Sam Millar - True Crime

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    Rezension "True Crime" von Sam Millar


    True Crime ist am 20.01.15 im Atrium Verlag erschienen und wurde von Sam Millar verfasst. Der Thriller/Krimi handelt von wahren Begebenheiten.


    Inhalt:


    Sam Millar hat einen außergewöhnlichen, preisgekrönten Thriller geschrieben, in dem nichts erfunden ist. Schonungslos offen erzählt Millar von einer Jugend auf den Straßen von Belfast, die früh ins Gefängnis führt; vom jahrelangen Kampf um die eigene Würde und von einem Verbrechen, mit dem er Geschichte schrieb.


    Das Cover:


    Das Cover gefällt mir total gut. Es hat irgendwie was dramatisches an sich. Und da der Mann auf dem Bild dem Betrachter den Rücken zuwendet, würde ich es auf Sam Millar interpretieren, der ja im Nachhinein gelernt hat, dass Verbrechen nur auf fiktion beruhen sollte.


    Meine Meinung:


    Das Buch ist in viele Kapitel unterteilt. Bei jedem Kapitelanfang sind mindestens zwei Zitate, die meist auch gut zum Buch passen, wie z.B ein schönes Zitat, welches viel Bedeutung hat.


    "Kein Mann, der im Unrecht ist, kann gegen einen Mann bestehen, der im Recht ist und nicht aufgibt."
    - Texas Ranger Captain Bill McDonald


    Dieses Zitat passt wie die Faust aufs Auge zu Sam Millar. Auch er saß unschuldig (vor dem Diebstahl bei Brinks) im Gefängnis und hat immer gekämpft, auch wenn er dadurch mehr gedemütigt wurde..


    Der Schreibstil von ihm ist richtig genial. Das Buch lässt sich flüssig lesen.
    Am Anfang fand ich es ein bisschen komisch, dass man ein Buch von einem Verbrecher liest, ist ja eigentlich auch nicht normal. Aber Sam Millar erzählt so intensiv von seiner Zeit im Gefängnis und wie er zu so einem Mensch geworden ist, wie er heute ist beziehungsweise war. Er (über)lebte eine lange Gefängniszeit mit Hungestreiken und mit einem verriegeltem Fenster und ohne Toilette in Einzelhaft. Dann begang er auch noch einen Überfall auf das Brinks Unternehmen. Er führte offenbar auch ein Doppelleben, weil er eine Frau und drei Kinder hatte, die aber im Buch nicht viel erwähnt wurden. Gedemütigt wurde er von den britischen Wärtern und hat auch einen Überfall auf ein Casiono überlebt.
    Man versteht immer mehr seine Handlungen.


    Das Buch erinnert sehr an eine Autobiografie, mehr das, als an einen Thriller/Krimi. Jedoch ist die Spannung vorhanden und er schildert die Szenen echt gut und detailliert.


    Als Fazit muss ich sagen, dass ich es echt beeindruckend fand, ein
    Buch zu lesen, in dem alles wahr ist und dazu auch noch spannend und
    thrillerartig. Man lernt auch viel über die Proteste von der IRA gegen
    die Briten, sodass ich dem Buch volle Punktzahl geben muss.





    Noch eine Textstelle aus dem Buch, die zeigt, wie Millar über die Briten und die Katholiken dachte. Nicht dass er sie diskriminiert hat oder geärgert oder sonstiges, er musste nur so viel Hass von denen erleben.


    "Es erfüllte uns mit Unbehagen, dass die britische Regierung und die katholische Kirche nicht nur aus demselben Gesangbuch sangen, sondern auch in dieselbe Hose machten."



    Sehr zu empfehlen dieses Buch, vorallem ist es wahr!!
    5ratten

  • Hier auch meine Rezension dazu, ich empfehle es ebenfalls!


    Hart, härter - Millar!


    Man kennt Sam Millar als Autor der harten, stellenweise aber auch humorvollen Serie um den Belfaster Privatdetektiv Karl Kane - einen oft glücklosen Ermittler mit Dauerproblemen, die trotz aller Härte und Schonungslosigkeit durch Stil und Charme besticht.


    Hier geht es noch um einiges mehr zur Sache, denn der Autor beschreibt sein eigenes Leben, von dem er etliche schicksalhafte Jahre im Gefängnis verbrachte - als politischer Häftling im berüchtigten nordirischen Hochsicherheitsgefängnis Long Kesh, offiziell: Her Majesty's Prison Maze. Und das ist noch weniger etwas für zarte Gemüter als die Karl-Kane-Reihe: man kann es beim Lesen kaum fassen, dass es eine solche Stätte im westlichen Europa lange nach dem 2. Weltkrieg gegeben hat: Millars Lebensbeichte erstreckt sich über die 1970er bis in die 1990er, in irischen Gefängnissen war er ab 1973, in Long Kesh ab 1976. Es ist unvorstellbar, was ein so junger Mann - Millars politische Radikalisierung begann sehr früh - alles durchmachen musste.


    Auch andere Lebensphasen werden thematisiert: nach seiner Entlassung gründete Millar eine Familie, wanderte nach New York aus und erfüllte sich dort nach einem eher holprigen Start den Traum vom eigenen Comic-Laden. Der Start in ein ruhiges, geregeltes Leben? Nun ja, für ein paar Jahre, denn dann gab es einen Überfall auf das Welttransportunternehmen Brink's und was Millar damit zu tun hatte - das erfärt der interessierte Leser in diesem Buch.


    Doch alles weitere lässt nicht den eindringlichsten, aufrührendsten Teil vergessen: die langen Jahre im Gefängnis, über die ein französischer Journalist nach einem Interview mit Millar schrieb. "Long Kesh fügt sich nahtlos zwischen die Schrecken der Konzentrationslager der Nazis und die der Gulags ein." (S. 407)


    Sam Millars Bericht eines Rebellenlebens - seines eigenen. Klar, kompromiss- und schonungslos: gegen andere und gegen sich selbst. Hart, härter - Millar!
    5ratten

  • Die Huffington Post schrieb: Millar ist eine Naturgewalt. Und so liest sich das Buch auch.


    Als Sam Millar in der Strafanstalt Long Kesh war, hätte er laut einem Vorwort von James Thompson nur drei Wörter sagen brauchen: "Ich gebe auf." Doch er sagte diese Wörter nicht. Hätte er es getan, wäre seine Lebensgeschichte wohl eine andere geworden.


    Weiter schreibt Thompson:


    Zitat

    Wenn man "True Crime" liest, empfindet man Scham. Man empfindet Scham, weil wir fast alle tief in unserem Herzen wissen, wir hätten schon nach wenigen Stunden aufgegeben, uns hätte die innere Stärke und der Mut gefehlt, über Jahre hinweg an unseren Überzeugungen festzuhalten und dafür auf unerträgliche Weise körperlich und seelisch gepeinigt zu werden. Man empfindet Scham, weil wir zu einer Spezies gehören, die ihresgleichen so barbarisch behandelt. Dennoch entlässt uns "True Crime" mit Hoffnung, denn keine der Grausamkeiten, die man Sam Millar zufügte, konnte seinen Geist brechen. Trotz allem, was er durchgemacht hat, ist und bleibt er eine mächtige Stimme.


    Sam kam in Belfast zur Welt und lebte in der geschichtsträchtigen Lancaster Street. In dieser Straße hat es schon immer Aufstände gegeben. Die Mutter (ein Arbeitstier) und der Vater (bei der Handelsmarine) stritten sich oft in den Nächten, bevor er wieder zur See fuhr: wegen ihrer Einsamkeit und seines Freiheitswillens. Sie verfiel dann dem Alkohol und als sich ihr Geisteszustand verschlechterte, beschloss sie, "im Schatten der Toten zu leben, um die Schuld der Lebenden zu begleichen".


    Am 30. Januar 1972 nahm Sams Bruder Danny ihn in seinem Auto mit. Nach Derry sollte es gehen, um sich dem Marsch für Bürgerrechte anzuschließen. Sie ahnten nicht, was für ein Albtraum sie erwartete. Britische Milizen schossen auf die unbewaffneten Demonstranten, Tränengas wurde eingesetzt. Dreizehn Menschen starben.


    Von der britischen Justiz wurden sie noch verhöhnt. Richter Widgery sprach die Milizionäre frei und gab den Protestierenden die Schuld. Erst vierzig Jahre später musste die britische Regierung eingestehen, dass die Ermordeten ausnahmslos unschuldig waren.


    Das Buch ist unterteilt in viele kurze Kapitel. Und jedem Kapitel stehen zwei bis drei Zitate vor, die meist wie die Faust aufs Auge passen. Diese Zitate hat Sam Millar persönlich ausgewählt.


    Sam arbeitete nach der Schule als Holzarbeiter, im Schlachthof und als Barkeeper. Bisher hatte Sam sich nicht sonderlich für Politik interessiert. Das änderte sich mit den Erlebnissen in Derry. Da liebäugelte er mit einem militanten Republikanismus. Den letzten Schubs erhielt er, als er im Fernsehen hörte, dass sein alter Schulfreund Jim Kerr an seinem Arbeitsplatz erschossen wurde. Zu dem Verbrechen bekannten sich die sogenannten Red Hand Commandos. Sie betonten, dass alle Katholiken Freiwild wären.


    Kurze Zeit später wurde Sam verhaftet, weil er der Irisch-Republikanischen Armee angehören sollte. Er war siebzehn und sah an diesem Tag seinen ersten leibhaftigen Engländer, der "mit einer ganzen Schwadron bis an die Zähne bewaffneter Kameraden in Uniformen der britischen Armee als Verstärkung" über ihn herfiel.


    Man verschleppte ihn in das berüchtigte Verhörzentrum Castlereagh, wo ein berüchtigter Bulle, Bill Mooney, die Vernehmer aufpeitschte. "Der liebenswürdige Mooney wurde aufgrund seiner guten Umgangsformen und seines anständigen Charakters später in den Rang eines Detective Chief Superintendent befördert". - Sam verlegte man nach drei Tagen mit jeder Menge Blutergüssen und Schnittwunden am Körper in die Haftanstalt Crumlin Road.


    Am 15. Oktober 1973 zerstörte Richter Robert Lowry Sams unschuldige Jugend, indem er ihn als "gefährlichen Terroristen" zu drei Jahren Gefängnis verurteilte. Er hätte ihm gerne acht Jahre gegeben, musste aber sein jugendliches Alter von siebzehn Jahren berücksichtigen. Er kam ins Gefängnis Long Kesh.


    So richtig bewusst geworden sind mir die irischen Unruhen erst in dem Film Vertrauter Feind mit Brad Pitt und Harrison Ford. Kein Wunder, als Sam verurteilt wurde, ging ich in die dritte Klasse.


    Ich hatte für dieses Buch an einer Leserunde mit dem Autor teilgenommen und ihn gefragt, ob er sich mal Gedanken darüber gemacht hat, was er ohne diese Erlebnisse für ein Mensch geworden wäre. Seine Antwort zitiere ich mal:

    Zitat

    "Manchmal sitze ich da und denke, was wohl passiert wäre, wenn die britischen Invasoren meinen Vater und meine Brüder statt mir festgenommen hätten. Die Wahrheit ist, dass sie mich evtl. trotzdem festgenommen hätten, da ich gegen die Briten gekämpft hätte, die uns in unserem eigenen Land wie Hunde behandelt und uns nur wenig Rechte zugestanden haben.


    Um ganz ehrlich zu sein, wäre ich nicht illegalerweise ins Gefängnis gesteckt worden, hätte ich keine Bildung erhalten und würde heute kein Schriftsteller sein. Ich muss mich also bei den Briten dafür bedanken, dass sie mich ins Gefängnis gesteckt haben!"


    Quelle: Whatchareadin.de


    Dieser Nordirland-Konflikt ist nicht nur Geschichte, nein, das Thema ist bis heute nicht abgeschlossen und es scheint auch kein Ende in Sicht zu sein. Hier mal ein Artikel des Tagesspiegels vom 28. Januar 2015.


    Wie Sam Millar die Haftzeit überstanden hat und nach Amerika kam? Das lies selbst. Vor allem sein Leben in Amerika ist noch mal eine ganz andere unfassbare Geschichte. Und damit lege ich dieses Buch jedem ans Herz.


    5ratten 

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

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