Olivier Truc - 40 Tage Nacht

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    Hier ist schonmal meine Rezension zu diesem interessanten Krimi. Ganz herzlichen Dank, dass ich mitlesen durfte - es hat viel Spaß gemacht und sich wirklich gelohnt!


    Eintauchen in die fremde Welt der Samen


    mitten in Lappland - das kann man mithilfe der Lektüre dieses ungewöhnlichen, in Lappland spielenden Krimis. Der Autor, der französische Journalist und Skandinavien-Kenner Olivier Truc hat gut recherchiert - tief hinein in die samische Kultur verschlägt es den Leser, bringt doch schon der Prolog die unheimliche Stigmatisierung vergangener Zeiten ans Licht.


    Ein Züchter ist ermordet worden und die Hinweise sind sowohl merkwürdig als auch schwer fassbar. Zudem gibt es einen weiteren Fall, bei dem es um den Diebstahl einer antiken Trommel geht. Klemet und Nina von der örtlichen Polizei, gerne abfällig auch "Rentierpolizei" genannt, müssen ermitteln, wobei ihnen Klemets samische Wurzeln sowohl Hilfe als auch Hindernis sind. Ein Hindernis sind auch übergeordnete Instanzen, die meinen, alles besser zu wissen. Aber können Klemet und Nina die Fälle wirklich eigenmächtig lösen - vieles scheint auf lange zurückliegende historische Ereignisse hinzudeuten, die sich vor langer Zeit zugetragen haben: eine geologische Expedition in den 1930er Jahren unter Beteiligung diverser Nationen wie Franzosen und Deutsche. Könnte dies in Anbetracht der damaligen politischen Lage für Zündstoff gesorgt und den Grundstein für eines der Verbrechen der Gegenwart gelegt haben?


    Die Zusammenhänge sind ebenso weitläufig wie verwirrend und führen Protagonisten und Leser bis nach Paris, wo Nina einen der Teilnehmer der lange zurückliegenden Exkursion befragt. Zudem taucht in Kautokeino, dem eigentlichen Ort der Handlung, ein französischer Geologe auf, der seine Finger weder von Mineralien noch von jungen Mädchen lassen kann und ausgesprochen aufdringlich auftritt - ein Widerling reinsten Wassers also. Des weiteren begegnen wir der willensstarken und trinkfesten Geologin Eva, diversen Lokalgrößen wie dem Politiker Olsen und dem Polizisten und Möchte-Gern-Chef Brattsen und nicht zuletzt diversen Samen, allen voran dem eindrucksvollen Aslak. Ein wilder - zuweilen auch langatmiger Reigen beginnt: wer ist Sieger, wer Verlierer? Ist der Schuldige an vollkommen unerwarteter Stelle zu suchen?


    Olivier Truc schreibt durchaus eloquent und originell, auch wenn es den Leser nicht einerseits vor Längen, andererseits vor dem ein oder anderen nicht aufgelösten Erzählstrang bewahrt. Zudem ist er zwar ein Meister im Entwickeln origineller Figuren mit Pfiff, denen ab und an aber mal das entscheidende I-Tüpfelchen bzw. die einflussreiche Rolle, die sie innerhalb der Handlung verdient hätten, fehlt. Seltsamerweise fällt dies besonders deutlich bei den weiblichen Charakteren ins Auge.
    4ratten


    [size=7pt]abgetrennt und amazon-Verlinkung ergänzt, Dani[/size]

    Einmal editiert, zuletzt von Dani79 ()

  • Hier ist meine Rezi. Es war eine gute Leserunde, vielen Dank. :)


    Joiken, trommeln, rauben und morden: Lappland damals und heute


    Zum Inhalt:


    Nordnorwegen: Nachdem für 40 Tage keine Sonne da war, ist es jetzt wieder so weit. Die Menschen fiebern dem ersten Sonnenaufgang nach dieser langen Phase der Dunkelheit entgegen.


    In der Nacht zuvor wird eine wertvolle Trommel aus dem örtlichen Museum in Kautokeino gestohlen.
    Da dies die erste traditionelle Samen-Trommel ist die nach langer Abwesenheit dauerhaft nach Lappland zurückgekommen war, gibt es unter der indigenen Bevölkerung große Aufregung.


    Nicht lange danach wird ein Rentierhüter ermordet aufgefunden. Der örtliche Sheriff bindet die Rentierpolizei, bestehend aus Klemet und Nina, in die Ermittlungen ein.


    Was werden sie herausfinden? Sind die Fälle miteinander verbunden?


    Meine Meinung:


    Mit 40 Tage Nacht (Original: Le dernier Lapon) ist Olivier Truc ein atmosphärisch dichter Thriller gelungen, der allerdings ein paar Schwächen hat. Die Charaktere bleiben ziemlich farblos, allein über Klemet erfährt man ein bisschen was, aber immer nur häppchenweise.
    Seine Kollegin Nina ist hingegen mehr oder weniger eine Quotenfrau (ähnlich liegt es bei Klemet, der der einzige Same bei der örtlichen Polizei ist). Es werden ein paar Andeutungen zu Ninas Vergangenheit gemacht, der Autor bleibt uns aber die Auflösung schuldig.
    Zugegeben, der Hauptaugenmerk des Buches liegt nicht auf speziellen Charakteren sondern auf der Geschichte Lapplands, auf der Ausbeutung und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung durch Christen, Schweden, Norweger und alle, die sich an den Bodenschätzen der Region bereichern woll(t)en. Dieses reicht Jahrhunderte zurück, ist aber immer noch ein Thema. Der verdeckte und teilweise offene Rassismus wird sehr deutlich -- auch die Hilflosigkeit der Samen dem entgegenzuwirken. Wir bekommen einen Einblick in das Leben und die Traditionen der Samen, wobei die gestohlene Trommel eine zentrale Rolle spielt.
    Trotzdem hätte ich es schön gefunden, wenn zumindest die Hauptpersonen etwas Charaktertiefe bekommen hätten.


    Stattdessen werden die verschiedenen Gesteinsarten endlos lange und ausführlich beschrieben, sowie die Art, wie ein Geologe diese Gesteine untersucht. Weniger wäre hier mehr gewesen, diese ganzen Passagen habe ich nur quer gelesen. Es wird nicht wirklich erklärt warum der Geologe vor Ort ist, und der Aufhänger der ihn dann letztendlich auf Schatzsuche gehen lässt, ist meines Erachtens recht dürftig.


    Davon abgesehen ist es aber ein sehr spannendes Buch, und es gelingt dem Autor, den Spannungsbogen bis zum Ende aufrecht zu erhalten.


    Die Sprache ist schlicht gehalten, was der Winterlandschaft und Atmosphäre entspricht; allein das Farbenspiel des Sonnenaufgangs und der Polarlichter werden poetisch beschrieben, der Rest sehr unaufgeregt und ruhig, was der Spannung aber nicht abträglich ist.


    Die Hardcoverausgabe kommt mit einem Lesebändchen, was ich sehr schön finde. Das Cover ist eher nichtssagend, spiegelt aber die Dunkelheit wieder.


    Inhaltlich hat sich mindestens ein Fehler eingeschlichen, wobei ich natürlich nicht sagen kann, ob der schon im Original vorhanden ist oder sich während der Übersetzung eingeschlichen hat.


    Von diesen Schwächen abgesehen ist das Buch durchaus lesenswert.



    3ratten

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Ein Thriller, der in den Tiefen Lapplands spielt und dabei mehr über das Land sowie seine Kultur vermittelt.


    Die Thematik der Samen war für mich vollkommen neu, denn zuvor hatte ich nichts über sie gehört oder gelesen. Zumindest nicht bewusst. Umso interessanter wurde das Buch natürlich je mehr Details rübergebracht wurden. Olivier Truc schafft es dabei, viele Sichtweisen auf das alte Erbe Lapplands zu werfen, sodass kein einseitiges Bild entsteht.


    Die Protagonisten bleiben dabei, wie bereits erwähnt wurde, eher farblos. Da hätte ich mir mehr Informationen gewünscht, um ein ganzheitlicheres Bild zu bekommen. Die Geschichte ist hingegen sehr gut erzählt und auch wenn das Ende etwas hektisch und chaotisch aufgelöst wird, hat man als Leser das Gefühl, dass der Autor sich Gedanken gemacht hat.


    Mit dem Schreibstil hatte ich persönlich so meine Probleme, denn auch wenn der nüchterne, eher sachliche Stil gut zur Landschaft und zur Geschichte passt, gefällt mir so etwas nicht richtig.



    Stattdessen werden die verschiedenen Gesteinsarten endlos lange und ausführlich beschrieben, sowie die Art, wie ein Geologe diese Gesteine untersucht. Weniger wäre hier mehr gewesen, diese ganzen Passagen habe ich nur quer gelesen. Es wird nicht wirklich erklärt warum der Geologe vor Ort ist, und der Aufhänger der ihn dann letztendlich auf Schatzsuche gehen lässt, ist meines Erachtens recht dürftig.


    Zugegeben die Berichte über die Suche des Geologen waren sehr ausführlich, aber andererseits wurde dadurch der Stellenwert Norwegens und wie wenig dieses Land eigentlich erschlossen ist, richtig deutlich. Hinzukommend die Problematik, dass die Suche nach Erzen und daraus resultierende Probleme mit den Renen. Etwas weniger wäre hier mehr gewesen, aber ich fand es doch recht interessant.


    Das Buch hätte ich ohne die dazugehörige Leserunde wahrscheinlich nicht gelesen und die zahlreichen Diskussionen haben wirklich Spaß gemacht. Danke an alle Teilnehmer! :winken:


    3ratten

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    Originaltitel: Le dernier Lapon
    Erscheinungsjahr: 2015
    Verlag: Droemer
    Seiten: 496 (gebunden)



    Mitten in die eiskalten Weiten des norwegischen Lapplands führt uns dieser Debutroman von Olivier Truc. Es war 40 Tage lang Nacht am Polarkreis, doch nun wird die Sonne wiedergeboren und erhellt das Land jeden Tag ein Stückchen länger. Doch es beginnt auch eine unruhige Zeit für die Polizei von Kautokeino: eine kostbare samische Trommel wird aus dem örtlichen Museum gestohlen, und kurz darauf wird der Rentierzüchter Mattis ermordet und mit abgeschnittenen Ohren aufgefunden. Was zunächst wie ein eskalierter Streit unter Rentierzüchtern aussieht, entwickelt sich bald zu einem schwer zu durchdringenden Geflecht aus politischen und persönlichen Intrigen, das seinen Showdown im einsamen Eis von Lappland findet.


    Der kurz vor der Pensionierung stehende Klemet Nango und seine 30 Jahre jüngere neue Kollegin Nina Nansen aus dem Süden des Landes, beide von der sogenannten Rentierpolizei von Kautokeino, ermitteln in diesen ungewöhnlichen Fällen. Zunächst scheinen die beiden Verbrechen nicht miteinander in Verbindung zu stehen, doch die Ermittlungen führen Nina sogar bis nach Paris, wo sie wertvolle Informationen über eine Expedition aus den 30er Jahren sammelt, und langsam setzt sich das Bild zusammen.


    Nach kleinen anfänglichen Startschwierigkeiten habe ich gut in die Szenerie hineingefunden und war schnell gepackt. Hauptaugenmerk liegt bei diesem Thriller weniger auf einer reißerischen, actiongeladenen und blutrünstigen Story, wie es bei vielen skandinavischen Thrillern der Fall ist, sondern bei den geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergründen zum letzten Urvolk Europas, den Samen. In sachlich-nüchternem, aufs Wesentliche reduziertem Ton schildert Truc sowohl das Schicksal der samischen Rentierzüchter, die unter schier undenkbaren Lebensbedingungen ihrem Broterwerb nachgehen, als auch den mühsamen Ermittlungen der Rentierpolizei – die Wege in Lappland sind lang, und so benötigt man zu einem Verdächtigen schon mal mehrere Stunden Fahrt mit dem Schneemobil , Schneestürme und unmenschliche Temperaturen inklusive. Dabei schafft Truc eine sehr dichte, ruhige, aber bedrückend-spannende Atmosphäre, die einen bis zum Schluss bei der Stange hält. Wir begegnen im Laufe der Story vielen interessanten, teilweise kauzigen oder durchtriebenen Persönlichkeiten, deren Motive nicht immer klar sind. Leider werden Hintergründe zu wichtigen Hauptpersonen, vor allem Nina, sehr häufig nur angedeutet, was dann auf Kosten einer tiefgründigeren Charakterzeichnung geht. Da schon ein Folgeband in französischer Sprache vorliegt, bleibt zu hoffen, dass dort die Hauptpersonen etwas mehr Format bekommen.


    Erschreckend fand ich den offenen Rassismus und die Diskriminierung, denen die Samen auch in der heutigen Zeit noch ausgesetzt sind, was Truc hier gut ausarbeitet. Überhaupt ist dieses Buch sehr gut und gründlich recherchiert und durchdacht, und ich fand es hochinteressant, wie Truc den Bogen aus einer weit zurückliegenden Begebenheit aus dem 17. Jahrhundert, die im Prolog geschildert wird, bis in die heutige Zeit schlägt und dabei das Rätsel um die geheimnisvolle Trommel löst.


    4ratten




    Ich bedanke mich sehr herzlich beim Verlag für das Freiexemplar sowie bei Literaturschock für die Organisation der Leserunde, und natürlich bei euch Teilnehmern, es hat mir viel Spaß gemacht!

  • Meine Meinung:


    Im Laufe der Jahre habe ich zahlreiche Skandinavienkrimis aus Norwegen, Schweden und Island gelesen, keiner davon ist aber vergleichbar mit "40 Tage Nacht" von Olivier Truc, und das liegt nicht alleine daran, dass der Autor überraschenderweise Franzose ist. Das Setting ist in Lappland und damit grenzübergreifend in Norwegen, Schweden und Finnland angesiedelt.


    Im Laufe der Handlung bekommt man einen Einblick in die Lebensbedingung des letzten indigenen Volkes in Europa, der Samen. Die Ausbeutung dieser Menschen in der Vergangenheit, aber auch der noch heute herrschende Rassismus ist das zentrale Thema des Romans. Bislang hatte ich die Skandinavier aufgrund meiner Erfahrungen als Touristin durch die rosa Brille gesehen, muss mein positives Bild nun aber an manchen Punkten in Frage stellen.


    Oliver Truc spannt einen weiten Bogen von der Vergangenheit bis in die Jetztzeit und verknüpft auf raffinierte Art und Weise die Geschichte der Samen mit seinem heutigen fiktiven Fall. Die zeitliche Verortung der Vorgänge hat bei mir zugegebenermaßen nicht immer funktioniert, aber rückblickend betrachtet ist die Geschichte logisch und schlüssig aufgebaut.


    Die Handlung lädt zum Spekulieren ein und dieser Einladung bin ich gerne gefolgt, wenn ich auch nicht immer richtig lag. Leider lässt der Autor seine LeserInnen gegen Ende ein wenig am langen Arm verhungern; so sorgfältig und ausführlich er das ganze Konstrukt seiner Geschichte aufgebaut hat, so schnell geht es am Ende und einiges musste ich mir dann doch selbst zusammenreimen, auch blieben einige Fragen offen.


    Die beiden Hauptfiguren sind Mitglieder der Rentierpolizei, von deren Existenz ich bisher nichts wusste. Umso interessanter fand ich das Thema; die Belange der Rentierzüchter, ihr hartes und entbehrungsreiches Leben im Dienste ihrer Tiere, die ständige Suche nach Weidegründen, die lange Polarnacht, in der für 40 Tage lang keine Sonne scheint... eine faszinierende, aber auch unerbittliche Welt.


    Klemet und Nina fand ich als Ermittlerpaar außergewöhnlich und wunderbar gezeichnet; ein kontrastreiches Kollegenteam, deren Konflikte im kleinen den Konflikt im großen widerspiegeln. Klemet ist Sami und norwegischer Polizist, was natürlich im Widerspruch steht und ihn während seiner Ermittlungen immer wieder in Schwierigkeiten bringt, nicht zuletzt mit den eigenen Kollegen, die ihn als Quotensami sehen und ihm seine Andersartigkeit spüren lassen; aber auch die Sami begegnen ihm mit Misstrauen, so dass er ständig zwischen den Stühlen sitzt.


    Nina dagegen kommt frisch von der Polizeischule; sie ist unbefangen, spontan und intuitiv. Wo Klemet zögert und grübelt, wird sie aktiv und übernimmt auch Verantwortung. Durch ihre Unbedarftheit stellt sie genau die Fragen, die ich als Leserin auch gestellt hätte und übernimmt somit eine wichtige Rolle im Aufbau der Geschichte. Ganz toll fand ich es zu lesen, wie die beiden im Laufe der Handlung zu einem Team zusammen wachsen und vor allem durch ihre Eigeninitiative den Fall aufklären. Das fand ich so erfrischend im Vergleich zu den oft klischeehaften, depressiven und alkoholsüchtigen Ermittlern in skandinavischen Krimis; hier unterscheidet sich der Roman deutlich zu anderen des Genres.


    Die Bösewichte sind zahlreich und in ihren Facetten ebenfalls sehr interessant gezeichnet; besonders hervorheben möchte ich einen französischen Geologen, der in Sachen Prospektion in den Bergen Lapplands unterwegs ist und nicht nur für die Sami das Böse verkörpert; aber auch die Politiker und Angehörige der Polizei zeichnen ein düsteres Bild. Erfrischend dagegen halten einige wenige Originale, wie zum Beispiel eine schwedische Geologin, die mit spannenden Informationen zum Thema Bodenschätze aufwartet und Klemets Onkel, der uns in die Kunst des Joikens einführt, aber auch ein samischer Trommelexperte, der leider erst sehr spät auftaucht und die mystische Symbolik samischer Trommeln im allgemeinen und im besonderen erläutert.


    Der Sprachstil von Olivier Truc gefiel mir ebenfalls sehr gut; er ist nordisch-zurückhaltend und griffig, wenn es um die Fakten geht. Umso mehr stechen die Passagen heraus, in denen es um Landschaften und Naturphänomene geht, wie zum Beispiel die Beschreibung der Nordlichter, die zurückkehrende Sonne und das Wesen der Rentiere. Denn hier wechselt Truc zu einem poetischen, eindringlichen Stil, der eine große Liebe zum Land und seiner Natur verrät. Diese Szenen gingen mir unter die Haut und versetzten mich in eine mystische Polarwelt.


    Insgesamt hat mich der Roman trotz einiger kleiner Kritikpunkte voll überzeugt und ich würde mich sehr freuen, weitere Fälle mit Klemet und Nina aus Lappland zu lesen.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • INHALT
    Kautokeino in Lappland am 10. Januar. Eine gletscherkalte Polarnacht. Morgen wird nach vierzig Tagen die Sonne wiedergeboren, zwischen 11.14 und 11.41 Uhr – und die Menschen atmen auf. Morgen aber wird es auch zu den spektakulärsten Verbrechen kommen, die Kommissar Klemet Nago von der samischen Polizei in der verschneiten Tundra je gesehen hat: Eine kostbare samische Trommel, Wahrzeichen des letzten Urvolks Europas, wird aus dem Museum gestohlen. Wenig später findet man den Rentierhirten Mattis brutal ermordet auf. Klemet und seine Partnerin Nina, frisch von der Polizeischule im Süden des Landes, ermitteln – und geraten in politische und menschliche Verwicklungen, die tief in die Geschichte Lapplands zurückreichen.
    (Quelle Droemer Knaur-Verlag)


    MEINE MEINUNG
    Mit seinem Debütroman „40 Tage Nacht“ ist dem französischen Autor Olivier Truc ein spannender und sehr außergewöhnlicher Krimi gelungen, der trotz einiger Längen vor allem mit seiner unglaublich dichten Atmosphäre, einem tollen Setting und einer sehr geschickt angelegten Hintergrundgeschichte punkten kann. Zugleich ist es Auftakt zu einer viel versprechenden Krimi-Reihe rund um die beiden Ermittler der in Kautokeino im norwegischen Lappland angesiedelten Rentierpolizei –den Samen Klemet Nango und die junge Nina Nansen. Man merkt deutlich, dass der Autor, der seit 20 Jahren in Stockholm als Skandinavien-Korrespondent tätig ist, sich hervorragend mit Land und Leuten in Lappland auskennt, und viele Details zur ethnologischen Minderheit der Samen und der skandinavischen Historie sorgsam recherchiert hat. Darüber hinaus hat er sich bemüht, ein sehr authentisches Bild der Samen und ihres heutigen Alltagslebens fernab jeglicher touristischer Folklore zu zeichnen und präsentiert sehr geschickt zahlreiche hochinteressante Details zur samischen Kultur und der Verfolgung, Diskriminierung und heutigen Stellung der indigenen Bevölkerung. Äußerst gekonnt sind die unwirtliche Landschaft des lappländischen Winters, atemberaubende Naturereignisse und die unterschiedlichen Schauplätze rund um die kleine Provinzstadt Kautakeino eingefangen, so dass man hervorragend in die düstere, karge Kulisse, die Dunkelheit und klirrende Kälte dieses Krimis eintauchen kann. Truc versteht es hervorragend, diese besondere Atmosphäre auch in seinen eher nüchternen Schreibstil einfließen zu lassen, die sich insbesondere anfangs in sehr spröden, wortkargen Dialogen spiegelt.
    Sehr fesselnd und vielschichtig ist die detailreiche Hintergrundgeschichte um eine alte samische Schamanen-Trommel, eine verhängnisvolle Expedition in den 1930ger Jahren und ein uralter Fluch um einen legendären Goldschatz angelegt. Leider kommen die Ermittlungen zu den Fällen äußerst schleppend in Gang, so dass der Leser angesichts der vielen losen Handlungsfäden sehr lange recht orientierungslos im Dunkeln tappt. Wesentliche Erkenntnisse über die verworrenen Zusammenhänge erhält man erst zur Mitte des Buchs, kann leider erst sehr spät miträtseln und über mögliche Täter und deren Motive spekulieren. Dafür zieht dann aber die Spannung nach dem etwas langatmig wirkenden Mittelteil extrem an. Dem Autor gelingt es schließlich, seine vielschichtige Geschichte nach geschickt lancierten Intrigen und einigen überraschenden Wendungen in einem sehr packenden Finale gipfeln zu lassen. Zudem präsentiert er dem Leser eine stimmige Aufklärung der beiden Verbrechen, auch wenn nicht alle Erzählstränge völlig aufgelöst werden.
    Sehr facettenreich und lebensnah sind die vielen verschiedenen Figuren gezeichnet, die mit ihren Eigenarten origineller, exotischer und faszinierender kaum angelegt sein können und teilweise ein echtes Highlight sind. So begegnen wir neben den illustren Bewohnern Kautokeinos wie beispielsweise einem fanatischen læstadianischen Priester, dem zwielichtigen rechtspopulistischen Gemeindevertreter und Bauern Karl Olsen, dem rassistischen Polizisten Rolf Brattsen, modernen aber auch traditionsverhafteten samischen Rentierzüchtern, die in der Tundra leben. Zudem entwickelt sich der französische Geologe André Racagnal zu einem undurchsichtigen, skrupellosen Bösewicht, der seine ganz eigenen Ziele vor Ort zu verfolgen scheint. Sehr feinfühlig, lebendig und glaubwürdig sind die charakterlich äußerst unterschiedlichen Ermittler Klemet und Nina von der Rentierpolizei gezeichnet, die sich anfangs schwer einschätzen lassen und leider erst spät an Profil gewinnen. Durch Anspielungen auf ihre Vergangenheit erhalten wir Einblicke in ihre Persönlichkeit und privaten Hintergründe, verstehen ihr Verhalten allmählich besser, wodurch sie zunehmend sympathischer wirken. Dennoch bleibt sehr vieles aus ihrem Privatleben noch im Dunkeln, so dass der Leser leider auf weitere spannende Enthüllungen in den Fortsetzungen warten muss.


    FAZIT
    Ein spannender, sehr vielschichtiger Krimi, der mich trotz einiger Längen im Mittelteil mit seiner unglaublich dichten Atmosphäre, einem tollen Setting und originellen Figuren begeistern konnte.


    4ratten

  • Meine Meinung:
    Rau, kalt, düster - genauso mag ich es bei Krimis und Thrillern am liebsten. Und genau das erwartet den Leser, wenn er oder sie Olivier Trucs Roman aufschlägt.
    Dabei ist die Suche nach dem Mörder eigentlich eher zweitrangig. Das Warum war für mich als Leserin viel interessanter. Gerade auch die Verknüpfungen mit der samischen Kultur hat mich dabei überzeugt. Truc zeichnet ein recht lebendiges und glaubwürdiges Bild der gesellschaftlichen Strukturen vor Ort, nicht nur der samischen sondern auch der Schweden. Dabei gelingt es Truc sich der Thematik auf verschiedenste Weise zu nähren. Er differenziert und zeigt ganz nebenbei auf welchen verschiedenen Blickwinkeln, man vor Ort begegnen kann. Eben jenen, die eher National und Anit-samisch eingestellt sind, aber auch einigen Samen die sich eher gegenüber den Einheimischen abschotten und unter sich bleiben wollen, oder auch Klemet, der mit seiner eigenen samischen Herkunft hadert und oftmals zwischen allen Stühlen sitzt.
    Schade fand ich dabei, das Nina, Klemets Kollegin bei der Polizei eher blass und etwas Schablonenhaft bleibt. Mag sein dass, der Autor für weiter Bände mehr mit ihr vor hat. Für "40 Tage Nacht" hat es für mich aber nicht gereicht, mit ihrer Figurenzeichnung zufrieden zu sein. Außerdem waren manche Handlungstränge mit ihr- für meinen Geschmack- nicht sinnvoll in die Handlung eingearbeitet.
    Ganz anders Klemet, der für mich glaubwürdig beschrieben wurde. Er war für mich eindeutig die wichtigere Figur und auch sehr viel mehrdimensionaler beschrieben. Auch wenn Nina letztendlich die Person bleibt, die sich traut zu handeln statt immer nur zu beobachten. Immerhin ;)
    Besonders fasziniert hat mich aber eine ganz andere Figur. Aslak, ein Mann der nach alter samischer Tradition das ganze Jahr draußen mit seinen Rentieren lebt, ist für mich die heimliche Hauptfigur des Romans. Seine Geschichte hat mich auch emotional sehr bewegt. Außerdem fand ich, das gerade er am besten beschrieben wird.
    Wer atemlose Spannung von Anfang bis zum Schluss sucht, wird vielleichte eher enttäuscht. Der Roman wird zwar durchaus spannend, braucht aber seine Zeit. Der Fokus liegt ganz klar auf anderen Dingen. Ich persönlich hätte vielleicht manchmal einen stärkeren Fokus auf den Mord gehabt. Manche Szenen scheinen sich ewig zu wiederholen. So fahren Klemet und Nina ständig hin und her ohne den Fall wirklich voran zu bringen. Hi und da finde ich, das man merkt das dies Trucs erster Roman ist. Gerade auch in der Konzeption von Nina und auch vielen Andeutungen über Klemet und sie, die oftmals nur sehr unbefriedigend oder sogar gar nicht aufgelöst werden.
    Insgesamt hat mich der Roman immer dann besonders überzeugt, wenn es um die samische Kultur, die verschwundenen Trommeln und einige Zusammenstöße mit bestimmen Verdächtigen ging. Ich mochte die düstere Atmosphäre und gerade auch die Auflösung (für mich persönlich sehr wichtig) hat mich überzeugt.


    Von mir gibt es dafür:
    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Außerdem freue ich mich das es mit Klemet und Nina wohl auch weitergehen wird.

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    Inhalt:


    Kautokeino in Lappland am 10. Januar. Eine gletscherkalte Polarnacht. Morgen wird nach vierzig Tagen die Sonne wiedergeboren, zwischen 11.14 und 11.41 Uhr – und die Menschen atmen auf. Morgen aber wird es auch zu den spektakulärsten Verbrechen kommen, die Kommissar Klemet Nango von der samischen Polizei in der verschneiten Tundra je gesehen hat: Eine kostbare samische Trommel, Wahrzeichen des letzten Urvolks Europas, wird aus dem Museum gestohlen. Wenig später findet man den Rentierhirten Mattis brutal ermordet auf. Klemet und seine Partnerin Nina, frisch von der Polizeischule im Süden des Landes, ermitteln – und geraten in politische und menschliche Verwicklungen, die tief in die Geschichte Lapplands zurückreichen.


    Meine Meinung:


    Dies ist ein besonderer Krimi – er spielt im hohen Norden Norwegens, wo es eine vierzigtägige Polarnacht gibt. Schon als ich in meiner Kindheit "Erwin kommt nach Schweden" gelesen habe, war ich von Lappland und der Polarnacht beeindruckt. Sehr gerne würde ich mal ein Jahr in solch einer Gegend verbringen. Hier gibt es Nordlicht, Rentiere, viel Schnee, es wird mit Schneemobilen und Skiern herumgefahren (aber auch viel mit Autos). Von daher war dies genau das richtige Buch für mich!


    Die Geschichte beginnt an dem Tag, an dem die Sonne das erste Mal wieder über dem Horizont erscheint, was für die Menschen etwas ganz Besonderes ist. Von da an steht über jedem Kapitel die immer länger werdende Tageslänge für den jeweiligen Tag.


    Hochinteressant fand ich die Beschreibungen des sozialen Gefüges, der Lebensbedingungen der Sami, der Rentierzüchter, der anderen Bewohner des Ortes Kautokeino - insbesondere den Konflikt zwischen der traditionellen Lebensweise der Sami und dem Unheil, das die Suche nach Bodenschätzen und die Ausbeutung derselben, oder generell das moderne Leben mit seinen Straßen und Grenzen für diese Lebensweise bedeutet. Ich kann nur hoffen, dass der Autor, der immerhin Franzose ist, auch wenn er schon länger in Skandinavien lebt, diese Verhältnisse authentisch und realistisch schildert. Allerdings liest sich das, vor allem am Anfang, stellenweise etwas wirr und unverständlich. Doch man lernt schnell, das Wesentliche herauszulesen.


    Dass der Kriminalfall dahinter etwas in den Hintergrund tritt, hat mich nicht gestört. Ich lese gern Bücher über Land und Leute, für die ein Kriminalfall nur der Aufhänger ist.


    Die Personen waren insgesamt recht charakterstark geschildert, wobei ich einige ein bißchen unglaubwürdig fand. Zum Beispiel Nina, die sich manchmal unnachvollziehbar verhält, was ich ein bißchen schade fand. Und der französische Geologe war mir allzu klischeebehaftet. Schade fand ich auch, dass der Autor immer wieder Hinweise auf traumatisierende Ereignisse in der Vergangenheit einstreut, vor allem in Klemets und Ninas Vergangenheit, und den Leser damit auf die Folter spannt, dies aber am Ende nur unvollkommen aufklärt. Die Sache zwischen Aslak und Klemet wird auf der allerletzten Seite erklärt, bezüglich Nina bleibt der Leser weiterhin unwissend.


    Der Fall wird Stück für Stück sehr langsam aufgeklärt und das Motiv erst ganz allmählich enthüllt, wobei mir etwas zuviel in der Gegend herumgefahren und gesucht wurde. Spannend war vor allem, welche Rolle die samische Kultur, Tradition und Überlieferung, vor allem diese Trommel und das Joiken, dabei spielt. Auch die geologischen Darlegungen habe ich sehr genossen! Am Ende geht es dann allerdings sehr sehr schnell. Hier hätte ich mir etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht.


    Fazit: Krimi mit leichten Schwächen, der aber mit der Darstellung von Land und Leuten punkten kann.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.