Caroline Wallace - Das Fundbüro der Wünsche

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    352 Seiten
    Erschienen in Rowohlt-Verlag
    Erscheinungsdatum: 27.11.2015
    Originaltitel: Martha Lost


    Das Buch:
    Martha ist eine ungewöhnliche Sechzehnjährige. Sie bewegt sich am liebsten in Pirouetten fort, liebt Bücher und kennt Menschen wie den "römischen Legionär" oder William, den Mann, der in den Tunneln von Liverpool lebt.
    Martha besitzt die Gabe, allein durch Berührungen die Geschichte eines verlorenen Gegenstandes sehen zu können, was ihr im Fundbüro ihrer Pflegemutter gute Dienste leistet. Sie wurde als kleines Kind in einem Koffer gefunden und hat seitdem den Bahnhof von Liverpool noch nie verlassen. Fragen über Marthas Herkunft hat ihr die fanatisch religiöse Pflegemutter schon lange mit dem Ledergürtel ausgetrieben.
    Plötzlich erhält Martha einen geheimnisvollen Brief eines anonymen Absenders, der behauptet, Kenntnis über ihre Herkunft zu haben. Gleichzeitig wird Liverpool durch die Ankunft eines australischen Schriftstellers in Aufruhr versetzt, der ein Buch über den Lokalhelden Mal Evans schreiben will, den früheren Roadie der Beatles. Beide Ereignisse bringen Martha dazu, ihre eigene Phantasiewelt schrittweise zu verlassen und sich den Abenteuern zu stellen, die das wahre Leben jenseits des Liverpooler Bahnhofs für sie bereithält.


    Meine Meinung:
    Von der Beschreibung her hatte ich mir "Das Fundbüro der Wünsche" ein bisschen vorgestellt wie den Film "Die fabelhafte Welt der Amelie":
    Versponnen, märchenhaft, romantisch und hoffnungsvoll. Das Erstlingswerk von Autorin Caroline Wallace ist alles das, aber noch viel mehr. Wer eine süßliche, leicht verdauliche Geschichte erwartet, wird vermutlich enttäuscht sein.
    "Das Fundbüro der Wünsche" wird gerade durch seine Ecken und Kanten lebendig. Schmerz, Trauer und Verlust spielen eine zentrale Rolle in der Geschichte (passend zu Marthas Arbeit im Fundbüro) und haben Marthas Leben ebenso geprägt wie das der Menschen, denen sie begegnet. Märchen spielen in Marthas Leben eine wichtige Rolle; tatsächlich erinnert "Das Fundbüro der Wünsche" von den Themen und Charakteren her an die Märchen von Hans Christian Andersen, in denen auch die Traurigkeit immer ihren festen Platz hat:
    Ein unschuldiges junges Mädchen wächst bei einer bösen Pflegemutter auf, unwissend in Bezug auf die eigenen Wurzeln. An der Schwelle zum Erwachsenwerden macht sie sich auf die Suche, um das Geheimnis ihrer Herkunft zu lüften. Eigenartige, aber herzensgute Menschen helfen ihr auf diesem Weg und auch der Prinz auf dem weißen Pferd lässt nicht lange auf sich warten - wird es aber auch der Richtige sein?


    Anfangs fiel es mir schwer, mich auf die Geschichte einzulassen, weil es eben keine rosarote Disneywelt ist oder Montmartre an einem Sommerabend. Das Liverpool der 70er Jahre ist dreckig, laut und von Existenznöten geprägt. Auf den ersten Seiten des Buches wusste ich nicht mal, wie alt Martha überhaupt ist - eine Sechzehnjährige, die Pirouetten durch den Bahnhof dreht, den sie ihr ganzes Leben lang noch nie verlassen hat, kam mir zunächst seltsam vor, so als hätte die Autorin ihre Protagonistin bemüht "besonders" gestalten wollen.
    Schnell wird aber klar, welche traurige Geschichte hinter Marthas irritierenden Äußerungen und ihrem kindlich wirkendem Verhalten steckt. Nur der Rückzug in ihre eigene Phantasiewelt und die Geschichten, die sie um die Gegenstände im Fundbüro spinnt, helfen ihr, die verbalen und körperlichen Misshandlungen ihrer Pflegemutter zu überstehen.
    Hier muss der Autorin ein großes Lob ausgesprochen werden:
    Obwohl Marthas Pflegemutter die Rolle der "bösen Stiefmutter" im Märchen perfekt ausfüllt, gelingt es der Autorin gleichzeitig, auch so etwas wie Verständnis für sie aufzubringen. Hinter ihrer fanatischen Religiosität und dem Eifer, mit dem sie Martha mit dem Teufel bedroht und ihr jeden Spaß im Leben verbietet, von Popmusik bis hin zu Ausflügen außerhalb des Bahnhofes, versteckt sich eine ebenso erschreckende und traumatisierende Kindheit.


    Den roten Faden der Handlung bilden Marthas Plakate, die sie auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern im Bahnhof aufhängt ("Gehe ich recht in der Annahme, dass meine Mutter nicht meine leibliche Mutter war?") und die Antworten des anonymen Briefeschreibers darauf.
    Ein zweiter Handlungsstrang entwickelt sich um einen geheimnisvollen Kofferfund: Der erfolglose australische Schriftsteller Max Cole hat auf einem Flohmarkt einen Koffer entdeckt, der aus dem Nachlass des verstorbenen Beatles-Roadies Mal Evans stammt und unschätzbare Erinnerungsstücke an die legendären Musiker beinhalten könnte. Die Authentizität des Fundes will Cole nun in Liverpool prüfen lassen, außerdem mit einem Buch über Mal Evans reich und berühmt werden und im besten Fall auch noch dessen verschollene Urne ausfindig machen.
    Ich hatte gewisse Vermutungen, wie dieser Handlungsstrang mit Marthas Suche nach ihrer Herkunft zusammenhängt, wurde aber positiv überrascht. Die Autorin wählt hier nicht die konventionelle Lösung, die man zunächst vermuten würde.
    Am Ende muss der Leser noch einmal richtig um Marthas Wohlergehen zittern, denn je mehr sie sich außerhalb der geschützten Welt um das Fundbüro herum bewegt, desto mehr kommt sie auch mit den Gefahren der Außenwelt in Kontakt, die sechzehn Jahre lang von ihr fern gehalten wurden und denen sie teilweise erfrischend vorurteilsfrei, manchmal aber auch erschreckend naiv begegnet.
    Marthas Fundbüro und die Cafébar ihrer Freundin Elisabeth nebenan - von Marthas Pflegemutter nur als "Sündenpfuhl" bezeichnet - bilden einen Ruhepunkt inmitten der hektischen Welt und führen andere "Aussteiger" zu ihnen wie George Harris (Namensähnlichkeit mit dem Beatle beabsichtigt), einen jungen Mann, der das ganze Jahr über eine römische Uniform trägt oder William, der in den Tunneln unterhalb Liverpools lebt und sich hinter seinem schmuddeligen Äußeren vor den anderen Menschen versteckt. Es braucht schon zwei Märchenheldinnen wie Martha und Elisabeth, um durch äußere Erscheinungen hindurch das Gute in den besonderen Menschen zu sehen, die ihnen begegnen.
    Besonders gefallen hat mir, dass sich um Martha, Elisabeth, George und William eine ganz eigene Welt spinnt, in der die üblichen Konventionen und Themen der Gesellschaft keinen Einlass finden: Wie verdiene ich möglichst viel Geld, damit ich mir ein tolles Haus, das neuste Auto, einen exotischen Urlaub etc. leisten kann? Wie wirke ich auf andere Leute? Wie stelle ich mir meine Zukunft vor? Was werden die Leute dazu sagen?
    Das ist beim Lesen unheimlich entspannend - fast wie eine Auszeit in einer Märchenwelt, die ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten hat und sich nicht um das geschäftige und kopflose Treiben der "wirklichen Welt" kümmert. Ich wünschte, es würde viel mehr solcher "Parallelwelten" geben und Autoren, die mutig genug sind, ungewöhnliche neue Pfade zu betreten! Ganz starker Einstand, Caroline Wallace!


    Fazit:
    "Das Fundbüro der Wünsche" ist ein kleiner Geheimtipp und als Debütroman eine absolute Überraschung! Wer etwas lesen möchte, das er nicht schon hundert Mal in ähnlicher Form irgendwo anders gelesen hat, dem sei "Das Fundbüro der Wünsche" ans Herz gelegt (Beatles-Fans sowieso).
    Nicht so verspielt wie "Die fabelhafte Welt der Amelie", sondern ernster und tiefgründiger. Ich musste während des Lesens häufig an den Film "König der Fischer" mit dem leider viel zu früh verstorbenen Robin Williams denken. "Das Fundbüro der Wünsche" ist ähnlich: Phantasievoll, aber auch traurig und mitunter schmerzhaft zu verfolgen. Aber auch das gehört dazu, damit am Ende alles gut werden kann.


    Nachdem ich ein wenig über Mal Evans recherchiert habe, der wirklich gelebt hat, werde ich nun versuchen herauszubekommen, ob Caroline Wallace eine uneheliche Tochter von John Irving und Antonia Michaelis sein könnte. Nur so eine Theorie... :zwinker:
    4ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:
    :tipp:

  • Buchrücken: " Martha hat ihr ganzes Leben im Bahnhof von Liverpool verbracht. Als Baby kam sie hier an - in einem Koffer.
    Sechzehn Jahre ist das her, und immer noch wartet Martha im Fundbüro darauf, dass endlich jemand kommt, um sie abzuholen.
    Der Bahnhof und all die besonderen Menschen, denen sie hier begegnet, sind Marthas ganze Welt: Cafébetreiberin Elisabeth,
    George der immer eine römische Legionärsuniform trägt, und der Mann mit dem Koffer, der vielleicht den Beatles gehört hat.
    Bis eines Tages ein Brief das Fundbüro erreicht: Der Absender behauptet zu wissen, wer Martha wirklich ist. Und so macht
    Martha sich auf die Suche nach ihrer eigenen Geschichte, einer Geschichte voller Rätsel, aber auch voller Magie und Glück."




    Das Ende hat mich sehr berührt.
    Alles in allem ein sehr gutes Buch, zeitweise hat mich Marthas Naivität und Unbeholfenheit etwas gestört, aber wenn man
    bedenkt, wie sie bisher ihr Leben verbracht hat und dass sie ausser dem Fundbüro und dem Bahnhof nichts zu Gesicht bekommen
    hat, ist das ja auch nicht verwunderlich.
    Kann das Buch sehr empfehlen.
    Habe mit 5 Sternen bewertet!

    Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche die Böden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.

  • Meine Rezension:


    Seit 16 Jahren lebt und arbeitet Martha im Fundbüro des Bahnhofs von Liverpool. Sie hat ihr ganzes Leben dort verbracht, seit sie als Findelkind – in einem Koffer – dort abgegeben wurde. Sechzehn Jahre lang hat Martha diese Geschichte geglaubt. Bis sie eines Tages einen Brief erhält, der ihre jetzige Welt gehörig ins Wanken bringt. Der anonyme Absender behauptet nämlich zu wissen, wer Martha wirklich ist. Zusammen mit Elisabeth, der netten Café-Besitzerin von nebenan, George, dem römischen Legionär und William, dem verschrobenen Streuner, macht sie sich auf die Suche nach ihrer wahren Identität; eine Geschichte die einige Überraschungen mit sich bringt.



    Es hätte so schön werden können! Das Buch klang ein wenig nach „Die fabelhafte Welt der Amelié“. Es klang nach einzigartigen Charakteren, Verwicklungen, aber auch viel Gefühl; eben eine schöne und zuckersüße Geschichte für zwischendurch. Was habe ich bekommen? Einzigartige Charaktere? Das Wort seltsam trifft es wohl eher... Verwicklungen? Ja, die gab es durchaus. Wenn auch nicht äußerst überraschende. Viel Gefühl? Jein. Ich bin ganz ehrlich: Es war nicht so wie ich mir das vorgestellt habe; nicht so leicht und tralalala wie ich – ehrlich gesagt – gehofft hatte. Ernstere Themen, Identitätsfindung, Misshandlungen. Und das bei diesem märchen- und mädchenhaften Cover...



    Fangen wir doch mal mit den Charakteren an, denn die sind – wie soll ich es am besten sagen – nicht gerade die absoluten Sympathie-Träger, finde ich. Da ist einmal Martha. Die süße, kleine, liebe Martha. Diese drei Worte beschreiben sie eigentlich schon zu hundert Prozent. Denn mehr war da nicht. Sie ist die überall beliebte, absolut nette und zuvorkommende, immer nur Gerechtigkeit im Sinn habende, in Kleidchen Pirouetten drehende Martha, die absolut NICHTS über die Welt außerhalb des Bahnhofs kennt. Denn sie hat, durch die kranke Indoktrinierung ihrer Mutter, die wahnwitzige Vorstellung, dass der Bahnhof, sobald sie sich nur einen Schritt davon wegbewegt, zusammenbrechen und alle Menschen unter sich begraben würde. Wahnvorstellungen? Martha doch nicht! (Ich meine, sie denkt auch, dass der Teufel zusammen mit den Ratten im Keller wohnt, aber das nur mal so am Rande...) Ja, jetzt werden die ersten bestimmt rufen: „Aber das denkt sie doch nur, weil ihre Mutter ihr das so eingeflößt hat!“ Also, erstens: Wie krank ist die Mutter? Zweitens: Im Ernst, wie krank ist die Mutter? Die gehört in die Klapse! Und drittens: Wieso glaubt Martha das alles? Sein wir doch mal ehrlich: Ich hab meinen Eltern als ich kleiner war auch nicht alles geglaubt was sie mir erzählt haben. Und auch wenn Martha nicht allzu viel Kontakt mit anderen Personen hat, haben ihr doch noch eine Menge sagen können, dass ihre Mutter gehörig einen an der Waffel hat, und sie ja nichts von dem glauben soll, was die ihr so erzählt. Und was macht Martha? Lässt sich weiterhin die Ohren mit so einem Müll vollsülzen, lässt sich demütigen, mies behandeln, und erträgt das alles nur mit einem Lächeln und einem müden Schulterzucken, von wegen „Ich kenne es ja nicht anders von ihr?“. Warum wehrt sie sich nicht? Als ob sie sich nicht gegen eine alte klapprige Frau behaupten könnte? WO sind die starken Frauen nur hin? Mir ist schon klar, dass das Buch in einer anderen Zeit spielt - 1970 – klar, damals war es anders als heute. Aber wieso konnte sich Martha nicht mal eine Scheibe von Elisabeth abschneiden, die mit ihrer toughen und unabhängigen Art, selbstständig und ziemlich erfolgreich ein Café leitet? Sie hat sich nichts sagen lassen; sie ließ sich nicht so einfach unterdrücken! Vielleicht reagiere ich auch über, aber ich kann so eine verweichlichtes Verhalten echt nicht ab! Sowas macht mich einfach immer wütend!! Genauso wie Marthas permanent dümmliche (man kann es einfach nicht anders ausdrücken!) und naive Art, was Max anging. Max, bei dem man schon 10 Kilometer gegen den Wind riecht, dass bei dem was faul ist. Und ALLE haben ihr gesagt, dass sie sich vor ihm in Acht nehmen soll. ALLE!!! AAAARGH... Wie mich so etwas nervt! Martha denkt aber natürlich nur an das gute im Menschen, sie hat ja schließlich NIE böse Gedanken und selbst als Max sie



    Ich fand es auch echt zum Haare raufen, wie Martha immer wieder die Augen vor der Tatsache verschloss, dass George einfach bis über beide Ohren in sie verknallt war! Okay, klar, der Kerl hat auch definitiv nicht alle Schweinchen im Rennen (Warum legt er nie seine Legionärs-Uniform an? Schläft er in dem Ding? :D), aber wer hat das in diesem Buch schon? William ist auch noch so eine Nummer für sich. Ich fand ihn ehrlich gesagt nur total seltsam, vor allem sein verwirrendes Gerede über den Tod seiner Eltern hab ich bis zum Ende nicht ganz verstanden. Ich hab mich auch ein ganz klein wenig vor ihm gegruselt (und vor seiner Erscheinung geekelt) und konnte irgendwie gar nicht verstehen, warum Martha ihn und sein Auftreten am Bahnhof so faszinierend fand... Und was ich mich auch mehrmals gefragt habe: Wie wusste William einfach über ALLES immer so gut und so schnell Bescheid? Das wird mir echt auf ewig ein Rätsel bleiben... Die einzige die bei mir hundertprozentig punkten konnte war Elisabeth – naja und George, weil der so liebevoll schusselig war :D. Ich fand Elisabeths starkes Auftreten auf wiederholte Weise echt beneidenswert. Ich wäre in manchen Situationen auch echt gerne so schlagfertig wie sie :D.



    Dadurch, dass mich Martha eigentlich permanent mit ihrer Art genervt hat, konnte die Geschichte an sich mich leider auch nichts so wirklich mitreißen. Die Sache mit dem Koffer und die Suche nach der verschwundenen Urne fand ich ganz nett, war aber für mich nur bedingt spannend und eher nur Nebensache. Interessanter fand ich zu erfahren, wer denn jetzt der anonyme Absender der Briefe ist und wie Marthas Mutter damit zusammenhängt. Die Auflösung dazu fand ich wirklich schön. Ich hatte zwar schon länger eine leise Vermutung im Hinterkopf, die sich dann bewahrheitete, aber im Großen und Ganzen hat mir der Schluss der Geschichte gut gefallen und mich etwas versöhnlicher gestimmt.



    Fazit: Anders als erwartet. Nicht so tralalala und eher mit ernsteren Hintergedanken. Martha hat mich mich mit ihrer Art in den Wahnsinn getrieben und auch die anderen Charaktere konnten, außer Elisabeth und George, nicht punkten. Insgesamt ganz nett, aber leider leider nicht mehr. (2 Sterne)

  • Meine Meinung:
    Es ist etwas seltsam mit mir und diesem Roman. Zu Anfang konnte ich kaum aufhören zu lesen und habe mich so sehr wohl gefühlt. Martha ist einfach eine einnehmende Figur. Sie hat so vieles das ich wirklich mag. Vor allem die Art und Weise, wie sie ihrer Liebe zu Büchern Ausdruck verleiht, das ist einfach ganz wunderbar. Anstrengend fand ich aber die Tatsache das Martha die Handlungen ihrer Adoptivmutter nie hinterfragt und kein einziges Mal zu rebellieren scheint. Nicht einmal als diese stirbt. Natürlich soll das unterstreichen welches Leben Martha führen musste und das sie gar nicht gelernt hat, selbstständig zu denken. Oder sich überhaupt als eigenständige Person wahrzunehmen. Trotzdem, mein persönliches Lesevergnügen wurde nach und nach dadurch deutlich geschmälert.
    Der Roman hat dann irgendwann, seinen Zauber für mich etwas eingebüßt. Es lag nicht daran, das er irgendwann etwas weniger leicht und Flockig daherkam. Ich fand es gut, das hinter der scheinbar verträumten Fassade einige Abgründe zu finden waren.
    Es war viel mehr so, das mir die Suche nach Mal Evans sehr genervt hat. Für mich hat sie irgendwie so gar nicht zur restlichen Handlung gepasst. Dieser Erzählstrang, der vor allem durch Zeitungsartikel und ein paar Briefe dargestellt wird, ich fand ihn eigentlich eher überflüssig. Außerdem fand ich es nicht so überzeugend das Martha auf einmal mit einem erwachsenen Mann überall hingehen sollte.
    Schön fand ich dagegen Marthas Freundeskreis, vor allem Elizabeth ist eine sehr wichtige Figur. Wobei ich zugebe, das ich die Entwicklung die sie nimmt, nicht so gelungen fand. Ich gebe zu, ich hätte es spannender gefunden, wenn hier eine andere Lösung, die Wahrheit offenbart hätte. Die Figur des William hat mich am meisten berührt. Eigentlich noch mehr als Marthas eigenes Schicksal. Gerade durch ihn, wird noch näher beleuchtet, was Familie eigentlich bedeuten kann. Martha selbst hat nie gelernt das es ein Ort der Geborgenheit sein kann. Georg blieb mir etwas zu blass um wirklich eine Meinung zu ihm zu haben. Meistens wird er einfach nur rot.
    Alles in allem konnte der starke Anfang meine Erwartungen nicht ganz erfüllen. Trotzdem würde ich sagen, das der Roman durchaus ein Wohlfühlbuch sein kann. "Das Fundbüro der Wünsche" ist ein modernes Märchen, das die Abgründe des Lebens beschreibt, aber gleichzeitig auch hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt. Dabei weißt die Handlung dann aber doch auch Schwächen auf. Ich kann mir aber gut vorstellen weitere Romane der Autorin zu lesen. Ich sehe Potential :breitgrins:


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Martha ist sechzehn und lebt in Liverpool auf dem Bahnhof Lime Street Station, wo ihre schreckliche Stiefmutter das Fundbüro führt. Den Bahnhof kennt sie in- und auswendig, was auch nicht verwunderlich ist, hat ihn Martha doch in ihrem ganzen Leben noch nie verlassen und fürchtet, es könne etwas Schreckliches passieren, wenn sie auch nur einen Fuß über die Schwelle setzt.


    Martha liebt 50er-Jahre-Kleider, Pirouettendrehen, Bücher und den Zitronenstreuselkuchen, den Elisabeth, die man mit Fug und Recht als Marthas beste Freundin bezeichnen könnte, im Bahnhofscafé backt. Und sie hat eine besondere Gabe: wenn sie eine Fundsache in die Hand nimmt, sieht sie im Geiste dessen Geschichte vor sich.


    Nur ihre eigene Geschichte kennt sie nicht. Sie weiß nur, dass sie ein Findelkind war und angeblich in einem Koffer im Fundbüro abgegeben wurde. Das soll sich unbedingt ändern, und sie startet eine ungewöhnliche Aktion, um ihrer eigenen Identität auf die Spur zu kommen.


    Eine andere Fundsache beschäftigt in diesem Sommer 1976 ganz Großbritannien, aber vor allem Liverpool: ein australischer Journalist ist an einen Koffer geraten, der angeblich verschollene Aufzeichnungen und Aufnahmen der Beatles enthält und dem "fünften Beatle" Mal Evans gehört hat. Verschollen ist im übrigen auch die Urne mit dessen Asche, die nach seiner Ermordung in Los Angeles nie bei seiner Familie angekommen ist.


    Man ahnt es schon: Max, der Journalist aus Down Under, taucht in Liverpool auf und wittert den ganz großen Coup, wenn er zusätzlich zu dem sagenumwobenen Koffer auch noch Mal Evans' Asche auftreiben könnte ... und landet auf seiner Suche im Fundbüro der Lime Street Station.


    Es ist wirklich ein Jammer. So viele schöne Ideen und eine Umsetzung, die mir überhaupt nicht gefallen hat. Der quirlige Audrey-Hepburn-Verschnitt Martha, die hyperreligiöse, überstrenge Stiefmutter, die patente Cafébesitzerin Elisabeth, die stets mit Tee, Kuchen und klugen Ratschlägen zur Stelle ist, ein Fahrgast, der stets im römischen Legionärsgewand unterwegs ist und ein rätselhafter Mann mit Melone auf dem Kopf und Angel im Schlepptau, dazu ein entzückendes Café, eine besondere Büchersammlung und andere Skurrilitäten ... aus alledem hätte man eine wundervolle Mixtur aus "Amélie" und "Hugo Cabret" zaubern können.


    Doch das Buch wirkt unausgegoren, als könne es sich nicht entscheiden, ob es nun märchenhaft oder realistisch daherkommen soll. Die Figuren bleiben bloße Ideenträger und erwachen nicht wirklich zum Leben, was sicher auch daran liegt, dass sie sich teilweise so unlogisch, unverständlich und unglaubwürdig verhalten. Viel zu oft geschieht etwas unvermittelt, ohne dass die Motivation dahinter auch nur im Ansatz deutlich wird - als habe die Autorin einfach beschlossen, dass das nun zu passieren hat.


    Ich mag phantasievolle Ideen und Geschichten, in denen sich die Grenzen der Realität verwischen, aber so, wie Caroline Wallace die Dinge hier präsentiert, wirkt es einfach nicht stimmig und vieles künstlich aufgebauscht oder verkompliziert. Auch die Persönlichkeitsentwicklung von Martha passt nicht. Selbst wenn man einbezieht, dass sie isoliert von Altersgenossen aufgewachsen ist und nie eine Schule besucht hat, wirkt sie viel zu naiv, was sich auch in der oft kindlich wirkenden Sprache niederschlägt (Pipi, Popo und so weiter ...)


    Am schlimmsten war der Handlungsstrang um Max, Mal Evans und den Beatles-Koffer, obwohl der wirklich Potential gehabt hätte. Die Art, wie sich die Beziehung zwischen Max und Martha entwickelt, fand ich von vorne bis hinten unglaubwürdig und immer nervtötender, bis sie schließlich in einer so fragwürdigen wie unnötigen Aufregerszene gipfelte. Ein so schablonenhaft-platter Typ wie Max ist mir literarisch schon lange nicht mehr untergekommen.


    Irgendwann habe ich nur noch weitergelesen, weil ich wissen wollte, wie Marthas Suche nach ihren Wurzeln ausgeht. Das Ende fand ich dann zwar einerseits nett, andererseits aber machte es das ganze aufgeblähte Gedöns auf den 200 Seiten vorher eigentlich komplett überflüssig.


    Schade um so viel verschenktes Potential. Aber es gibt doch noch ein Extramäuschen für die tollen zugrundeliegenden Einfälle der Autorin.


    2ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Vor allem die Szene, in der

    sowie einige ähnliche Szenen zuvor fand ich total blöd und überflüssig. Überhaupt der ganze Max-Kram - damit ging es mir wie Dir, das hatte einfach keine glaubwürdige Grundlage. Klar kann es vorkommen, dass sich eine Sechzehnjährige in einen viel älteren Mann verknallt, aber es wurde in keiner Weise spürbar, wie das bei Martha zustandekam. Und dann diese Naivität ihrerseits, schrecklich!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine

    Vor allem Max ist einfach auch überhaupt nicht sympathisch... Ja ihre Naivität hab ich auch noch im Kopf. Eigentlich wäre es mit ihrer Geschichte viel glaubwürdiger gewesen, wenn sie irgendeine psychische Störung davon getragen hätte, die dann ihre weiteren Handlungen erklärt. Aber diese Naivität... wirkte auf mich als ob die Autorin etwas Probleme hatte sich die Situation wirklich vorstellen zu können...

  • Den Eindruck hatte ich auch, dass sie versucht, ernste Themen anzuschneiden, ohne sich wirklich damit beschäftigt zu haben.


    Max war weder sympathisch noch in irgendeiner Weise als Figur glaubwürdig, der ist für mich ein totaler Papiertiger geblieben.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen