Ralf Rothmann - Im Frühling sterben. Suhrkamp Verlag. 234 Seiten.
Eine Lesung im Frankfurter Literaturhaus. Mit Hubert Spiegel (FAZ) als Moderator.
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Es gibt Bücher, die sich nur sinnvoll zusammenfassen lassen, wenn man große Teile ihre Inhalts verrät. Dieses Buch gehört dazu. Wer das nicht möchte, der höre hier auf zu lesen und greife zu einem gut lesbaren Buch, das den 2. Weltkrieg thematisiert, ohne auch nur eine Sekunde lang abgedroschen zu wirken. Alle anderen mögen nun weiterlesen.
Rothmann, Jahrgang 53, hat den zweiten Weltkrieg nicht persönlich erlebt. Sein Vater wurde jedoch mit 17 Jahren zur SS zwangsrekrutiert. In den letzten Kriegsmonaten im Jahr 1945 wurden in vielen Orten Schleswig-Holsteins noch einmal die letzten Reserven eines längst verlorenen Krieges mobilisiert. Man lud die Dorfbewohner in eine Kneipe ein und es gab Freibier. Im Anschluss wurden alle wehrfähigen Männer einkassiert und nach einer dreiwöchigen verkürzten Grundausbildung an die Front geschickt. Rothmann bat seinen Vater, der nach dem Krieg als Bergmann tätig war, später an Krebs erkrankte und Alkoholiker wurde, seine Kriegserlebnisse in einer Kladde zu notieren. Diese Kladde blieb weitgehend leer und er entgegnete nur "Du bist der Schriftsteller." Nun erzählt Rothmann die Geschichte seines Vaters, wobei es sich hier um einen Roman handelt. Rothmann betont, dass er viele der verarbeiteten Geschichten tatsächlich von Kriegsteilnehmern erzählt bekommen habe. Aber auf diese Art der Wahrheit kommt es in einem Buch m.E. gar nicht an.
Nach einer kurzen Einleitung aus der Jetztzeit mit dem Vater und Sohn, taucht der Roman in die letzten Kriegstage ein. Es ist die Geschichte von Walter Urban und Friedrich, genannt Fiete, Caroli; zwei 17jährige befreundete Jungen, die zur SS im Februar 1945 zwangsrekrutiert werden. Während Walter Dienst in einer Versorgungseinheit hinter der Front leisten muss, wird Fiete an die ungarische Front geschickt und dort nach kurzer Zeit mit einem Splitter an der Schulter verletzt. Er landet darauf hin in der Versorgungseinheit von Walter, in der er nach Genesung wieder zurück an die Front geschickt werden soll. Die Erlebnisse haben aber Fiete so traumatisiert, dass er beschließt zu desertieren. Er wird von Feldjägern gestellt und anschließend zum Tode verurteilt. Mit eindrücklichen Worten erzählt Rothmann, dass Walter den Kommandanten bittet, dass Todesurteil nicht zu vollstrecken. Doch es kommt noch schlimmer. Der Kommandant steckt Walter in die Reihe der Todesschützen. Am Abend zuvor darf Walter seinen Freund noch einmal in der Zelle besuchen, ohne dass dieser weiß, dass sein Freund ihn am nächsten Morgen erschießen wird. Auch wenn man in der Ferne schon Kanonendonner hört, ist die Hoffnung, dass die Russen bis zum Morgen so weit vorrücken, doch nicht sehr groß. Rothmann liest die Szene in der Zelle, eine einfache, eindrückliche Sprache, die erstummen lässt. Spannend, emotionsgeladen und eben noch nicht tausendmal erzählt. Über die eigentliche Handlung hinaus gibt es noch eine Metaebene, die sich mit Schuld und der Vererbung von Traumata an die nachfolgende Generation befasst.
Ein Buch, welches man lesen muss. Da ist sich auch die Kritik einig.
Gruß, Thomas