02 - Seite 89 bis 174 (Kapitel 6-12)

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    LG, Dani


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  • Das Buch ist weiterhin sehr emotional und bedrückend – und ich empfinde eine große Scham beim Lesen: meine Güte, wie konnte ein Volk es soweit kommen lassen. Wie Mika bemerkt: da bringen die Deutschen große Dichter und Philosophen hervor, und dann so was. Es ist immer wieder unglaublich, wozu Menschen in der Lage sind.


    Mit seinen Puppen ist Mika ein anderer Mensch, mit ihnen besitzt er einen Mut, den er sonst nicht hätte. Ich habe die Luft angehalten, als er bei seiner Begegnung mit den Soldaten und der alten Frau den Doktor sprechen läßt.


    Dieser krasse Gegensatz zwischen den Zuständen im Ghetto und „Außenwelt“, als Mika das erste Mal mit Max das Ghetto verläßt, ist erschütternd. Und die Erinnerungen an ein besseres Leben müssen überwältigend traurig sein.


    Und dann, als Mika auf die deutschen Soldaten trifft („Der Lärm und der Gestank warfen mich beinahe zurück: Das musste die Höhle des Teufels sein.“), was für ein Schock! Sie entsprechen genau dem Bild, das man sich von Menschen macht, die in der Lage sind, das zu tun, was die deutschen Soldaten eben in Warschau und Ghetto tun. Mich hat es gewundert, daß sie so von dem Puppenspiel angetan sind, ich hatte schon befürchtet, sie würden ihn viel mehr schikanieren. Daß er „nur“ mit Bier abgefüllt wird, damit kommt er beinahe noch glimpflich davon, auch wenn es erniedrigend ist. Der sexuelle Übergriff ist allerdings besonders schändlich – und er muß ihn einfach über sich ergehen lassen, er kann nichts dagegen sagen, weil er in den Augen der Nazis ein Wesen ohne Rechte, vor allem ohne Recht auf Leben ist. Es ist so lange in Ordnung, wie er die Soldaten unterhalten kann, aber danach ist er wieder unwichtig.


    Nur Max sticht etwas aus den Soldaten heraus, bei ihm habe ich das Gefühl, daß er, wenn er die Wahl hätte, nicht das tun würde, was er tun muß. Man möchte als Leser ihn anschreien: „Tu was!“ Aber was kann er groß machen, ohne selbst an die Wand gestellt zu werden? Offen kann er seinen Unmut nicht zeigen, er hat selbst Familie, für die er Verantwortung trägt. Aber ich hoffe, daß er wirklich etwas für Mikas Mutter tun kann. Allerdings sehe ich für den Rest der Familie bzw. Mitbewohner eher schwarz. Ich hatte direkt ein ungutes Gefühl, als Mika das Waisenhaus besucht, was seine Familie angeht.


    Das Schmuggeln der Kinder ist sehr risikoreich und gefährlich für die Kinder selbst, aber wie sieht die Alternative aus? Der sichere Tod – dann besser das Risiko mit dem Schlafmittel eingehen, so besteht wenigstens eine kleine Chance. Daß Mika aber erstmal Angst hat und überlegt, kann ich ebenfalls sehr gut verstehen. Ich weiß nicht, ob ich dafür die Nerven gehabt hätte. Stellt euch mal vor, das Kind wäre erwacht, als er mitten unter den deutschen Soldaten ist?


    Die Szene, als Mika mit seiner „Familie“ abends zusammen sitzt und sie reihum den Prinzen herum gehen lassen und sich dabei Geschichten erzählen, hat mich wieder besonders berührt. Aber auch die Szene mit Kalim oder dem toten Flötenspieler. Aber auch, als die Soldaten die Blumen von Mikas Mutter kaputt machen – natürlich, es sind „nur“ Blumen, wenn man sie mit den Menschenleben vergleicht, aber dennoch wird damit das letzte bisschen Normalität und der Rest von ein wenig schönem zertreten.

    Liebe Grüße

    Karin

  • Ich habe auch eben diesen Teil beendet und ich bin in fast allem eine Meinung mit Dir.



    Das Buch ist weiterhin sehr emotional und bedrückend – und ich empfinde eine große Scham beim Lesen: meine Güte, wie konnte ein Volk es soweit kommen lassen.


    Eine Scham empfinde ich jetzt nicht, denn weder Du noch ich waren hier beteiligt und ganz viele Deutsche eben auch nicht. Man muss immer differenzieren zwischen Armee, in diesem Fall Wehrmacht und der Zivilbevölkerung. Da war es sogar so, dass teilweise die polnische Bevölkerung noch viel schlimmer war. Man darf nie eine ganze Bevölkerung mit ihrer Armee gleichsetzen und wie in jeder Nation gibt es Soldaten, die zu den Menschen gehören, die mit Macht nicht umgehen können. Sie sind hohl und strunzdumm, aber drück ihnen ein Gewehr in die Hand und endlich einmal in ihrem kümmerlichen Leben, sind sie was. Sie, die ansonsten zu blöd wären überhaupt nur ansatzweise in einer leitenden Position zu sein, sehen sich nun als die Herren. Das kann nicht gut gehen, und was da in der Armee war, gehörte nicht unbedingt zur geistigen Elite. Das schlimme daran ist ja, dass auch Hitler ziemlich blöd war und in seinem jämmerlichen Leben auf keinen grüne Zweig kam. Nur als Diktator. Warum die Massen diesem Idioten nachgerannt sind, ist für mich heute noch unverständlich. Dieser braune Schreier, hat nur dumme Parolen von sich gegeben und auch von der deutschen Bevölkerung hatte bei seiner Machtübernahme kaum jemand von den Zivilisten auch nur ansatzweise geahnt wohin das führt. Als es dann klar war, hatten die Nazis schon so viel Macht, dass sich keiner mehr getraut hat den Mund aufzumachen, aus Angst erschossen zu werden.



    Mich hat es gewundert, daß sie so von dem Puppenspiel angetan sind, ich hatte schon befürchtet, sie würden ihn viel mehr schikanieren. Daß er „nur“ mit Bier abgefüllt wird, damit kommt er beinahe noch glimpflich davon, auch wenn es erniedrigend ist.


    Das hat mich allerdings ich gewundert, denn in diesem Truppenlager, war doch eher eine Bierzeltklientel anzutreffen, zumal eh die meisten sturzbesoffen waren. :rollen:



    Der sexuelle Übergriff ist allerdings besonders schändlich – und er muß ihn einfach über sich ergehen lassen, er kann nichts dagegen sagen, weil er in den Augen der Nazis ein Wesen ohne Rechte, vor allem ohne Recht auf Leben ist.


    Das ist auch etwas, was ich niemals verstehen oder nachvollziehen kann. Für diese Scheißkerle waren Juden doch dreckig und sie wollte mit ihnen nichts zu tun haben. Aber immer wieder hört man, dass Frauen vergewaltigt wurden und wie man hier sah, auch vor Jungs nicht zurückgeschreckt wurde. Ist das nicht völlig irrational? Und das gibt es ja überall auf der Welt. Einfach abartig.



    Nur Max sticht etwas aus den Soldaten heraus, bei ihm habe ich das Gefühl, daß er, wenn er die Wahl hätte, nicht das tun würde, was er tun muß. Man möchte als Leser ihn anschreien: „Tu was!“ Aber was kann er groß machen, ohne selbst an die Wand gestellt zu werden?


    Max kann nichts "großes" tun, denn dann würde er, wie du schon richtig festgestellt hast, selbst erschossen werden. Damit ist niemandem geholfen. Lieber habe ich einen lebenden Max, der heimlich helfen kann, als einen toten. Ich glaube nicht, dass Max ein Nazi ist. Max ist Soldat, kein dummer und er sieht ganz genau, was geschieht und dass es unrecht ist, Aber nur so kann er zumindest ein bisschen helfen, aber er kann das nicht offensichtlich machen.
    Mir kam ja schon einmal der Gedanke, dass die Geschichte vom Puppenspieler vielleicht von Max's Sohn erzählt wird, der diese Geschichte wiederum von seinem Vater hörte, aber vielleicht liege ich damit völlig falsch.



    Das Schmuggeln der Kinder ist sehr risikoreich und gefährlich für die Kinder selbst, aber wie sieht die Alternative aus? Der sichere Tod – dann besser das Risiko mit dem Schlafmittel eingehen, so besteht wenigstens eine kleine Chance.


    Da kann ich nur den ehrfürchtig bewundern. Zumal das keine Fiktion ist. Das Leben im Ghetto hing von Kindern ab, die klein genug waren um über Kanalisation und kleine Löcher in Zäunen und Mauern auf die andere Seite zu gelangen und die Menschen im Ghetto mit dem nötigsten zu versorgen und diese Kinder waren sich immer und jederzeit der Gefahr bewusst, welcher sie sich aussetzten.



    Die Szene, als Mika mit seiner „Familie“ abends zusammen sitzt und sie reihum den Prinzen herum gehen lassen und sich dabei Geschichten erzählen, hat mich wieder besonders berührt. Aber auch die Szene mit Kalim oder dem toten Flötenspieler. Aber auch, als die Soldaten die Blumen von Mikas Mutter kaputt machen – natürlich, es sind „nur“ Blumen, wenn man sie mit den Menschenleben vergleicht, aber dennoch wird damit das letzte bisschen Normalität und der Rest von ein wenig schönem zertreten.


    Immer wieder denke ich, dass es ein schlechter Moment ist, um eine Puppe hervorzuholen, weil alles so schrecklich ist, aber immer wieder muss ich erkennen, dass es genau das richtige war. Dieses herumreichen des Prinzen, war toll und für mich hat dieser Prinz mittlerweile eine "Neshema" (eine Seele) in diesem Buch.


  • Eine Scham empfinde ich jetzt nicht, denn weder Du noch ich waren hier beteiligt und ganz viele Deutsche eben auch nicht. Man muss immer differenzieren zwischen Armee, in diesem Fall Wehrmacht und der Zivilbevölkerung.


    Da hast du natürlich recht, das habe ich mir selber auch gesagt, aber dennoch war diesmal dieses Gefühl ziemlich präsent ...



    Das schlimme daran ist ja, dass auch Hitler ziemlich blöd war und in seinem jämmerlichen Leben auf keinen grüne Zweig kam. Nur als Diktator. Warum die Massen diesem Idioten nachgerannt sind, ist für mich heute noch unverständlich. Dieser braune Schreier, hat nur dumme Parolen von sich gegeben und auch von der deutschen Bevölkerung hatte bei seiner Machtübernahme kaum jemand von den Zivilisten auch nur ansatzweise geahnt wohin das führt.


    Das ist auch sowas, was ich in keinster Weise verstehen kann, wie so ein Idiot es soweit bringen konnte.



    Das ist auch etwas, was ich niemals verstehen oder nachvollziehen kann. Für diese Scheißkerle waren Juden doch dreckig und sie wollte mit ihnen nichts zu tun haben. Aber immer wieder hört man, dass Frauen vergewaltigt wurden und wie man hier sah, auch vor Jungs nicht zurückgeschreckt wurde. Ist das nicht völlig irrational? Und das gibt es ja überall auf der Welt. Einfach abartig.


    Widerliche Doppelmoral.



    Max kann nichts "großes" tun, denn dann würde er, wie du schon richtig festgestellt hast, selbst erschossen werden. Damit ist niemandem geholfen. Lieber habe ich einen lebenden Max, der heimlich helfen kann, als einen toten. Ich glaube nicht, dass Max ein Nazi ist. Max ist Soldat, kein dummer und er sieht ganz genau, was geschieht und dass es unrecht ist, Aber nur so kann er zumindest ein bisschen helfen, aber er kann das nicht offensichtlich machen.


    Genauso ist es.



    Mir kam ja schon einmal der Gedanke, dass die Geschichte vom Puppenspieler vielleicht von Max's Sohn erzählt wird, der diese Geschichte wiederum von seinem Vater hörte, aber vielleicht liege ich damit völlig falsch.


    Das hatte ich mir auch schon überlegt.



    Dieses herumreichen des Prinzen, war toll und für mich hat dieser Prinz mittlerweile eine "Neshema" (eine Seele) in diesem Buch.


    So empfinde ich das inzwischen auch, als ob der Prinz eine eigene Seele hat.

    Liebe Grüße

    Karin

  • Ich finde das Buch ist so ungeheuer traurig ...


    Mir tut Mika so leid, er ist in einer völlig ausweglosen Situation.


    Ich kann Max - im Gegensatz zu Euch - gar nicht Positives abgewinnen. Er hat einen 12jährigen Sohn und behandelt einen Judenjungen wie ein Stück Dreck? Alles Ratten - und Max ist auch eine!


    Ich muss das Gelesene jetzt wieder erst einmal sacken lassen, bevor ich mich noch intensiver damit beschäftige. Es ist ein Roman, ich weiß, aber leider ist das ja alles auch in der Realität geschehen - und Schlimmeres!


  • Das ist auch etwas, was ich niemals verstehen oder nachvollziehen kann. Für diese Scheißkerle waren Juden doch dreckig und sie wollte mit ihnen nichts zu tun haben. Aber immer wieder hört man, dass Frauen vergewaltigt wurden und wie man hier sah, auch vor Jungs nicht zurückgeschreckt wurde. Ist das nicht völlig irrational? Und das gibt es ja überall auf der Welt. Einfach abartig.


    Ich glaube beim Sex kommt das Tier im Menschen zu Tage - und wenn man keine Moral und kein Mitgefühl für andere Menschen mehr hat, dann macht man auch vor Jüdinnen und Kindern nicht halt um seine niedersten Gelüste zu befriedigen. Ganz ganz schrecklich!


  • Max kann nichts "großes" tun, denn dann würde er, wie du schon richtig festgestellt hast, selbst erschossen werden. Damit ist niemandem geholfen. Lieber habe ich einen lebenden Max, der heimlich helfen kann, als einen toten. Ich glaube nicht, dass Max ein Nazi ist. Max ist Soldat, kein dummer und er sieht ganz genau, was geschieht und dass es unrecht ist, Aber nur so kann er zumindest ein bisschen helfen, aber er kann das nicht offensichtlich machen.
    Mir kam ja schon einmal der Gedanke, dass die Geschichte vom Puppenspieler vielleicht von Max's Sohn erzählt wird, der diese Geschichte wiederum von seinem Vater hörte, aber vielleicht liege ich damit völlig falsch.


    Aber Max hat Jakob doch erst in diese Situation gebracht. Und er war doch derjenige, der anfangs die alte Frau drangsaliert hat, die Mika mit seinem "Doktor" beschützt hat. Oder sehe ich das anders? Hat Max am Ende so etwas wie ein Gewissen? Falls ja, dann sicher nur um seiner selbst Willen ... ich habe nicht so eine gute Meinung von ihm ...


    Ihr denkt, dass nicht Mika derjenige ist, der die Geschichte in NY seinem Enkel erzählt, sondern Max Sohn? Der Gedanke ist mir überhaupt noch nicht gekommen - glaube ich aber auch nicht ....


  • Aber Max hat Jakob doch erst in diese Situation gebracht. Und er war doch derjenige, der anfangs die alte Frau drangsaliert hat, die Mika mit seinem "Doktor" beschützt hat. Oder sehe ich das anders? Hat Max am Ende so etwas wie ein Gewissen? Falls ja, dann sicher nur um seiner selbst Willen ... ich habe nicht so eine gute Meinung von ihm ...


    Das stimmt, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Mmm.



    Ihr denkt, dass nicht Mika derjenige ist, der die Geschichte in NY seinem Enkel erzählt, sondern Max Sohn? Der Gedanke ist mir überhaupt noch nicht gekommen - glaube ich aber auch nicht ....


    Nein, ich bin nicht davon überzeugt, mir kann nur irgendwann spontan der Gedankte, dass es auch sein könnte. Wartens wir es einfach ab. :smile:

  • Entschuldigt mein verspätestes Weiterlesen, aber an einem Wochenende voller freudiger Ereignisse (Hochzeit) konnte ich so ein trauriges Buch nicht lesen. Aber ich hole das gewiss wieder auf und so weit sind wir alle ja noch nicht. :zwinker:


    Mika kann durch die Puppen das machen, was er sich sonst nicht trauen würde/ dürfte. Das fand ich spannend zu lesen.


    Am meisten verwundert mich folgendes: Warum vergewaltigt man jemanden, den man als abartig ansieht? Normalerweise müsste man sich doch von Menschen, die man als minderwertig empfindet fern halten, oder? (Nichts desto trotz sollte generell niemand vergewaltigt werden, nicht dass ich mich hier blöd ausdrücke)


    Der Unterschied zwischen Ghetto und außerhalb ist krass, aber das wusste ich aus Dokumentationen schon. :entsetzt:


    Max kann ich noch nicht einordnen auf welcher Seite er steht. Wirklich gut kommt er bei mir bisher nicht weg. Mal sehen wie er sich noch so entwickelt...

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)


  • Nur Max sticht etwas aus den Soldaten heraus, bei ihm habe ich das Gefühl, daß er, wenn er die Wahl hätte, nicht das tun würde, was er tun muß. Man möchte als Leser ihn anschreien: „Tu was!“ Aber was kann er groß machen, ohne selbst an die Wand gestellt zu werden?


    Hm ich weiß nicht so recht wie ich Max einstufen soll. Wirklich was machen kann er nicht, da gebe ich dir Recht, denn sonst wäre er schneller tot als er gucken kann. Aber er könnte sich durchaus unauffälliger verhalten. Er muss ja nicht bei allem mitmachen, sondern könnte ruhig daneben stehen. Das hilft zwar keinem, macht es aber auch nicht schlimmer als es schon ist.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)


  • Eine Scham empfinde ich jetzt nicht, denn weder Du noch ich waren hier beteiligt und ganz viele Deutsche eben auch nicht. Man muss immer differenzieren zwischen Armee, in diesem Fall Wehrmacht und der Zivilbevölkerung.


    Mich bestürzt es so etwas zu lesen, aber man sollte sich nach 70 Jahren mal davon frei machen, dass wir Deutschen die Bösen sind, denn sonst wären wir es auf Lebenszeit. Unsere Generation und die unserer Eltern hat in meinen Augen rein gar nichts damit zu tun.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Mich bestürzt es so etwas zu lesen, aber man sollte sich nach 70 Jahren mal davon frei machen, dass wir Deutschen die Bösen sind, denn sonst wären wir es auf Lebenszeit. Unsere Generation und die unserer Eltern hat in meinen Augen rein gar nichts damit zu tun.


    Ich meine auch, dass es so etwas wie "Erbsünde" nicht gibt.


  • Das stimmt, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Mmm.


    Max war aber nicht alleine bei der alten Frau, oder? Da war doch noch ein weiterer Soldat dabei, meine ich. Mich hat es gewundert, daß Max so schnell auf den "Doktor" angesprungen ist - und was wäre die "normale" Reaktion von deutschen Soldaten auf dieses Einmischen gewesen?

    Liebe Grüße

    Karin


  • Mich bestürzt es so etwas zu lesen, aber man sollte sich nach 70 Jahren mal davon frei machen, dass wir Deutschen die Bösen sind, denn sonst wären wir es auf Lebenszeit. Unsere Generation und die unserer Eltern hat in meinen Augen rein gar nichts damit zu tun.


    Nein, unsere Generation und teilweise die Generation unserer Eltern (meine Mutter hat zu der Zeit bereits gelebt) können nichts dafür, das stimmt, aber dennoch empfiinde ich diese Scham beim Lesen, die bei mir im übrigen immer präsenter wird, je älter ich werde. Ich sehe die Deutschen auch nicht als die Bösen an, sondern in der Verantwortung - und die sehe ich bei allen Völkern - so etwas nie wieder zuzulassen. Sensibles Thema, daß sich sehr schwer schriftlich diskutieren läßt.

    Liebe Grüße

    Karin

  • Max war aber nicht alleine bei der alten Frau, oder? Da war doch noch ein weiterer Soldat dabei, meine ich. Mich hat es gewundert, daß Max so schnell auf den "Doktor" angesprungen ist - und was wäre die "normale" Reaktion von deutschen Soldaten auf dieses Einmischen gewesen?


    Nein, da war nur ein Wehrmachtsoldat ( Max ) und 2 polnische Polizisten, die ihm wohl unterstanden.

  • Nein, unsere Generation und teilweise die Generation unserer Eltern (meine Mutter hat zu der Zeit bereits gelebt) können nichts dafür, das stimmt, aber dennoch empfiinde ich diese Scham beim Lesen, die bei mir im übrigen immer präsenter wird, je älter ich werde. Ich sehe die Deutschen auch nicht als die Bösen an, sondern in der Verantwortung - und die sehe ich bei allen Völkern - so etwas nie wieder zuzulassen. Sensibles Thema, daß sich sehr schwer schriftlich diskutieren läßt.


    Ja sicher! In dieser Verantwortung steht jeder Mensch!
    Nicht nur die Deutschen, die Amerikaner - auch z.B. Israelis.
    Alle!
    Für mich beginnt die Verantwortung bei Zivilcourage in gesundem Maß.
    Niemals feige sein, nicht wegsehen, wo Unrecht passiert.

  • Den Roman finde ich auch emotional sehr aufwühlend und bedrückend – gerade weil man weiß, dass die vielen erzählten Details wahr sind und sich vieles genauso zugetragen hat.
    Der Autorin gelingt es hervorragend, uns mit sehr eindringlich geschilderten Episoden das Grauen und Elend des Warschauer Ghettos vor Augen zu führen und die entsetzlichen Details der perfiden deutschen Vernichtungsstrategie zu verdeutlichen.
    Kaum in Worte zu fassen ist das unsägliche Leiden der vielen Kinder und doch schafft sie es mit vielen herzergreifenden Szenen zu zeigen, was Mika da mit seinen Puppen bei ihnen bewirkt und ihnen glückliche Momente schenken kann.
    Mit seinem Spiel wird Mika ein anderer Mensch und wächst über sich hinaus – man spürt förmlich welche Macht von den Puppen ausgeht und sie fast ein Eigenleben zu führen beginnen.
    Sehr faszinierend!


    Nun erfahren wir auch, warum der 31.10. für Mika ein so bedeutsamer Tag war – es war der Stichtag, ab dem er stückchenweise seine Seele verloren hat.
    Wie grauenvoll muss es für den Jungen gewesen sein, mit seinen geliebten Puppen für die deutschen Soldaten auftreten zu müssen und sie bei Laune zu halten.
    Damit sie am nächsten Tag umso besser ihrer „Arbeit“ im Ghetto nachgehen können und die Ratten drangsalieren und töten können.
    Es muss ihm wie ein Verrat seines Volkes vorgekommen sein, mit diesen „Teufeln“ zu kollaborieren und in gewisser Weise sogar davon zu profitieren!


    Eine wirklich grauenvolle Vorstellung und ich kann verstehen, dass Mika aus Scham seiner Mutter nichts darüber erzählen kann und es nur Elli beichtet. Wobei ich mir schon gut vorstellen kann, dass sie grob Bescheid wusste, was Mika da durchmachen musste und deshalb auch nie nachgefragt hat.
    Immerhin kann er schließlich ja auch einiges Gutes bewirken, da er die Möglichkeit hat, die kleinen Kinder aus dem Ghetto zu schmuggeln und Medikamente zu besorgen.
    In gewisser Weise hat er ja noch Glück, dass sie nicht von ihm verlangen, das Spiel speziell auf die Juden und Rassenthematik umzumünzen – das hatte ich nämlich zunächst befürchtet. Sie geben sich mit dem klassischen Kasperltheater und seinen typischen Figuren zufrieden.


    Zitat

    Mich hat es gewundert, daß sie so von dem Puppenspiel angetan sind, ich hatte schon befürchtet, sie würden ihn viel mehr schikanieren. Daß er „nur“ mit Bier abgefüllt wird, damit kommt er beinahe noch glimpflich davon, auch wenn es erniedrigend ist.


    Das hat mich auch sehr gewundert, dass sie so lange Spass an dem simplen Puppenspiel hatten und es nicht leid wurden. Vielleicht hat es ihnen auch ein wenig die Erinnerung an ihr Zuhause zurückgebracht und ein gewisses Heimatgefühl vermittelt.


    Hmm – ich weiß noch nicht so recht, was ich von Max halten soll.
    Mit Max lernen wir nun den typischen Mitläufer kennen. Leute die nach dem Krieg dann behaupten werden, dass sie nie etwas Böses tun wollten, nichts gegen Juden gehabt hätten und nur ihre Pflicht als deutscher Soldat erfüllt hätten.
    Man merkt auch sehr deutlich, dass er etwas anders als die übrigen Soldaten ist, eigentlich nicht hinter Ideologie der Nazis steht und den jungen Mika auch sehr mag.
    Vielleicht hängt es aber auch nur damit zusammen, weil er ihn an seinen Sohn Karl erinnert?
    Er setzt sich immerhin im Rahmen seiner Möglichkeiten für ihn ein und beschützt Mika – was ihn in gewisser Weise schon sympathisch macht.
    Doch wirklich was riskieren kann und will er für den Juden natürlich auch nicht, da er weiß, dass es ihn sein Leben kosten kann. Insofern ist es auch für Max eine schwierige Situation, sich für Mika einzusetzen.


    Nun wird es aber bald für alle Ghettobewohner sehr kritisch werden, denn die erste große Deportationswelle steht bevor…


  • Ich hoffe, daß er wirklich etwas für Mikas Mutter tun kann. Allerdings sehe ich für den Rest der Familie bzw. Mitbewohner eher schwarz. Ich hatte direkt ein ungutes Gefühl, als Mika das Waisenhaus besucht, was seine Familie angeht.


    Ich hatte da auch ein extrem mulmiges Gefühl, denn nach einer Trennung war es fast unmöglich, sich noch einmal zu sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Soldat wie Max die ganze Familie retten kann.
    Vom „Umschlagplatz“ kamen die verschleppten, zusammengetriebenen Juden sofort in die Viehwagons und wurden abtransportiert …



    Daß Mika aber erstmal Angst hat und überlegt, kann ich ebenfalls sehr gut verstehen. Ich weiß nicht, ob ich dafür die Nerven gehabt hätte. Stellt euch mal vor, das Kind wäre erwacht, als er mitten unter den deutschen Soldaten ist?


    Daran habe ich auch die ganze Zeit denken müssen und habe richtig mitgebangt!
    Den Kleinen hat man vorher ja nicht wirklich klar machen können, was auf dem Spiel steht und dass sie unbedingt ruhig bleiben müssen.



    Das stimmt, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Mmm.



    Nein, ich bin nicht davon überzeugt, mir kann nur irgendwann spontan der Gedankte, dass es auch sein könnte. Wartens wir es einfach ab. :smile:


    Ich denke auch, dass Mika seinem Enkel in NY seine Lebensgeschichte und die Geschichte des Mantels erzählt.
    Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Mika im Blizzard wirklich das Plakat gesehen hat und ein Enkel von Max vielleicht tatsächlich das Stück "Der Puppenspieler von Warschau" aufführt und Mikas Geschichte zumindest teilweise nacherzählt.
    So würde sich der Kreis doch schließen ...

  • Hmm – ich weiß noch nicht so recht, was ich von Max halten soll.
    Mit Max lernen wir nun den typischen Mitläufer kennen. Leute die nach dem Krieg dann behaupten werden, dass sie nie etwas Böses tun wollten, nichts gegen Juden gehabt hätten und nur ihre Pflicht als deutscher Soldat erfüllt hätten.
    Man merkt auch sehr deutlich, dass er etwas anders als die übrigen Soldaten ist, eigentlich nicht hinter Ideologie der Nazis steht und den jungen Mika auch sehr mag.
    Vielleicht hängt es aber auch nur damit zusammen, weil er ihn an seinen Sohn Karl erinnert?
    Er setzt sich immerhin im Rahmen seiner Möglichkeiten für ihn ein und beschützt Mika – was ihn in gewisser Weise schon sympathisch macht.
    Doch wirklich was riskieren kann und will er für den Juden natürlich auch nicht, da er weiß, dass es ihn sein Leben kosten kann. Insofern ist es auch für Max eine schwierige Situation, sich für Mika einzusetzen.


    Du beschreibst Max genauso, wie ich ihn auch sehe. Der typische Mitläufer mit einem letzten Fünkchen Gewissen, das er aber nur um seiner selbst willen beruhigen will, indem er mit minimalem Risiko einem einzigen jüdischen Jungen hilft.
    Auf der anderen Seite aber weiß, dass hundertausende getötet werden? Da kann ich beim besten Willen keine Sympathie empfinden!
    Andererseits ist er ja aber auch für Mikas Seelenqualen verantwortlich, denn er hat ihn ja mitgenommen in das Militärquartier um ihn vor den verhassten Peinigern spielen zu lassen. Wäre es nicht humaner gewesen ihn in Ruhe zu lassen?
    Solche wie ihn gab es viele.
    Und Du hast bemerkt, am Ende behaupten alle, sie mussten so handeln. Wirklich?
    Max war alleine mit zwei polnischen Polizisten, als sie die alte Frau drangsaliert haben. Da hätte jemand mit einem Gewissen anders gehandelt.


    All das ist passiert, es ist schrecklich - bis jetzt lese ich das Buch als eine einzige Anklage, einen grauenvollen Erfahrungsbericht. Ich hoffe, ich erfahre später mehr über den älteren Mika und sein Leben nach dem Überleben. Und wie er über Max wirklich denkt - ein Kind ist Mika mit seinen 15 oder 16 Jahren ja nicht mehr. Bin sehr gespannt ...