Helen Macdonald - H wie Habicht

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    (Übersetzung: Ulrike Kretschmer)


    Als Helen Macdonalds Vater urplötzlich stirbt, reißt es ihr komplett den Boden unter den Füßen weg, sie fällt in ein tiefes Loch voll Trauer und Wut. Ihr bisheriges Leben erscheint leer und sinnlos, es gelingt ihr nicht, den Verlust zu verarbeiten.


    Schon als Kind hat sie gemeinsam mit ihrem Vater Vögel beobachtet und sich mit der Falknerei beschäftigt. Die Abrichtung von Greifvögeln zur Jagd fasziniert sie noch immer, und sie entschließt sich, einen Vogel "abzutragen", wie es in der Fachsprache heißt, der gemeinhin als schwierig zu zähmen gilt: einen Habicht. Spätestens, als sie das junge Weibchen zum ersten Mal sieht, das sie später Mabel nennt, ist ihr Entschluss besiegelt. Für Monate taucht Helen komplett in die Welt des Habichts ab, sitzt stundenlang still, damit Mabel sich an sie gewöhnen kann, verbringt mit ihr Stunden im Gelände, um sie fliegen zu lassen, gewöhnt sich daran, mit toten Kleintieren zu hantieren, die Mabels Nahrung darstellen. Das normale Alltagsleben tritt vollkommen in den Hintergrund, während Helen nicht nur sehr viel über Mabel, sondern auch über sich selbst lernt.


    Eins vorweg: wer in Bezug auf Tiere zartbesaitet ist, wird mit diesem Buch sicherlich nicht glücklich werden. Zum einen wegen des Grundthemas Jagd (über deren Sinn und Zweck im 21. Jahrhundert sich definitiv streiten lässt), zum anderen, weil teils recht detailliert von zerrupften Beutetieren die Rede ist, die Helen gelegentlich mit eigenen Händen tötet, um ihnen ein schnelleres Ende zu bereiten, als Mabel das tun würde.


    Trotzdem hat mich Helens Geschichte nach einem etwas sperrigen Anfang gefesselt und auch berührt. Es war ein bisschen wie mit Habichtdame Mabel mit dem Buch und mir, wir mussten uns erst einmal finden. Dass Helen sich fast vollständig der Beschäftigung mit Mabel hingibt und darüber alles andere stehen und liegen lässt, hat mich streckenweise ein wenig befremdet, doch Trauer hat viele Gesichter, und es gibt auch viele Wege, mit ihr umzugehen, darum will ich mir darüber kein Urteil erlauben.


    Ziemlich aufschlussreich fand ich auch die Einschübe zur Kulturgeschichte der Falknerei, die insbesondere in England jahrhundertealte Tradition hat. Zusätzlich nimmt Helen Macdonald immer wieder Bezug auf die Biographie von T. H. White, dem Autoren von "Der König auf Camelot", der selbst einen Habicht hatte und ein Buch darüber geschrieben hat. Dass diese Lebensgeschichte so viel Raum in einem eigentlich autobiographischen Buch einnimmt, hat mich überrascht, anfangs auch gelegentlich gestört, doch letztlich war sie, gerade im Vergleich zu Helens eigenem Erleben und Empfinden, auch ganz und gar nicht uninteressant.


    Ein recht ungewöhnliches, etwas eigenartiges, aber durchaus lesenswertes Buch.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





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    Originaltitel: H is for Hawk


    Helen war von klein auf von Greifvögeln fasziniert, sie hat auch eine Falknerausbildung gemacht, doch Habichte stießen sie eher ab, zu brutal, zu mörderisch zu wild erschienen sie ihr. Doch nach dem Tod ihres Vater spürt sie das Bedürfnis einen Habicht zu fliegen wachsen, bis sie sich tatsächlich ein Habichtweibchen anschafft. Ich bin bis zur ersten Begegnung Helen-Vogel bekommen und bisher finde ich es sehr interessant. Auf der Suche nach Videos über Habichte bin ich dann auch auf das Interview mit ihr bei Druckfrisch gestoßen: Helen und Habicht

  • Ich habe mittlerweile den ersten (von zwei) Teilen beendet. Mabel - so hat Helen ihren Habicht getauft - steht kurz vor ihrem ersten Freiflug.
    Als Kontrapunkt zu Mabels Zähmung werden immer wieder Szenen aus T.H. Whites " The Goshawk" eingefügt, in dem eine (wohl vornehmlich aus Unwissenheit) ungleich brutale Art der Zähmung beschrieben wird.


    Helens Faszination für die Tradition und ganz besonders die Sprache der Falknerei scheint immer wieder durch kommt nicht vollständig bei mir an, sicherlich auch teilweise aufgrund der Übersetzung. Dass Beutetiere "Wild" genannt werden finde ich jetzt nicht so interessant wie die vermutliche Originalbezeichnung "game".


    Inhaltlich ist es eine Mischung aus Sachbuch über das Abrichten eines Greifvogels und einer Trauerverarbeitung, dabei liest es sich überraschend interessant.

  • Nach langer Vorarbeit fliegt Habicht Mabel im letzten Drittel es Buches tatsächlich frei und Helen und sie streifen durch die Gegend auf der Jagd nach Kaninchen und Fasanen. Eine blutige Angelegenheit und an den Tagen, wo die Jagd nicht erfolgreich ist, auch frustrierend für beide Seiten.


    Falknerei ist keine edle Kunst, das lernt man aus diesem Buch mit Sicherheit. Es ist schmutzig, macht enorm viel Arbeit und kann außerordentlich frustrierend sein. Jedes Stück Nähe zu seinem Vogel muss man sich erarbeiten und bleibt dennoch kaum mehr als ein Jagdgefährte.


    Die Abschnitte über T.H. White dienen als Kontrapunkt zu ihren eigenen Erlebnissen und Helen vergleicht nicht nur ihre eigenen Abrichtbemühungen mit denen Whites sondern auch, die Motivation sich so sehr in ein Vorhaben zu vertiefen, wie es bei einem Habicht notwendig ist. Bei ihr geht es letztlich ebenso sehr um Trauerarbeit wie um das Abtragen eines Habichts.


    Am Ende des Buches ist es für Mabel Zeit das Jugendgefieder gegen ein neues, erwachsenes Federkleid zu tauschen und für Helen ist ein düsteres Kapitel ihres Lebens abgeschlossen, sie wird weiterleben.


    „H wie Habicht“ ist ein in seiner Verschmelzung zwischen Sachbuch und Biographie ein ungewöhnliches Buch, aber voller interessanter Details und wem das Thema grundsätzlich interessant erscheint, dem kann ich ruhigen Gewissens raten zuzugreifen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Dieses Buch passt eigentlich nicht in mein übliches Beuteschema. Falknerei und Greifvögel und dergleichen interessieren mich nicht übermäßig. Nachdem das Buch aber recht häufig empfohlen oder zumindest angesprochen wurde, wollte ich eben doch mal "testen", inwiefern Habichte und ich noch zueinander finden können.


    Vorneweg: Ich fand es sehr interessant, wie die Autorin sich um ihren Habicht Mabel kümmert, wie weit sie geht, um dem Vogel das zu bieten, was er benötigt und wie sehr sie dadurch ihr eigenes Leben einschränkt. Allerdings lag da gleichzeitig auch mein Problem, den ich konnte es nie nachvollziehen, warum sie ihr Leben zeitweise quasi komplett pausierte, um den Habicht zu zähmen. Alles drehte sich nur um den Habicht, ob sie die gesteckten Ziele erreichen kann, Familie, Freunde, Beruf mussten zurückstecken. Das war für mich doch etwas zu viel.
    Aber ich muss das ja nicht selbst machen und wenn es für die Autorin in Ordnung ging, warum auch nicht. Spannend und anschaulich erzählt hat sie jedenfalls davon.


    Die Einschübe zu T.H. White konnte ich erst nicht richtig zuordnen, sie passten irgendwie nicht so richtig in die Erzählung und sind außerdem recht umfangreich. Doch mit der Zeit mochte ich diese kurzen "Ausflüge" zu einem anderen Habichtbesitzer auch reizvoll.


    Insgesamt ein aufschlussreicher Ausflug in die Welt der Habichte - aber das Bedürfnis, mich weiter mit diesem Thema auseinander zu setzen habe ich nicht. :breitgrins:


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Einmal editiert, zuletzt von Enid ()

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    Meine Meinung


    Ein gezähmter und dressierter Habicht - das ist nicht die Welt der Habichte. Man sollte diese Tiere in Ruhe lassen!


    Ich gehe davon aus, dass du das Buch nicht gelesen hast. Denn das ist Mabel ganz bestimmt nicht. Trotz dass sie bei Helen wohnt und mit ihr/für sie jagt, ist sie immer noch ein wildes Tier. Das zeigt sich nicht nur dann, wenn sie gerade mal nicht auf die Autorin hört, sondern auch in dem Verhalten, das sie beschreibt. Natürlich lebt Mabel nicht mehr in der Natur (ich benutze absichtlich nicht den Begriff "in Freiheit"), sondern bei einem Menschen. Aber ohne es bewerten zu wollen: diese Beziehung ist für beide von Vorteil.


    Falknerei als Trauerbewältigung ist ein interessanter Ansatz. Obwohl ich oft den Eindruck hatte, dass sich Helen mit Mabel mehr Probleme aufgeladen hat, als sie lösen konnte. Mehr als einmal hat sie sich als Versagerin gefühlt, weil etwas nicht geklappt hat. Dass dieses Gefühl von der nicht bewältigten Trauer und einer Depression kam, hat sich erst später heraus gestellt. Trotzdem hat Helen die Arbeit gut getan. Wie sich ihre Einstellung zu den wenig schönen Seiten der Falknerei gegenüber geändert hat, hat mir gefallen. Auch die Beschreibungen der täglichen Ausflüge von ihr und Mabel und wie sie dabei ihre Gedanken hat schweifen lassen, fand ich sehr schön.


    Trotzdem und trotz der Trauer um ihren Vater hätte ich mir aber manchmal gewünscht, sie hätte sich ein bisschen mehr zusammengerissen und weniger bedauert. Das mag jetzt hart klingen, aber so habe ich es empfunden. Abgesehen davon hat mir H is for hawk sehr gut gefallen.
    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Falknerei als Trauerbewältigung


    ist im Grunde das Selbe wie Sklavenhaltung zur Haushaltsunterstützung oder Zeugung eines Kindes zwecks Paartherapie. Also einfach nur egoistisch.


    Tiere gehören mMn dorthin wo sie herkommen - in die wilde Natur. Natürlich gibt es Grenzfälle, so z.B. der Hund, über deren Haltung lässt sich streiten. Ich bin selber mit Hund, Katze und Meerschweinchen aufgewachsen und möchte jetzt nicht abstreiten, dass man dadurch auch ein anderes Bewusstsein für Tiere erfahren kann, aber am Ende gehört sich das einfach nicht wie ich finde. Heute bin ich überzeugter kein-Tierhalter und gerade Vögel finde ich ein absolutes No-go.


    Das Buch habe ich nicht gelesen. Wenn du magst, kannst du mir ja die Pros der Falknerei etwas näher bringen...

  • Du schreibst doch, dass sich die (eher negative) Einstellung von Helen gegenüber der Falknerei geändert hat. Deshalb dachte ich, müsse es Pros geben oder eben es schaut aus einem anderen Aspekt ganz anders aus..

  • Ich habe geschrieben, dass sich ihre Einstellung zu den wenig schönen Seiten der Falknerei geändert hat. Damit meinte ich die Jagd mit dem Falken. Der konnte sie nicht viel abgewinnen, bevor sie Mabel hatte.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich hatte am Sonntag mit einem Falkner eine sehr schöne Unterhaltung über das Buch und die Autorin. Er hat bestätigt dass das Buch ein sehr gutes zu dem Thema ist. Uns beiden hat die persönliche Note, die Helen Macdonald einbringt, sehr gut gefallen. Leider wollte meine Tochter weiter, ich hätte mich noch viel länger mit ihm unterhalten können.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Meine zweite Meinung

    Dieses Mal habe ich die deutsche Übersetzung gelesen, was mir die Passagen über die Arbeit mit Mabel ein Stück einfacher gemacht hat.


    Im Gegensatz zum ersten Lesen ist mir dieses Mal richtig aufgefallen, wie schlecht es Helen seelisch ging. Sie hat alles, was bei Mabels Ausbildung falsch lief, auf ihr Verhalten zurückgeführt. Dabei hat sie außer Acht gelassen, dass Mabel ein lebendiges Wesen ist, für die diese Ausbildung genauso ungewohnt ist wie für ihre Falknerin. Dabei hatte ich nicht den Eindruck, dass die beiden es so schlecht machten, zumindest glaube ich, das aus dem Feedback befreundeter Falkner herausgehört zu haben.


    Auch dieses Mal konnte ich die Trauer um ihren Vater deutlich spüren. Die Gedenkfeier am Ende fand ich herzzerreißend, auch wenn es für Helen eine Möglichkeit war, nicht einen Schlussstrich zu ziehen, aber endlich weitergehen zu können. Helens Geschichte funktioniert auch beim zweien Lesen.

    5ratten

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