Selma J. Spieweg - Tod dem Zaren (Boris & Olga 1, Clockwork Cologne)

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 2.093 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Piranhapudel.

  • Russland, 1898: Boris Sergejewitsch ist mit Leib und Seele Soldat und hat sein Leben dem Dienst am Zaren verschrieben. Ihm kommen nicht einmal Zweifel, als er einem geheimen Experiment zugeteilt wird und dort nicht nur seinen Arm sondern auch einen Teil seiner Menschlichkeit verliert. Zurück bei seiner Einheit kann er eines Tages seiner Kompanie nicht mehr folgen und während er auf den Tod wartet, erwecken seine quantenmechanischen Teile das Interesse der 12-jährigen Diebin und Revolutionärin Olga. So beginnt ein Abenteuer, das sie zu einem ungewöhnlichen Team zusammenschweißt – und in dem auch ein Flüchtling eine Rolle spielt, der Zar Nikolaus II. zum Verwechseln ähnlich sieht …


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    Der Einstieg in die Geschichte ist mir leicht gefallen, weil ich die Atmosphäre mochte und von der Tragik gefesselt wurde, die Boris’ Leben begleitet. Alles fühlte sich so nah an, nicht nur die Figuren und ihre Emotionen sondern auch die beschriebenen Landschaften und Szenen. Ich war also schnell mittendrin, an der Seite von Olga und Boris.


    Die erschaffene Welt hat mich sehr fasziniert, diese Mischung aus Realität und Phantasie, in der Mechanik sich manchmal wie Magie anfühlt. Es geht dort rücksichtslos und brutal zu, aber glücklicherweise wurde es für mich nie zu detailliert-blutig. Manche Szenen konnte ich einfach nur noch fassungslos miterleiden – und darauf hoffen, dass sich irgendwie ein Ausweg findet. Als Ausgleich dazu empfand ich die zwischenmenschlichen, freundschaftlichen Szenen. Außerdem gibt es rätselhafte Ereignisse und Zusammenhänge, die sich einem erst später erschließen. Also viel Stoff zum Spekulieren!


    Boris ist hier meine absolute Lieblingsfigur, aber nicht nur wegen meiner Schwäche für tragische Figuren. Er hat sehr intensiv auf mich gewirkt, mit vielfältigen Empfindungen und Unsicherheiten. Außerdem hat mich seine Entwicklung sehr beeindruckt! Ihm wurde ein Teil seiner Menschlichkeit und seines Fühlens genommen, im Lauf der Geschichte entwickelt Boris sich aber wieder zu einem fühlenden Menschen und lässt auch den “einfachen” Soldaten hinter sich.


    Olga mit ihrer Klugheit und Anhänglichkeit mag ich aber auch sehr. Wie könnte man auch nicht? Genau wie Boris erzählt sie ihre Vergangenheit in Rückblenden, so dass ein facettenreiches Bild entsteht und man ihr ein glückliches Ende wünscht.


    Eine Nebenfigur, die es mir sehr angetan hat, ist der Schriftsteller Lew Tolstoi. Aus Sympathie wurde schnell Interesse, denn was er zu erzählen hatte, fand ich sehr spannend. Darum habe ich mir das Glossar auch aufmerksam durchgelesen und überlege sogar, ob ich es nicht mal mit einem Buch von ihm versuche. Auch wenn ich mir bei Klassikern ja nicht soviel zutraue, die Neugier ist jetzt da …


    Besonders gelungen finde ich auch die Schilderung einiger Szenen sowohl aus Boris’ als auch aus Olgas Sicht, denn so wird deutlich, wie unterschiedlich diese von beiden wahrgenommen werden. Daran hatte ich viel Freude – und manchmal musste ich auch darüber grinsen.


    “Tod dem Zaren” war für mich eine vielschichtige und intensive Lektüre mit einer dichten Atmosphäre und so einigen Überraschungen. Ich wurde von vielen Dingen fasziniert und berührt, außerdem hat mich Boris’ Entwicklung sehr beeindruckt. Die mitreißende Geschichte hinterlässt bei mir bleibende Eindrücke und die Vorfreude auf die Fortsetzung. Denn natürlich bin ich neugierig, wie es mit Boris & Olga weitergeht. Und mit dem einen oder anderen angeschnittenem Thema …


    5ratten

  • Steampunk mitten im Ural


    Der gut 50 Jahre alte Boris ist seit seinem sechsten Lebensjahr Soldat des Zaren und ihm treu ergeben. Boris ist der einzig Überlebende eines Experiments, dessen Körper vor Jahren quantenmagisch umgebaut wurde, mit dem Ziel, den perfekten Krieger zu erschaffen. Momentan befindet er sich mit seiner Einheit mitten im Krimkrieg gegen die Osmanen, verliert aber den Anschluss, da seine veränderten Körperfunktionen nicht an die kalten Temperaturen angepasst sind. Bewegungslos wird er von der 12-jährigen Anarchistin Olga gefunden. Das ungleiche Paar hat einen etwas holprigen Start, aber die folgenden Geschehnisse schweißen die beiden immer mehr zusammen.


    Die Romane um Boris und Olga gehören zur Steampunk-Reihe „Clockwork Cologne“, von der ich bereits mit Begeisterung die Bücher von Simone Keil und Susanne Gerdom gelesen haben. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen lässt Selma J. Spieweg ihre Figuren im russischen Zarenreich agieren. Aber es tauchen einige Verbindungen zu Cöln und zu Figuren aus „Der blaue Tod“ auf. Diese Querverbindungen finde ich immer besonders gelungen. Es ist allerdings keine Voraussetzung, die anderen Bücher zum Verständnis dieses Romans gelesen zu haben.


    In diesem ersten Band um den langjährigen Soldaten und die freche kleine Anarchistin kommen die typischen Steampunk-Elemente wie Luftschiffe oder dampfbetriebene Technik eher weniger vor. Der Schwerpunkt liegt auf der Flucht der ungleichen Gruppe durch den Ural nach Perm und in Rückblicken auf dem „Umbau“ von Boris in einen Blauen Krieger. Eine große Rolle spielt dagegen das Blaustein bzw. die blaue Strahlung, der auch die zentrale Energie für Boris' Körper darstellt. Wobei das mit der Energiekartusche und ihre Fähigkeiten nicht so ganz klar wird, ich denke, das wird auch noch Thema in den nächsten Bänden sein.


    Boris ist seit seinem 6. Lebensjahr Soldat des Zaren und führt seither pflichttreu seine Befehle aus, was anderes hat er nie kennengelernt. Eigene Entscheidungen sind ihm fremd, menschliche Nähe ebenfalls. Als Blauer Krieger wird er von den Kameraden gemieden und gefürchtet, daher ist die Aufmerksamkeit und Zuneigung, die ihm Olga entgegenbringt, für ihn absolutes Neuland.


    Olga hat ebenfalls keine leichte Kindheit hinter sich und schlägt sich als Diebin durch das Leben. Sie hat ein sehr großes Herz und viel Empathie, kann aber auch ganz schön frech und mutig sein, außerdem ist sie für ihr Alter ziemlich clever. Sie sieht in Boris den Menschen und behandelt ihn auch dementsprechend.


    Die Gruppe um Boris und Olga vergrößert sich mit der Zeit um doch recht überraschende Zeitgenossen.


    Die Erzählperspektiven wechseln zwischen Boris und Olga ab und die Gegenwartshandlung wird immer wieder durch Rückblenden unterbrochen. Gerade Boris' Erinnerungen an seine Umwandlung zum Blauen Krieger sind erschütternd und oftmals keine leichte Kost. Die Handlung ist am Ende im Großen und Ganzen zwar in sich abgeschlossen, aber es bleiben noch genügend Fragen, auf deren Beantwortung ich mich im zweiten Teil sehr freue.


    5ratten

    Liebe Grüße

    Karin

  • Klappentext:
    Die humorvolle und rührende Geschichte über die Freundschaft zweier Außenseiter in einer kalten Welt. Russland 1897: Boris Sergejewitsch ist Soldat, ein treuer Untertan des Zaren. Seit 44 Jahren kämpft er jede Schlacht für Nikolaus II., und es käme ihm nie in den Sinn, einen Befehl zu verweigern. Selbst dann nicht, als er einem geheimen Experiment zugeteilt wird, bei dem eine unbesiegbare Armee aus Blauen Kriegern erschaffen werden soll, Soldaten, die halb Mensch, halb Maschine sind. Das Projekt entpuppt sich als totaler Fehlschlag. Boris verliert seinen rechten Arm, seine Gesundheit und einen Teil seiner Menschlichkeit. Man schickt ihn zurück zu seiner Einheit. Eines Tages kann Boris seiner Kompanie nicht mehr folgen und wird zurückgelassen. Die quantenmagische Energiequelle, die den mechanischen Teil seines Körpers antreibt, erweckt das Interesse von Olga, einer 12-jährigen Diebin. Zur Bewegungsunfähigkeit verdammt muss er mit ansehen, wie Olga versucht, ihn auseinanderzubauen. Der zu Tode erschöpfte und desillusionierte Boris hätte vielleicht noch akzeptieren können, auf diese Art zu sterben, nicht jedoch, dass die wertvolle Energiequelle ausgerechnet in die Hände von verräterischen Aufständischen fällt, denn Olga macht aus ihrer Gesinnung keinen Hehl. Aber „Tod dem Zaren!“ ist eine Parole, die man niemals in Boris’ Gegenwart aussprechen sollte. Mit anderen Worten: Ihre erste Begegnung stand unter keinem guten Stern. Ebenso wenig die zweite …


    Informationen:
    Das Buch ist Teil der Steampunkt Welt „Clockwork Cologne“, die von den drei Autorinnen Susanne Gerdom, Simone Keil und Selma J. Spieweg geschaffen wurde. Für das Verständnis des Buches muss man die Bücher der anderen Autorinnen nicht kennen. Allerdings ist es spannend und interessant zu sehen, was die jeweilige Autorin aus der Welt „gemacht“ hat und welche Überschneidungspunkte die Bücher bieten.


    Inhalt:
    Dies ist der erste von insgesamt drei geplanten Bänden über Boris & Olga. Boris ist ein Soldat, der seit seinem 6. Lebensjahr nichts anderes gemacht hat, als für Russland und den Zaren zu kämpfen. In einem geheimen Experiment werden ihm verschiedene Körperteile entfernt und diese durch Maschinen ersetzte, um aus ihm (und seinesgleichen) eine unbesiegbare Armee zu machen. Aber etwas geht schief und so ist Boris der einzig Überlebende. Er trifft auf das 8jährige Waisenkind Olga, eine gewitzte Diebin, die versucht in der harten Welt über die Runden zu kommen und obwohl die beiden viele Ansichten und Erfahrungen trennen, vereint sie doch der Wunsch nach einem zu Hause und einer Person, der sie vertrauen können.
    Aber erst mal müssen sie jede Menge Abenteuer überstehen: Gefangenschaften, Trennungen, falsche Verbündete und solche, die sich als solche ausgeben. Eine kleine Gruppe findet sich zusammen, die eine gefahrenvolle Reise durch das eiskalte Russland begeht.


    Meine Meinung:
    Ich habe bereits die anderen Bücher aus der Clockwork Cologne Reihe gelesen und muss sagen, dass dieses Buch perfekt in die Welt passt. Auch wenn die klassischen Steampunk-Elemente „nur“ durch Boris in Szene gesetzt werden, passt die Geschichte einfach sehr gut zu den bisherigen Romanen. Durch einen häufigen Wechsel der Erzählperspektive gelingt es Selma J. Spieweg den beiden Hauptpersonen eine Tiefe zu verleihen und ihren Charakter besonders gut darzustellen. Auch die anderen Personen werden durch diesen Perspektivwechsel sehr gut ausgeleuchtet und bleiben nicht oberflächlich. Mir gefällt besonders gut, dass der Soldat Boris auch als gebrochene Person dargestellt wird, der stark mit seinen eigenen psychischen Belastungen kämpfen muss. Eine m.E. sehr realistische Einschätzung des Soldatentums. Aber auch ein sehr feiner Humor kommt zum Vorschein, so dass das Buch nicht nur schwere Kost ist, sondern man das ein oder andere Mal lachend die Seiten umblättern kann.
    Das Buch erhält eine absolute Leseempfehlung – auch und gerade für „Einsteiger“ in den Steampunk bestens geeignet!
    5ratten

  • Boris und Olga, zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten

    Letztes Jahr im Winter habe ich die ersten Bücher aus der Clockwork Cologne-Welt gelesen, und zwar die Reihe um Magnus von Susanne Gerdom. Nun, nicht ganz ein Jahr später, aber der Sommer ist leider während der Lektüre so langsam verschwunden, habe ich endlich weiter gelesen und das hätte ich schon viel früher tun sollen! Diesmal las ich die Reihe um Boris und Olga von Selma J. Spieweg, die passend zum Temperaturabfall in unserer Welt im verschneiten und eiskalten Russland spielt. Das Setting ist hier also ein ganz anderes, die Steampunk-Welt erkennt man aber zweifellos wieder und genügend Verbindungen zu Cöln sind selbstverständlich auch vorhanden. Clockwork Cologne ist eine Steampunk-Reihe von Simone Keil, Susanne Gerdom und Selma J. Spieweg. Die drei Autorinnen schreiben jeweils eigene Reihen mit ihren eigenen Figuren, verknüpfen diese allerdings auch immer mal wieder miteinander. Diese Bücher können auch unabhängig voneinander gelesen werden, dennoch hoffe ich, dass es jeden Leser wie mir ergehen wird: Nach der Lektüre eines Buches wollte ich unbedingt noch mehr Abenteuer in dieser Welt erleben.


    "Tod dem Zaren" begleitet den älteren Soldaten Boris, der es irgendwie geschafft hat rund 40 Jahre im Krieg zu überleben, und das kleine Mädchen Olga, das ständig „Tod dem Zaren“ schreit, frech und humorvoll durch die Gegend flitzt und sehr ehrenhaft alles stiehlt, was sie in die Finger bekommt. Obwohl sie beide heimatlos sind und in derselben Welt wohnen, könnten diese beiden Personen nicht unterschiedlicher sein. Und doch treffen sie sich immer wieder. Zusammen versuchen sie in der eiskalten Einsamkeit zu überleben, müssen vor Aasgeiern flüchten, die den Krieg ausnutzen, um verlorene Menschen auszubeuten, und treffen plötzlich auf den Zaren selbst. Oder doch nicht?


    Die Geschichte wird abwechselnd aus den Sichtweisen von Boris und Olga erzählt, was manchmal unglaublich putzige und witzige Missverständnisse aufdeckt. Kleine Szenen werden nämlich hintereinander aus beiden Perspektiven erzählt. Das klingt erst mal so, als wären es unnötige Wiederholungen, dies hat für mich allerdings den Charme dieser Geschichte ausgemacht. Boris und Olga verstehen sich den Großteil der Geschichte über ganz und gar nicht. Wie denn auch? Boris ist, seit er denken kann, ein Soldat des Zaren und dient ihm treu, Olga hingegen scheint eine Gegnerin des Zaren zu sein. Zudem haben beide viele Momente ihres Lebens einsam verbracht, mussten sich allein durchkämpfen und sind es gar nicht gewohnt Beziehungen zu anderen aufzubauen. Boris‘ Überlebensglück macht ihn bei seinen Kollegen überhaupt nicht beliebt, er wird hingegen sogar gefürchtet, und Olga hatte nicht das Glück mit Liebe aufzuwachsen. Das wirkt sich auch auf die Handlungen der beiden aus. Boris ist ständig ruppig und weiß gar nicht so recht, was er machen soll, wenn es sich nicht um Marschbefehle oder ähnliches handelt; und Olga ist ständig auf der Suche nach ein bisschen Zuneigung und Geborgenheit. Ist so ein eingefleischter Soldat da wirklich das richtige Ziel?


    "Tod dem Zaren" ist mal wieder ein Buch, an dem man richtige Charakterstudien durchführen könnte, aber das ist natürlich noch lange nicht alles. Die Handlung und die Steampunk-Elemente sind mindestens genauso spannend. Boris beispielsweise kann man gar nicht mehr wirklich als Menschen bezeichnen, denn er musste sich als „Freiwilliger“ zur Verfügung stellen, um neue Entwicklungen der Quantenmechanik an ihm testen zu lassen. Ein Arm ist nun mechanisch, zudem leuchtet er blau und glücklich ist er damit garantiert nicht. Zudem gibt es Gerüchte über eine Zeitmaschine oder nur die Pläne dafür, die natürlich äußerst begehrt sind. Boris und Olga treffen auf ihrer Reise auf die unglaublichsten Leute und erleben Dinge, die langsam ein großes und spannendes Ganzes ergeben.


    Selma J. Spieweg hat mit diesem Reihenauftakt eine Geschichte geschaffen, die eine ganz andere, aber genauso tolle Atmosphäre wie die anderen Clockwork Cologne-Bücher hat. Das Lesen und das Zusammenpuzzeln aller Handlungen und Zusammenhänge haben Spaß gemacht und ich freue mich nun auf den zweiten Band "Die Zeitmaschine des Arabers".


    :tipp: