Karl May - Durch die Wüste

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    Inhalt:
    Durch die Wüste reiten Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar, sein treuer Gefährte. Der Fund einer Leiche bei den Salzseen Nordafrikas löst ein faszinierendes Abenteuer aus, dessen Folgen den Leser sechs Bände lang in Atem halten. Schon zu Beginn erschließt sich die ganze Buntheit der orientalischen Welt.


    Interessenten:
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    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Vorhin habe ich erstmals nach x Jahren wieder in einen Karl May-Band reingesehen. Soll ich einfach mal anfangen mit ersten Eindrücken? Hier wären sie:

    Erste Eindrücke
    Man ist gleich mittendrin: Der Ich-Erzähler und sein Diener Halef Omar – der gar kein Hadschi ist, wie sich schnell herausstellt – befinden sich auf einem Ritt im Grenzgebiet Algerien/Tunesien und mitten in einer Diskussion über die Vorzüge des Islam und Halefs Versuchen, seinen Herrn zu bekehren.


    Das Gespann Diener = Das komische Kerlchen und Herr = Der überlegene Gelehrte aus dem Abendland steht mit den ersten Sätzen schon festumrissen da.
    Auch Themen und Eigenheiten, die sich nach meiner Erinnerung durch alle Bände ziehen, sind schon auf diesen ersten Seiten vertreten: Das Thema Religion und der allwissende, stets überlegene Ich-Erzähler, der nicht nur den Koran zitieren und damit sogar den muslimischen Diener in die Schranken weisen kann, sondern sich auch aufs Spurenlesen, auf Schusswaffen, Dialekte und das Erkennen verschiedener Nationalitäten schon am Gesicht versteht und furchtlos mitten in der Wüste einen Mörder stellt – und nicht etwa zur Selbstjustiz greift, sondern den Mann der Gerechtigkeit Gottes überlässt. Ja, das ist er: Kara Ben Nemsi aka Old Shatterhand, Karl Mays so schamlos perfektes Alter ego.


    Was’n Infodump – das war das Erste, was mir zum Anfang einfiel: Unzählige arabische Wörter und Eigennamen, in einer Masse auf den Leser einprasselnd, dass er, jedenfalls als Leser von heute und unvorgewarnt, das Buch wohl schleunigst zuschlagen würde.


    Puh, halt ich das heutzutage noch durch – war mein nächster Gedanke. Mit elf merkte ich mir, was nötig schien, und störte mich weder an den vielen fremden Wörtern noch am Über-Gutmenschentum des Ich-Erzählers, und als es dann zu nerven begann, habe ich mit Karl May komplett aufgehört.
    Aber auch auf diesen Seiten wird mir schon klar: Respekt vor den immensen Recherchen des Autors ist angemessen (egal, wie viel er sich vielleicht davon auch nur ausgedacht hat). Er konnte ja nicht mal eben bei Wikipedia nachlesen.


    Was ich eben getan habe. Weil ich immer noch nicht wusste, woher das Wort Giaur stammt. Wikipedia sagt: Es kommt von arabisch Ka:fir „Ungläubiger, Gottesleugner“; Giaur ist die „eingedeutschte Variante der türkischen Entsprechung (gavur) von Kafir“.


    Jetzt werde ich erst mal weiterlesen. Vielleicht auch mal ein bisschen über Karl May selbst. In meinem (nicht gerade lesefreundlichen) Zuhause hieß er nur „der Knastbruder aus Radebeul“. Etwas mehr wird sich sicher ausgraben lassen. :zwinker:

  • Was’n Infodump – das war das Erste, was mir zum Anfang einfiel: Unzählige arabische Wörter und Eigennamen,


    Bei mir leider nicht. Ich lese nämlich die von Peter Korn bearbeitete Bertelsmann-Fassung, aus der ein Teil der fremden Ausdrücke gestrichen wurde (z. B. "Hölle" statt "Dschehenna": "Ikrâr bi'l-lisân ganz weg), aber der "Giaur", an den ich mich noch gut erinnere, ist immerhin noch vorhanden.


    Aber auch sonst ist einiges verändert. Auf S. 1 (ich vergleiche mit dem "Blick ins Buch" der im Startbeitrag verlinkten Ausgabe des Karl-May-Verlages vom 1. Januar 2003) wird z. B. aus

    Zitat

    du magst wollen oder nicht

    ein

    Zitat

    ob du willst oder nicht


    Auch Halefs Beschreibung ist geändert: Sein Turban hat keine "drei volle Fuß im Durchmesser", sonder ist nur "riesig"; er hat kein "volles Jahrzehnt zwischen den Löschpapierblättern eines Herbariums gelegen", sondern war "ein volles Jahrzehnt zwischen den Löschpapierblättern eines Herbariums gepresst worden". ( :schulterzuck: Wieso denn diese Änderungen?)
    Dafür aber ist sein Burnus "einst weiß gewesen" und "starrt" jetzt "vor 'Schmutz und Dreck" und er "muss das viel zu große Gewand heraufziehen wie eine Dame ihr Reitkleid"; Phrasen, die im "Blick ins Buch" ganz fehlen. Häh? Das hat sich der Bearbeiter doch sicher nicht ausgedacht?!? Aber ein Blick ins Impressum der Karl-May-Verlag-Ausgabe zeigt auch ein "nach der Fassung von 1962", d. h., auch sie ist bearbeitet, was mich etwas mit meinem Buch versöhnt. Oder hat Amazon mal wieder verschiedene Fassungen zusammengewürfelt?


    Bleibt die Frage: Gibt es eigentlich eine unbearbeitete, der Originalausgabe treu folgende Fassung?


    Wie dem auch sei, so habe ich im Buch gerade die "Rose von Kblissi" kennen gelernt (Kapitelangaben funktionieren nicht, da auch deren Einteilung geändert wurde; mein Buch hat 23 Kapitel, die vom KMV 20 :rollen: ).
    Das erste Treffen mit dem Armenier und der hochdramatische Ritt durch die Salzwüste von Schott Al-Dscherid habe ich also schon hinter mir. Dabei entsetzt es mich, dass ich mich - trotz zwei- bis dreimaliger Lektüre vor einigen Jahrzehnten - an nichts, aber auch gar nichts erinnern kann. Einzig Halef Omars voller Name und einige exotische Ausdrücke wie "Giaur" oder "Schott Al-Dscherid" sind hängen geblieben. Aber von der Handlung nichts.


    Außerdem muss ich bekennen, dass ich mich gelangweilt fühle. Zwar geschieht viel, aber es kann mich aus mir bisher noch unbekannten Gründen nicht fesseln. Den Zwang, unbedingt weiterlesen zu müssen, um zu erfahren, wie es weitergeht, verspüre ich nicht.


    Zum Inhalt:
    Ist euch eigentlich klar, wieso Kara ben Nemsi die beiden Übeltäter erst einmal fortreiten lässt, sie dann aber verfolgt? Er hätte sie doch gleich fesseln und dann der Obrigkeit übergeben können. Die Möglichkeit dazu hatte er ja, denn

    Zitat

    Er zuckte mit der Hand, um nach seiner Waffe zu greifen, aber ich war schneller und hielt ihm die Mündung meines Revolvers entgegen.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Außerdem muss ich bekennen, dass ich mich gelangweilt fühle. Zwar geschieht viel, aber es kann mich aus mir bisher noch unbekannten Gründen nicht fesseln. Den Zwang, unbedingt weiterlesen zu müssen, um zu erfahren, wie es weitergeht, verspüre ich nicht.


    Interessant, so geht es mir nämlich auch immer wieder. Ich kann die May-Bücher problemlos mehrere Wochen unterbrechen, um etwas anderes zu lesen. Trotzdem... die Bücher haben ihren eigenen Charakter und wenn ich dann mal durch bin, bin ich doch immer froh, es gelesen zu haben.


    Bei "Durch die Wüste" war ich eigentlich erst ca. ab der Hälfte richtig in der Geschichte drin.

    Pessimisten stehen im Regen, Optimisten duschen unter den Wolken.

  • [quote author=Saltanah]
    Zum Inhalt:
    Ist euch eigentlich klar, wieso Kara ben Nemsi die beiden Übeltäter erst einmal fortreiten lässt, sie dann aber verfolgt? Er hätte sie doch gleich fesseln und dann der Obrigkeit übergeben können. Die Möglichkeit dazu hatte er ja, denn

    Zitat

    Er zuckte mit der Hand, um nach seiner Waffe zu greifen, aber ich war schneller und hielt ihm die Mündung meines Revolvers entgegen.


    [/quote]


    Nur kurz, da hier heute Kindergeburtstag ist:
    Keine Ahnung - ich bin auch schon durch die Salzwüste geritten ([emoji6]) und habe es mich auch die ganze Zeit gefragt...

  • Zum Inhalt:
    Ist euch eigentlich klar, wieso Kara ben Nemsi die beiden Übeltäter erst einmal fortreiten lässt, sie dann aber verfolgt? Er hätte sie doch gleich fesseln und dann der Obrigkeit übergeben können. Die Möglichkeit dazu hatte er ja, denn


    Das ist eine Manie bei Karl May: Er lässt die Übeltäter immer wieder frei, damit sein Held immer wieder in die Bredouille kommt. Und neue Abenteuer erleben kann.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Bleibt die Frage: Gibt es eigentlich eine unbearbeitete, der Originalausgabe treu folgende Fassung?


    Du hast Recht: Auch die Ausgaben im Karl-May-Verlag sind bearbeitet. Die Originalausgaben findest Du z.B. bei der Karl-May-Gesellschaft - sogar on-line:


    http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/index.htm


    Peter Korn übrigens ist der anderweitig vielleicht bekanntere Roland Gööck. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Interessant, dass die Fremdwörter in neueren Ausgaben eingedeutscht oder auch gleich weggelassen wurden … ich dachte gestern noch, dass heutzutage kein Lektor mehr einen solchen Text durchgehen lassen würde. Ich finde das einen Eingriff ins Buch, und unnötig außerdem. Die fremdsprachlichen Bezeichnungen sind doch ein wichtiges Element in Reisebeschreibungen, da muss man als Leser schon die Bereitschaft haben, sich durchzubeißen (oder drüberwegzulesen).


    Ich konnte mich auch an absolut nichts erinnern und fühle mich auch nicht gefesselt. Mich langweilt es, weil schon auf den ersten Seiten klar wird, wie festgelegt die Weltsicht des Erzählers ist. Er weiß schon alles, er wird innerlich nicht um ein Quäntchen anders werden, egal, was oder wer ihm noch begegnet. Er weiß, wo Himmel und Hölle sind und wie sie aussehen – so betrachtet, gibt dieses erste Gespräch schon Entscheidendes über den Erzähler und das, was man zu erwarten hat, preis. Man fragt sich, warum er überhaupt reist. Und man spürt schon, dass da auch keine interessanten zwischenmenschlichen Entwicklungen Raum haben.


    Vielleicht verfolgt Kara ben Nemsi die beiden, weil er wissen will, was sie vorhaben und was noch hinter der Sache steckt? Vermutlich ist es auch nicht so leicht, mit zwei Gefangenen durch die Wüste zur nächsten Obrigkeit zu reiten. Und sie mit dem Revolver gleich an Ort und Stelle zu erledigen - wie das andere an diesem Ort, zu dieser Zeit nach Mays Ansicht wohl getan hätten - widerspricht ja seinen Grundsätzen. Vielleicht ist das also auch schon eine Demonstration seiner christlichen Barmherzigkeit, die er ja stets und mit missionarischem Eifer übt.

  • Ich hatte gestern leider keine Zeit und heute wird es auch knapp. Daher habe ich erst die ersten 4 Seiten gelesen und durfte mich auch bereits an den vielen fremden Begriffen erfreuen.


    Meine Ausgabe hat 12 Kapitel und "folgt zeichengetreu der Buchfassung letzter Hand, Freiburg 1907".

    Auch Halefs Beschreibung ist geändert: Sein Turban hat keine "drei volle Fuß im Durchmesser", sonder ist nur "riesig"; er hat kein "volles Jahrzehnt zwischen den Löschpapierblättern eines Herbariums gelegen", sondern war "ein volles Jahrzehnt zwischen den Löschpapierblättern eines Herbariums gepresst worden". ( :schulterzuck: Wieso denn diese Änderungen?)
    Dafür aber ist sein Burnus "einst weiß gewesen" und "starrt" jetzt "vor 'Schmutz und Dreck" und er "muss das viel zu große Gewand heraufziehen wie eine Dame ihr Reitkleid"; Phrasen, die im "Blick ins Buch" ganz fehlen. Häh? Das hat sich der Bearbeiter doch sicher nicht ausgedacht?!? Aber ein Blick ins Impressum der Karl-May-Verlag-Ausgabe zeigt auch ein "nach der Fassung von 1962", d. h., auch sie ist bearbeitet, was mich etwas mit meinem Buch versöhnt. Oder hat Amazon mal wieder verschiedene Fassungen zusammengewürfelt?


    Bleibt die Frage: Gibt es eigentlich eine unbearbeitete, der Originalausgabe treu folgende Fassung.


    Der Turban hat bei mir noch die richtige Größe und der Burnus schimmert in "allen möglichen Fett- und Schmutznuancen". Auch der Vergleich mit der Herbariumpressung ist noch ein wenig anders.


    Schmunzeln musste ich insbesondere schon bei der Beschreibung von Halefs Bart. Ich freue mich zumindest noch auf das Buch, stelle ich mir doch immer wieder den plappernden Ralf Wolter als Halef vor. :breitgrins:

  • So, ich bin jetzt auch über den Schott und erinnere mich wieder, warum ich diese Bücher als Kind verschlungen habe: Es ging ums Abenteuer, einfach ums Erleben des Fremdartigen. Diese Salzwüste beschreibt er wirklich gut. Bin mal gespannt, was noch so kommt.


    Saltanah, ich lese die Ausgabe des Karl-May-Verlages, "nach der Fassung von 1962 neu herausgegeben von Lothar und Bernhard Schmid 2003".
    (Ich glaube allerdings, auch nach aller-allerneuester Rechtschreibung ist „trete ein!“ – so gesehen im 2. Kapitel – kein korrekter Imperativ :rollen:)

  • Ich habe im Vorfeld die Fühler ausgestreckt und die Hauptwerke in 33 Bänden (Züricher Ausgabe) von Parkland von 1992 erworben.
    Da steht schon im Klappentext, dass es sich um die ungekürzte ursprüngliche Fassung "nach den Ausgaben letzter Hand" (was auch immer das heißen mag) handelt.


    Ich möchte ja schließlich den ungetrübten Lesegenuss ohne modernisierten oder ideologisierten Inhalt. In der editorischen Notiz steht dann auch, dass nach Karl Mays Tod sein Werk durch viele "Bearbeitungen entstellt" wurde.


    Ich werd jetzt weiterlesen, zumindest das erste Kapitel will ich heut noch schaffen.

  • Ach, da möchte ich auch noch mitmachen. Ich habe schon sooo lange nicht mehr Karl May gelesen! Und wenn ihr jetzt ein größeres Leseprojekt daraus macht: bitte!


    Hab mir gerade die illustrierte Delphi Classics Ausgabe von 2013 fürs Ebook heruntergeladen. Da gibt's aber leider kein Impressum, das darüber Auskunft gibt, ob es eine unbearbeitete Ausgabe ist. Immerhin heißt der Band: Durch Wüste und Harem, was ja nicht der bearbeiteten Ausgabe entspricht.


    Zutritt gestattet?

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Ich gehe mal davon aus, dass ich noch mitmachen darf.
    Inzwischen bin ich im dritten Kapitel, in dem Kara Ben Nemsi mit Hadschi Halef Omar an den Nil gelangt ist.
    Das letzte Kapitel “Vor Gericht“ war sehr amüsant, der Wekil und die Rose von Kbilli, die Wekila,sind so typische humoristische Nebenpersonen, wie sie bei May immer wieder zur Freude seiner Leser vorkommen.
    Kara Ben Nemsi ist hier dagegen schon deutlich arroganter, als zu Beginn von “Winnetou 1“, wo er noch ein echtes Greenhorn ist. Da aber alles mit viel Humor und Menschenliebe verbunden ist, kann man das gut ertragen.

  • Jetzt noch zu @Saltanahs Frage unten: Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen Kara Ben Nemsi und Halef in die gleiche Richtung und folgen extra in einigem Abstand, um dem Mörder nicht zu begegnen.
    Zu @Loons: Der Ich-Erzähler ist sehr überheblich und allwissend in den meisten Reiseerzählungen Mays, aber wenn man das mit anderen Schriftstellern der Zeit (70er und 80er des vorvergangenen Jahrhunderts) vergleicht, (wie z.B. Dahn, Verne, Rider Haggard usw) fällt May doch deshalb positiv heraus, weil er, und das aus seiner Knast-Bibliothek heraus, sich doch meist um eine tolerante Schau auf die Besuchten bemüht und zwar den einzelnen Menschen mit seinen Marotten, aber nicht eine ethnische Gruppe oder deren Religion durch den Kakao zieht.
    So zeigen gerade die nordafrikanischen Bände einen großen Respekt vor dem Koran, der immer wieder in eindrucksvollen Zusammenhängen zitiert wird.
    Als Kind war ich natürlich besonders von der Pferde-Sure für Rihs Ohren fasziniert. :zwinker:

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()


  • Jetzt noch zu @Saltanahs Frage unten: Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen Kara Ben Nemsi und Halef in die gleiche Richtung und folgen extra in einigem Abstand, um dem Mörder nicht zu begegnen.


    Ach stimmt ja - sie wollten von Anfang an nach ... wo auch immer, und die Banditen gaben vor, in die andere Richtung reisen zu wollen, was unser Held natürlich durchschaute.



    Zu @Loons: Der Ich-Erzähler ist sehr überheblich und allwissend in den meisten Reiseerzählungen Mays, aber wenn man das mit anderen Schriftstellern der Zeit (70er und 80er des vorvergangenen Jahrhunderts) vergleicht, (wie z.B. Dahn, Verne, Rider Haggard usw) fällt May doch deshalb positiv heraus, weil er, und danndas aus seiner Knast-Bibliothek heraus, sich doch meist um eine tolerante Schau auf die Besuchten bemüht und zwar den einzelnen Menschen mit seinen Marotten, aber nicht eine ethnische Gruppe oder deren Religion durch den Kakao zieht.


    Das sehe ich auch so. Kara Ben Nemsi finde ich zwar entsetzlich in seiner arroganten Art, wie er z- B. Halef Omar belächelt, aber gleichzeitig merkt man ihm (und Karl May) an, wie sehr er ihn mag, was mich etwas mit ihm versöhnt. Mays Personendarstellung erinnert mich etwas an Dickens, der auch die Marotten seiner Figuren detailliert schildert, wo man aber doch ständig eine tiefe Zuneigung des Autors zu ihnen spürt.


    [hr]


    Übrigens hat es mich nach dem enttäuschenden Anfang doch noch gepackt! Seit dem Kairoer Aufenthalt und Karas Beschäftigung als Arzt bin ich "mitten drin". Als erstes faszinierte mich die Szene, in der er Halef dabei belauscht, wie der einen Besucher davon abhalten will, Kara in seiner Mittagsruhe zu stören.


    Dann die Szene, in der der Gatte die Symtome seiner erkrankten Frau schildert - stark! Da habe ich mit ihm und ihr mitgelitten. Kann es sein, dass May in der direkten Rede besonders gut ist? Die Action-Sequenzen hingegen langweilen mich weiterhin, aber für ein

    Zitat

    Eh Wallah, an die Ruder, an die Ruder, ihr Jünglinge, ihr Männer, ihr Helden, ihr Tiger, ihr Panther und Löwen! Der Tod liegt vor euch! Seht ihr es denn nicht? Macht, macht, bei Gott, macht, ihr Hunde, ihr Feiglinge, ihr Schurken und Katzen, arbeitet, arbeitet, ihr Tapferen, ihr Guten, ihr Helden, ihr Unvergleichlichen und Auserwählten!


    lasse ich auch sie über mich ergehen.
    Da gibt Karl May Vollgas, lässt den Mund des Kapitäns ohne weiteren Einfluss des Gehirns einen Wortschwall von sich geben, der in seiner Wortgewalt reine Poesie ist. Übrigens erinnerte mich diese Szene - ihr werdet lachen - an die letzte WM, bei der ich die letzten Spiele am Radio verfolgte, und mich in den (schwedischen) Radioreporter verliebte. Wie der besonders dramatische Szenen schilderte, war einfach genial. Auch er hätte die Spieler mit Tigern, Panthern und Löwen vergleichen können (hatte es aber eher mit Vögeln, u. a. Adlern und Kolibris), aber vor allem gab auch er einfach Vollgas und wusste bei Beginn eines Satzes nicht, wo und wie der enden würde, aber egal - irgendwo wird man schon landen, am besten mit dem Ball im Tor - bzw. wieder im ruhigen Fahrwasser nach erfolgreicher Überwindung der Stromschnellen.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Der Ich-Erzähler ist sehr überheblich und allwissend in den meisten Reiseerzählungen Mays, aber wenn man das mit anderen Schriftstellern der Zeit (70er und 80er des vorvergangenen Jahrhunderts) vergleicht, (wie z.B. Dahn, Verne, Rider Haggard usw) fällt May doch deshalb positiv heraus, weil er, und danndas aus seiner Knast-Bibliothek heraus, sich doch meist um eine tolerante Schau auf die Besuchten bemüht und zwar den einzelnen Menschen mit seinen Marotten, aber nicht eine ethnische Gruppe oder deren Religion durch den Kakao zieht.
    So zeigen gerade die nordafrikanischen Bände einen großen Respekt vor dem Koran, der immer wieder in eindrucksvollen Zusammenhängen zitiert wird.


    Finsbury, da stimme ich dir zu. Erst beim Weiterlesen wurde mir bewusst, dass es für die Zeit keineswegs selbstverständlich ist, dass ein christlicher Abendländer den Koran nicht nur gut genug kennt, um ihn zitieren zu können, sondern auch mit Achtung und jedenfalls ohne Herablassung Gebete und Gebetsrituale beschreibt. Vielleicht musste May im Gegenzug sein Christentum stärker als nötig betonen, um in den Augen seiner Leser nicht verdächtig zu erscheinen, als jemand, der zu sehr mit dem Fremden und Nicht-Christlichen liebäugelt?


    Saltanah, so weit bin ich noch nicht, aber was du schreibst, macht mir jedenfalls Lust aufs Weiterlesen!

  • Ich konnte heute auch endlich mal in Ruhe ein paar Seiten lesen (an Wochenenden komme ich praktisch nie zum Lesen :rollen: ) und habe mal das Vorwort meiner Ausgabe gelesen. Man erhält grundlegende Informationen über Karl May und die Beziehung zu seinem Werk. Für Leute, May schon kennen, nicht interessant, für mich schon. Das Vorwort macht auch schon darauf aufmerksam, dass die Charaktere teilweise stark schwarz-weiss gezeichnet sind und sich manche Dinge wiederholen :err:


    Zur allgemeinen Information: Ich werde hier wohl nur sehr langsam mitlesen, weil ich mir das Buch für den ganzen Monat November eingeteilt habe. Für dieses Buch bzw. überhaupt die Karl Mays möchte ich mir Zeit nehmen und sie aufmerksam lesen und nicht einfach durchpreschen. Mein Vater hat diese Bücher damals verschlungen und hoffe durch die Lektüre Mays u.a. auch etwas Zugang zu meinem Vater zu finden. Ich hoffe, ihr könnt das verstehen :smile:

    //Grösser ist doof//

  • So, endlich bin ich auch wieder bei euch :winken:


    Ich bin gerade mit den Beiden in Kairo - der erste Teil der Reise war interessant. Ich habe etwas Zeit benötigt, um rein zu kommen, hatte aber direkt wieder richtigen Spaß.
    Ich sehe dauernd Lex Barker vor meinem inneren Auge und muss so über mich selber grinsen, weil ich als Kind / Jugendliche beim ersten Lesen gar nicht bemerkt hatte, dass der Orient-Zyklus ja nichts mit Old Shatterhand zu tun hat und ich mich die ganze Zeit gefragt habe, wo er bleibt :breitgrins:



    So, ich bin jetzt auch über den Schott und erinnere mich wieder, warum ich diese Bücher als Kind verschlungen habe: Es ging ums Abenteuer, einfach ums Erleben des Fremdartigen. Diese Salzwüste beschreibt er wirklich gut. Bin mal gespannt, was noch so kommt.


    Super ausgedrückt - genau so gehts mir auch!


    Finsbury, da stimme ich dir zu. Erst beim Weiterlesen wurde mir bewusst, dass es für die Zeit keineswegs selbstverständlich ist, dass ein christlicher Abendländer den Koran nicht nur gut genug kennt, um ihn zitieren zu können, sondern auch mit Achtung und jedenfalls ohne Herablassung Gebete und Gebetsrituale beschreibt. Vielleicht musste May im Gegenzug sein Christentum stärker als nötig betonen, um in den Augen seiner Leser nicht verdächtig zu erscheinen, als jemand, der zu sehr mit dem Fremden und Nicht-Christlichen liebäugelt?


    Saltanah, so weit bin ich noch nicht, aber was du schreibst, macht mir jedenfalls Lust aufs Weiterlesen!


    Ich bin auch sehr beeindruckt von seinen Kenntnissen, besonders weil er in meiner Familie auch immer als "der hat ja im Gefängnis gesessen und war selber nie dort" fast "Gauner"-haft abgestempelt ist (durchaus aber positiv). Aber eben nicht als jemand, der sich auch mit der Kultur beschäftigt hat.
    Wie ihr schon beschrieben habt, ich empfinde es eher als eine Werbung für Toleranz und irgendwie kann ich Kara Ben Nemsie seine Arroganz häufig sehr gut verzeihen.


    Jetzt muss ich mich aber ranhalten, ihr habt wohl schon nen guten Vorsprung :zwinker:


    Hier sind es übrigens 23 Kapitel. Das Kairo-Abenteuer beginnt im vierten Kapitel. :smile:


  • Zur allgemeinen Information: Ich werde hier wohl nur sehr langsam mitlesen, weil ich mir das Buch für den ganzen Monat November eingeteilt habe. Für dieses Buch bzw. überhaupt die Karl Mays möchte ich mir Zeit nehmen und sie aufmerksam lesen und nicht einfach durchpreschen. Mein Vater hat diese Bücher damals verschlungen und hoffe durch die Lektüre Mays u.a. auch etwas Zugang zu meinem Vater zu finden. Ich hoffe, ihr könnt das verstehen :smile:


    Ich kann es sehr gut verstehen. Ich lese ja auch die alte Ausgabe meines Vaters und seines Bruders. Schön, dass auch du langsam liest, dann brauche ich nicht so zu hetzen und schließe mich dir an :winken: