Philip K. Dick - The Man in the High Castle/Das Orakel vom Berge

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 3.622 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Alexander90.

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    (So ganz glücklich bin ich mit der Einordnung unter Science Fiction mal wieder nicht, aber da haben wir auch unser anderes Zeitreise- und Alternate-History-Zeugs ... oder gilt Dick bereits als Klassiker? :gruebel: )


    Wir schreiben das Jahr 1962, doch nicht JFK ist in Washington an der Macht, sondern die USA sind seit Kriegsende ein geteiltes Land. Aufgeteilt unter den Siegermächten Japan und (Nazi)Deutschland, mit einer neutralen Zone zwischen der von Japan regierten Westküste und dem Osten, der unter deutscher Herrschaft steht. Deutsche Herrschaft bedeutet genau das, was man sich vorstellt - strenge Regeln, Zucht und Ordnung, leises Munkeln über Konzentrationslager, Repressalien für Menschen unerwünschter Abstammung.


    Adolf Hitler ist ein alter, kranker Mann, nach allem, was man so hört, dem Tode näher als dem Überleben. In Deutschland rangelt die Nazi-Führungsriege um seine Nachfolge, während in Amerika ein aufsehenerregendes Buch für Furore sorgt, eine Art Alternate History, in der die Alliierten den Krieg gewonnen haben und nicht die Achsenmächte.


    Zufällig bekommt auch Juliana dieses Buch in die Finger und ist fasziniert von dieser gewagten Phantasie. Sie setzt sich in den Kopf, den Autoren unbedingt kennenlernen zu wollen, der als verschlossener, zurückgezogen in einer festungsartigen, abgelegenen Villa lebender Mensch gilt, weil sie wissen will, ob mehr dahintersteckt als nur eine unerhörte Romanidee, und will den Plan, zu ihm vorzudringen, um jeden Preis in die Tat umsetzen.


    Dicks Weltentwurf ist äußerst beklemmend, aber grandios. Er braucht keine ausschweifenden Schilderungen, um dem Leser Schauder über den Rücken zu jagen. Fast beiläufig zeichnet er das Bild der geteilten, totalitär regierten USA, wirft etwa nebenbei ein, dass man Afrika bereits komplett entvölkert hat und sich nun die "minderwertigen" Völker in Osteuropa vorknöpfen will.


    Die Handlung selbst hat mich oft verwirrt, nicht immer konnte ich nachvollziehen, warum wer was tut. Oft nervt mich das so, dass ich das Buch weglege, aber Dicks verstörende Welt hat mich so gefesselt, dass ich mich durch diese Passagen durchgebissen habe, um zu erfahren, wie es in diesem schrecklichen Staat weitergeht. Fasziniert haben mich auch kleine Details wie etwa, dass die japanischen Besatzer unglaublich auf amerikanische Antiquitäten aus dem 19. Jahrhundert stehen und sich folglich ein schwunghafter Handel mit gefälschten Colts aus der Zeit des Bürgerkrieges entwickelt.


    Das Ende hat mich zunächst völlig ratlos und fast etwas enttäuscht zurückgelassen, weil ich erwartet hatte, dass die Geschichte eine ganz andere (konventionellere) Richtung nimmt. Nachdem ich jedoch das informative Vorwort in meiner englischen Ausgabe gelesen und die Sache etwas sacken lassen hatte, fand ich es dann doch irgendwie gut. Merkwürdig, aber irgendwie auch genial.


    4ratten



    Das Buch wurde jetzt als Amazon-Serie verfilmt. Ich habe den Pilot gesehen und war ziemlich angetan, auch wenn vieles sehr anders ist als im Buch. Ich bin äußerst gespannt, wie das dort weitergeht.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Ich habe das Buch gestern beendet und weiß eigentlich gar nicht, was ich dazu sagen soll. Dick hat hier schon etwas - zumindest für mich - außergewöhnliches geschaffen, das mir in dieser Form noch nicht begegnet ist.


    Der Roman ist sicher keine einfache Kost und über weite Strecken sehr bedrückend. Natürlich ist da die Ausgangssituation, in der die menschenverachtende Propaganda der Nazis gesellschaftsfähig geworden ist. Auf der anderen Seite steht das japanische Regime, das ebenfalls eine Rassenhierarchie befürwortet und genauso bedrückend wirkt. Viele der handelnden Figuren machten auch mich den Eindruck, als würden sie buchstäblich feststecken. Viel Raum für Selbstverwirklichung bleibt nicht.
    Die intensive Beschäftigung mit dem I Ching und vor allem das blinde Folgen des Orakels fand ich persönlich sehr schwierig zu verdauen, da die Charaktere diametral zu meiner eigenen Weltsicht handeln und ich sie immer wieder schütteln und "wachrütteln" wollte.


    Übrigens hat Dick anscheinend das I Ching beim Schreiben verwendet, um Entscheidungen bezüglich der Handlung zu treffen. Das finde ich auf einer Metaebene sehr spannend und lässt mich den Roman in einem anderen Licht erblicken.


    Nach der letzten Seite habe ich auch das Gefühl, das mir viel entgangen ist und Dick seinen Roman mit versteckten Symboliken oder Themen nur so vollgestopft hat. Das liegt aber eher an mir selbst und mangelndem Fachwissen. Der grundlegende Tenor des Buches ist mir aber nicht entgangen und hat in mir das Bedürfnis ausgelöst, als nächstes Buch wieder leichtere Lektüre auszuwählen.


    Auf die Serie bin ich schon sehr gespannt. Die Grundidee bietet ja wirklich genug, um die Handlung für eine ganze Serie auszubauen.


    Edit: Besonders gruselig fand ich es übrigens, mehrmals im Buch im Zusammenhang mit dem von den Nazis besetztem Europa von der "Festung Europa" zu lesen. Ein Begriff, der von einer infamen Noch-Innenministerin mehrmal im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise geäußert wurde :sauer:

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

    Einmal editiert, zuletzt von tári ()

  • Habe die Serie gesehen und fand sie total beeindruckend! :klatschen: Das Buch steht sowieso schon auf meiner To Read Liste und nach euren Beiträgen reizt es mich noch mehr, es scheint sehr außergewöhnlich zu sein. Bin gespannt!

  • Valentine: Bin gespannt, wie Dir die Verfilmung gefällt. Ich habe dafür extra eine Amazon-Probemitgliedschaft abgeschlossen und dann einmal komplett geschaut. In meinen Augen richtig, richtig gut. Leider fehlt mir der Vergleich zum Buch, da die Lektüre ewig her ist. Aber ich habe mir fest vorgenommen, dass Buch noch einmal zu lesen (dann aber in der Fischer-Fassung und nicht die von Heyne).

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Ich habe bisher erst die Hälfte geschafft, fand sie aber auch extrem gut. Es wird auch eine 2. Staffel geben.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • 'Alternate History' (die deutsche Übersetzung 'Alternativweltgeschichte' kennt kein Mensch) gilt als Sub-Genre der Science Fiction1). So nennt man jene Geschichten, die davon ausgehen, dass ein bestimmter Punkt in der Weltgeschichte, ein bestimmtes Ereignis anders stattgefunden, nicht stattgefunden oder zusätzlich stattgefunden haben, und dass ab diesem Zeitpunkt die Weltgeschichte anders verlaufen ist als in der historischen Wirklichkeit. Bei Hannes Steins Der Komet war es der Umstand, dass der österreichische Thronfolger 1914 nach dem ersten gescheiterten Attentatsversuch Sarajewo verlassen hat, demzufolge nicht im zweiten ermordet werden konnte, was zur Konsequenz hatte, dass das labile Gleichgewicht der europäischen Grossmächte bis ins 21. Jahrhundert erhalten blieb. Die USA blieben ein in selbstgewählter Isolation stecken gebliebenes Schwellenland, in dem vorwiegend Ackerbau und Viehzucht betrieben wurde; das Deutsche Reich hingegen hat Kolonien auf dem Mond gegründet. Bei Dicks The Man in the High Castle ist es der Umstand, dass der US-amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt schon kurz nach seiner Wahl 1933 ermordet wird, worauf ihm zwei schwache Präsdidenten folgen, die versuchen, die USA aus den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs herauszuhalten. Vergebens. Der japanische Überfall auf Pearl Harbour bricht diesen USA definitiv das Genick. 1947 gewinnen die Achsenmächte den Krieg und teilen die Welt unter sich auf. Italien kriegt den Nahen Osten und die mediterranen Teile Afrikas plus das ausgetrocknete und in riesige Kornfelder verwandelte Mittelmeer, sinkt aber zum Status einer Regionalmacht ab. Als Grossmächte sind in den 1960ern (die Zeit, in der der Roman spielt) nur noch Japan und das Dritte Reich übrig. Letzteres hat sich im Osten der USA festgesetzt. Dort existiert jetzt - mit Zentrum New York - ein Vasallenstaat namens 'USA', der u.a. auch die Judenvernichtung des Nationalsozialismus weiter betreibt. Neben China und Südostasien hat sich Japan die Westküste der ehemaligen USA einverleibt; der dortige Vasallenstaat nennt sich 'Die Pazifischen Staaten Amerikas' (PSA) und ist um einen Tick liberaler als die USA.


    Dicks Roman spielt zu einem grossen Teil in San Francisco, offenbar der Hauptstadt der PSA. Die Geschichte kennt verschiedene Protagonisten, bei vielen ist es nicht ganz klar, wer sie nun wirklich sind. Da ist der italienische LKW-Fahrer, der sich als Schweizer Auftragskiller im Dienste des Deutschen Reichs entpuppt, aber von einer Frau (und seiner zeitweiligen Geliebten) getötet wird, die sich in den fernöstlichen Kampfkünsten auskennt. Diese Frau war mit einem andern Protagonisten verheiratet, der in San Francisco lebt, einen amerikanischen Namen trägt, aber eigentlich Jude ist, im Lauf der Geschichte entlarvt und um ein Haar in die USA deportiert wird. Der schwedische Kaufmann ist ein deutscher Undercover-Agent - aber auch die Welt selber ist nicht, was sie zu sein scheint. Da gerät einer der japanischen Protagonisten in einer Art Flash plötzlich ins reale San Francisco der 1960er und ist völlig schockiert ob der Tatsache, dass ihm, dem Mitglied der überlegenen japanischen Rasse, im Omnibus nicht ein Sitzplatz frei gemacht wird. Ja, zum Schluss wird eine weitere der vielen Befragungen des I Ging den schockierten Protaginisten Julia Frink (die gerade den Schweizer Killer umgebracht hat, der ausgeschickt war, den Autor des Buchs im Buch, The Grasshopper Lies Heavy, zu töten und nun ihrerseits beim Autor Hawthorne Abendsen zu Gast ist) und Abendsen enthüllen, dass weder Abendsens Grasshopper-Welt noch ihre eigene Welt die wirkliche Welt darstellen.


    Eine Verschachtelung von Realitäten und von Welten, die einen fragen lässt, warum denn Dick nicht zur Weltliteratur gezählt wird, sondern nach wie vor - auch in den USA - nur den Ruf eines grandiosen, aber seltsamen Science-Fiction-Autors geniesst. Ich glaube, dass die Antwort relativ einfach ist. Auch in den USA, auch im anglophonen Raum, gibt es die Grenzen zwischen ernsthafter und unterhaltender Literatur. Die Grenzen mögen fliessender sein als im deutschen Sprachraum, aber sie existieren. In The Man in the High Castle spielt Dick ebenso mit den Realitäten und Identitäten, wie es z.B. Paul Auster in der New-York-Trilogy tut. Dick verwendet das absurde Motiv des I Ging, das immer wieder von seinen Protagonisten konsultiert wird, wenn es darum geht, wie sie weiter machen sollen. Abendsen gibt zu, sein Buch mit Hilfe des I Ging geschrieben zu haben. Und auch Dick selber behauptete, das I Ging befragt zu haben, wenn es darum ging, wie der Plot weitergeführt werden sollte. Eine derart absolut-absurde Verquickung von Realität und Fiktion fehlt bei Auster. Dort ist es das Maximum, wenn der vermeintliche Privatdetektiv, dessen Rolle das erzählende Ich übernimmt, den Namen des Autors trägt. Aber: Auster macht es sich und dem Rezensenten ganz klar, dass er seine Welt von Kafka adaptiert hat. Dies erkennen und Parallelen ziehen zu dürfen, schmeichelt dem intellektuellen Bedürfnis des Literaturkritikers. In The Man in the High Castle wird zwar (im selben Gespräch aus dem ich in Anmerkung 1 zitiert habe) einmal Nathanael West angesprochen (mit dessen Wortschatz die beiden Japaner Mühe bekunden), aber dieses Thema wird rasch wieder fallen gelassen und bliebt für den Roman irrelevant. Das I Ging hingegen steht dem durchschnittlichen westlichen Kritiker zu fern, als dass er damit etwas anfangen könnte; ausserdem erscheint hier sofort der Kritikpunkt, dass im realen Japan (und Dicks Geschichte zeichnet sich unter dem Strich durch eine stark gezeichnete Realität aus - anders als die abstrakten Räume eines Kafka oder Auster, der zwar 'New York' sagt, aber jede beliebige Stadt beschrieben haben könnte), dass in Japan also das I Ging nie die grosse Rolle gespielt hat, die ihm Dick zuweist. Dicks Sprache ist teils an Hemingway orientiert, teils aber versucht er sich in einer merkwürdigen Syntax, die wohl japanische Syntax auf englischen Wortschatz angewendet darstellen soll, aber mit japanischer Syntax wenig zu tun hat. (Im Zitat von Anmerkung 1 haben wir ein Beispiel; aber bei Dick sind es nicht nur die Dialoge, die er so gestaltet, auch der auktoriale Erzähler verwendet diese Sprache.) Last but not least der Punkt, dass Adolf Hitler bei Dick zwar immer noch lebt, aber die Geschicke des Dritten Reichs nicht mehr leitet, weil er, an Syphilis erkrankt und dement, zurückgezogen in den Bergen haust. Nach Hitler hat Bormann das Reichskanzleramt übernommen; Bormanns Tod im Laufe des Romans ist Anlass für erneute Diadochenkämpfe unter den Überlebenden der alten Führungsriege. Dass so viele überleben (nur Himmler ist bereits tot), dass sich kein einziger Neuer in die Führungsriege einschleusen konnte, und vor allem, dass das Dritte Reich ganz offen zugibt, dass Hitler an Syphilis erkrankt ist, kann ich mir bei einer Ideologie, die die gesunde blonde Bestie verherrlicht hat, kaum vorstellen.


    Sei dem, wie dem sei: Dicks Buch gibt Anstoss für viele weiterführende Gedanken, was über seine oft merkwürdige Sprache und die sprunghafte Motivation der Handlung hinweg hilft. Und wenn Auster Weltliteratur ist, ist es Dick schon lange...


    [hr]


    1) Gehört 'Alternate History' wirklich zur Science Fiction? Der vorliegende Roman ist wohl nicht zuletzt mit daran schuld, dass diese Zurechnung üblicherweise stattfindet. Dick hatte zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung bereits einen gewissen Namen in der SF-Szene, und so war es nur natürlich, dass man auch sein neuestes Werk diesem Genre zurechnete. Dick wirft die Frage sogar selber in seinem Werk auf, wo er ein paar Protaginisten über The Grasshopper Lies Heavy diskutieren, das Buch im Buch, eine Alternativweltgeschichte, in der die Achsenmächte besiegt worden sind, aber nochmals anders als in der Realität: Grossbritannien hat Rommel in der afrikanischen Wüste besiegt, dann den Landweg über den Nahen Osten genommen und das Dritte Reich auch von Osten her in die Zange nehmen können, während in den USA starke und kriegsbereite Präsidenten sich um Japan kümmerten; Adolf Hitler überlebt die Niederlage und wird ebenfalls vor das Nürnberger Tribunal gestellt; auch in dieser Welt hat sich ein Kalter Krieg entwickelt, nicht zwischen dem Dritten Reich und Japan, wie in Dicks Welt, nicht zwischen den USA und der UdSSR, wie in der Realität der 1960er, sondern zwischen den USA und Grossbritannien.


    Robert Childan, zu Gast bei einem jungen, japanischen Ehepaar (Paul und Betty), wird das Buch vorgestellt. Er blättert darin und fragt, ob es sich denn dabei um mystery handle.
    'Not a mystery,' Paul said. 'On contrary, interesting form of fiction possibly within genre of science fiction.'


    'Oh no,' Betty disagreed. 'No science in it. Nor set in future. Science fiction deals with future, in particular future where science has advanced over now. Book fits neither premise.'


    'But,' Paul said, 'it deals with alternate present. Many well-known science fiction of that sort.'


    Das hilft nicht weiter bei einer Definiton, ist aber bezeichnend für Dicks Vorgehensweise in diesem Roman, für seine Verquickung von Realität und Fiktion.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Mit der Zuordnung tue ich mich bei Alternate History oder Zeitreisegedöns auch immer schwer (generell, nicht nur in diesem Fall).


    Dick könnte ich mir allerdings wirklich auch im Bereich der "modernen Klassiker" vorstellen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo zusammen,


    dies ist mein erster Beitrag in diesem Forum. Ich bin schon länger auf der Suche nach Leuten, die einen ähnlichen Literaturgeschmack haben wie ich. Und natürlich liegt "Das Orakel vom Berge" derzeit auf meinem Schreibtisch, doch ich kam noch nicht dazu, es zu lesen. Angefangen hatte ich es bereits, doch leider habe ich mir nicht genug Zeit gemacht. Das wird sich nun wieder ändern.
    Von Philip K. Dick bin ich verwirrende und teils dystopische Bücher ja gewohnt, doch eben das Buchuniversum in "Das Orakel vom Berge" ist ja recht gewöhnungsbedürftig mit seinen zugrundeliegenden Gegebenheiten. Das war zur damaligen Zeit sicherlich recht provokant.


    Was würdet Ihr rückblickend über Dick sagen? Witzigerweise habe ich letztes Jahr festgestellt, dass selbst mein ehemaliger Prof. (Mathematiker) Dick gelesen hat und von ihm begeistert war (speziell von "Minority Report").

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    Philip K. Dick - Das Orakel vom Berge


    "Das Orakel vom Berge" ist eine auf dem Papier sehr interessante "Was wäre wenn"-Geschichte, in der Deutschland und Japan den 2. Weltkrieg gewonnen und die USA unter sich aufgeteilt haben - mit einer neutralen Pufferzone dazwischen. Die Geschichte spielt in den 60er Jahren dieses Szenarios und verfolgt die Erlebnisse verschiedener Charaktere dieser Welt.


    Das Buch diente als Vorlage für die Amazonserie "The Man in the High Castle" - wer die Serie gesehen hat, wird jedoch leicht verwirrt sein, weil man aus der Vorlage lediglich das Setting, die Charaktere und einige Schlüsselszenen genommen hat und ansonsten extrem viel geändert/hinzugefügt hat.


    Leider fand ich die Geschichte nur mittelmäßig interessant - ich hatte die ganze Zeit über das Gefühl, dass nicht so wirklich Spannung aufkommen will und sich die Handlung auch nur sehr langsam entwickelt. Das liegt insbesondere an der für den Umfang des Buches hohen Anzahl an auftauchenden Charakteren - mir schwirrt der Ausdruck "auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen" im Kopf. Hier ist dann doch leider einiges an Potenzial verschenkt worden - ausnahmsweise muss ich mal zugeben, dass mir die Serienadaption tatsächlich besser gefallen hat als die Vorlage.


    Als Fazit kann ich dann auch nur müde 2 von 5 Ratten vergeben - ich hatte mir mehr erhofft.

    2ratten

    Aragorn: "Ihr habt schon gefrühstückt."

    Pippin: "Wir hatten das erste, ja. Aber was ist mit dem zweiten Frühstück?"

    Merry: "Ich glaube nicht, dass er weiß, dass es sowas gibt."

    Pippin: "Und der Elf-Uhr-Imbiss? Mittagessen? Vier-Uhr-Tee? Abendessen, Nachtmahl? Das kennt er doch wohl, oder?"

    Merry: "Ich würde mich nicht darauf verlassen."

    Aus: "Der Herr der Ringe: Die Gefährten"

  • dass nicht so wirklich Spannung aufkommen will und sich die Handlung auch nur sehr langsam entwickelt.

    Das ist so. Und das ist so, weil Dick das gar nicht beabsichtigte. Seine Werke werden meiner Meinung nach zu Unrecht in der Kategorie 'Science Fiction' abgelegt. Logischerweise erwarten dann die Lesenden hier Spannung. Aber sie sind im Prinzip Weltanschauungsfiktion - im wahrsten Sinn des Wortes "längere Gedankenexperimente", wie Arno Schmidt gesagt hätte. Man kann keine Spannung aufbauen, wenn man im Prinzip die Möglichkeiten auslotet, die das I Ging dem Schreibenden bietet. Oder eben nicht bietet.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • dass nicht so wirklich Spannung aufkommen will und sich die Handlung auch nur sehr langsam entwickelt.

    Das ist so. Und das ist so, weil Dick das gar nicht beabsichtigte. Seine Werke werden meiner Meinung nach zu Unrecht in der Kategorie 'Science Fiction' abgelegt. Logischerweise erwarten dann die Lesenden hier Spannung. Aber sie sind im Prinzip Weltanschauungsfiktion - im wahrsten Sinn des Wortes "längere Gedankenexperimente", wie Arno Schmidt gesagt hätte. Man kann keine Spannung aufbauen, wenn man im Prinzip die Möglichkeiten auslotet, die das I Ging dem Schreibenden bietet. Oder eben nicht bietet.

    Ach so, danke für die Erklärung. Das ist mein erstes Buch von Dick, deswegen war mir das nicht bewusst.

    EDIT: Ich habe mir jetzt auch mal den ausführlichen Beitrag durchgelesen, den du zuvor schon hier im Thread geschrieben hast (ich halte mich von Rezi-Threads fern, bis ich das Buch gelesen/rezensiert habe, um mich nicht von anderen Meinungen beeinflussen zu lassen) und muss dir zustimmen. Hinter dem Buch steckt weit mehr, als ich angenommen habe - ich bin hier wohl mit den falschen Erwartungen herangegangen. Unter den von dir genannten Punkten ist es sicherlich gut - mein Fall ist es aber weiter nicht, ich bin wohl der falsche Leser für derartige Bücher.

    Aragorn: "Ihr habt schon gefrühstückt."

    Pippin: "Wir hatten das erste, ja. Aber was ist mit dem zweiten Frühstück?"

    Merry: "Ich glaube nicht, dass er weiß, dass es sowas gibt."

    Pippin: "Und der Elf-Uhr-Imbiss? Mittagessen? Vier-Uhr-Tee? Abendessen, Nachtmahl? Das kennt er doch wohl, oder?"

    Merry: "Ich würde mich nicht darauf verlassen."

    Aus: "Der Herr der Ringe: Die Gefährten"

    Einmal editiert, zuletzt von Alexander90 ()