Emily St.John Mandel - Das Licht der letzten Tage

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  • Emily St.John Mandel - "Das Licht der letzten Tage" - PIPER


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    Toronto
    Mit Shakespeare fängt alles an..

    Der Schauspieler Arthur Leander stirbt auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Schneller als King Lear sein Land in Chaos und Ödnis zurücklässt, greift er sich ans Herz und spürt den letzten Schlag. Ein ehemaliger Journalist erkennt die Anzeichen und stürmt die Bühne und versucht Arthurs Leben zu retten, Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung nützen leider nichts mehr, sehr zum Entsetzen der kleinen Kirsten, die eine Kinderrolle in dem Stück hat. Sie spielt die Cordelia.
    ---
    Bis dahin weiß noch niemand, das ein gefählicher Virus im Anmarsch ist. Den Flug Moskau/Toronto überlebt niemand. Die georgische Grippe ist wie eine Sintflut, fast alle rafft sie dahin, pandämische Ausmaße, 48 Stunden, denen fast keiner entfliehen kann.
    Die verschneite Autobahn ist verstopft, der Flugverkehr wird eingestellt, Schiffe liegen nutzlos im Hafen, wie im Trockendock. Die Situation spitzt sich zu, verlassene Geschäfte und Häuser verleiten zu Plünderungen, eine Polizei gibt es nicht mehr, Überlebende sind auf sich gestellt. Allein. Da nichts mehr auf der Erde so ist, wie vor wenigen Tagen, beginnt eine neue Zeitrechnung, die wieder bei 0 beginnt. Alle, denen das Virus nichts anhaben konnte, besteht eine schwierige Zeit bevor, bedrohlich und auch gefährlich. Durchkämpfen heisst die Devise. Kirsten hat drei Messer und jede Menge Talent um sich zu beschützen. Sie schließt sich einer Schauspielgruppe an, der fahrenden Symphonie. Manchmal gelangt das "reisende Volk" an Orte, ähnlich wie dem "Wilden Westen". Der Stärkere hat das Sagen und selbsternannte Propheten streuen falsche Hoffnung auf die Angst.


    Die Welt macht das Licht aus - im Sinne des Wortes. Elektrizität, Internet, Autos, Flugzeuge, all das gehört der Vergangenheit an. Smartphones und Spielekonsolen haben nur noch nostalgischen Wert, die eigene Kreativität ist wieder gefragt.
    Der Sternenhimmel, ist das einzige Licht in der Nacht, die Sehnsucht ist groß.


    Unterhaltsame Endzeitlektüre, Spannung gemischt mit Poesie, ein Leseerlebnis, das zum Nachdenken anregt.
    Die Welt ist kein beständiger Ort, das hat William Shakespeare schon gewusst..


    “This cold night will turn us all to fools and madmen.”
    ― William Shakespeare, King Lear


    Zitat aus: "Das unentdeckte Land"
    Chekov: Welchen Kurs, Captain?
    Kirk: "Der zweite Stern von rechts. Bis zum Morgengrauen."


    4ratten

    Einmal editiert, zuletzt von SABO ()

  • Rezension ,,Das Licht der letzten Tage" von Emily St. John Mandel


    ,,Das Licht der letzten Tage" ist ein in Amerika schon sehr bekanntes Buch und ist nun in Deutsch übersetzt worden. Es ist mit 416 Seiten am 14.09.15 im Piper Verlag erschienen.


    Inhalt:
    Niemand konnte ahnen, wie zerbrechlich unsere Welt ist. Ein Wimpernschlag, und sie ging unter. Doch selbst jetzt, während das Licht der letzten Tage langsam schwindet, geben die Überlebenden nicht auf. Sie haben nicht vergessen, wie wunderschön die Welt war. Sie vermissen all das, was einst so wundervoll und selbstverständlich war, und sie weigern sich zu akzeptieren, dass alles für immer verloren sein soll. Auf ihrem Weg werden sie von Hoffnung geleitet – und Zuversicht. Denn selbst das schwächste Licht erhellt die Dunkelheit. Immer. (Klappentext)


    Autorin:
    Emily St. John Mandel wurde 1979 geboren und wuchs an der Westküste von British Columbia in Kanada auf. Sie studierte zeitgenössischen Tanz in Toronto und lebte für eine Weile in Montreal, bevor sie in New York begann für das literarische Online-Magazin „The Millions“ zu schreiben. „Das Licht der letzen Tage“ stand auf der Shortlist des National Book Award, einem der renommiertesten Literaturpreise der USA, und monatelang auf der New-York-Times-Bestsellerliste. (Autoreninfo)


    Cover:
    Das Cover gefällt mir gut. Es zeigt einen tollen Farbverlauf, von rosa bis dunkelblau und sieht einfach schön aus und passt zum Buch.


    Charaktere:
    Die Charaktere sind unterschiedlich. Wir starten am Anfang mit Arthur.
    Arthur ist Schauspieler und spielt unteranderem bei der Aufführung zu ,,König Lear" Von Shakespeare mit.
    Es ist ein typischer berühmter Kerl, der durch den Erfolg auch viel Pech in seinem Privatleben hat. So hatte er mehrere Frauen und ist mehrfach geschieden. Zu ihm konnte ich keine Bindung aufbauen, da er mir einfach nicht so sympathisch erschien.


    Kirsten ist auch eine normale, junge Schauspielerin vor der Apokalypse. Nach der Apokalypse zieht sie mit verschiedenen weiteren Schauspielern und Musikern durch die Gegend und sie gründen die ,,Fahrende Symphonie", wo sie dann an verschiedenen Stellen auftreten, als wäre alles noch normal.


    Die anderen Charaktere sind auch ganz gut ausgearbeitet. Der Prophet hat mir fast am besten gefallen, weil er Spannung ins Buch gebracht hat und man einfach nicht wusste, was er für Ziele verfolgt.


    Meine Meinung:
    Ehrlich gesagt hatte ich etwas anderes erwartet. Bei Postapokalypsen reizt es mich besonders zu sehen, wie die Menschen überleben, also wie sie sich selbst versorgen.
    Diesen Aspekt konnte das Buch nur teilweise erfüllen. Oft gab es viele Beschreibungen und Erzählungen zum Thema Theater und Comic. Zwei Themen, die mir fast gar nicht zusagen, da ich auch nichts damit zutun habe..


    ,,Die Grippe war damals wie eine Neutronenbombe auf der Erde explodiert, es folgte eine Schockwelle - die ersten unsäglichen Jahre, als alle sich auf Wanderschaft begaben, bis den Leuten klar wurde, dass es keinen Ort auf der Welt gab, an dem das Leben so weiterging wie zuvor, und sie sich irgendwo ansiedelten und sich zur Sicherheit zu Gruppen zusammenschlossen, in Raststätten und ehemaligen Restaurants und alten Motels." S.49


    Das Buch spielt fast die meiste Zeit in der Vergangenheit, also wie Arthur beispielsweise die erste Ehefrau kennenlernt, wie es zur nächsten kommt und wie es schließlich zum Tod kommt. Das fand ich auch streckenweise ziemlich langatmig, sodass ich froh war, wenn mal wieder ein interessanter Aspekt oder etwas spannendes kam.
    Oft hat mich nur der Schreibstil am lesen gehalten, denn der ist echt wundervoll. Schön und tragisch zugleich wird die ,,kaputte Welt" beschrieben.


    Komisch fand ich auch teilweise die Bezeichnungen der Personen..


    ,,Die Klarinette ging träge eine Serie von Yogapositionen durch.
    [...] rief die erste Flöte" S.161


    Idee und Thematik an sich finde ich spannend. Ich verstehe nur nicht, wieso die Autorin es so umgesetzt hat. Oft hat mir der Sinn gefehlt. Wieso ist das nun so? Was will die Autorin damit erreichen?
    Das hat mich leider im Dunkeln stehen lassen...
    Entpuppen tut es sich in ganz viel Drama, Lebensgeschichte und versuchter Melancholie.
    Vielleicht wollte die Autorin auch einfach nur zeigen, dass die Menschen am Leben festhalten und versuchen so schön zu leben, wie es nur geht.. Auch das hätte man anders umsetzten können.


    Letztendlich konnte mich das Buch nicht überzeugen. Die Idee von diesem Postapokalyptischen Roman gefällt mir eigentlich ganz gut, die Umsetzung finde ich aber nicht sehr gelungen.
    Ich kann auch nicht verstehen, wieso George R. R. Martin das Buch im Klappentext in den Himmel lobt...
    Möglicherweise lag es auch einfach nur daran, dass ich mit ,,Die Welt, wie wir sie kannten" und mit ,,Die Straße" schon so wunderbare, tolle Romane gelesen habe, dass ich zu hohe Erwartungen gestellt habe.
    Erwartet habe ich aber auf jeden Fall nicht, dass Theater und Comic so eine große Rolle spielen...
    Dennoch lesenswert.. groß empfehlen würde ich es aber nicht.


    3ratten

  • Meine Meinung:


    "Station Eleven", wie "Das Licht der letzten Tage" im englischen Original heißt, hat durch unglaublich viele begeisterte Stimmen bereits viel Staub aufgewirbelt. Auch die deutsche Ausgabe ist mit einer Kurzrezension von George R.R. Martin ausgestattet, das kann die Erwartungen doch nur in die Höhe schnellen lassen. Poetischer Schreibstil, interessante Erzählweise, ein Buch, das es so noch nicht gab. All das wird versprochen. Keine Frage: Ein tolles Buch habe ich mit "Das Licht der letzten Tage" tatsächlich gelesen, meine Welt hat es durch seine Großartigkeit allerdings nicht verändert.


    Der Einstieg in diese Geschichte erfolgt mit einer Theateraufführung von King Lear. Shakespeare wird bis zum Ende eine wichtige Rolle spielen, genauso wie dieser Abend, der immer wieder auftauchen wird und der Personen einführt, um die es sich später immer wieder drehen wird. Dieser Abend ist allerdings nicht nur durch die Ereignisse bei der Aufführung bedeutend, sondern auch, weil zur gleichen Zeit der Beginn der Epidemie angesetzt werden kann. Die Georgische Grippe hat sich rasend schnell auf der ganzen Welt verbreitet, innerhalb von Stunden gibt es kein Krankenhaus mehr, das nicht unter Quarantäne steht, und man steckt sich schneller an als man ins Auto steigen könnte. Das sowieso nichts mehr nützen würde, weil die Straßen sofort verstopfen oder weil man innerhalb von ein paar Stunden an der Grippe stirbt.


    "Das Licht der letzten Tage" ist allerdings nicht nur ein post-apokalyptischer Roman, mindestens die Hälfte der Seiten spielt in der Vergangenheit, die restlichen Seite zeigen die Welt im Jahre 20 nach der Epidemie. Eine nicht lineare Erzählweise ist das, was dieses Buch auszeichnet. Die Autorin springt hier hin und her, mal ins Jahr 20, dann wieder in zum Tag der Apokalypse oder auch noch weiter zurück. Auf den ersten Blick folgt dies keinem deutlichen Muster, bereitet aber ganz viel Lesegenuss, weil sich Beziehungen und Zusammenhänge dadurch ziemlich verknoten und nur langsam auflösen. Das Spekulieren darüber, wer nun was in der neuen Welt macht oder ob überhaupt und was das denn alles mit all den Ereignissen und Beziehungen in der Vergangenheit zu tun hat, haben mir hier am allermeisten Spaß gemacht. Der Schreibstil, der tatsächlich sehr schön ist, trägt natürlich auch dazu bei. Als poetisch würde ich ihn dennoch nicht beschreiben. Natürlich gibt es poetische und schön klingende Sätze, diese herrschen allerdings nicht vor. Viele Abschnitte enthalten auch bloß viele kurze Sätze aneinander, die eher hektisch und abgehackt wirken.


    Am ausdrucksstärksten empfand ich hier die Atmosphäre, egal in welcher Zeit sich die Geschichte gerade aufhielt. Die Hilflosigkeit und Leere im Jahre 20, die durch die Fahrende Symphonie, die Konzerte und Shakespeare-Aufführungen gibt, wieder Hoffnung und ein wenig Licht bekommen. Das Leben eines berühmten Schauspielers in der Vergangenheit, der mehrere Leben beeinflusst. Eine Sekte in der neuen Welt, die noch mehr manipuliert. All dies wird eindrücklich beschrieben und bereichert durch einige tiefgängige Charaktere, aber auch andere, zu denen ich bis zum Schluss keinen rechten Zugang finden konnte.


    Ein bisschen hält dieses Buch schon, was die vielen begeistern Meinungen versprechen: Es ist in jedem Fall ein besonderes Buch, das meine Erinnerung nicht mehr verlassen wird.


    4ratten

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    Das Buch:
    Diese abendliche Vorstellung von "König Lear" werden weder Schauspieler noch Publikum so schnell vergessen: Hauptdarsteller Arthur Leander stirbt während der Aufführung - und noch am selben Abend wird Toronto und der Rest der Welt von der Georgischen Grippe heimgesucht, einer hochansteckenden und in den meisten Fällen tödlich endenden Epidemie.
    20 Jahre später zieht Kirsten Raymonde, eine der damaligen Kinderschauspielerinnen, mit einer Gruppe von Schauspielern und Musikern durch die verwüsteten Landen, um den Menschen etwas Ablenkung vom oft gefährlichen und deprimierenden Alltag nach der Katastrophe zu bringen. Kirsten beobachtet, wie die Menschen entweder langsam wieder Fuß fassen oder aber immer noch ihrem alten Leben und der untergegangenen Welt nachtrauern.
    Sie selbst hat in der "Travelling Symphony" eine Art Ersatzfamilie gefunden und hofft, durch ihre Tourneen auf bisher unentdeckte Reste der Zivilisation zu stoßen. Vielleicht gibt es Städte, in denen wieder Elektrizität existiert? Doch durch die Begegnung mit einem selbsternannten Propheten geraten die Künstler in Lebensgefahr...


    Meine Meinung:
    Ich habe "Station Eleven" vor einem Jahr zum ersten Mal gelesen und war begeistert über den geschickt konstruierten Aufbau und die sich immer wieder kreuzenden Handlungsstränge, auch wenn ich nicht allen Protagonisten das gleiche Interesse entgegenbringen konnte.
    Die wichtigsten Personen, denen man in einem Zeitraum von 20 Jahren begegnet, sind Schauspieler Arthur Leander, seine Exfrau Miranda, ein angehender Rettungssanitäter, der vergeblich versucht, Arthur wiederzubeleben und Kirsten, die als Kind mit Arthur auf der Bühne stand und nun, 20 Jahre später, mit einer Truppe von Schauspielern und Musikern durchs Land zieht, um Shakespeares Stücke aufzuführen.
    Die Autorin wechselt nicht nur zwischen den unterschiedlichen Perspektiven, sondern auch den Zeiten. Der Leser erhält so viele Momentaufnahmen vor, während und nach Ausbruch der Epidemie.
    Arthurs Versuche, als Schauspieler Fuß zu fassen und seine wiederholtes Scheitern, dauerhaftes privates Glück zu finden charakterisiert die Szenen, die vor Ausbruch der "Georgischen Grippe" spielen. Seine Exfrau Miranda findet Halt in ihrem Projekt, einem post-apokalyptischen Comic namens "Station Eleven", der nach Untergang der Erde auf einem fremden Planeten spielt.
    In der Gegenwart gehört dieser Comic zu Kirstens wichtigsten Besitztümern, die ihr nach der Flucht vor der Epidemie noch verblieben sind. "Station Eleven", den sie von Arthur geschenkt bekam, erinnert sie an ihr Leben vor der Katastrophe; gleichzeitig identifiziert sie sich mit den Menschen im Comic, die ebenfalls ihr altes Leben hinter sich lassen mussten und sich immer noch nicht ganz an die neuen Lebensumstände gewöhnen können.
    Durch Jeevan Chaudhary, den geheimnisvollen Theaterbesucher, der vergeblich versucht den sterbenden Arthur wiederzubeleben, bekommt man den Ausbruch der Epidemie hautnah mit. Diese Szenen sind sehr beklemmend; es gelingt der Autorin gut, die Gefühle der Menschen auszudrücken, die mitten in der Katastrophe drinstecken: Angst, Panik, Bewältigungsversuche, Hoffnung und schließlich Hoffnungslosigkeit, als zuletzt immer mehr Ressourcen wie Elektrizität und Nahrungsmittel wegbrechen.
    Solche Katastrophenszenarien gehren nicht zu meinem üblichen Lesemuster. Mir haben vor allem die menschlichen Geschichten um die Epidemie herum gefallen, das "ganz normale" Leben wie wir es kennen vor Ausbruch der Georgischen Grippe sowie die Bewältigungsversuche von Kirsten und ihren Freunden und Kollegen in der Symphonie. Da gibt es neben der Angst vor Überfällen oder der Ungewissheit, wie sie im nächsten Dorf empfangen werden auch die üblichen Eifersüchteleien und Kabbeleien wegen Rollen, Instrumenten oder Liebschaften untereinander. Durch Kirstens Augen lernt man verschiedene Möglichkeiten kennen, wie sich die Menschen nach der Epidemie wieder eingerichtet haben.
    Auf der Suche nach früheren Freunden, die sich mit ihrer Familie an einem Ort niedergelassen haben, begegnet die Symphonie einem selbsternannten Prophet en und seinen Anhängern. Hier hat die Autorin eine Figur geschaffen, die man wunderbar hassen und alle negativen Gefühle rauslassen kann :breitgrins:. Gleichzeitig zeigt sie aber auch, dass gerade in Zeiten großer Verunsicherung solche Leute Hochkonjunktur haben, weil viele Menschen nach Orientierung suchen oder nach Möglichkeiten, das Erlebte verstehen und irgendwie einordnen zu können.
    Spannend fand ich auch, dass gerade die Kultur für viele Menschen diese Rolle einnehmen kann: Die Symphonie wird gerade durch ihren "Auftrag", den Menschen Shakespeares Stücke und klassische Musik näher zu bringen, zusammengehalten. Oder Kirsten, der ein 20 Jahre altes Comicheft Halt und Trost gibt.

    Obwohl mich "Das Licht der letzten Tage/Station Eleven" beim zweiten Lesen nicht so restlos begeistern konnte wie beim ersten Mal (der Aufbau des Buches lebt auch von geheimnisvollen Andeutungen und Zusammenhängen, die vom Leser enträtselt werden wollen - diese Spannung fällt natürlich weg, wenn man das Buch schon mal gelesen hat) halte ich es immer noch für ein außergewöhnliches und sehr gelungenes Buch, dem ich viele Leser wünsche.
    Auch wer mit den üblichen Sci-Fi-Geschichten nicht viel anfangen kann, wird hier dennoch auf seine Kosten kommen, da vor dem Hintergrund der Katastrophe doch die menschlichen Geschichten die Hauptrolle spielen.
    4ratten

  • Als Arthur Leander vor den Augen seiner Kollegen während einer Shakespeare-Aufführung im Theater tot zusammenbricht, versucht der im Publikum sitzende Rettungsassistent Jeevan vergeblich, den Schauspieler ins Leben zurückzuholen. Damit sind schon die Grundsteine für die spätere Handlung gelegt, denn einige von diesen Menschen und ihre Familien - selbst Shakespeare - spielen noch wichtige Rollen. Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass kurz danach innerhalb weniger Tage fast die gesamte Weltbevölkerung von einer Pandemie ausgerottet sein wird. Zwanzig Jahre später zieht ein Schauspielerensemble samt Orchester durchs fast menschenleere Land und gibt Shakespeare-Stücke. Eines der Mitglieder ist Kirsten, die damals den Tod von Arthur auf der Bühne miterlebte. Viel ist ihnen nicht geblieben, aber Kirsten besitzt aus der alten Zeit noch zwei Comic-Hefte, die sie wie einen Schatz hütet. Diese beiden Hefte sind das Verbindungsglied zwischen der alten und der neuen Welt, den Schauspielern von damals und heute.


    An den häufigen Wechsel zwischen den Tagen vor und nach der Pandemie muss man sich erst gewöhnen. Neben den Ereignissen im Jahr 20 wird Arthurs Werdegang als Schauspieler und sein Leben als Ehemann nachvollzogen, außerdem werden auch die Erlebnisse mancher Protagonisten während der unmittelbaren Gefahr durch die Grippewelle geschildert. Die Handlungsstränge sind aber gleichermaßen spannend, weil immer mehr Zusammenhänge zwischen diesen drei Zeitebenen erkennbar werden. Deshalb kann man das Buch auch nicht als reine Dystopie bezeichnen. Davon unterscheidet es sich ohnehin schon durch das geringe Maß an Gewalt, die in der Handlung vorkommt.


    Nach einem solchen globalen Desaster müssen sich die Überlebenden neu organisieren. Emily St. John Mandel zeigt eindrucksvoll zwei mögliche Systeme, die daraus entstehen können, und welche Folgen sie haben. Zum einen die Gruppe mit einem einzelnen Führer, der mit Druck seine Macht ausübt; zum anderen eine Gruppe nach demokratischem Vorbild, deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen. Jeder trägt zum Wohl der Gemeinschaft das bei, was er zu leisten vermag, und lässt alle davon profitieren. Es beweist, dass ein Miteinander die Menschen weiterbringt.


    Die Charaktere waren sehr glaubhaft gezeichnet, selbst wenn sie farblos oder oberflächlich erschienen. Auch im wahren Leben sind nicht alle Menschen strahlende Persönlichkeiten. So wirkt alles viel realer.


    Sprachlich lässt das Buch Wünsche offen. Von einem "poetischen Roman", wie es der Klappentext ausdrückt, ist kaum etwas zu spüren. Sicher gibt es Stellen, die schön formuliert sind, aber Poesie geht anders. Vielmehr kommen immer wieder Abschnitte vor, die recht leger geschrieben sind, wogegen aber nichts einzuwenden ist, weil sie zu der entsprechenden Szenerie passen.


    Das Ende gefiel mir - ein "Lichtblick" in zweierlei Hinsicht. Man bekommt als Leser den Spielraum, sich eigene Gedanken über einen möglichen Fortgang der Geschichte zu machen.


    4ratten

  • Inhalt
    Arthur Leander stirbt mitten bei einer Therateraufführung von König Lear. Kurz danach bricht eine Pandemie aus, die in kürzester Zeit fast die gesamte Menschheit tötet, denn der Erreger breitet sich rasent schnell aus und tötet zügig. Zwanzig Jahre später versuchen die Überlebenden zurechtzukommen und Kirsten, die als die Krankheit ausbrach erst acht Jahre alt war und Arthurs Tod hautnah miterlebt hat, reist zusammen mit der Symphonie durch die Welt in der nur noch wenige Menschen leben. Immer auf der Suche nach Dingen aus ihrer Vergangenheit...


    Meine Meinung
    Als großer Endzeit- und Dystopiefan wollte ich dieses Buch unbedingt lesen und die positiven Meinungen dazu haben mich bestärkt. Doch leider muss ich sagen, dass ich etwas anderes erwartet habe und es mich nicht so ganz überzeugen konnte.
    Den Anfang, in dem man Arthur bei seinem Tod begleitet und anschließend erfährt, was mit Kirsten zwanzig Jahre später passiert, mochte ich noch sehr. Doch dann schwengt die Geschichte zurück in die Vergangenheit, noch weit vor der Pandemie und in Arthurs Leben.
    Ich hatte eher damit gerechnet, dass man erfährt, wie es den Überlebenden ergeht, doch irgendwie steht Arthurs Vergangenheit viel mehr im Mittelpunkt. Man erfährt seine gesamte Lebensgeschichte und auch wenn am Ende alles Sinn macht, war mir das doch manchmal zu viel und ich hätte am liebsten diese Abschnitte überlesen, da sie mich nur wenig fesseln konnten.
    Zwar finde ich es gut, wie Dinge aus der Vergangenheit in Kirstens Gegenwart Erwähnung finden und wichtig sind und wie die Zusammenhänge dabei sind, aber irgendwie war das Buch stellenweise einfach nicht das Richtige für mich.


    Kirstens Geschichte fand ich weit interessanter, als die des berühmten Arthur, der mehrere Ehefrauen und einen Sohn hatte. Ich finde es immer interessant, wie die Menschen sich in einer Welt zurechtfinden, in der es nur noch wenige Menschen gibt und vieles, was für uns selbstverständlich ist, da einfach fehlt. Dieser Aspekt ist in dem Buch durchweg realistisch und authentisch dargestellt, was dem Buch ein hohes Maß an Echtheit gibt. Das Buch kommt anders wie viele andere Endzeitromane mit wenig Brutalität und Gewalt aus und die Spannung herrscht eher unterschwellig vor.


    Verwirrend fand ich, dass die Mitglieder der Symphonie oft nicht bei ihrem Namen genannt wurden, sondern nach dem Instrument, was sie spielen, wie z.B. zweite Geige. Aber das war nicht weiter schlimm.
    Neben Arthurs und Kirstens Perspektive werden auch andere Perspektiven beleuchtet und so das Leben von mehreren Menschen geschildert. Der Schreibstil passt sehr gut dazu und ich mochte es, wie die Autorin bildlich und wortgewandt eine ganze Welt vor meinem inneren Auge erschaffen konnte. Und obwohl mich manche Abschnitte wirklich gelangweilt haben, hat sie es geschafft mich dennoch neugierig darauf zu machen, wie es weitergeht. Stellenweise schreibt sie sehr poetisch, aber dann auch wieder leicht und locker, sodass sie immer die passende Atmosphäre erschafft.


    Die Protagonisten sind allesamt außerordentlich gut und authentisch ausgearbeitet, sodass ich es insgesamt mochte mehr über sie zu erfahren.


    "Das Licht der letzten Tage" ist ein etwas anderer Endzeitroman und vor allem das Ende hat mir gut gefallen und mich für die langweiligen Stellen etwas entschädigt. Es ist ein Buch, das wohl nicht für jedermann etwas ist und so hat es mir leider nur mittelmäßig gefallen.


    Fazit
    "Das Licht der letzten Tage" ist ein etwas anderer Endzeitroman, der viel in der Vergangenheit der Menschen spielt, aber auch die Zeit nach dem Zusammenbruch der Zivilisation beschreibt. Stellenweise hat es mich leider gelangweilt, weswegen ich nur drei Sterne geben kann und es auch nicht unbedingt empfehlen möchte. Es ist einfach nicht für jeden etwas und wer spannungsgeladene Stunden erwartet, ist hier leider falsch.


    3ratten

  • Inhalt
    Der Schauspieler Arthur Leander steht als König Lear auf der Bühne des Elgin Theaters in Toronto. Während der Vorstellung bricht er zusammen und stirbt an einem Herzinfarkt. Diese Szene ist der Anfang des Buches und der zeitliche Wendepunkt dieser Geschichte, denn es ist bereits ein tödlicher Grippevirus auf der ganzen Welt dabei sich rasend schnell auszubreiten.


    Die Handlung teilt sich nun auf in „davor“ und „danach“. Zum einen wird Arthurs Lebensgeschichte erzählt. Er kommt als junger Mann nach Toronto mit dem Ziel Schauspieler zu werden. Wir erleben seinen Aufstieg und Ausschnitte aus seinem Privatleben bis hin zu seinem Auftritt als König Lear.
    Zum anderen bekommen wir Eindrücke, was sich nach seinem Tod nach Ausbruch der Pandemie ereignet.


    Meine Eindrücke
    Wir leben unser Leben in dem Gefühl zu wissen, wie unsere Zukunft aussieht. Wir arbeiten, essen, leben und schlafen und denken, dass es immer so weitergeht, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Genau darum geht es in diesem Buch.
    Anhand Arthurs Leben wird gezeigt, wie trügerisch dieses Gefühl der Sicherheit ist und wie wenig planbar das Leben. Die Probleme der Vergangenheit sind belanglos angesichts der Probleme denen sich die Überlebenden gegenübersehen. Trotzdem hinterlässt er Spuren, die auch 20 Jahre später noch zu finden sind.
    Viele Menschen, die in Arthurs Leben eine Rolle gespielt haben, überleben und anhand ihrer Geschichte erleben wir zum einen Arthurs Leben und dann wieder was sich nach Ausbruch der Grippe ereignet hat, was aus ihnen wurde, wie unterschiedlich ihr Leben 20 Jahre später aussieht.


    Nach und nach erfahren wir, was nach Ausbruch der Grippe passiert ist und wie es den Überlebenden ergangen ist. Nur selten werden direkt Gewaltszenen beschrieben, doch die Autorin schafft es auch so, dass deutlich wird, was die Menschen erlebt haben und dass man nur überlebt hat, wenn man bereit war sich zu wehren und im Notfall auch zu töten.
    Die beklemmende Atmosphäre ist jederzeit spürbar und ein Gefühl von Sicherheit kommt nur selten auf.
    Alles was bisher selbstverständlich war wird nach und nach aufgebraucht, bis alle Ressourcen erschöpft sind. Essen und Wasser werden zum kostbaren Gut. Da es keinen Strom mehr gibt und das Benzin aufgebraucht ist, gibt es weder funktionierende technische Geräte, noch Medikamente und die anderen Selbstverständlichkeiten unserer Zivilisation wie z.B. Kreditkarten und Handys sind nutzlose Dinge.
    In dieser Zeit reist Kirsten mit der Künstlergruppe „Symphonie“ durch das Land um die vereinzelten Siedlungen mit Musik und Theater zu unterhalten. „Überleben allein ist unzureichend“ ist dabei ihr Leitspruch.


    Wir erfahren nur, wie es nach der Pandemie in einem kleinen Teil von Nordamerika aussieht. Vom Rest der Welt wissen wir genauso wenig wie Kirsten und die Symphonie. Es steht jedoch die Vermutung im Raum, dass die Georgische Grippe etwa 99% der Weltbevölkerung das Leben gekostet hat.


    Die Geschichte wird in einem melancholischen und epischen Schreibstil erzählt, der auch ohne das Beschreiben von Gewaltszenen den Schrecken nach Ausbruch der Grippe deutlich spürbar macht.


    Besonders spannend war es für mich die Menschen aus Arthurs Leben zu entdecken, welche die Pandemie überlebt hatten. Nicht immer waren sie auf den ersten Blick erkennbar, was zum Spekulieren über ihre Identität eingeladen hat.


    Dieses Buch unterscheidet sich deutlich von den Dystopien, die ich bisher gelesen habe. Zum einen beschäftigt es sich zu großen Teilen mit der Zeit vor der Pandemie, zum anderen verzichtet die Autorin fast ganz auf Action und direkte Konfrontationen.


    Alles in allem habe ich das Buch gerne gelesen.


    4ratten


    LG, Aurian

    Einmal editiert, zuletzt von Aurian ()

  • Zarte, nachdenkliche Geschichte, die mir zu trocken und langweilig war


    Klappentext
    „Niemand konnte ahnen, wie zerbrechlich unsere Welt ist. Ein Wimpernschlag, und sie ging unter. Doch selbst jetzt, während das Licht der letzten Tage langsam schwindet, geben die Überlebenden nicht auf. Sie haben nicht vergessen, wie wunderschön die Welt war. Sie vermissen all das, was einst so wundervoll und selbstverständlich war, und sie weigern sich zu akzeptieren, dass alles für immer verloren sein soll. Auf ihrem Weg werden sie von Hoffnung geleitet – und Zuversicht. Denn selbst das schwächste Licht erhellt die Dunkelheit. Immer.“


    Gestaltung
    Das Cover gefällt mir wirklich ausgesprochen gut, da ich vor allem den Himmel mit seinem Farbverlauf wunderschön finde. Auch die Skyline der Stadt gefällt mir sehr gut. Es passt hervorragend zur Geschichte, da es für mich Ernsthaftigkeit und erwachsene Themen widerspiegelt. Auch passen die Farben meiner Meinung nach sehr gut zu diesem Roman.

    Meine Meinung

    Angezogen hat mich an diesem Buch einerseits das traumhaft schöne Cover und andererseits die Tatsache, dass es ein Endzeitroman ist. Ich erwartete dramatische Szenen, Kämpfe, Action, Rasanz und noch so vieles mehr. Doch was habe ich bekommen? Eine Handlung, die sich ziemlich in die Länge zog und bei der ich mich eher durchkämpfen musste.


    „Das Licht der letzten Tage“ war nicht schlecht, nein, keineswegs! Es war ein sehr ruhiger, nachdenklich stimmender, zarter Roman, der sich durch den sehr einfühlsamen Schreibstil der Autorin ausgezeichnet darauf versteht, die kleinen Dinge einzufangen. Es gibt verschiedene Zeitabschnitte und je weiter man liest, desto mehr erkennt man feine Verknüpfungen und Verbindungen zwischen den Figuren. Das war meiner Meinung nach wirklich toll gemacht! Ich habe selten so eine in sich unglaublich verbundene Geschichte gelesen.


    Gefallen hat mir auch, dass wir Leser hier einmal den Anfang des Weltuntergangs bzw. der dystopischen Welt miterleben! Das ist etwas ganz besonderes, zumindest für mich, da ich dies so in anderen dystopischen oder Endzeit Romanen noch nicht erlebt habe. Meist wird nur am Rande erwähnt, wodurch die Veränderungen der Welt gekommen sind, aber hier erleben wir die Anfänge direkt mit! Erst dann gibt es einen Sprung und der Leser findet sich 20 Jahre nach der Epidemie, welche den Auslöser des Untergangs der menschlichen Rasse darstellt, wieder. Auch das Ende fand ich sehr passend für die Geschichte, da es einen kleinen Hoffnungsfunken gibt und der Rest der eigenen Fantasie überlassen wird.


    Aber insgesamt muss ich sagen, dass ich etwas ganz anderes erwartet habe. Gar nicht so eine ruhige, eng verknüpfte Geschichte, sondern eher...ja etwas lautes, dramatisches (wobei es ja schon dramatisch zu ging, aber ich meine dramatisch eher im Sinne von Kämpfen) und actiongeladenes. Ich habe mich eher gelangweilt beim Lesen, vieles war mir zu verworren und Spannung kam nur streckenweise auf.

    Fazit

    Mit “Das Licht der letzten Tage” begegnet uns ein ruhiges Endzeitsetting, das zum Nachdenken anregt. Wer aber wie ich Action und rasante Szenen erwartet, der ist hier falsch gewickelt. Schön sind die vielen Querverbindungen zwischen den Figuren und das Ende. Aber ansonsten kam bei mir nur streckenweise Spannung auf.
    3 von 5 Sternen!
    3ratten
    Reihen-Infos
    Einzelband

  • Mir hat der Roman sehr gut gefallen, für mich eine der Überraschungen des Jahres! Ich hatte ein Endzeitdrama mit vielen heftigen, actionreichen Szenen erwartet, aber bekam dann eine Geschichte der leisen Töne serviert. Die Erzählung schwankt zwischen verschiedenen Zeitebenen und bildet daher permanent eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Figuren sind wunderbar gezeichnet; durch die Zeitsprünge kann man eine Entwicklung verfolgen und außerdem sind viele Figuren auf wundersame Weise miteinander verknüpft, manchmal auch ohne es zu wissen. Das hat die Autorin wirklich grandios aufgebaut und durch ihren verträumten Schreibstil eine melancholische Atmosphäre in einer verlorenen Welt geschaffen, jedoch nicht ohne Hoffnung. Die Aspekte der Schauspielerei und der Comiczeichnerei haben mich zusätzlich fasziniert und mir einen interessanten Blickwinkel geboten. Ein klare Leseempfehlung, intelligente Unterhaltung auf sehr hohem Niveau.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Das Cover ist schlichtweg ein Traum. Es war Liebe auf den ersten Blick und passt meines Erachtens, ebenso wie der Titel, perfekt zum Inhalt des Buches. Auch wenn der Klappentext ebenfalls gut passt, könnte er dennoch ein falsches Bild von dem Buch vermitteln. "Das Licht der letzten Tage" ist keineswegs eine Dystopie im klassischen Sinne und beinhaltet weder eine rasante noch eine actionreiche Handlung. Vielmehr lebt dieses Buch von den ruhigen Tönen der Autorin.


    Der Schreibstil von Emily St. John Mandel ist ein wahrer Genuss. Eindringlich, poetisch, malerisch und teilweise anspruchsvoll erzählt die Autorin die Geschichte einer Welt, in welcher 99% der Menschheit an der georgischen Grippe starb. Vor allem aber trägt sie den Leser an verschiedene Orte, zwingt ihn, aus verschiedenen Perspektiven zu sehen und hüllt ihn in eine dichte Atmosphäre, sodass der Leser sich fühlt, als lebe er selbst in der Welt, welche die Autorin in "Das Licht der letzten Tage" zeichnete.


    Die Charaktere sind allesamt authentisch. Manche sind sympathisch, andere weniger, doch insgesamt hat Emily St. John Mandel auch hier einen sehr guten Job gemacht.


    Das Buch umfasst 55 recht kurze Kapitel und ist in neun Teile unterteilt. Hierbei wird die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Und hier kommen wir auch schon zum Knackpunkt, weshalb ich dem Buch keine vollen fünf Sterne gebe. Ich kann die Anzahl der verschiedenen Perspektiven leider nicht benennen und so gerne ich Perspektivenwechsel auch mag: Hier waren es für mich ein paar zu viel davon.


    Einen klaren Protagonisten gibt es nicht, auch wenn sich in dem Buch alles um den Schauspieler Arthur Leander dreht. Den Handlungsstrang um Miranda mochte ich, auch wenn er in der Zeit vor der georgischen Grippe spielte, am liebsten. Mit dem Handlungsstrang von Kirsten, einer jungen Frau aus der Zeit nach der georgischen Grippe, die völlig fasziniert von Arthur Leander und die Comics "Das Licht der letzten Tage" von Miranda ist, mochte ich hingegen leider weniger. Sie zieht mit einer Symphonie, in der die Charaktere lediglich die Namen ihrer Instrumente tragen (Tuba, Geige, etc.), durch das Land. Zwar konnten mir diese Kapitel ein gutes Bild von der Welt nach der Grippe vermitteln, doch der Funke sprang bei mir einfach nicht über. Oftmals geriet ich sogar in Versuchung Passagen oder sogar ganze Seiten zu überspringen, weil mich einfach nicht interessierte, wie es mit der Synphonie weiter ging.


    Fazit: Wie bewertet man ein Buch, dass man stellenweise für seine Poesie, seine Charaktere und die Atmosphäre liebte und sich dann wieder seitenlang langweilte? Ich weiß es nicht. Ich gebe dem Buch 3,5 Sterne, weil sich diese am ehesten "richtig" anfühlen. Dennoch möchte ich dieses Buch jedem empfehlen, der einen guten Schreibstil und eine tolle Atmosphäre zu schätzen weiß.

  • It's the end of the world as we know it - dieses Lied hatte ich die ganze Zeit im Kopf während des Lesens...


    Wir haben das Jahr 20 und zwar nach der Pandemie, denn plötzlich brach sie aus, die georgische Grippe und alle waren machtlos. 99,99 % der Weltbevölkerung starb und die Überlebenden? Sie flüchteten und bildeten kleine Städte in Restaurants, Tankstellen etc. Und dann gibt es da noch die Symphonie, eine Gruppe Schauspieler, die von Stadt zu Stadt ziehen und Theaterstücke von Shakespeare aufführen. Heute imJahr 20 gibt es junge Erwachsene und Kinder, die die Welt von vorher nicht kannten und somit auch nicht vermissen und es gibt Erwachsene, die die Welt von damals vermissen, die in Träumen und Erinnerungen schwelgen und die Hoffnung nicht aufgeben, wenigstens Teile der alten Welt zu erhalten.


    Das Buch fiel mir auf, weil es eine Dystopie ist und ich wirklich begeistert bin von Romanen dieser Art. Sie versprechen viel Spannung, Dramatik und Action und einfach den Kampf ums Überleben. Aber hier war es irgendwie anders, allein die Sprache der Autorin ist eher schon malerisch und fast schon poetisch. Sie beschreibt die Welt im Jahre 20 und auch in der Zeit vor der Pandemie und während des Ausbruchs. Allerdings gibt es dabei keine klaren Linien, die die unterschiedlichen Zeiten voneinander trennen, sondern sie folgen unwillkürlich aufeinander. So hatte ich gerade bei den Rückblicken vor dem Ausbruch der Pandemie meine Schwierigkeiten, denn diese Stellen fand ich eher mühsam und schleppend und einen richtigen Bezug zu der Hauptperson in den Rückblicken, Arthur Leander - Schauspieler, konnte ich auch nicht herstellen, denn dieser verstarb sozusagen an dem Abend, als es zum Ausbruch der Grippe kam. Die Bereiche, die im Jahr 20 spielen, gefielen mir schon ganz gut, aber auch da hätte ich mir irgendwie mehr Abenteuer gewünscht. So blieb die Handlung weitestgehend bei Beschreibungen, wobei diese durchaus gelungen waren, alleine durch diese doch sehr feine Sprache, allerdings blieb dabei die Spannung auf der Strecke.


    Auch die Charaktere wechseln sich ständig ab, so dass es mir nicht richtig gelang, zu einem der vielen Personen eine Beziehung aufzubauen. Die Personen bleiben blass und haben wenig tiefgang und so richtig lernt man niemanden kennen. Mein "Lieblingscharakter" ist Kirsten, die beim Ausbruch der Grippe noch ein Kind ist, aber hier hätte ich mir viel mehr Einblicke gewünscht, wie sie den Weltuntergang als Kind erlebt hat, die Ängste, die Sorgen und wie sie es geschafft hat, zu überleben. Aber richtig darauf eingegangen wird nicht.


    Ja, dieser Roman soll zeigen, dass die Menschen auch dann noch Hoffnungen haben, wenn scheinbar alles verloren ist und das man weitermachen soll. Aber es fehlt einfach am Tiefgang, für mich wäre es besser gewesen, wenn es nur zwei Hauptcharaktere gegeben hätte und man diese in allen Phasen begleitet hätte.


    Mein Fazit: ein hochgelobtes Werk, das sprachlich wirklich vom Feinsten ist, leider bleiben Spannung und Tiefgang dabei auf der Strecke und ich hatte Mühe, mich durch das Buch zu kämpfen. Schade, denn inhaltlich klang es vielversprechend!


    3ratten

    Ein Raum ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele

  • Das liest sich ja interessant hier.
    Wir lesen das Buch im Lesekreis für nächste Woche Mittwoch.
    Bin s schon ganz gespannt. Scheint ja kontrovers zu sein.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Ich lese sehr gerne Dystopien und postapokalytpische Romane. Allerdings fehlen mir noch einige "Klassiker" aus diesem Genre, während ich im Bereich Young Adult, All Age mehr kenne. Station Eleven von Emily St. John Mandel ist mir vor allem durch die Bestsellerlisten aufgefallen, ich wusste aber schon, dass es sich nicht um die typische Dystopie á la Zombieapokalypse - wie auch die Charaktere im Buch selbst bemerken - handelt und auch nicht in das Schema Hunger Games, Divergent, etc. fällt.


    Für eine Dystopie, so wie ich sie kenne, war das Buch dann auch ausgesprochen ruhig und ich hatte nicht erwartet, dass ein großer Teil der Handlung in der präapokalyptischen Zeit spielt. Gefallen hat mir das aber dennoch sehr gut.
    Obwohl Kirsten Raymonde, die mit der wandernden Theatergruppe durch die neue Welt zieht, am ehesten die Protagonistin des Romans ist, tauchen auch viele andere Charakter auf, über deren Leben man erfährt.
    Im Buch wird ein Museum der Zivilisation beschrieben, in dem alles gesammelt wird, was an die Zeit vor der Grippe erinnert. Das Buch war für mich auch ein klein wenig wie eine Sammlung oder Ausstellung aus verschiedenen Alltagszeugnisse und Textstücken unterschiedlicher Arten und Medien. Die Autorin erzählt ihre Geschichte nicht linear, sondern wechselt immer wieder Perspektive, Zeit und auch Textart. Das Ganze ergibt dann ein Bild über die Jahre vor und nach der Grippe, das sich wie ein Puzzelstück zusammensetzt. Vieles bleibt aber auch offen und der Roman zeigt eben doch nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben ausgewählter Personen, die alle miteinander verbunden zu sein scheinen.
    Im Laufe der Geschichte tauchen auch immer wieder verschiedene Ausgaben der Comics Station Eleven auf, die namensgebend für das englische Original waren und die ebenfalls in einer Art postapokalyptischen Sci-Fi Welt spielen. Diese zeigen viele Parallelen zur tatsächlichen Realität der Protagonisten und so wirken die Comichefte nicht nur wie ein Puzzlestück, das verschiedene Personen miteinander verbindet, sondern auch wie eine weitere Parallelwelt.


    Ein Recherchefehler ist mir allerdings negativ aufgefallen. Im Severn City Airport wird ein Mädchen beschrieben, dem das Antidepressivum Effexor ausgeht und das darauffolgend schwere Entzugserscheinungen bekommt, was die anderen Bewohner wünschen lässt, sie könnten einen Rettungsdienst rufen. Allerdings machen Antidepressiva wie Effexor weder physisch noch psychisch abhängig und derart schwere Folgen vom Absetzen des Medikaments sind - im Normalfall - gar nicht möglich. Diverse Nebenwirkungen und erneute depressive Symptome durchaus, aber keine Schweißausbrüche oder Zustände, die einen ernsthaften medizinischen Notfall gleichkommen würden. Es gibt eine Reihe anderer Medikamente, die auch oft bei Depressionen kurzzeitig verschrieben werden, aber ein sehr hohes Abhängigkeitspotential bieten. Eine kurze Google-Recherche hätter der Autorin wahrscheinlich ähnliche Ergebnisse geliefert.
    Das ist zwar kein großer Fehler, allerdings ärgert mich das, da um solche Medikamente ohnehin viele Mythen kursieren.


    Ansonsten hat mir das Buch aber sehr gut gefallen und hat mich dazu angeregt ein wenig über die Selbstverständlichkeit nachzudenken, mit der wir unserem Leben in der Zivilisation begegnen.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

  • Wir haben das Buch dann ja sehr ausführlich an einem Abend besprochen.


    Was uns dabei besonders aufgefallen war ist

    .


    Dieses Buch war auf jeden Fall eine der "positiven" Dystopien. Die anderen Vier des Halbjahres waren deutlich negativer.


    Im Endeffekt ein nettes Büchlein, aber nichts, was dauerhaft im Gedächtnis bleiben wird.
    Ich kann mich jetzt schon kaum noch an Details erinnern.
    Mir hat gefallen, dass es so viele verschiedene Ansätze gab, sich mit der Situation abzufinden und das Beste draus zu machen.


    Ich würde jetzt so


    3ratten vergeben.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Was uns dabei besonders aufgefallen war ist


    In Zeiten von Katastrophen neigen die Leute dazu sich mit Lebensmitteln einzudecken. Eben weil es in der
    Zukunft keinen Nachschub mehr geben wird. Man kann also durchaus davon ausgehen, dass nur eine hand-
    voll Leute es schaffen, sich mit Lebensmitteln und anderweitigen Sachen einzudecken die notfalls für mehre-
    re hundert andere Menschen gereicht hätten. Viele Lebensmittel dürften auch nach einiger Zeit schlicht und
    einfach verdorben sein.

  • Hmmm, wir hatten da im Speziellen auch über Bücher/Wissen geredet. Und warum grade Shakespear so im Vordergrund steht und nicht andere Stücke - warum nicht viel mehr Bücher in Privathäusern/Büchereien/Buchläden etc. gefunden werden.


    Bei anderen Dystopien ist deine Theorie was Reccourcen anderer Art betrifft auch sicher richtig, aber hier haben ja wirklich extrem wenig Menschen überlebt.


    Na ja, nichts desto Trotz war es ein nett zu lesendes Buch, was einen nicht so richtig verzweifelt zurück gelassen hat, wie andere Dystopien.
    Oh, war das jetzt auch ein Spoiler...

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Klingt von der Thematik her wundervoll :breitgrins: Aber eure Kritiken klingen auch berechtigt. Vor allem, dass das Buch viele Rückblenden hat, könnte ein Problem sein für mich (weil ich Rückblenden, für die die eigentliche Story unterbrochen wird, immer sehr nervig finde, teilweise sogar überspringe - mir fällt nur ein Buch ein, in der die Rückblenden für mich interessant waren). Aber ich schaue es mir mal an.

  • Inhalt:
    Erzählt wird einerseits eine Geschichte über das Leben einiger Überlebender nach einer verheerenden Pandemie, die den größten Teil der Menschheit getötet hat und andererseits die Lebensgeschichte dieser und anderer Personen vor der Pandemie in Rückblenden.


    ***


    Ich bin mit mir ein wenig uneins über dieses Buch. Einerseits hab ich es sehr gern gelesen, es beschäftigt mich gedanklich auch noch immer, andererseits haben sich beim Lesen doch viele Fragen aufgetan, die nie beantwortetet wurden. Ich fand nicht schwierig in das Buch reinzukommen, auch die vielen Sprünge zwischen den Zeitlinien haben mich nicht gestört, im Gegenteil, gerade diese Sprünge aus der Nach-Pandemie-Zeit in die Vor-Pandemie-Zeit verdeutlichten immer wieder wie viel verlorengegangen ist und vor welch unfassbaren Ruine der menschlichen Zivilisation die Überlebenden stehen. Auch der Blickwinkel auf den Alltag der Leute, auf ihre Pläne, ihre Gedanken, ihre Wünsche im Rückblick und mit dem Wissen was kommt gibt dem Buch auch eine sehr spezielle Atmosphäre.
    Ich war immer wieder mal irritiert über den Blickwinkel der sich vor allem mit medialen "Verlusten" beschäftigt, es geht um Comics, um Theater, Computerspiele, um Musik, StarTrek, Computer und Shakespeare, viel mehr als um Überlebenstechniken, Ernährung usw. . , andererseits machte gerade dieser Umstand diese Dystopie zu etwas Besonderem. Ich tu mich etwas schwer alle Gedanken die ich zu dem Buch und beim Lesen hatte in Worte zu fassen, aber mir hat das Buch trotz einiger offener Fragen, die aber vielleicht letztlich, auch nicht so Wichtig sind, weil es nur um eine zufällig gewählte, kleine Gruppe von Menschen auf diesem Planeten geht, sehr gut gefallen. Die Geschichte entfaltet eine besondere innere Wirkung, die ich mir selbst nicht so ganz erklären kann.
    Nebenbei... den Comic um Dr. Eleven hätte ich gerne gelesen und ich finde den Gedanken spannend was von einer Zivilisation übrigbleibt und wieviel und was davon letztlich dem Zufall geschuldet ist, denn es ist letztlich völlig zufällig wer nach so einer Katastrophe überlebt und welche Erinnerungen und Fähigkeiten er in die Zukunft mithineinträgt und welche Wirkung dies entfaltet. Für den einen war Shakespeare und die Brandenburgischen Konzerte das Wichtigste an Kulturgut, für den anderen eine Graphik Novel in Kleinstauflage. Es hat etwas sehr Rührendes wenn einer der Protagonisten ein kleines "Raumschiff Enterprise"-Modell in den Rucksack steckt, weil auch das etwas aus der verlorenen Welt ist und etwas das ihn an sein verlorenes Leben erinnert.


    4ratten

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")