So, nun komme ich endlich zum Antworten.
Dito, war das Weekend in Prag und ansonsten hatte ich immer Besuch bis spät Abends…
Oh ja, die Psychologie ist auf jeden Fall eine Wissenschaft, es geht ja ganz oft nicht nur um rum"gelaber" und Interpretation, sondern auch total viel um Biologie und Chemie. Auch die ganzen Experimente, die gemacht werden, werden hoch wissenschaftlich durchgeführt. Ich muss mir ganz oft anhören, dass Psychologie ja keine Wissenschaft ist, beim "Science Pub Crawl" letztes Jahr waren auch nur Mathe, Bio, Chemie und Physik dabei, aber diese Leute irren sich boxen
Denke halt nur, das Wort psychologiewissenschaftlich gibt es nicht
Da hast du wohl recht, ja.
Ich finde die Psychologie sehr interessant, aber, und das gilt für alle Wissenschaften, nicht das Mass aller Dinge. Solange Wissenschaften ethisch vertretbar sind, habe ich damit auch kein Problem wenn Gelder dafür eingesetzt und unter anderem auch verschwendet werden. Aber gerade die Psychologie beinhaltet in meinen Augen sehr viel Schwachsinn. Da werden einfach viel zu viele Tierversuche betrieben, für Dinge die ja sowieso logisch sind und meines Erachtens keinen wissenschaftlichen Beleg benötigen, oder nicht einmal von Bedeutung sind. So z.B. ein Affenbaby von seiner Mutter trennen und total isolieren um zu sehen, dass dies zu Verhaltensstörungen führt, oder der Pawlowsche Hund, oder ganz schlimm, die Erforschung der Depression..
Aber zurück zu 1984, schliesslich möchtest du das ja studieren. Ich wollte nur mal mein Verhältnis zu der Psychologie abgeben – welche ich teils selber auch sehr wertschätze.
Mathe, Physik, Bio, und Chemie sind berechenbar, was bei der Psychologie wohl nur zu einem kleinen Teil der Fall ist. Der Geist ist eben nie 100% belegbar und insbesondere nicht 1:1 übertragbar. Eine Geisteswissenschaft eben - die sollte man nicht unterschätzen, aber immer mit Vorsicht geniessen. Mir sind aber die Voraussetzungen des SPC nicht bekannt. Kann und will da keine Meinung vertreten.
Stimmt auch. Ich muss sagen, ich bin ja auch eine von den Personen die sagt, meinetwegen kann der Staat mich gerne überwachen, ich hab nichts zu verbergen. Wenn es hilft, Gewalt und Terror einzudämmen Bei einer Kamera in meinem Schlafzimmer die mir ständig patriotisches Zeug vorquatscht, ist bei mir aber auch Schluss. Aber wer weiß, wie das in ein paar Jahren aussieht...
Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht ist zurecht ein Sklave (Aristoteles)
Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren (Benjamin Franklin)
Das Argument mit dem nichts zu verbergen zu haben höre ich immer wieder. Kapiert habe ich es noch nie.
Wir leben in einem Rechtssystem in dem Schuld und nicht Unschuld bewiesen werden muss - und das ist gut so. Ein wenig Freiheit gegen Sicherheit ist ja ok, aber gerade dieses nichts zu verbergen haben halte ich für das Käsestück in der Mausfalle.
In seinem eigenen zu Hause überwacht und manipuliert zu werden ist natürlich das absolute no-go, aber es fängt doch schon viel früher an und der Missbrauch wird immer viel grösser als der Nutzen sein.
Ich glaube, du hast recht. Die Hauptrevolution, so wie ich das verstanden habe, war in den 50ern und 60ern, und Winston ist kurz davor geboren worden (irgendwann in den 40ern?), wird also eine normale Kindheit gehabt haben. Andererseits ist die NS Zeit auch relativ rasch vorangeschritten. Hitlers Machtergreifung wurde von ihm selbst ja auch als Revolution bezeichnet, auch wenn es keine richtige war (ich erinnere mich an rege Diskussionen im Geschichtsunterricht...). Ist natürlich nicht das gleiche, aber ich denke die "Verblendung" der Masse war da ähnlich. Natürlich ist in 1984 die ganze Welt mitgezogen, und es geht nicht nur um ein Land, aber ich sehe das ähnlich wie du, dass es eben wichtig war, den Protagonisten beide Seiten erleben zu lassen.
Ja stimmt, sowas kann auch ganz schnell gehen – zumindest bei der Masse.
Genau aus dem Grund fände ich es halt interessant, noch mehr Einblick in das Denken anderer Charaktere zu bekommen. Wie oft ertappen sich die Menschen dabei, wie sie thoughtcrime (sorry, kenne leider den deutschen Begriff nicht) begehen, also irgendwie verräterische oder unglückliche Gedanken haben? Dass kaum jemand seine Unzufriedenheit ausleben und an die Öffentlichkeit tragen würde, ist klar, aber man denke zum Beispiel an den Charakter am Ende, der irgendwann anfängt, im Schlaf gegen die Partei zu reden. Passiert das oft, und wissen zumindest manche Menschen tief in sich drin, dass ihr Leben nicht wirklich Glück bedeutet?
Ja das wäre möglich. Wenn Julia keine Spionin des Liebes-Ministeriums war (ganz ausschliessen kann man das ja nicht, da der Leser nur Winstons Willensbruch miterlebt) und man ihr Glauben schenken kann, dann gibt es offenbar einige die zumindest für Sex* ein Risiko eingehen und sich ihrer Freiheit beraubt fühlen.
Die Geschichte kann man wirklich beliebig auslegen, ohne zu einem endgültigen Entschluss zu kommen. Das finde ich auch ganz gut so, es lässt Interpretationsfreiraum.
Ich bin der Meinung noch mehr Einblick hätte das Buch nur unnötig in die Länge gezogen, weil es nicht um Menschenschicksale, sondern um die Struktur der absoluten Macht geht. Darum, dass die Mittel der Unterdrückung (je fortgeschrittener die Technik) als wie besser werden, bis sie eines Tages unbezwingbar und fast unsichtbar wird.
*Die absolute Macht in 1984 kontrolliert auch unsere Ur-Triebe – Sex und Gewalt - absolut. Warum man Gewalt kontrolliert ist ja noch verständlich. Man lenkt die natürliche Boshaftigkeit auf die gewünschten Ziele. Evtl. reichten diese ganzen Hasspredigten etc. wirklich schon aus und man benötigt gar keine Soldaten und Kriege um die Gewalt der Menschen zu kontrollieren. Aber warum nimmt man ihm die Freude am Sex weg? Mit Sex lässt sich doch auch ganz gut kontrollieren…
Vielleicht deshalb, um so die Rebellen ausfindig zu machen und dann genauer zu studieren? Vielleicht werden millionen Julias eingesetzt? Vielleicht prüfte sie, ob er eine Gefahr für die Partei darstellt?
Nochmals (ich weiß du hälst davon nichts Gibt es überhaupt eine Macht an der Spitze, oder ist das ein selbsttragendes System ohne wirkliche Macht? Der grosse Bruder als fiktive - im wohle der Menschheit - agierende Macht. Jemandem dem man vertrauen kann..(oder ein Trugschluss)
Ja, und alle Menschen handeln so, wie die Partie es verlangt. Das ist für mich Macht
Ja irgendwie schon, aber evtl. die einzige die nicht korrumpiert. Zumindest bleibt auch dieser Spielraum offen. Wenn ich mich richtig erinnere bekommt man keine Belege für die wirkliche Existenz des Big Brothers und auch nicht, ob da jemand die Fäden zieht?
Ich entscheide jetzt einfach mal, aktiv nicht darüber nachzudenken. Dafür bin ich noch zu jung und lebensfroh
Hrrhrr das kann ich verstehen.
Ja, aber es heißt ja auch in Goldsteins Buch, dass die drei Staaten eigentlich gar keinen richtigen Krieg mehr führen, sondern alles nur noch inszeniert ist, da kein Vorteil mehr daraus entstehen würde, feindliches Gebiet zu erobern. Teilweise wird ja sogar angedeutet, dass die Partei selbst ab und zu Bomben auf das eigene Volk abwirft, um eben einen Krieg vorzugaukeln und den Patriotismus zu schüren. Dann bräuchte man im Endeffekt auch keine Soldaten.
Ja wie weiter oben bereits geschrieben, wäre das natürlich auch möglich. An Goldstein habe ich allgemein schon zu lange nicht mehr gedacht. Vielleicht ist er auch nur eine Erfindung der Gedankenpolizei. Eigentlich müsste ich das Buch nochmals lesen, um über Details reden zu können.
Da bist du der Experte. Was Orwell dachte und wollte, kann ich nicht wirklich sagen. Dafür habe ich mich in das Thema zu wenig eingearbeitet. Aber vielleicht war er einfach wirklich eine sehr pessimistische Person und wollte sagen "So wird es enden, und nicht anders, die Menschheit ist verloren". Und wer weiß, vielleicht hatte er ja Recht
Nein ein Experte bin ich sicher nicht – dafür habe ich noch zu wenig von ihm gelesen. Aber so ne Grundbasis habe ich und zudem sind auch seine Zitate sehr aufschlussreich, um seinem Denken näherzukommen.
Diesen Schuss Pessimismus erwähnte er mal in Warum ich schreibe. Er hatte einen Hang für naturalistische Romane mit negativem Ausgang. Durch sein bewegtes Lebens hatte er auch allen Grund dazu.