen erleben. Das empfand ich als lesenswerten Kunstgriff und man fühlte sich bald selbst als Tochter angesprochen.


    Die dargestellten Charaktere waren detailliert beschrieben. Man konnte sie sich gut vorstellen, mit ihnen fühlen und sich in sie hineinversetzen.


    Zum Ende des Buches gehen alle 3 Handlungsstränge in einander auf und es bleiben keine Fragen offen.


    Die Geschichte wird vor allem durch Schwermut getragen. Die Handlung ist düster, hat mich oft schlucken lassen, macht traurig und berührt. Das sollte einem vor der Lektüre klar sein, denn das Buch drückt die Stimmung des Lesers total. Mir gefiel dies ganz besonders, da es sehr zum Nachdenken angeregt hat. Die Ereignisse lassen einen definitiv nicht kalt.


    Fazit: Ein tiefschürfender Roman, der bewegt und den ich nur zu gern empfehle. Absolut lesenswert!


    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Inhalt:


    Walentyna lebt in der verbotenen Zone Tschernobyls, dort, wo auch jetzt noch alles verseucht ist. Sie wartet auf die Rückkehr ihrer Tochter, die nach Deutschland gegangen und dort verschwunden ist. Dabei beginnt sie, ihre eigene Geschichte aufzuschreiben. Das Leben in der Ukraine, das Reaktorunglück, die Jahre danach...


    Unterdessen versteckt Lessmann auf seinem Hof ein fremdes Mädchen, das auf der Suche nach ihrer Freundin ist. Auch Leonid ist auf der Suche nach einem Mädchen und riskiert dabei so einiges.


    Meine Meinung:


    "Die andere Hälfte der Hoffnung" ist das dritte Buch, das ich von Mechtild Borrmann lese und ebenso wie die Vorgänger bin ich auch von dieser Geschichte restlos begeistert. Borrmann hat ein feines Gespür für Figuren und ihre Erlebnisse, Borrmann kann erzählen, sodass man alles andere vergisst und man vollkommen in die Geschehnisse des Buches eintauchen kann.


    Seit ich als Kind für die Schule das Buch "Die Wolke" gelesen habe, hat mich das Thema Tschernobyl und Atomkraft nicht mehr losgelassen. Deshalb war ich umso gespannter, wie Borrmann damit umgehen wird. Denn auch nach der Katarstrophe in Fukushima wird noch immer auf AKWs gesetzt, die Gefahren, die davon ausgehen, zu sehr ausgeblendet.


    Genau dafür braucht es Bücher wie "Die andere Hälfte der Hoffnung", die uns wieder vor Augen führen, womit wir es eigentlich zu tun haben. Die Autorin schafft es, Bilder in uns entstehen zu lassen, die uns nicht mehr loslassen. Die uns erschaudern lassen. Die uns fragen lassen, ob das wirklich hätte sein müssen.


    Gekonnt webt Borrmann noch eine andere harte Problematik mit ein: Menschenhandel, Prostitution. Dinge, die vor unseren Augen geschehen und die dennoch keiner sieht.


    Dennoch wirkt das Buch nicht überladen. Ein Wohlfühlbuch ist es nicht, nein, das muss es aber auch nicht sein. Die drei Stränge von Walentyna, Lessmann und Leonid verbinden sich zu einem grossen Bild und ergänzen sich wunderbar. Es kommt nicht zu Widersprüchlichkeiten und schlussendlich erfahren wir alles, das es zu erfahren gibt.


    Fazit:


    "Die andere Hälfte der Hoffnung" ist ein starkes, aussagekräftiges Buch, das einen so schnell nicht mehr loslässt. Flüssig und eindrücklich geschrieben zeigt es, dass Mechtild Borrmann eine talentierte Autorin ist, die ihr Handwerk versteht.


    Dieses Buch ging mehr sehr nahe. So nahe, wie schon lange keines mehr. Obwohl es nicht zu dick ist und klar und einfach geschrieben, konnte ich immer nur ein paar Seiten pro Tag lesen. Mehr ging nicht. Die Figuren sind so real dargestellt, dass man ihnen so nahe ist, dass man ihr Leid förmlich spüren kann.


    Trotzdem schafft es Borrmann, nicht ins Theatralische oder Dramatische abzudriften. Ganz grosse Klasse!


    5ratten

    //Grösser ist doof//

  • Ein Wuchtiges Porträt über Menschenhandel





    Sehr schön ist der Bogen von der Ukraine bis nach Deutschland gespannt. Auch die drei Handlungsstränge von der Gegenwart bis in die Vergangenheit in der es in dieser Geschichte geht sind mehr als perfekt miteinander verknüpft. Walentyna die in der verbotenen Zone in der Ukraine lebt , erzählt in ihren Tagebuch Aufzeichnungen von ihrem früheren Leben. Von einer Zeit voller Lügen , von Freude und Leid . Von der Tschernobyl Katastrophe . Den Momenten der Zuversicht und voller Hoffnung. Sie schreibt das ganze für ihre Tochter Kateryna , die es später einmal lesen soll. Sie versucht damit das warten und bangen zu überbrücken. Sie wartet schon lange auf Kateryna , die längst zurück sein soll . Sie ist mit ihrer Freundin Olena , nach Deutschland gereist ist , als Gastleserin. Man hat den Studentinnen , ein Stipendium versprochen...........


    In Deutschland findet Lesmann vor seinem Hof ein halberfrorenes , verängstigtes und erschrecktes Mädchen. Als er sie bei ihrem Selbstmord versucht in letzter Sekunde findet , rettet er ihr zum 2. mal das Leben. Nur mit viel Geduld und langsam gewinnt er ihr vertrauen. Was sie ihm erzählt wirft ihn fast aus der Bahn , denn so etwas ist unvorstellbar für ihn. Er beschließt ihr zu helfen und gerät dabei selbst in große Lebensgefahr. Er wächst über sich selbst hinaus und Tut etwas , das er niemals sich selbst zugetraut hat .................


    Auch der Leutnant einer Sondergruppe Leonid aus der Ukraine macht sich auf die Suche nach den vermissten Studentinnen , er hat es Walentyna versprochen , die vermissten Mädchen zu finden. Er selbst deckt ungeheuerliches auf und gerät in einen Strudel von Machenschaften von größter Politischer Brisanz . Wird er die Mädchen finden , die Uhr tickt unaufhaltsam weiter....



    Die Autorin Mechthild Borrmann schafft es wie in ihren anderen Buch , Der Geiger, den Leser wieder in ihren Bann zu ziehen. Sie erzählt spannend , packend, Einfühlsam und zutiefst bedrückend , von Menschenhandel und Zuhälterei . Den Machenschaften der Regierung während der Tschernobyl Katastrophe , den Lügen, gegenüber den Menschen Authentisch herüber zubringen. Sie verleiht ihren Protagonisten Körper und Seele , sie kommen Bildstark herüber. Das Buch ist realistisch und überzeugend. Man fühlt und Leidet mit, Ein wuchtiges Porträt , das einem Erschüttert und nachdenklich macht.


    " Ein Facettenreiches und Anspruchsvolles Buch "



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    Vielen Dank an die Autorin für dieses Starke Buch und dem Verlag der es Kostenlos zur Verfügung stellte....



    5ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Arietta ()

  • INHALT
    Walentyna lebt in der verbotenen Zone von Tschernobyl. Hier lebt nur, wer nicht anders kann oder wird gezwungen ist, sich zu verstecken. Die alte Frau wartet auf die Rückkehr ihrer Tochter, von der sie seit Monaten nichts mehr gehört hat. Sie scheint spurlos verschwunden – wie viele andere Studentinnen, die im Jahr 2009 angeblich mit einem Stipendium nach Deutschland gegangen sind. Um dem trotzlosen Warten und dem bitter-kalten Winter zu trotzen, beginnt Walentyna ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben.
    (Quelle Droemer-Knaur Verlag)


    MEINE MEINUNG
    Mechtild Borrmann vereint in ihrem neuesten Roman geschickt die realen Ereignisse in Tschernobyl nach der fatalen Reaktorkatastrophe im Jahr 1986 mit dem berührenden Schicksal der Ukrainerin Walentyna und der äußerst aktuellen Thematik Mädchenhandel und Zwangsprostitution in Europa. Dabei schafft sie es hervorragend, die fiktiven und realen Geschehnisse, die sich auf verschiedenen Zeitebenen und in drei unterschiedlichen Handlungssträngen ereignen, glaubwürdig und fesselnd miteinander zu verweben. Erst nach und nach beginnt sich die aus verschiedenen Perspektiven erzählte Geschichte zu entwirren, die vielen Einzelteile fügen sich schließlich zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammen, das den Leser sehr betroffen, aufgewühlt und nachdenklich zurücklässt.
    Erzählt wird der Roman hauptsächlich aus wechselnden Perspektiven in der dritten Person, jedoch sind in den Handlungsverlauf auch immer wieder Walentynas sehr persönliche Rückblicke in die Vergangenheit in Tagebuchform eingeschoben.
    Sowohl eigentliche Kriminalhandlung mit Leonid rund um seine Ermittlungen und die korrupte Miliz in der Ukraine, die schockierenden Schicksale der beiden ukrainischen Studentinnen bei den deutschen Mädchenhändlern als auch die Schilderungen der enttäuschenden gesellschaftspolitischen Entwicklungen in der unabhängigen Ukraine sind dabei so spannend und authentisch beschrieben, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann, bis alle Hintergründe und Details offen gelegt sind und man schließlich das ganze Ausmaß der Tragödie begreift.
    Jeder Charakter hat seine eigene geheimnisvolle Geschichte und steuert so zum Gesamtbild bei, das zwar teilweise vorhersehbar, aber dennoch am Ende in seiner tragischen Tragweite erschütternd ist.
    Insbesondere die weiblichen Figuren werden sehr tiefgründig charakterisiert und mit ihren Schwächen und Stärken sehr glaubwürdig und lebensnah gezeichnet, so dass der Leser ihr Handeln gut verstehen kann, sich mit ihnen verbunden fühlt und mitleidet. Insbesondere Walentynas Lebensgeschichte berührt sehr, so dass der Leser großen Anteil an ihrem Schicksal, ihren Lebenslügen und geplatzten Träumen nimmt. Voller Hoffnung endlich ein Lebenszeichen von ihrer verschwundenen Tochter zu erhalten, hat sie sich in ihre Heimat zurückgezogen -in die sogenannte „Entfremdungszone“, dem radioaktiv verseuchten Sperrgebiet rund um Tschernobyl, und blickt auf ihr bisheriges Leben zurück.
    Viele weitere Charaktere werden sehr facettenreich und lebendig gezeichnet.
    Trotz aller Widrigkeiten und Widerstände setzt der sympathische Leonid nach seiner Suspendierung von der Miliz seine Suche nach den verschollenen Mädchen in Deutschland fort und geht hartnäckig allen Hinweisen nach. Auch Figur von Matthias Lessmann und seine Entwicklung im Laufe der Handlung sind sehr interessant dargestellt. Nach dem Krebstot seiner Frau lebt der vereinsamte Mann zurückgezogen mit seinen Tieren auf einem Hof nahe der holländischen. Als die junge, vor den Zuhältern flüchtende Frau auftaucht, handelt er instinktiv und selbstlos. Doch wird er immer mehr in die sich eskalierenden Ereignisse hineingezogen und erkennt sich bald selbst nicht mehr wieder.
    Durch den eindringlichen, lebendigen Schreibstil gelingt es Mechtild Borrmann sehr gut, eine zunehmend angespannte, oft düstere Atmosphäre zu vermitteln und dem Leser die emotionalen Nöte der Charaktere sehr nachdrücklich vor Augen zu führen.
    Ein Personenverzeichnis im Anhang erleichtert dem Leser den Überblick über die vielen, anfangs leicht verwirrenden russischen Namen.


    FAZIT
    Mechtild Borrmanns "Die andere Hälfte der Hoffnung" ist ein vielschichtig angelegter, sehr gut recherchierter und einfühlsam geschriebener Roman, der den Leser bis zur letzten Seite bewegt und fesselt.
    Ein sehr empfehlenswerter Roman, der nicht nur Krimi-Fans begeistern wird.


    5ratten

  • Mit "Die andere Hälfte der Hoffnung" legt Mechtild Borrmann erneut ein beeindruckendes Buch vor, in dem sie geschickt die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft.


    Das Buch teilt sich zu Beginn in drei Handlungsstränge auf. Da ist zum einen Walentyna, eine ältere Frau, die in der verbotenen Zone um den Unglücksreaktor von Tschernobyl lebt.Sie schreibt einen Brief an ihre Tochter, die als Studentin nach Deutschland gegangen ist und dort verschollen scheint. So erleben wir Leser die Geschichte des atomaren GAU quasi hautnah aus Augenzeugensicht mit. Walentyna beschreibt, wie stolz und glücklich sie waren, damals dort arbeiten zu dürfen, wie später das Unglück erst kleingeredet wurde und doch ihr ganzes weiteres Leben beeinflusste. Es sind sehr intensive Beschreibungen, die mir mehr als einmal einen Schauder über den Rücken jagten.


    Parallel hierzu erleben wir mit, wie in Deutschland, nahe der holländischen Grenze, eine junge Frau ihren brutalen Zuhältern entkommt und sich auf den Hof von Matthias Lessmann retten kann. Der Witwer lebt sehr zurückgezogen und spricht oft tagelang nur mit seinem Hund und seinen Schafen. Dennoch fühlt er sich von dem hilflosen Mädchen berührt und gibt ihr bei sich Unterschlupf und Schutz. Sie fasst nach und nach Vertrauen zu ihm und bittet ihn, nach ihrer Freundin zu suchen, die sie in der Gewalt der Zuhälter zurücklassen musste.


    Der dritte Erzählstrang handelt von dem ehrgeizigen ukrainischen Miliz Ermittler Leonid, der mit seiner Abteilung im Falle von zahlreichen verschwundenen Mädchen ermittelt. Er kommt in Kontakt mit Walentyna, die all ihre Hoffnungen, ihre Tochter Kateryna wiederzufinden, in ihn setzt. Doch seinen Vorgesetzten gehen Leonids Nachforschungen zu weit und so muss er sich auch gegen innere Widerstände behaupten und durchsetzen.


    Natürlich weiß man als Leser, dass diese drei Handlungsstränge sicher irgendwie miteinander verbunden sein müssen, doch die genauen Verbindungspunkte ergeben sich erst nach und nach.
    Die Autorin schildert die verschiedenen Schicksale sehr eindringlich und so empfand ich die Lektüre als unglaublich fesselnd, obwohl ich mir allein von der Thematik her das Buch vielleicht nicht unbedingt ausgesucht hätte. Diese Erfahrung habe ich aber schon beim letzten Buch von Mechtild Borrmann (Der Geiger) gemacht und würde inzwischen wahrscheinlich jedes Buch von ihr blind kaufen, ohne überhaupt auf den Klappentext zu schauen, so sehr gefällt mir ihre Art zu schreiben.


    Es ist keine schöne Geschichte, es sind harte und traurige Schicksale, die die Autorin hier beschreibt, Schicksale, die emotional tief nachwirken, auch nachdem das Buch zugeklappt ist. Es ist eine Geschichte voller Schwermut über verlorenes Glück, über den unglaublich menschenverachtenden Umgang der Sowjetunion mit der nuklearen Katastrophe von Tschernobyl, über den genauso menschenverachtenden Umgang mit Menschen heutzutage im Zusammenhang mit Menschenhandel und Prostitution – aber auch eine Geschichte über Menschen, die nicht aufgeben, die weiterkämpfen, auch wenn sie alleine auf scheinbar verlorenem Posten stehen und so letztlich zeigen, dass man die Hoffnung nie aufgeben darf.


    5ratten

    LG, Dani


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  • Die andere Hälfte der Hoffnung
    Mechtild Borrmann
    Flexibler Einband: 320 Seiten
    Erschienen bei Droemer Taschenbuch, 02.11.2015
    ISBN 9783426304839
    Genre: Krimi und Thriller



    Bauer Matthias Lessmann holt ein junges Mädchen von der Straße und rettet ihr damit das Leben. Als er sie nach einem heißen Bad mit aufgeschlitzten Pulsadern in der Wanne findet, fühlt er sich für sie verantwortlich.
    Walentyna Schtschukina wartet in der Entfremdungszone in der Nähe von Tschernobyl in der Ukraine nun schon seit einem Jahr auf ein Lebenszeichen ihrer Tochter Kateryna und beginnt, für sie ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben.
    Leonid Witalijowytsch Kyjan macht sich auf die Suche nach Spuren von unzähligen jungen Studentinnen, die von deutschen Universiäten ein Stipendium und von verschiedensten Firmen einen Job angeboten bekommen haben. Diese jungen Frauen sind bis heute unauffindbar.


    Mechthild Bormann nimmt mich mit in die Entfremdungszone, die 1986 nach dem Reaktorunglück in Tscherobyl entstanden ist. Die Geschichten und Erinnerungen, die Walentyna aufschreibt, scheinen sehr gut recherchiert zu sein und haben mich doch sehr verstört. Vieles von dem, was ich hier gelesen habe, war mir nicht bekannt und geahnt habe ich es damals schon, aber es scheint die Wahrheit zu sein: wir haben sehr vieles nicht erfahren. Und auch die Menschen, die in der direkten Umgebung gelebt haben, wurden mit Lügen, Unwahrheiten und Halbwahrheiten abgespeist und hingehalten.


    Die Autorin hat Walentyna eine solch plastische Sprache mitgegeben, dass mir die einsame Frau immer wieder richtig leid getan hat - damals und heute immernoch. Keine ihrer Hoffnungen hat sich erfüllt. Ihre Aufzeichnungen sind ein sehr interessantes und z.T. verstörendes Stück Zeitgeschichte. Da die Geschichte von Walentyna in der Gegenwart erzählt wird, bin ich noch mehr mitten drin.


    Aber auch der kriminalistische Teil der Geschichte, der von Menschenhandel, Prostitution und Korruption erzählt, hat mich in seinen Bann gezogen. Hier ist es Leonid Kyjan, der versucht, mit seinen Mitteln die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Auch er muss immer wieder Enttäuschungen und Rückschläge verkraften, lässt aber nicht von seinen Zielen ab.


    Überhaupt sind die Protagonisten so lebensecht, verständlich und fein ausgearbeitet, dass das Lesen von jedem Einzelnen richtig Spaß gemacht hat. Der Erzählstil bringt die Hoffnung, den Schmerz, die Trauer und auch das Gute so gut rüber, dass ich nach dem Lesen erst mal eine kurze Auszeit gebraucht habe um das alles zu verarbeiten.


    Ich habe schon lange keinen so interessanten, spannenden und emotionalen Krimi gelesen.
    Ein Buch, das meine absolute Leseempfehlung bekommt.
    :smile: :smile: :smile: :smile: :smile:

  • Gaby
    Bitte die Suchfunktion benutzen, zu diesem Buch gab es schon einen Thread :winken:

    LG, Dani


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  • Seit dem Tod seiner Frau lebt Matthias Lessmann als etwas verschrobener Einzelgänger auf seinem Hof unweit der niederländisch-deutschen Grenze. Menschen sieht er am liebsten von weitem, doch als eine sichtlich verzweifelte junge Frau bei ihm auftaucht, kann er nicht anders, als ihr Unterschlupf zu gewähren.


    In der Ukraine, nahe der Todeszone um Tschernobyl, vermisst Walentyna ihre Tochter, die zum Studieren nach Deutschland ziehen wollte. Es ist viel zu lange her, dass sie zuletzt von ihr gehört hat, und sie macht sich große Sorgen. Dabei hat Walentyna in ihrem Leben schon wahrlich genügend Verluste erlitten. Infolge der Reaktorkatastrophe musste sie nicht nur von ihrem Zuhause, sondern auch von geliebten Menschen Abschied nehmen und fürchtet umso mehr um das Wohlergehen des Mädchens.


    Dass die beiden Handlungsstränge miteinander in Verbindung stehen müssen, war mir von Anfang an klar, doch worin genau diese besteht, hat mich tief erschüttert und bewegt (und dass die Ukraine derzeit erneut mit schrecklichen Nachrichten die Schlagzeilen beherrscht, hat das Ganze irgendwie noch trauriger gemacht). Ungeschminkt, aber gleichzeitig auch mit viel Fingerspitzengefühl widmet sich Mechthild Borrmann gleich mehreren schweren Themen: dem Super-GAU vom 26. April 1986, den Vertuschungsversuchen, den körperlichen und seelischen Spätfolgen - und auch dem großen Wunsch junger Menschen nach Freiheit und Wohlstand, den sich Schlepperbanden und Menschenhändler auf widerliche Weise zunutze machen.


    Kein Wohlfühlbuch also, aber ein hochspannender Roman über brisante Themen, die auch heute noch, gut 10 Jahre nach Erscheinen des Buches, leider noch aktuell sind.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen