Heimito von Doderer - Die Strudlhofstiege (Erster Teil)

Es gibt 76 Antworten in diesem Thema, welches 14.305 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kandida.

  • Ich muss sagen, dass mich die 2. Hälfte des 1. Teiles ein wenig.. ermüdet hat - aufgefallen ist mir dennoch, dass der Autor den Leser gern mit einer neuen Person in ein neues Setting wirft und dann erst später erklärt, wer und was eigentlich ist..? Muss ich das als "Kunstgriff" verstehen oder darf ich es als "Ärgerlichkeit" bezeichnen?
    Versteht eigentlich jemand, wieso einige Personen immer nur mit abgekürztem Namen auftauchen (Mary K., Kajetan von S.(?)), während andere ihn vollständig behalten dürfen? Soll das Diskretion&Authenzität suggerieren (an echte glaub ich jetzt erst mal nicht?!) - ich find es ein wenig.. nervig.


    Liebe Mitleser - helft mir auf. Auch die entzückenden örtlich/zeitlich besonderen Wörter sind in der 2. Hälfte deutlich zurückgegangen (oder sind sie mir im ermüdeten Zustand nur weniger aufgefallen?) - hab mal eine kleine Liste gemacht:
    zulänglich
    Schafblattern (für Windpocken.. ;) )
    Geweid
    vindicieren
    dieserhalb
    Perorierung
    Ritornelle
    voiliert...
    ganz entzückend.. :smile:


    Inzwischen geht es mir aber so, dass ich gerade reduzierte Motivation für die weiteren 700 Seiten verspüre..
    Ich hab' wenig Probleme mit langen Sätzen oder gewundener Ausdrucksweise, wenn beides passend ist und nicht Selbstzweck - ich bin ein großer Fan von passender Sprache.
    Je älter ich werde, desto mehr stelle ich allerdings fest, dass mir eine scheinbar einfache, in Wirklichkeit aber sehr überlegte Sprache oft besser gefällt - hier erscheint mir Vieles einfach manieriert.
    Zwischendurch gibt es immer mal wieder eine Aussage, die das Ganze rausreißen könnte - wenn man sie denn im allgemeinen Gedränge der Wörter wirklich wahrnimmt.


    Wie ich es zuweilen tue, hab ich auch diesmal in die a..-Leserrezensionen geschaut (finde immer, die interessantesten sind oft die sehr unterschiedlich bewerteten Bücher.. ;) - hier mal, falls erlaubt, ein Link zu den 3 "mittelmäßigen" Rezensionen (etwas runterscrollen..), in denen Einiges steckt, was ich im Augenblick auch schon so empfinde, aber mich nach nur 200 Seiten noch nicht ganz traue, in Worte zu fassen. Wie gesagt: Vielleicht könnt Ihr ja auch "meinen Blick schärfen".. :


    Externe Rezis ganzes Buch

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Schafblattern sagt man bei uns in Österreich übrigens immer noch. Kannte den Begriff Windpocken als Kind nicht mal :breitgrins:

  • Oh - danke!! :smile: (Hab ich Nicht gewusst, obwohl Österreich nahe ist..)
    Wie gut, dass wir Spezialisten hier haben.. :zwinker:

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Ich verfolge eure Leserunde sehr interessiert. Leider hab ich keine Zeit zum mitlesen. Das Buch selbst kenn ich noch nicht. Es steht aber auf meiner Wunschliste. Die strudlhofstiege ist übrigens eine ziemlich unscheinbare Stiege in Wien :breitgrins:


    Ich kann auch nicht sagen ob der Begriff im Westen verwendet wird. In wien ist er nach wie vor gängig

    Einmal editiert, zuletzt von Jaqui ()

  • Es gab noch ein Wort...ich komm grad nicht drauf...ich habe es als Gasthaus interpretiert.


    Die langen Sätze sind wirklich ermüdend. Manchmal lese ich sie 2-3mal.
    Und dann kommen wieder Beschreibungen, wie die, als Mary nach dem Mittag das Haus verlässt, durchs Treppenhaus geht, am Portier vorbei, das große Tor für die Fahrzeuge, darin ein kleines für Fußgänger- ich habe genau vor Augen, wie das aussieht, kenne ich solche Häuser zwar nicht aus Wien, aber aus Berlin - und dann betritt sie die Straße und der Sommer fällt ihr um den Hals.
    Ich habe es schon 1000mal erlebt, wenn ich im Sommer aus meinem kühlên Altbaubüro nach draussen gehe, aber es nie so treffend beschrieben gelesen. Herrlich!


    Die Abkürzung der Nachnamen - das kennen wir doch auch von Tolstoi, wenn ich nicht gerade irre?

    🐌

  • Ja. Ein Beisl ist ein Gasthaus. Kein gehobenes Restaurant sondern eher ein gemütliches Lokal wo man sein Bier genießt :breitgrins:


    Ja, genau. Das Wort war mir aufgefallen, weil ich es tatsächlich noch nie gehört habe.

    🐌

  • Hallo,


    ich bin in der ersten Hälfte des ersten Teils, Mary K. hat grade Tennis gespielt. Um die Personen halbwegs zusammenzuhalten, habe ich mir einen Zettel geschrieben, schwierig dabei ist für mich vorallem die verschiedenen Zeithorizonte zu erfassen. Wann sind wir in den Zwanzigern, wann sind wir vor dem 1. WK gedanklich zumindest und wann macht der Autor zukünftige-motivierte Bemerkungen. Das habe ich auf meinem Zettel noch nicht so richtig erfasst, aber es wird schon.
    Vllt tauchen einige Personen ja auch gar nicht mehr auf.


    Auch ich finde den Stil sehr gewöhnungsbedürftigt, die Leserunde und die Aussage 2 Mitleser in meinem Lesekreis (sie lieben das Buch) motivieren mich dranzubleiben und die Eindrücke des Lebens und der Gesellschaft passen schon in gewisser Art zum Stil...


    Die von euch genannten Wörter sind mir nicht bewußt untergekommen, scheinbar lese ich da zu ungenau und darüber hinweg...


    Grüße
    schokotimmi

  • Was den Stil anbelangt, habe ich mich daran gewöhnt. Er gefällt mir. Ansonsten habe ich dieselben Probleme wie schokotimmi: Das Hin und Her zwischen den Zeiten ist verwirrend, ebenso die vielen Personen. Diese beiden Punkte beschäftigen mich sehr und verhindern, dass ich richtig in die Geschichte eintauchen kann. Aber ich mag die Anekdötchen wie z. B. mit den Hosenträgern oder das Bild Wiens, das sich langsam entfaltet. Das sind quasi kleine Appetizer, die Hunger auf den Hauptgang machen.

  • schokotimmi
    Die Idee mit dem Zettel für die Personen finde ich gar nicht dumm. Ich denke, ich werde mir ebenfalls einen anlegen. :winken:


    Beim Schreibstil kann ich sagen, dass es bei mir so ist, dass ich den Sinn letztlich erfasse erfasse, auch wenn ich nicht jeden Satz zuende denke. Manchmal ist drüberlesen genau richtig. K.A. wie das funktioniert, aber bei mir klappt es. - meist. :breitgrins:

    🐌

  • Also ich frage mich ein wenig, worauf es hinauslaufen wird, sicher erfahren wir wie Mary K ihr Bein verliert, aber welche Rolle all die Personen spielen werden, ich weiß es nicht...


    Dr. Negria scheint ja ein echter Schlawiner, ein Lebemann...


    Und habt ihr auch das Gefühl, Wien ist ein Dorf, man kennt sich hier und grüßt sich da (oder eben auch nicht, ganz aus Prinzip), da eine Affäre, dort ein Skandal - ein bisschen wie yellow press der 1920er.


    Grüße
    schokotimmi

  • Ja - ist schon eine exklusive kleine Gesellschaft, diese Gruppe von oft müßigen jungen Herren (ist ja auffällig, dass mindestens 2/3 der auftretenden Personen männlich sind??) der besseren Gesellschaft. Und die paar Damen, um die sie sich drehen..


    Interessant an den beiden Zeitebenen ist, dass der Erste Weltkrieg völlig ausgeklammert wird (obwohl Majore u.Ä. eigentlich zuhauf auftreten.. ;) ) - ein einziges Mal habe ich bis jetzt die kurze Anspielung "nach seiner Gefangenschaft" gelesen..


    Kandida, Doris: Vielen Dank für das Herausstellen der Szenen, die Euch gefallen haben. Das bringt mich zu mehr "Achtsamkeit".. ;)


    schokotimmi: Ja - genau wegen des Bildes der Wiener Gesellschaft zu dieser Zeit möchte ich das Buch auch lesen.


    Allein schon die Nationalitäten innerhalb der Gruppe "ausgesuchter" junger Männer ist wahrscheinlich typisch: Ein Rumäne, ein Pole und ein "halber" Ungar.. (jaaa, Österreich war größer damals..), dazu die Schweizerin und all diejenigen, die ich wahrscheinlich überlesen habe.. *g* - soviel dazu, dass wir uns heute für "weltläufig" halten.. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()


  • Also ich frage mich ein wenig, worauf es hinauslaufen wird, sicher erfahren wir wie Mary K ihr Bein verliert, aber welche Rolle all die Personen spielen werden, ich weiß es nicht...


    Die vielen Figuren machen die Handlung bunt und abwechslungsreich. Da werden sich neben Melzer sicher noch einige als Hauptpersonen etablieren, aber es dauert bestimmt noch ein Weilchen, bis sich herauskristallisiert, wer eine größere Rolle spielt. Wenn man sich erst mal an die Einzelnen gewöhnt und mehr über sie erfahren hat, wird es schon übersichtlicher. Den Zettel hätte ich mir auch anlegen sollen.



    Und habt ihr auch das Gefühl, Wien ist ein Dorf, man kennt sich hier und grüßt sich da (oder eben auch nicht, ganz aus Prinzip), da eine Affäre, dort ein Skandal - ein bisschen wie yellow press der 1920er.


    Ja, mir kommt es auch ein bisschen wie ein Dorf oder wenigstens eine Kleinstadt vor. Die Herrschaften bewegen sich aber meist auch immer in den selben Kreisen, da kennt man sich eben. Über den gesellschaftlichen Tellerrand zu schauen war da noch nicht üblich.



    Interessant an den beiden Zeitebenen ist, dass der Erste Weltkrieg völlig ausgeklammert wird (obwohl Majore u.Ä. eigentlich zuhauf auftreten.. ;) ) - ein einziges Mal habe ich bis jetzt die kurze Anspielung "nach seiner Gefangenschaft" gelesen..


    Auf diverse Anspielungen bin ich auch gestoßen. Die Handluch erscheint auf den ersten ca. 80 Seiten recht unbeschwert, da würden der drohende Krieg oder seine Nachwirkungen (je nach dem, in welcher Erzählphase wir uns gerade befinden) gar nicht ins Bild passen.


    Mir fiel auf, dass nach Melzers Jagdausflug der Erzähler die Leserschaft plötzlich direkt anspricht. So mitten in der Handlung ist das ungewöhnlich. Wenn dieses Stilmittel eingesetzt wird, dann doch meist schon am Anfang. In dem Zusammenhang frage ich mich, ob das Buch autobiografische Züge hat. Ist euch dahingehend etwas bekannt?

  • Meine Lieben, ich muss mich aus dieser Leserunde verabschieden. Ich komme einfach nicht in das Buch hinein. Es liegt weder am Stil noch an der Geschichte, sondern daran, dass ich derzeit an einer Leseblockade vorbei schramme und mir deswegen leichte Kost eher zusagt. Ich wünsche euch noch viel Spaß mit der Strudelhofstiege :winken:

  • Ach, das ist schade, aber verständlich. Es gibt eben sohne und solche Zeiten....
    Manchmal ist leichte Kost hilfreich. Vielleicht ein anderes mal, das Buch ist ja nicht weg. :winken:

    🐌

  • Wenn dieses Stilmittel eingesetzt wird, dann doch meist schon am Anfang. In dem Zusammenhang frage ich mich, ob das Buch autobiografische Züge hat. Ist euch dahingehend etwas bekannt?


    Hab dazu das hier gefunden..
    Fand's auch auffällig, dass bei René öfters Szenen beschrieben werden, bei denen er allein seinen Gedanken nachhängt und frage mich, ob sich das Geschehen denn später noch mehr auf den Major Melzer fokussieren wird, um den Untertitel zu rechtfertigen..?!

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()


  • frage mich, ob sich das Geschehen denn später noch mehr auf den Major Melzer fokussieren wird, um den Untertitel zu rechtfertigen..?!


    Aus der Erinnerung an meine damalige Lektüre heraus: ja, am Ende geht es stärker um Melzer und seine "Menschwerdung".


    (Sorry, dass ich so unangemeldet hereinplatze. Als ansonsten stiller Mitleser folge ich dieser Leserunde sehr gerne.)

    "Den Alltagsdingen den Charme des Neuen zu verleihen und ein dem Übernatürlichen ähnliches Gefühl hervorzurufen, indem die Aufmerksamkeit aus der Lethargie des Gewohnten erweckt und auf den Reiz und die Wunder der vor uns liegenden Welt gelenkt wird."

    (William Wordsworth)

  • Hm, nach fast einer Woche bin ich auf Seite 90. Was sagt mir das denn? Ich habe im Moment zu viele andere Baustellen, die es mir schwer machen, mich auf das Buch zu konzentrieren und längere Passagen am Stück zu lesen. Ich werde wahrscheinlich bis nach der Leipziger Messe nicht wirklich viel weiter kommen und daher ziemlich hinterherhinken. Dabei sind wirklich herrliche Passagen und Perlen im Buch. Gerade sind wir auf Bärenjagd. :zwinker: Durch die vielen Sprünge und die recht kurzen Abschnitte fällte es mir aber schwer, dranzubleiben. Das nur mal als Zwischenmeldung. :winken: