04 - Freitag, der 19. Oktober: Hochgradig verkorkst (ab Seite 275)

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  • Hier könnt ihr über den Inhalt ab: Freitag, der 19. Oktober: Hochgradig verkorkst schreiben.
    Spoilermarkierungen sind aufgrund der Abschnittseinteilung nicht vorgesehen.

    LG, Dani


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    Einmal editiert, zuletzt von Dani79 ()

  • Beflügelt von ihrer neuen Beziehung zu Neil nimmt sich Normandy nun tatsächlich zur Abwechslung mal die Wahrheitssuche in ihrem eigenen Leben vor.
    Als erstes will Normandy herausfinden, was es mit Keiras schickem Stadthaus und der Affäre mit dem Dozenten auf sich hatte. Dieser Teil hat mich ein bisschen an die Bücher von Connie Willis erinnert - kurz vor der großen Enthüllung versagt die Technik, in diesem Fall Normandys Handyguthaben... :rollen:
    Die Unterstützung, die Normandy von den ehemaligen Befragten der Wahrheitskommission erhält, fand ich zwar etwas amerikanisch-kitschig, aber auch irgendwie nett. Und jemanden wie Brian Forbes dabei zu haben, der Türen knacken kann und Drogen erkennt, wenn er sie auf dem Tisch liegen sieht, ist schon was wert...
    Nachdem Normandy nicht nur Keiras neue Bleibe mit eigenen Augen gesehen, sondern auch vom Tod des Dozenten erfahren hat - ein Wanderunfall :entsetzt:- ist das Maß erreicht und sie konfrontiert sowohl ihre Schwester als auch ihre Eltern mit ihrem Wissen. Was Normandy am tiefsten verletzt: In Keiras Haus hat sie Zeichnungen für die neuste "Diana"-Episode gefunden, in denen Keira ihre ach-so-traumatischen Erfahrungen gezielt genutzt zu haben scheint, um ein weiteres Mal den Charakter der "Flunder" bloßzustellen. Nett.
    Aber ihre Eltern halten es wie die drei Deko-Äffchen und wollen nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Normandy erkennt, dass sich hier nichts verändern wird, also muss sie selbst für die Veränderung sorgen: Sie packt ihren Koffer und zieht zu Neil und seinem Vater.


    Beim ersten Lesen dieser Szene habe ich das Buch mittendrin zugeklappt, weil ich mich so sehr über Normandys Eltern geärgert habe. Insgeheim hatte ich doch gehofft, dass sie mit der Faust auf den Tisch hauen und Keira vor die Tür setzen, aber das hätte nicht zu ihrem Charakter gepasst. Für Normandy ist das der Anlass, sich von ihren enttäuschten Hoffnungen in Bezug auf Schwester und Eltern abzugrenzen und ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen.
    In Neils Familie hat zwar die Mutter kurz nach der Geburt ihre Familie verlassen, aber Normandy findet hier ein harmonisches Familienleben mit festen Absprachen und Offenheit vor - alles, was sie zu Hause vermisst hat.
    Mit Unterstützung der Lehrer schafft es Normandy, Keira zu konfrontieren und öffentlich zu machen, wie die Kehrseite der "Diana-Chroniken" sich für sie anfühlt. Zwar kann die Erscheinung der neuen Chronik nicht verhindert werden, doch Normandy hat die Wahrheit über ihre Gefühle ausgesprochen und sich von den ganzen jahrelangen Enttäuschungen befreit. :daumen: Zeit für Vorhang und Applaus.
    Im letzten Kapitel erfährt man, wie es mit der Wahrheitskommission (gar nicht) und deren Befragten weitergegangen ist. Dies fand ich realistisch geschildert. Den Eindruck zu erwecken, die Wahrheitskommission hätte das gesamte Leben des Betroffenen verändert, hätte ich überzogen gefunden.
    Normandy selbst hat sich gut eingerichtet und macht sich mit Nebenjob im Laden für Künstlerbedarf und einem selbst gekauften Auto, das sie nicht an ihre Schwester erinnert, zunehmend unabhängig von ihrer Familie. Zu ihrem Vater trifft sie sich regelmäßig, während der ausschließlich telefonische Kontakt zur Mutter eher unerfreulich ist.
    Man erfährt, dass Keira einen Entzug gemacht hat und Kontakt zu Normandy aufnimmt, doch ihrer Nachricht ist zu entnehmen, dass sie es nach wie vor vorzieht, in ihrer ganz eigenen Realität zu leben, ohne jegliche Selbsteinsicht. "Es macht mich traurig zu sehen, dass meine talentierte Schwester beschlossen hat, so ein kleines, armseliges Leben zu führen", äußert Normandy.
    Dass, was Keira in meinen Augen so klein und armselig macht, sind allerdings nicht die Tatsachen, dass sie einen Entzug hinter sich hat und ziellos zwischen Stadt- und Elternhaus hin und her pendelt, sondern dass sie ihren Erfolg auf Kosten ihrer Familie erreicht hat. Das eigene Talent dafür zu nutzen, andere bloßzustellen ist das Allerletzte. Ich glaube nicht, dass Keira direkt etwas mit dem Unfall ihres Dozenten zu tun hatte, aber dass sie auch nichts getan hat, um ihm zu helfen, kann ich mir lebhaft vorstellen. Sie hat mitgenommen, was ihr selbst nützt und hat es nicht mal für nötig gehalten, sich bei der Polizei zu melden und den Hintergrund des Unfalls aufzuklären. :kommmalherfreundchen: Grässliche, egoistische Person. Ich hätte mir ja einen Ausblick gewünscht, in dem Keira endlich mal die gerechte Strafe erhält, aber das bleibt der Phantasie des Lesers überlassen.
    Am Ende ihres "Essays" überlegt Normandy, ob sie selbst die Wahrheit als befreiend erlebt hat, was sie nicht klar beantworten kann. Ihr ist bewusst, dass "Wahrheit" nicht objektiv und vollständig sein kann, sondern immer nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit wiedergibt.
    Für mich bleibt am Ende dennoch der Eindruck zurück, dass es Normandy auf ihrem persönlichen Weg weitergebracht hat, der unschönen Wahrheit über ihre Familie endlich ins Auge zu sehen und die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen.


    Ich muss die ganzen Eindrücke jetzt erst mal verdauen, bevor ich eine Bewertung abgeben kann. Das Grundurteil ist schon positiv, was aber eher an den erfrischenden Personen und Handlungsorten liegt (vor allem die Kunstschule) als an der Handlung an sich.

  • Den letzten Abschnitt fand ich irgendwie seltsam. Einerseits gefiel mir die überraschende Wendung, dass Keiras Geschichte erfunden war und sich gar nicht so abgespielt hat, weil der Dozent offensichtlich homosexuell war. Auch dass Normandy eine ganze Menge Helfer gewonnen hat, war eine schöne Sache. Andererseits hat mich das Verhalten von Keira und das von ihren Eltern hochgradig verstört. Hier fehlt mir jedes Verständnis. Keira erscheint absolut gefühlskalt, und die Eltern hofieren sie immer noch, anstatt sich hinter Normandy zu stellen.


    Wie gut, dass Normandy in Ms Fowler und dem Direktor der Schule Unterstützer hat und dass sie so problemlos bei Suttons einziehen kann.


    Gegen Ende hatte ich immer mehr den Eindruck, dass diese Geschichte zum Teil autobiographisch sein könnte. Es hört sich so an, wie wenn die Autorin sich hier etwas von der Seele reden müsste. Kann natürlich auch sein, dass es durch das Essay-Format so rüberkommt.


    Aber dieses Ende befriedigt mich überhaupt nicht. Es ist mir zu offen und vor allem zu hoffnungslos.


  • Aber dieses Ende befriedigt mich überhaupt nicht. Es ist mir zu offen und vor allem zu hoffnungslos.


    Findest du? :gruebel:Offen, ok. Aber hoffnungslos fand ich es jetzt gar nicht.
    So, wie sich Normandy ihr Leben eingerichtet hat ist es auch wirklich Leben und nicht nur "ducken und aushalten". Manche Familien SIND nicht zusammenzubringen, und wenn man das schon so früh erkennt, ist das zwar sehr schmerzhaft, aber es bewahrt langfristig davor, die Selbstachtung zu verlieren und immer wieder enttäuscht zu werden.


    Aber ich kann dich gut verstehen; als ich das erste Buch in der Hand hatte, in dem Eltern und Kinder nicht wieder zusammen finden (in "Jasper Jones" verlässt die Mutter des Ich-Erzählers am Ende die Familie), war ich anfangs sehr irritiert - das ist so unüblich!
    Normalerweise raufen sich Eltern und Kinder in den meisten Jugendbüchern am Ende zusammen; die Kinder werden etwas einsichtiger und die Eltern toleranter. Aber Eltern, die einfach ungerecht, unverantwortlich, gemein etc. bleiben und sich nicht ändern gibt es im realen Leben ja auch, und in der Jugendliteratur nun anscheinend auch häufiger. "Die Mitte von allem" von Anna Shinoda ist ebenfalls so ein neueres - und lesenswertes - Beispiel für die Gattung "saublöde Eltern", man entschuldige den Ausdruck. Ich habe in meinen prägenden Jahren viel Christine Nöstlinger gelesen :zwinker:.

  • Ja sicher. Normandy hat sich in ihrem neuen Leben eingerichtet. Aber ich finde es halt frustrierend, dass es so kommen musste. Wirklich glücklich wirkt sie nicht auf mich, und es wird ihr halt immer ihre Familie fehlen.

  • Ich habe mein Buch gerade nicht zur Hand und kommentiere heute abend noch mal etwas detaillierter.


    Kurz zum Ende: ich habe es nicht als hoffnungslos empfunden, sondern als Aufbruch, weg von dieser dysfunktionalen Familie, die Normandy nicht guttut, und hatte auch nicht das Gefühl, dass sie unglücklich war zu gehen. Im Gegenteil.


    Außerdem hat mir gefallen, dass sich am Ende mal nicht die ganze Familie in Rührungstränen aufgelöst in den Armen liegt. So läuft das im wahren Leben ja auch nur höchst selten.



    und es wird ihr halt immer ihre Familie fehlen.


    Die hätte ihr aber auch gefehlt, wenn sie zu Hause geblieben wäre, ironischerweise. Sie hatte ja nie eine Familie, die ihr alles geben konnte, was sie gebraucht hätte.


    Dass plötzlich alle Wahrheits-Befragten sich der Suche nach Keira anschließen, fand ich auch nett, aber gleichzeitig etwas too much und ja, irgendwie ein bisschen ami-kitschig :breitgrins:


    Zweifel an Keiras Vergewaltigungsstory hatte ich schon relativ früh, nachdem klar wurde, dass sie rücksichtslos ihre eigenen Belange verfolgt und sich um andere Menschen einen Dreck schert. Was tatsächlich geschehen ist, nämlich der Tod des Dozenten, der sich gar nicht für Frauen interessierte, erklärt im Rückblick auch die harsche Reaktion von Roberta Dingsbums auf Normandys Facebook-Nachricht. Keira ist echt ein grässliches Weib.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • als Aufbruch, weg von dieser dysfunktionalen Familie, die Normandy nicht guttut, und hatte auch nicht das Gefühl, dass sie unglücklich war zu gehen. Im Gegenteil.


    Von der vorherigen Situation her betrachtet, war sie sicher froh, da raus zu kommen. Aber vom "Normalzustand" einer Familie her betrachtet, ist es doch traurig, dass sie dazu gezwungen war, um nicht zugrunde zu gehen.


    Zitat

    Außerdem hat mir gefallen, dass sich am Ende mal nicht die ganze Familie in Rührungstränen aufgelöst in den Armen liegt. So läuft das im wahren Leben ja auch nur höchst selten.


    Stimmt schon, aber das wahre Leben sitzt hier auf dem Sofa neben mir. Darüber möchte ich nicht lesen :breitgrins:


    Zitat

    Die hätte ihr aber auch gefehlt, wenn sie zu Hause geblieben wäre, ironischerweise. Sie hatte ja nie eine Familie, die ihr alles geben konnte, was sie gebraucht hätte.


    Das meine ich ja. Das ist für mich "hoffnungslos". Es wird nie ganz gut werden für Normandy. Sie kann sich in ihrem neuen Leben irgendwie einrichten, auch zufrieden sein und ein gutes Leben führen, aber es wird immer etwas fehlen, was ich ihr von Herzen gewünscht hätte.


    Zitat

    Zweifel an Keiras Vergewaltigungsstory hatte ich schon relativ früh, nachdem klar wurde, dass sie rücksichtslos ihre eigenen Belange verfolgt und sich um andere Menschen einen Dreck schert.


    Hier dachte ich eben umgekehrt, dass das eine durch das andere bedingt ist. Und dass sie rücksichtslos ist, daran sind ja wohl die Eltern mit schuld, die ihr einfach alles durchgehen lassen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, ihr klarzumachen, dass sie ihr Verhalten als unsozial empfinden. (Boah, ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet ich mal die Schuld irgendwelchen Eltern zuschieben würde.)


  • Von der vorherigen Situation her betrachtet, war sie sicher froh, da raus zu kommen. Aber vom "Normalzustand" einer Familie her betrachtet, ist es doch traurig, dass sie dazu gezwungen war, um nicht zugrunde zu gehen.


    Ach, so rum meintest Du das. Ja, das ist tatsächlich bitter, aber wenigstens geht es für sie so gut aus, wie es eben unter den Umständen ausgehen kann (finde ich zumindest).


    Zitat

    Stimmt schon, aber das wahre Leben sitzt hier auf dem Sofa neben mir. Darüber möchte ich nicht lesen :breitgrins:


    :breitgrins:


    Zu viel Wolke 7 nervt mich in Romanen oft. Nicht falsch verstehen, Happy Ends finde ich toll, aber sie müssen auch glaubwürdig sein. Und eine wir-haben-uns-alle-ganz-doll-lieb-und-fangen-noch-mal-von-vorne-an-Nummer hätte hier einfach nicht gepasst.


    Zitat

    Und dass sie rücksichtslos ist, daran sind ja wohl die Eltern mit schuld, die ihr einfach alles durchgehen lassen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, ihr klarzumachen, dass sie ihr Verhalten als unsozial empfinden. (Boah, ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet ich mal die Schuld irgendwelchen Eltern zuschieben würde.)


    Ich schätze mal, das ist eine unglückliche Verkettung von Charakteranlagen und Erziehung (oder halt Nicht-Erziehung). Wenn sie ab und an mal in die Schranken gewiesen worden wäre, hätte ihr das sicher gutgetan. Und allen anderen auch. Andererseits stellt sich die Frage, wie stark die Einflussmöglichkeiten der Eltern tatsächlich sind. Gar nichts zu tun ist natürlich gar nichts, das ist völlig klar. Aber wenn Charakterzüge extrem stark ausgeprägt sind, weiß ich nicht, wie sehr andere Menschen da wirklich lenkend eingreifen können. Das alte Problem "nature vs. nurture".


    Mich hätte eigentlich noch interessiert, wie Keira vor dem großen Erfolg war, ob sie da auch schon so einen Freibrief für alle Narreteien hatte (oder wurde das mal erwähnt und ich hab's schon wieder vergessen?)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Zu viel Wolke 7 nervt mich in Romanen oft. Nicht falsch verstehen, Happy Ends finde ich toll, aber sie müssen auch glaubwürdig sein. Und eine wir-haben-uns-alle-ganz-doll-lieb-und-fangen-noch-mal-von-vorne-an-Nummer hätte hier einfach nicht gepasst.


    Klar, ein hundertprozentiges Happyend hätte nicht gepasst. Aber ich hätte mir doch gewünscht, dass die Eltern mal erkennen, wie Normandy sich bei der ganzen Sache fühlt und dass Keira ein Miststück ist. :breitgrins:


    Zitat

    Ich schätze mal, das ist eine unglückliche Verkettung von Charakteranlagen und Erziehung (oder halt Nicht-Erziehung). Wenn sie ab und an mal in die Schranken gewiesen worden wäre, hätte ihr das sicher gutgetan. Und allen anderen auch. Andererseits stellt sich die Frage, wie stark die Einflussmöglichkeiten der Eltern tatsächlich sind. Gar nichts zu tun ist natürlich gar nichts, das ist völlig klar. Aber wenn Charakterzüge extrem stark ausgeprägt sind, weiß ich nicht, wie sehr andere Menschen da wirklich lenkend eingreifen können. Das alte Problem "nature vs. nurture".


    Normalerweise tendiere ich ja auch dazu, Eltern von Schuld an Fehlern der Kinder freizusprechen, weil da eben so viele Faktoren mitspielen. Aber die Eltern hier unternehmen ja nicht den geringsten Versuch, Keiras Charakter positiv zu beeinflussen.


    Zitat

    Mich hätte eigentlich noch interessiert, wie Keira vor dem großen Erfolg war, ob sie da auch schon so einen Freibrief für alle Narreteien hatte (oder wurde das mal erwähnt und ich hab's schon wieder vergessen?)


    Ich glaube, das wurde nicht erwähnt, kann mich zumindest auch nicht dran erinnern.


  • Normalerweise tendiere ich ja auch dazu, Eltern von Schuld an Fehlern der Kinder freizusprechen, weil da eben so viele Faktoren mitspielen. Aber die Eltern hier unternehmen ja nicht den geringsten Versuch, Keiras Charakter positiv zu beeinflussen.


    Was mich hier besonders gestört hat, war, dass die Eltern anscheinend null daran gedacht haben, wie das alles für Normandy sein muss. Wenn sie selber alles mit sich machen lassen, ist das eine Sache, aber wenn ihre zweite Tochter unter dem Verhalten der ersten leidet, eine ganz andere.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Oh je, was ist das bitte für ein Ende?
    Mir hat das Buch ja schon zwischendurch schon nicht wirklich gefallen. Aber jetzt finde ich es einfach nur total unrealistisch und überzeichnet. Okay, vielleicht gibt es wirklich irgendwo Eltern die ihre Augen so vor ihrem eigenen Kind verschließen und da zweite Kind links liegen lassen. Vielleicht gibt es auch Schwestern deren einziger Lebensweg es ist, ihre Familie schlecht dastehen zu lassen ohne darauf zu achten ob sie jemanden verletzen, weil sie nur sich selbst sehen. Aber....wenn es das Alles gibt, will ich so etwas lesen? Ich hatte mir zwar schon fast gedacht, daß die Geschichte darauf hinauslaufen wird, daß in der eigenen Familie der Wahrheitssuchenden etwas im Argen ist. Aber das ist mir absolut zu sehr überzeichnet. Und natürlich gibt es auch schon schwups eine Lösung. Normandy zieht zu ihrem Freund.
    Ich finde es absolut schade, daß die Autorin eine doch recht gute Idee, für mich so in den Sand geschupst hat.
    Als die Szene mit den Eltern kam, wollte ich das Buch eigentlich nicht mehr weiterlesen. Wenn ich es nicht mit Euch zusammen gelesen hätte, hätte ich es wahrscheinlich auf den letzten Seiten noch abgebrochen.



    Nachdem Normandy nicht nur Keiras neue Bleibe mit eigenen Augen gesehen, sondern auch vom Tod des Dozenten erfahren hat - ein Wanderunfall :entsetzt:- ist das Maß erreicht und sie konfrontiert sowohl ihre Schwester als auch ihre Eltern mit ihrem Wissen. Was Normandy am tiefsten verletzt: In Keiras Haus hat sie Zeichnungen für die neuste "Diana"-Episode gefunden, in denen Keira ihre ach-so-traumatischen Erfahrungen gezielt genutzt zu haben scheint, um ein weiteres Mal den Charakter der "Flunder" bloßzustellen. Nett.
    Aber ihre Eltern halten es wie die drei Deko-Äffchen und wollen nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Normandy erkennt, dass sich hier nichts verändern wird, also muss sie selbst für die Veränderung sorgen: Sie packt ihren Koffer und zieht zu Neil und seinem Vater.


    Traurig, daß scheinbar amerikanische Eltern so reagieren, oder? Warum ist ihre Schwester so? Versteht Ihr das? Okay, teilweise scheint es an Drogen zu liegen, aber das ist mir als Erklärung nicht genug. Genauso, daß sie von ihren Eltern verhätschelt worden ist, reicht mir nicht. Was ist bitte der Grund für so ein Verhalten? Für mich ist es aus der Geschichte die ich hier gelesen habe nicht erklärbar.



    Beim ersten Lesen dieser Szene habe ich das Buch mittendrin zugeklappt, weil ich mich so sehr über Normandys Eltern geärgert habe. Insgeheim hatte ich doch gehofft, dass sie mit der Faust auf den Tisch hauen und Keira vor die Tür setzen, aber das hätte nicht zu ihrem Charakter gepasst. Für Normandy ist das der Anlass, sich von ihren enttäuschten Hoffnungen in Bezug auf Schwester und Eltern abzugrenzen und ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen.


    Natürlich sind sie bisher immer eher passiv gewesen. Aber auch ihnen muss doch nun auffallen, das ihre Tochter sie manipuliert und selbst wenn sie das immer noch nicht stört, dann muss ihnen doch jetzt bewusst sein, daß sie die eine Tochter gegen die Andere tauschen.



    In Neils Familie hat zwar die Mutter kurz nach der Geburt ihre Familie verlassen, aber Normandy findet hier ein harmonisches Familienleben mit festen Absprachen und Offenheit vor - alles, was sie zu Hause vermisst hat.
    Mit Unterstützung der Lehrer schafft es Normandy, Keira zu konfrontieren und öffentlich zu machen, wie die Kehrseite der "Diana-Chroniken" sich für sie anfühlt. Zwar kann die Erscheinung der neuen Chronik nicht verhindert werden, doch Normandy hat die Wahrheit über ihre Gefühle ausgesprochen und sich von den ganzen jahrelangen Enttäuschungen befreit. :daumen: Zeit für Vorhang und Applaus.


    Das ist schon Alles sehr schön gelöst, oder?



    Dass, was Keira in meinen Augen so klein und armselig macht, sind allerdings nicht die Tatsachen, dass sie einen Entzug hinter sich hat und ziellos zwischen Stadt- und Elternhaus hin und her pendelt, sondern dass sie ihren Erfolg auf Kosten ihrer Familie erreicht hat. Das eigene Talent dafür zu nutzen, andere bloßzustellen ist das Allerletzte. Ich glaube nicht, dass Keira direkt etwas mit dem Unfall ihres Dozenten zu tun hatte, aber dass sie auch nichts getan hat, um ihm zu helfen, kann ich mir lebhaft vorstellen. Sie hat mitgenommen, was ihr selbst nützt und hat es nicht mal für nötig gehalten, sich bei der Polizei zu melden und den Hintergrund des Unfalls aufzuklären. :kommmalherfreundchen: Grässliche, egoistische Person. Ich hätte mir ja einen Ausblick gewünscht, in dem Keira endlich mal die gerechte Strafe erhält, aber das bleibt der Phantasie des Lesers überlassen.


    Für mich ist Keira als Figur nur überzeichnet und unrealistisch.


    Als hoffnungslos und offen habe ich die Geschichte auch nicht gesehen. Eher als Befreiung für Normandy.

  • So, ich habe das Buch nun auch durch, und muss sagen, dass mir das Buch zum Ende hin immer besser gefallen hat.
    Ich habe es natürlich auch mit anderen Erwartungen begonnen zu lesen und fand Normanys Art und die schrecklichen Fußnoten bis zum Ende hin nervig. Vom Inhalt her hat mir das Buch aber eben immer besser gefallen. Letztendlich ist es für mich so etwas wie der Versuch Jugendlichen das Thema "Wahrheit" an einer, sicherlich überzeichneten Geschichte, näher zu bringen. Und gerade dass das Ende offen bleibt, schafft Raum für philosophische Gedanken und Gespräche über die Fragen "Was ist Wahrheit?", "Was kann Wahrheit oder eben auch nicht?" und ähnliche. Ich könnte mir das Buch sogar als Unterrichtslektüre vorstellen.
    Ich persönlich fand das Ende rund und gar nicht hoffnungslos. Und ja, manchmal möchte ich auch über das wahre Leben lesen. Und es gibt mehr im Zwischenmenschlichen Zusammensein, als man glaubt. Das zeigt mir mein Job im sozialen Bereich jeden Tag.


    Die ganze Geschichte ist natürlich überzeichnet und für mich oft auch nervig. Wenn ich mir aber vorstelle, dass meine 15-jährige Tochter intensiver in die Geschichte eintauchen sollte, wäre diese Mittel sicherlich nicht das schlechteste. Vielleicht liest sie es ja mal und berichtet mir davon.

  • Erschreckend was der Zeitungsartikel sagt, dass der Dozent schwul war. Das lässt Keira noch weiter in einem anderen Licht erscheinen. Hat sie sich das alles nur ausgedacht, weil sie ihn insgeheim mochte.
    Und dann erfahre ich im Gespräch mit Keira, wie böse sie ist.
    Also ich habe ja gedacht, dass sie so ist wie Norm und ihre Eltern sagen und nicht nur alles ausnutzt. Einfach jemand der einen psychischen Knacks hat und deswegen ein bissl komisch drauf ist. Aber sowas 8|
    Und als Norm das dann ihren Eltern erzählt ergreifen diese auch noch Partei.


    Also ich finde diesen Abschnitt am Besten. Es nimmt richtig fahrt auf und wird spannend, da ja endlich die Wahrheit rauskommt.

    :leserin:

  • Mir hat der letzte Abschnitt auch irgendwie am besten gefallen, weil endlich mal etwas passiert ist.


    Ich finde Normandys Familie einfach nur grauenhaft. Keira geht tatsächlich über Leichen (sinnbildlich), ihre Eltern spielen sich noch immer heile Welt vor und Normandy geht in dem ganzen unter. Dass sie zu Neil gezogen ist war wohl die beste Entscheidung die sie treffen konnte.


    Ob die Wahrheitskommission das Leben all derer verändert hat, die befragt wurden, weiß ich nicht. Ich kann mir tatsächlich vorstellen, dass die Befragten sich dann auch endlich mit ihrem Problem befassen, nachdem sie darauf angesprochen wurden.


    Die Fußnoten hab ich hier konsequent überlesen :rollen:


    Am besten gefiel mir dieser Satz hier:


    "Für meinen Vater ist die Wahrheit wie eine Zwiebel. Man will dem dummen Ding die Haut nicht komplett auf einmal abziehen, weil man sonst vielleicht nie wieder aufhören kann zu weinen".


    Insgesamt konnte mich das Buch absolut nicht überzeugen. Schade, da hätte wesentlich mehr drin stecken können.

    Viele Grüße Babsi


  • Ich finde Normandys Familie einfach nur grauenhaft. Keira geht tatsächlich über Leichen (sinnbildlich), ihre Eltern spielen sich noch immer heile Welt vor und Normandy geht in dem ganzen unter. Dass sie zu Neil gezogen ist war wohl die beste Entscheidung die sie treffen konnte.


    Wirklich schreckliche Familie, ich weiß gar nicht wen ich schrecklicher finde, Keira oder die Eltern, die einfach nichts sehen möchten



    Am besten gefiel mir dieser Satz hier:
    "Für meinen Vater ist die Wahrheit wie eine Zwiebel. Man will dem dummen Ding die Haut nicht komplett auf einmal abziehen, weil man sonst vielleicht nie wieder aufhören kann zu weinen".


    Ja das ist echt ein schöner Satz



    Insgesamt konnte mich das Buch absolut nicht überzeugen. Schade, da hätte wesentlich mehr drin stecken können.


    Genau das finde ich auch. Ich glaube, ohne das ständige Abschweifen und die Fußnoten wäre es besser geworden

    :leserin:

  • Ich weiß nicht, was ich vom Ende halten soll. Es waren ja wirklich überraschende Wendungen da, die mich auch durchaus an den letzten Seiten haben kleben lassen. Wie zB die Enthüllung dass Keira gelogen hat und der Dozent homosexuell war und somit nichts zwischen ihnen passiert ist.


    Aber dann war da diese Sache mit den Eltern, Norm und Keira. Da dachte ich echt nur "Was?" und das immer und immer wieder auf Dauerschleife. Wie können die Eltern noch immer hinter Keira stehen? Das ist so...absolut unnachvollziehbar, das geht schon gar nicht mehr! Die tun ja echt so, als sei Keira heilig! Ich hatte echt erwartet, dass sie das alles eher so erleben wie Normandy und sich von Keira eher unter Druck fühlen, sensibel mit ihr umzugehen. Darum dachte ich auch immer, dass ihnen die Chroniken vielleicht doch gar nicht gefallen, und sie nur so tun, als würden sie sie toll finden..aber die scheinen die Chroniken ja echt genial zu finden. Ganz ohne Schauspielerei. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Wie unnormal! Jedem (auch Eltern) würde es nicht gefallen, in der Öffentlichkeit lächerlich dargestellt zu werden. Und auch dass hinter Keira einfach nichts mehr hinter gesteckt hat, hat mir gar nicht gefallen. Ich dachte sie sei viel tiefschichtiger und dass mehr hinter ihr stecken würde...dass sie einfach doch eine Intention mit den Chroniken hatte, aber da hab ich wohl falsch gedacht.


    Immerhin ist Normandy dann letzten Endes da ausgezogen, wenigstens DAS! :grmpf: Aber ansonsten war ja nichts positives am Ende..kann man das überhaupt Happy End nennen?


  • Kurz zum Ende: ich habe es nicht als hoffnungslos empfunden, sondern als Aufbruch, weg von dieser dysfunktionalen Familie, die Normandy nicht guttut, und hatte auch nicht das Gefühl, dass sie unglücklich war zu gehen. Im Gegenteil.


    Außerdem hat mir gefallen, dass sich am Ende mal nicht die ganze Familie in Rührungstränen aufgelöst in den Armen liegt. So läuft das im wahren Leben ja auch nur höchst selten.


    Ja da hast du recht, es läuft im wahren Leben wirklich selten so ab, dass es am Ende für alle gut aus geht. Aus der Sichtweise war es auch ein realistisches Ende..aber ich für meinen Teil fand einfach die Eltern so unnachvollziehbar und Keira hat mir einfach die Tiefe gefehlt. Sie war gefühlskalt und irgendwie auch egoistisch und dass nur Normandy sieht, was die Chroniken mit dem öffentlichen Ruf der Familie anstellen, finde ich absolut komisch.


    Es ist eine dysfunktionale Familie, ja, aber irgendwie für mich eine sehr unrealistische. Die Eltern scheinen nur ihr eines Kind so richtig zu lieben, was ist denn mit Norm? Ich verstehe das Elternverhalten einfach nicht, dysfunktional hin oder her :D Ebenso ist Keira für mich einfach nicht zu verstehen.



    Dass plötzlich alle Wahrheits-Befragten sich der Suche nach Keira anschließen, fand ich auch nett, aber gleichzeitig etwas too much und ja, irgendwie ein bisschen ami-kitschig :breitgrins:


    Damit hast du soo recht! Das war einfach schon zu viel des Guten. Und ich verstehe immer noch nicht, wie alle Befragten es so toll finden können, dass sie Fremden ihre dunkelsten Geheimnisse einfach so anvertrauen. Wer würde das im normalen Leben schon tun?


  • Es ist eine dysfunktionale Familie, ja, aber irgendwie für mich eine sehr unrealistische. Die Eltern scheinen nur ihr eines Kind so richtig zu lieben, was ist denn mit Norm? Ich verstehe das Elternverhalten einfach nicht, dysfunktional hin oder her :D Ebenso ist Keira für mich einfach nicht zu verstehen.


    Mir war das in der Form auch ein bisschen zuuu übertrieben. Komplett von der Hand zu weisen ist es aber dennoch nicht, dass manche Eltern ein Kind extrem bevorzugen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen