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Klappentext:
Ich heiße Mary Katherine Blackwood. Ich bin achtzehn Jahre alt, und ich lebe zusammen mit meiner Schwester Constance. Ich habe oft gedacht, dass ich mit ein bisschen Glück als Werwolf auf die Welt gekommen wäre, weil Mittel- und Ringfinger an beiden Händen gleich lang sind, aber ich muss mich mit dem zufriedengeben, was ich nun einmal bin. Ich wasche mich nicht gern und mag weder Hunde noch Lärm. Ich mag meine Schwester Constance, Richard Plantagenet und Amanita phalloides, den grünen Knollenblätterpilz. Sonst lebt niemand mehr von meiner Familie.
Meine Meinung:
Selten habe ich ein Buch gelesen, das so viel Wucht hat wie dieses. Das so beklemmend, ausweglos und verführerisch ist wie dieses.
Shirley Jackson ist eine ausgezeichnete Autorin. In den USA gehört sie zum Kanon, in Deutschland ist sie weitgehend unbekannt. Sicher - im Bereich des Unheimlichen, des psychologischen Horrors ist sie durchaus ein Name, doch ihre Texte sind mehr als bloße Schauergeschichten, Gruselsezenarien und Gothic Novels. Shirley Jacksons Texte sind literarisch.
"Wir haben schon immer im Schloss gelebt" ist nur hundertsiebzig Seiten lang, ein unauffälliges kleines Bändchen. Der Klappentext verspricht die Geschichte zweier Mädchen, Geschwister, die nach einem verheerenden Unglück als einzige Überlebende der Familie in einem Schloß weiterleben. Vom Dorf werden sie geächtet, und keine der beiden bemüht sich, diesen Umstand zu ändern.
Dies also ist die Geschichte, die auf der Oberfläche erzählt wird. Mit großer Spannung und einer blutvollen Sprache. Doch es ist eben nur die Geschichte auf der Oberfläche. Bereits nach einer Seite merken wir, daß hier noch eine zweite, eine ganz andere Geschichte erzählt wird: Wir befinden uns womöglich mitten in einem psychotischen Hirn. Langsam spüren wir: Nichts ist so, wie wir es lesen.
Dies ist ein Schauerroman und es ist keiner. Die Geschichte ist zugleich real lesbar und als Bild. Natürlich gibt es dieses Schloss, aber nur auf der Oberfläche der Geschichte. Tauchen wir ein wenig tiefer in unser eigenartiges Gefühl beim Lesen, tauchen UNTER die Oberfläche, wird dieses Schloss zum Hirn eines Menschen, der dieses Buch erdenkt. Es gibt nur diese eine Hirn, und in diesem leben die beiden Schwestern. Alles geschieht jetzt. In der Gegenwart, in einer einzigen Person. Wir sind Zeuge, wie ein Hirn zugrunde geht. Es ist eine verstörende, eine tief berührende und zugleich verführerische Geschichte des Wahnsinns.
Das Starke an diesem Buch ist sein Humor. Ja, es ist düster, doch zugleich humorvoll, kein schwarzer Humor, sondern echte Leichtigkeit. Wie in ihrem bekanntesten Roman "Spuk in Hill House" vermag es Shirley Jackson auch in diesem Buch, durch die Leichtigkeit jenen Kontrast herzustellen, der das Kranke, Schwere und Psychotische erst unentrinnbar macht.
Fazit:
"Wir haben schon immer im Schloss gelebt" ist ein erstklassiges Buch. Geschrieben in einer ungewöhnlich fantasievollen und dabei doch knappen Sprache, mit einer Soghaftigkeit, die ihresgleichen sucht.
Lest es nicht, wenn ihr gerade labil und angreifbar seid - es wird euch mit Leichtigkeit in jene Zwischenbereiche ziehen, die riskant und von verstörender Verführungskraft sind. Lest es, wenn ihr stark seid. Und genießt seine dunkle Schönheit!