Marcel Reich-Ranicki - Mein Leben

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    Lange Zeit hatte Marcel Reich-Ranicki die Niederschrift seiner Autobiografie vor sich hergeschoben. Dennoch wurde er von Freunden und Bekannten ermutigt und gedrängt, von Verlegern mit Geld gelockt. Sechs Jahre schrieb er an seinen Erinnerungen. Im Alter von 79 hatte er sie dann vorgelegt. 2003 sind die Erinnerungen des 1920 Geborenen im Taschenbuch erschienen.


    Das Buch ist in fünf Teile gegliedert, wobei der Schwerpunkt auf der Zeit vor 1958 liegt. Die ersten beiden Abschnitte zeigen die Entwicklung und die Leidenszeit des Schülers und jungen Mannes, die in höchstem Maße von den Ereignissen der Zeitgeschichte geprägt ist. Es sind dies die Kindheit in Polen, die Jugend im nationalsozialistischen Berlin und schließlich die eindringlich und zugleich in einem ruhigen Tonfall geschilderten Zustände im Warschauer Getto. Nach dem Neuanfang im kommunistischen Polen erfolgt dann die Zäsur: Ende der Fünfziger zieht es Reich-Ranicki in die Bundesrepublik.


    Dieses Datum markiert einen Einschnitt im Leben des Kritikers und zugleich in dessen Erzählen. Hat er bis dahin seine Persönlichkeitsbildung als humanistisch geprägter Schüler und junger Mann in der immer barbarischer werdenden äußeren Welt ausführlich dargestellt, so erzählt er die folgenden Jahrzehnte nur noch in Episoden. Zwar kommt manches -- z. B. seine Zeit bei der F.A.Z. -- etwas zu kurz, gleichwohl können andere Abschnitte dafür entschädigen: Die Begegnungen mit Mitgliedern der Familie Mann, sein Porträt Wolfgang Koeppens oder die jahrelange und letztlich doch gebrochene Freundschaft zu Joachim Fest werden unterhaltsam wie sensibel geschildert. Mein Leben ist ein Buch über das Gezeichnetsein durch die Schrecken des Dritten Reiches und über persönliche Enttäuschungen. Es ist aber auch ein Buch über glückliche Augenblicke, sowie über die Liebe, und zwar die zu seiner Frau und -- natürlich -- zur Literatur.


    Marcel Reich-Ranicki hat im Grunde alles erreicht, was ein Kritiker erstreben kann: Er wurde zum bedeutendsten und einflussreichsten Kritiker seiner Zeit. Nach wie vor ist er gefürchtet und respektiert -- doch kaum geliebt. Vor allem aber ist er eins geblieben: ein Außenseiter. Und man spürt über die 560 Seiten hinweg, wie sehr ihn das geschmerzt hat. So steht gegen Ende des Buches nicht zufällig ein Zitat des von ihm geschätzten Friedrich Schlegel, das Reich-Ranicki auf sich selbst bezieht: "Man findet mich interessant und geht mir aus dem Wege... Am liebsten besieht man mich aus der Ferne, wie eine gefährliche Rarität." --Alexander Simon



    Werke


    - Literarisches Leben in Deutschland 1965
    - Deutsche Literatur in Ost und West 1966
    - Literatur der kleinen Schritte. Deutsche Schriftsteller heute 1967
    - Die Ungeliebten. Sieben Emigranten 1968
    - Über Ruhestörer. Juden in der deutschen Literatur 1973
    - Nachprüfung, Aufsätze über deutsche Schriftsteller von gestern 1977
    - Entgegnung, Zur deutschen Literatur der siebziger Jahre 1981
    - Thomas Mann und die Seinen 1987
    - Lauter Verrisse 1993
    - Die Anwälte der Literatur 1994
    - Mein Leben 1999
    - Sieben Wegbereiter. Schriftsteller des 20. Jahrhunderts 2002
    - Meine Bilder. Porträts und Aufsätze 2003
    - Unser Grass 2003
    - Vom Tag gefordert. Reden in deutschen Angelegenheiten 2003
    - Meine Geschichten. Von Johann Wolfgang von Goethe bis heute. 2003



    Meine Meinung:


    Den Schwerpunkt hat Marcel Reich-Ranicki auf seine Schulzeit und auf das Dritte Reich gelegt. Und ich war sehr überrascht, dass er 1. sich absolut kritisch über das Judentum ausgesprochen hat, und 2. dass dieser tiefe Hass, den man oft in „jüdischen“ Biographien findet, überhaupt nicht vorhanden ist. (Dazu muss ich anmerken, wenn es mein Leben gewesen wäre, ich hätte und ich könnte nicht mit dieser „scheinbaren“ Leichtigkeit darüber schreiben.) Aus diesem Grund muss ich Reich-Ranicki hoch loben: Alle Achtung!


    Der zweite Teil handelt dann von der Zeit nach dem II. Weltkrieg, und hier wird eigentlich der ganze Literaturbetrieb beschrieben. Zahlreiche deutsche Schriftsteller werden vorgestellt. Es verwundert mich auch, dass Reich-Ranicki ohne Studium eine solche „Musterkarriere“ erreichen konnte. Aber das liegt wohl an seiner klaren und einfachen Sprache wie er Literatur dem Leser präsentiert; denn das war immer sein Anliegen: Nicht hochtrabende Worte, sondern Literatur verkaufen..


    Zur Karriereleiter. Schnell und steil ist er aufgestiegen, und war dennoch immer ein Fremder, schreibt er. Der Antisemitismus wäre immer noch in Deutschland verwurzelt, und er hat oft darunter gelitten. (Das ist für mich schwer verständlich. Aber wenn es so ist, finde ich es sehr traurig! Gerade in einem Land der Aufklärung und mit einer Hochkultur.) Aber es stellt sich mir auch eine andere Frage:


    Dieses sich „allein-fühlen“, muss es ausschließlich auf das Judentum bezogen werden? Oder könnte es sein, dass Marcel Reich-Ranicki rein menschlich ein sehr unangenehmer Zeitgenosse ist? Freundschaften halten nie sehr lange …


    Mir fehlt in seiner Biographie ein wenig das Private. Über sein Privatleben, Frau und Sohn wird so gut wie gar nichts gesagt. Leider.


    4ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Zugegebener Maßen kann ich ihn ja überhaupt nicht leiden. Auch seine bevormundende Art was das Bücherlesen angeht gefällt mir ganz und gar nicht. Allerdings seine Biographie ist wirklich interessant zu lesen -das
    muss man ihm lassen ;)

  • Besonders interessant an dieser Biographie finde ich auch, dass man allenthalben auf versteckte Zitate und Andeutungen stößt. Ich war richtig überrascht, wie viel ich schon gelesen und erkannt habe. Aber wahrscheinlich steckt noch viel viel mehr zwischen den Seiten.

  • Ich war von der Biographie regelrecht begeistert :breitgrins: Spannend, mein wichtigstes Kriterium, sonst langweile ich mich beim Lesen und sehr interessant. Besonders bewundernswert fand ich auch, wie Heidi schon erwähnt, daß er ohne Hass oder Bitterkeit über das dritte Reich geschrieben hat, obwohl er dazu ganz sicher allen Grund gehabt hätte.
    Was mich ziemlich berührt hat, daß er später immer noch als Außenseiter gesehen hat oder noch sieht.

    Zitat

    Oder könnte es sein, dass Marcel Reich-Ranicki rein menschlich ein sehr unangenehmer Zeitgenosse ist?


    Er denke eher, er spricht unbequeme Wahrheiten aus, auch wenn sie nur von seiner Warte aus wahr sind. Wer hört das schon gern? :zwinker: Ich zumindest finde ihn genau deswegen so symphatisch. :breitgrins: Auch wenn ich seine Meinung nicht immer teile. Viele Bücher habe ich nur gelesen, weil er sie entweder so enthusiatisch verrissen oder gelobt hat, das schafft außer ihm niemand, zumindest nicht bei mir. :zwinker:

    LG Gytha

    “Dieses Haus sei gesegniget”

  • Ja, mir hat die Art und Weise, wie Herr Reich-Ranicki erzählt, auch sehr gut gefallen. In einem Interview sagte er, er hätte mit größter Sorgfalt darauf geachtet keine Fremdwörter zu benutzen. Das ist ihm gelungen. Ich habe das Buch gerne gelesen.

    Gruß Charly

  • Seine Biografie habe ich ebenfalls gern gelesen. Der erste Teil ist ein wichtiges Dokument zur Zeit des Dritten Reiches und geht mit den persönlichen Schilderungen, den Ängsten und Sorgen wohl jedem Leser sehr nahe. Der zweite Teil fällt dagegen deutlich ab, wirklich interessante Geschichten findet man dort nicht - scheint mir von ihm unzählige Male Korrektur gelesen worden zu sein, um ja niemanden auf die Füße zu treten. Er zeigt dort auch wenig Selbstreflexion, eine solche Karriere wäre heute nicht vermutlich nicht mehr möglich, das wird aber nicht weiter hinterfragt.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Auch wenn dieser Thread schon nen bisschen zurück liegt schreib ich nochmal was dazu ;D


    Auch ich habe das Buch gelesen und sehr genossen. Es ist sehr Interessantes und aufschlussreiches , zumal er ja auch über das Private-, sowie das miteinander Leben zur Zeit des Warschauer Ghettos schreibt. Was von dir angesprochen angeblich fehle, die Privaten Aspekte, kann ich so nicht ganz nachvollziehen. Wie ich finde hat man einen wirklich guten Einblick in das Leben des MRRs bekommen, wobei er auch sehr detailliert intimere Geschichten berichtet (Beispiel die erste richtige Begegnung mit Tosia in ihrer Wohnung). Hinzufügend kam es mir beim Lesen so vor, als wäre ich mittendrin, sein Leben war sehr anschaulich dokumentiert, was sich eben auch in seiner Schreibweise wiederspiegelt; vor allem die schrecken der damaligen Zeit werden einem bildlich vor Augen geführt. Alles in allem ein unglaubliches Buch, was in keiner ordentlichen Buchsammlung fehlen darf ;)

  • Seit es dieses Buch in der Spiegeledition gab, hatte ich es immer wieder bei unseren unzähligen Streifzügen durch die Erfurter Buchläden in der Hand – legte es immer wieder zurück...
    Zu groß war mein Respekt vor diesem Menschen, hing ich doch beim Literarischen Quartett an seinen belesenen Lippen, auch hatte ich Bedenken, sein Schreibstil könnte schwierig sein...nun fand ich es äußerst preiswert im Zweitausendeins und schlug endlich zu ;)


    Sicher, er ist ein Mensch der polarisiert, als Kritiker ohnehin und als Mensch sowieso.


    Mit dem ersten Satz fiel ich kopfüber in das Buch ;) sein Stil, intelligent und anspruchsvoll niemals überheblich und immer interessant und nachvollziehbar.


    Überrascht hat mich, dass er außer dem Schulabschluss weder Studium noch eine Ausbildung hat, er ist ein wahrer Autodidakt.


    An Biographien hat mir bisher oft der „Teil der Jugend“ nicht gefallen, es ist schwierig kindliche Erlebnisse aus Sicht eines erfahrenen Erwachsenen darzustellen, oftmals wirkt dies dann aus meiner Sicht auf eine gewisse Art altklug - die gewählten Worte passen nicht zu den Empfindungen die sie vermitteln sollen.


    Reich-Ranicki lässt seine Jugend eigentlich fast komplett aus, er beschreibt die Schulzeit und sein beginnende Liebe zur Literatur...eigentlich ist das ganze Buch/sein ganzes Leben eine einzige Liebeserklärung an die deutsche Literatur.


    Bedenken hatte ich ebenfalls auch vor dem jüdischen Hintergrund, nicht schon wieder wollte ich eine Anklage lesen, es brauchte auch viele Lebensseiten bis er sein Leben im Warschauer Ghetto schilderte.


    So eine nüchterne Erzählung darüber habe ich noch nie gelesen, sachlich und glaubwürdig, niemals anklagend – aufzeigend und aufdeckend allerdings schon.


    Für mich wurde hier was bisher vollkommen unverständliches zumindest nachvollziehbar.... das man nach dem Krieg in Polen bleibt, ja sogar wieder zurück geht um dort zu bleiben – die Beweggründe sich hoffend und zuversichtlich auf ein neues System einzulassen aus Pflichtgefühl und Heimatverbundenheit – obwohl diese Synonyme viel zu platt und dürftig dafür sind solch menschliche Entscheidungen nachzuvollziehen.


    Wenig auch erfährt man über seine Liebe, seine Gefühle, ganz „nebenbei“ heiratet er seine Frau Tosia, auch um sie vor dem Abtransport aus dem Ghetto ins Vernichtungslager zu bewahren. Später heiratet er sie ein zweites Mal, weil die Papiere nicht anerkannt wurden und sein polnischer Pass ablief. Auch sein Sohn wurde nur beiläufig erwähnt.


    Respekt zollt er ihr, dass sie eine längere Beziehung zu einer andren Frau wissend akzeptierte; allerdings endet das Buch mit einer Liebeserklärung an sie, mit einem Zitat von Hofmannsthal:


    ist ein Traum, kann nicht sein
    dass wir zwei beieinander sein


    Ein lesenswertes Buch, bereichernd hinsichtlich der angeführten Literatur und auch der geschilderten Erfahrungen. Ein faszinierendes Leben mit Dichtern, Denkern, Autoren – lebendige, gelebte und geliebte Literatur.

  • Nachdem ich das Buch mal günstig bei 2001 mitgenommen hat ( :winken: @ Laoghaire), lag es lange auf meinem SUB. Um meinen Respekt vor dem Buch ein Schnippchen zu schlagen, hab ich es im Rahmen des SLW 2009 gelesen und es nicht bereut!


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    Marcel Reich-Ranicki - Mein Leben


    Geboren wurde Marcel Reich 1920 im polnischen Włocławek, wo er auch seine ersten Lebensjahre verbrachte. Nach dem Bankrott des Vaters siedelte die Familie nach Berlin um, wo Reich das Gymnasium besuchte und trotz der zunehmenden antisemitischen Repressalien der Nazis 1938 sein Abitur machen konnte. Sein Immatrikulationsantrag an der Berliner Universität wurde jedoch abgelehnt und Ende 1938 wurde Reich nach Polen ausgewiesen.


    In Warschau wurde er 1940 zur Umsiedlung ins Getto gezwungen, wo er seine spätere Frau Tosia kennen lernte. Aufgrund seiner Arbeit für den Ältestenrat, welcher das Getto regierte, wurde er von den ersten Deportationen verschont, doch als absehbar war, dass das gesamte Getto aufgelöst werden und alle Einwohner verschleppt werden sollten, wagte er mit seiner Frau die Flucht. Bis zum Einmarsch der Roten Armee in Polen versteckten sie sich bei einem arbeitslosen Schriftsetzer.


    Nach dem zweiten Weltkrieg arbeitete Reich für die polnische Geheimpolizei, später wurde er an die polnische Botschaft nach London entsandt. Wegen der negativen Assoziationen mit seinem Nachnamen Reich nannte er sich Marceli Ranicki. Ende 1949 wurde er aus London abberufen und wegen angeblicher ideologischer Entfremdungen diversen Repressalien ausgesetzt, u.a. der Ausschluss aus der kommunistischen Partei und zeitweiliger Einzelhaft. Er beschloss, sich nach seiner Entlassung seiner großen Liebe, der Literatur zu widmen und betätigte sich als Schriftsteller, was ihm jedoch durch ein mehrjähriges Publikationsverbot erschwert wurde. Wegen der widrigen Umstände entschloss sich Ranicki zur Aussiedlung in die BRD, wohin ihn seine Frau und ihr gemeinsamer Sohn aus einem London-Urlaub folgten.


    Aufgrund früherer Kontakte mit westdeutschen Schriftstellern, welche er bei ihren Besuchen in Warschau betreut hatte, konnte Reich-Ranicki rasch Fuß fassen und eine Stelle als Literaturkritiker bei der FAZ antreten. Sein lang gehegter Traum hatte sich endlich erfüllt. Später wechselte Reich-Ranicki von der FAZ zur Zeit und initiierte im ZDF die Sendung „Das literarische Quartett“, mit der er zum bekanntesten deutschen Literaturkritiker wurde.


    Vor der Lektüre dieses Buches hatte ich meine Bedenken ob der Schwierigkeit des Textes, die sich zum Glück nicht bestätigt haben. Reich-Ranicki schreibt gut verständlich und anschaulich. Schon seit seiner Kindheit und Jugend in Berlin fühlt er sich den deutschen Schriftstellern verbunden. Dies wird schon allein daran deutlich, wie er seine ersten Begegnungen mit den Texten von May, Kästner und Hauptmann schilderte, wobei er zugegebenermaßen mit May wenig anfangen konnte.


    Obwohl sich Reich-Ranicki um eine chronologische Schilderung bemüht, wird diese oft von Vorausblicken unterbrochen, in denen er meist spätere Begegnungen mit seinen jugendlichen Idolen beschreibt. Manchmal erfährt die frühere Begeisterung neuen Auftrieb, doch manchmal folgt auch eine Ernüchterung. Auf jeden Fall bietet Reich-Ranicki so interessante Einblicke in die Welt der Schriftsteller und ihre Wesenszüge ebenso wie in das Reich des Feuilletons, in dem er später tätig wird.


    Als einzige Phase, in der die Literatur zurücktritt, fällt die Zeit im Warschauer Getto und die Jahre der Besatzung Polens durch die Nazis auf. Obwohl seine Begeisterung für deutsche Schriftsteller, insbesondere die alten und modernen Klassiker, keinen Abbruch erfährt, steht die Sorge um sein eigenes Überleben und das seiner Frau höher als sein Hunger nach Literatur und seiner zweiten Leidenschaft, dem Theater. Durch seine Tätigkeit im Ältestenrat kann Reich-Ranicki wertvolle Einblicke in die Verwaltung des Gettos geben und auch in die Geschehnisse während der Vorbereitung der Auflösung des Gettos.


    Insgesamt gesehen waren meine Befürchtung angesichts dieses Buches unzutreffend, denn Reich-Ranicki hat eine meist spannende Biografie vorgelegt, in der er auch seiner Begeisterung für Literatur eine Stimme gibt. Insbesondere Bücherwürmer werden von der Lektüre zahlreiche Lesetipps mitnehmen können.
    4ratten

  • Ich habe den Film dazu gesehen und war ganz angetan. eigentlich wollte ich danach gleich mit dem Buch anfangen, welches schon etwas länger subt, aber ich konnte mich noch nicht dazu überwinden.

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

    2116 /25.525 Seiten


  • Meine Ausgabe von "Mein Leben" liegt schon mindestens seit 2007 auf meinem SUB, es war also höchste Zeit, es endlich zu lesen. Und nach den ersten paar Seiten war ich schon völlig gebannt.


    MRR fängt ganz normal mit seiner Lebensgeschichte an, schweift aber immer wieder ab und spricht über die Dinge, die ihm schon als Jugendlichem am wichtigsten waren: Literatur und Theater. Dadurch rückt er sich selbst aus dem Mittelpunkt, aber es geht immer noch um Menschen und Werke, die bedeutsam für ihn waren, deshalb bleibt der Bezug gewahrt. Dabei zitiert er auch Erich Kästner, den ich ebenfalls schätze, obwohl ich erst zwei Bücher von ihm kenne. Die Art, wie er von ihm spricht, brachte mich dazu, direkt eine Kästner-Werkausgabe zu bestellen, die schon länger auf meiner Wunschliste steht. So macht man Menschen Lust aufs Lesen!


    Mit dem Schauspiel verhält es sich ähnlich. MRR berichtet mit Leidenschaft von vielen Aufführungen und Schauspielern, die er auf der Bühne sah. Für jemanden, der sich für das Theater nicht interessiert, könnten diese Passagen ermüdend sein, aber ich mag es. Entsprechend spannend liest es sich.


    Zwischendurch erfährt man immer wieder von wichtigen Momenten und Lebensabschnitten, ab und zu kommt auch der Kritiker durch.


  • Dabei zitiert er auch Erich Kästner, den ich ebenfalls schätze, obwohl ich erst zwei Bücher von ihm kenne. Die Art, wie er von ihm spricht, brachte mich dazu, direkt eine Kästner-Werkausgabe zu bestellen, die schon länger auf meiner Wunschliste steht. So macht man Menschen Lust aufs Lesen!


    Dann mal nix wie ran. Kästner ist toll.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine
    Ja, ich freue mich schon auf die Bücher. Eigentlich hatte ich gehofft, sie kämen heute schon an. Leider Fehlanzeige.


    Es war übrigens das Eisenbahngleichnis, aus dem Reich-Ranicki nur die ersten und letzten zwei Zeilen zitierten. Das Gedicht habe ich dann gleich gesucht, weil es mir nicht bekannt ist. Es hat mich davon überzeugt, dass es höchste Zeit für ein paar Kästner-Bücher in meinem Regal ist.

  • Das war mir jetzt spontan auch nicht bekannt, aber ein Kästner-Gedichtband (oder noch besser eine Gesamtausgabe) sind definitiv eine gute Investition. Mich erstaunt da immer wieder, wie hellsichtig er in bezug auf die Nazis und den Krieg war. Bei einigen Gedichten hatte ich richtig Gänsehaut, als ich mir das Entstehungsdatum angeschaut habe.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich lese weiter. Der musische Teil ist abgeschlossen, ähnlich wie MRRs Kindheit und Jugend. Als junger Mann wird er mit vielen anderen im Warschauer Getto eingesperrt, und damit beginnt für ihn eine harte Zeit. So hingebungsvoll, wie er von Literatur und Theater berichtet, so nüchtern schildert er die nun Zustände im Getto, fast als wäre er ein unbeteiligter Außenstehender. Unvorstellbar, was dort alles geschieht. Selbst als seine Eltern deportiert werden, bleibt er fast emotionslos, aber auf gewisse Weise geht mir gerade das zu Herzen, weil ich das Gefühl habe, dass er keine alten Wunden aufreißen will. Als Übersetzer für Deutsch/Polnisch ist er ein wertvoller Mitarbeiter für den Judenrat und die deutschen Besatzer, von daher droht ihm lange keine Gefahr. Aber als das Getto geräumt werden soll, muss auch er versuchen, zu flüchten, um am Leben zu bleiben.

  • Ich bin inzwischen fertig mit der Biografie. Dass ich während des Lesens nicht weiter kommentiert habe, liegt vor allem daran, dass dieses Packende, das Reich-Ranickis Erzählung bis zum Ende des 2. Weltkrieges geprägt hat, verloren ging. Natürlich kehrte nach Kriegsende einigermaßen Ruhe ins Geschehen ein, doch obwohl sein Leben bei der Suche nach seinem Platz in der Literaturwelt zunächst immer noch ein Auf und Ab war, fehlt es erzählerisch an Intensität. Wirklich leidenschaftlich war es, als er von den Theaterbesuchen in seiner Jugend oder den ersten Annäherungen an die deutsche Literatur berichtet. Seine Zeit im Getto war aufregend und schockierend, und genau so schildert er sie, wenn auch bei manchen Gelegenheiten zu sachlich.


    In der Zeit nach dem Krieg arbeitet er in verschiedenen Ländern, bis es ihn schließlich wieder nach Deutschland zieht, wo er zunächst bei der Zeit und später bei der FAZ als Kritiker einen Namen macht. Wie vorher schon spricht er von wesentlichen Ereignissen, die sein Privatleben betreffen, nur knapp und nüchtern. Die persönlichen Begegnungen mit Schriftstellern oder seine Eindrücke von bestimmten Werken werden dafür sehr ausführlich wiedergegeben. Reich-Ranickis Biografie ist immer wieder auch die Geschichte von Autoren, die ihn positiv oder negativ beeinflusst und über Jahrzehnte hinweg begleitet haben. Von seiner Streitlust ist dabei wenig zu spüren. Ab und zu blitzt der MRR auf, den man aus den Medien kennt, aber es ist deutlich eine Zurückhaltung zu spüren, die ihn von einer weniger bekannten Seite zeigt.


    Ich wünschte, er hätte ein bisschen mehr von sich erzählt, von dem Menschen, der hinter dem Kritiker steht. Neben seiner Lebensgeschichte hat er aber viel von seiner Liebe zur Literatur vermittelt und Lust darauf gemacht, deutsche Schriftsteller zu entdecken, und ich glaube, das ist es, woran ihm am meisten lag.


    4ratten

  • Interessant, dass hier so einige Leser das Buch mochte, obwohl sie den Mann nicht mochten.



    Mir ging es ähnlich, ich habe das Buch vor ein paar Jahren gelesen und fand es ganz anders als meinen Eindruck von M.RR aus dem Fernsehen.
    Man könnte fast schon an einen Ghostwriter glauben...


    Außerdem ging mir seine Stimme leider tierisch auf die Nerven, so dass ich vielleicht den geschriebenen Text auch anders bewertet habe.
    Ja, ich weiß, dass das kleinlich ist... :rollen:



    LG von
    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.


  • Interessant, dass hier so einige Leser das Buch mochte, obwohl sie den Mann nicht mochten.


    Vielleicht ist das bei mir so rübergekommen, aber tatsächlich mochte ich Reich-Ranicki. Er hat seine ehrliche Meinung kundgetan, selbst wenn es sich um Autoren handelt, die er eigentlich schätzte. Er hat sich nicht verbogen, um anderen zu gefallen. "Ich nehme diesen Preis nicht an." :breitgrins:

  • Ich mochte ihn auch :winken: Auf mich hat er, was das Lesen angeht, immer einen sehr leidenschaftlichen Eindruck gemacht. In seinem Buch schrieb er ja auch viel über andere Dinge, von daher hatte ich kein Problem ihn damit auch in Verbindung zu bringen, im Gegenteil...

    LG Gytha

    “Dieses Haus sei gesegniget”