Thomas Hettche - Pfaueninsel

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    Thomas Hettche, 1964 am Rand des Vogelsbergs geboren, lebt in Berlin. Sein Romandebüt Ludwig muß sterben wurde 1989 als Geniestreich gefeiert; seither hat er mehrere Bücher verfasst. Woraus wir gemacht sind, 2006 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Neben seiner schriftstellerischen Arbeit schreibt er für FAZ und NZZ, war Juror beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt und hat die Online-Literatur-Anthologie NULL herausgegeben. Thomas Hettche wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Für Pfaueninsel, das ebenfalls auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, erhielt er den Wilhelm-Raabe-Preis sowie den 2014 erstmals vergebenen Bayrischen Buchpreis.


    Mit ihrem Bruder Christian kommt die kleinwüchsige Marie als kleines Mädchen im Jahr 1810 auf die Pfaueninsel, um als Laune der Natur die Sammlung von fremdartigen und exotischen Pflanzen und Tieren des Königs Friedrich Wilhelm III. zu bereichern. Eine erschreckende Begegnung mit der Königin, die von einem einzigen Wort geprägt ist, beeinflusst sie ihr Leben lang, weil ihr schmerzlich bewusst ist, dass sie trotz ihres Aussehens ein Mensch mit Gefühlen und Verstand ist, auch wenn "normale" Menschen das mitunter anders sehen.


    Aus Maries Sicht wird erzählt, wie auf der Insel ein Garten entsteht, der viele fremdländische Tiere und Pflanzen beherbergt. Namhafte Wissenschaftler und Ingenieure werden eingesetzt, um aus der Insel ein eigenes kleines Universum erstehen zu lassen. Marie ist ein wichtiger Teil davon, und die Pfaueninsel ist ihre ganze Welt, auf der sie bis zu ihrem Tod bleibt. Trotz der räumlichen Grenzen, die auf der Insel gesetzt sind, kann Marie ein Leben wie andere Frauen leben und die Liebe kennen lernen. Doch dieser eine Ausruf der Königin lässt sie ihr Leben lang nicht mehr los, weil es immer wieder Anlässe gibt, wodurch er in Erinnerung gerufen wird.


    Die Entstehung und der langsame Niedergang des Gartens mit all seinen Bewohnern macht bewusst, wie vergänglich alles ist. Die Zeit bleibt nicht stehen, für niemanden, egal ob Mensch oder Tier. Irgendwann fällt der Schleier des Vergessens über die Insel, bloß nicht für Marie. Sie lebt weiter, mit nichts als ihren Erinnerungen, bis auch ihre Zeit gekommen ist.


    Thomas Hettche erzählt sehr poetisch und entwirft ein wunderschönes Bild des Inselparadieses mit all seinen Licht- und Schattenseiten. Die Sprache ist der Zeit des 19. Jahrhunderts angepasst und lässt den Leser mühelos in die Geschichte eintauchen, eine leise Geschichte, die sehr anrührend von Liebe, Toleranz und Vergänglichkeit erzählt.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Hi Doris,


    ich antworte dir mal gleich hier im passenden Thread. Ich bin zu fast zwei Dritteln durch und die poetische Stimmung, die du erwähnst, nimmt auch mich gefangen, lässt mich eintauchen und zeichnet ein wunderbares, sehnsuchtsvolles, melancholisches Bild dieser Insel und dieser Zeit. Die Sprache finde ich auch wohlformuliert, manche Sätze bringen mich zum innehalten und lächeln, weil sie harmonisch ausgeformt sind. Die ineinander übergehenden Blickwechsel gefallen mir auch.


    Ich hatte das Buch in der Bib vorbestellt ohne genaue Vorstellungen vom Inhalt zu haben. Bis vor zwei Tagen kam ich nicht dazu es aufzuschlagen, weil ich ständig unterwegs war - u.a. in Potsdam. Und dann lese ich die erste Seite und mir geht auf, dass es sich um tatsächlich ebendiese Insel in der Havel handelt, die ich vorletzte Woche erst besucht hatte. Das war eine interessanter Zufall. Daher habe ich jetzt tatsächlich alles immer vor Augen und wir haben uns noch auf der Insel unterhalten, was wohl alles an diesem Ort im Laufe der Jahrhunderte geschehen ist, da die Pfaueninsel heute einen eher verlassenen, verwilderten Eindruck hinterlässt, mit einer Anhäufung von diversen Relikten alter, längst vergangener, unterschiedlicher Zeiten, die so gar keine Einheit bilden. Es wirkt bis heute alles etwas bizarr auf der Insel.

  • Hallo Mira,


    schön, dass du auch so eintauchen kannst in die zauberhafte Stimmung dieses Buches. Wer leise Töne mag, fühlt sich hier bestimmt wohl. Es passt einfach alles zusammen, die Geschichte und auch die Sprache, die die Atmosphäre gekonnt spiegelt. Kurios, dass die Insel selbst jetzt noch einen bizarren Eindruck auf dich machte. Das war zu Maries Zeiten auch nicht anders.


    Bei meiner Rezi habe ich ganz vergessen, die Homepage des Buches zu verlinken. Dort findet der geneigte Leser Informationen und vor allem 24 Passagen aus dem Text, die von Dagmar Manzel vorgelesen werden. Mit Erstaunen habe ich gerade festgestellt, dass das Buch um die 350 Seiten hat; so lang kam es mir gar nicht vor. Ich würde übrigens durch eine Besprechung im Klassikerforum darauf aufmerksam.


    Dir noch viel Spaß mit der Geschichte!


    Liebe Grüße
    Doris

  • Dieses Buch ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass es Bücher gibt, für die man eine gewisse Stimmung braucht. Als ich es bekam, steckte ich in einer emotionalen Krise. Mir erschien es düster, traurig, perspektivlos. Ich habe es beiseite legen müssen. Vor ein paar Wochen dachte ich, es wäre gut, es zuende zu lesen. Schließlich war es ein Geschenk.
    Und siehe da - es war eine gute Entscheidung. Was für ein wunderbares, wie gemaltes Buch. Immer noch auch irgendwie traurig, aber mich nicht mehr belastend.
    Irgendwann werde ich es sicher nochmals lesen. Und dann in einem Rutsch. :smile:
    Von mir liebevolle
    4ratten

    🐌

  • Kandida, bedenkt man das Leben und Schicksal der Protagonistin Marie, ist es auch keine aufheiternde Geschichte, wenn man selbst problematische Zeiten erlebt. In einer positiven Stimmung gelesen, empfindet man das bestimmt ganz anders. Dann bleibt genügend Distanz gewahrt.

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    Die kleinwüchsige Marie kommt im Jahr 1810 zusammen mit ihrem Bruder Christian als Schlossfräulein und Kuriosum auf die Pfaueninsel in der Nähe von Potsdam. Bis zu ihrem Tod 1880 bleibt sie dort, begegnet Königen, Wissenschaftlern und Architekten und erlebt mit, wie die Insel eins um andere Mal umgestaltet wird, um am Ende beinahe in Vergessenheit zu geraten.


    Maries große Sehnsucht und ihr vergeblicher Kampf darum, mehr als das "Monster" zu sein, das viele in ihr sehen, war berührend und Thomas Hettche findet dafür auch oft sehr poetische und leise Töne.
    Leider verzettelt er sich an anderen Stellen zu sehr in allzu ausschweifenden Landschafts- und Gartenbaubeschreibungen, wo ich lieber noch etwas mehr über Marie und die anderen Bewohner der Pfaueninsel erfahren hätte.
    Sehr negativ sind mir die Sexszenen aufgefallen; ich fand diese selten so abstoßend wie in diesem Buch. Schade, dass der Autor hier noch das Klischee bedient und den "Zwergen" nur widerliche und perverse Erlebnisse zugesteht.


    Insgesamt kann ich mich also nur teils den positiven Meinungen hier im Forum anschließen. Ein Pluspunkt ist die wunderschöne Aufmachung des Buches mit leicht irisierendem Einband, Lesebändchen und einer alten Karte der Pfaueninsel auf der Innenseite des Einbands.


    Übrig bleiben für mich nach allem Für und Wider:
    3ratten

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen


  • Sehr negativ sind mir die Sexszenen aufgefallen; ich fand diese selten so abstoßend wie in diesem Buch. Schade, dass der Autor hier noch das Klischee bedient und den "Zwergen" nur widerliche und perverse Erlebnisse zugesteht.


    Daran kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern :redface:. Einfach ausgeblendet? Auch bei Amazon beschreiben viele 1-Stern-Rezensenten diese Szenen sehr abfällig. Die muss ich mir direkt noch einmal durchlesen, wenn ich das Buch nochmals in die Hand bekomme.

  • Huhu zusammen,


    ich habe vor ein paar Tagen mit dem Buch begonnen, werde aber noch nicht so richtig warm damit.


    Die Sprache empfinde ich als fürchterlich anstrengend zu lesen und mit Marie werde ich auch nicht war...es ist viel zu viel Distanz zwischen mir und ihr.


    Ich gebe der Sache jetzt noch bis morgen und wenn es dann nicht besser wird breche ich ab.

    Früherer Nutzername "Alexa" :)