Diskussion: Sarit Yishai-Levi - Die Schönheitskönigin von Jerusalem

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  • Mir war Merkadas Charakter generell unbegreiflich. Sie setzte ihren Willen durch und zwang ihren Sohn durch Schuldgefühle in die von ihr gewünschte Ehe. Warum aber verachtete sie Rosa so? Merkada hatte, was sie wollte. Mit ein bisschen Freundlichkeit gegenüber ihrer Schwiegertochter hätte sie deren ewige unverbrüchliche Loyalität gewonnen. Man sollte meinen, ein Machtmensch wie Merkade würde das zu schätzen wissen.


    Merkata hat Rosa nicht einmal als Mensch wahrgenommen, sondern nur als Mittel um den Sohn zu bestrafen und ihren Mann zu rächen. Sie wollte nie ihre Loyalität, für sie ist Rosa kein Mensch mit dem sie auf ihrem hohen Ross sich abgibt.

  • Merkata hat Rosa nicht einmal als Mensch wahrgenommen, sondern nur als Mittel um den Sohn zu bestrafen und ihren Mann zu rächen. Sie wollte nie ihre Loyalität, für sie ist Rosa kein Mensch mit dem sie auf ihrem hohen Ross sich abgibt.


    Das hast du sehr schön ausgedrückt. Das habe ich mir gar nicht so richtig bewusst gemacht.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Nachdem ich mich jetzt ein bisschen in Amos Oz eingelesen habe, möchte ich noch auf Danis Eingangsfrage, ob die Schönheitskönigin mit den Buddenbrooks oder "Der Geschichte von Liebe und Finsternis" verglichen werden kann, antworten.


    2x Nein. Weder können die Inhalte verglichen werden, noch bewegt sich die Schönheitskönigin auf dem gleichen literarischen Niveau. Sarit Yishai-Levi liefert gute Bellestritik ab, das Buch weiß zu fesseln und hebt sich meiner Meinung nach über den Durchschnittsbrei, aber Oz und Mann spielen definitiv in einer anderen Liga.


    Amos Oz schreibt in der Geschichte von Liebe und Finsternis mit einer sinnlichen Sprachgewalt. Anhand seinen Beschreibungen habe ich das Gefühl das Jerusalem des jungen Amos der vierziger Jahre sehen, hören, riechen und fühlen zu können. Er beschreibt es so leidenschaftlich, dass es mich als Leser mit Wehmut erfüllt, dieses Jerusalem nicht erleben zu können - und zwar trotz der großen Probleme, die er nicht verschweigt.


    Versteht mich bitte nicht falsch, mir hat das Buch sehr gut gefallen. Sarit Yishai-Levi spannt einen großen Bogen. Ihre weiblichen Figuren bilden eine Metapher für das junge Israel - zuerst fremdbestimmt und unterdrückt, von außen angegriffen und mißverstanden, wandeln sie sich von Rosa bis zu Gabriela im eigenen Selbstwertgefühl. Während Rosa noch der Spielball anderer ist, lebt Gabriela ein selbstbestimmtes Leben. Gabriela trägt noch an der Last der Vergangenheit, sie kann aber am Ende ihren Frieden mit dem Geschehenen schließen und mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Etwas, was Rosa und Luna verwehrt war, wenn auch Luna schon freier handeln konnte als Rosa.

  • Amos Oz und Sepharden waren mir vorher kein Begriff. Aber das hat mich nicht gestört, so konnte ich unvoreingenommen lesen.
    Am meisten hat mich aus sprachlicher Sicht das Spaniolische fasziniert. Ich wusste bisher nicht, dass es ein sog. Juden-Spanisch gibt. Und das obwohl ich mich mit der Spanischen gut auskenne. Ich hatte mich anfangs nur gewundert, wie viel an kursiv geschriebenen Text ich verstanden habe, auch wenn's mehr Lautschrift als Hochspanisch war :)


    Das Cover finde ich sehr passend. So kann man sich von der wunderschönen Luna ein Bild machen.
    Doch es gibt nichts Schönes ohne Tragik, so möchte man nach der Lektüre des Buchs urteilen.
    Gerade das konfliktreiche Verhältnis der Ermoza Frauen mit der Lieben bzw. ihren Ehemännern war doch das Salz in der Suppe. Alle Frauen, über 4 Generationen hinweg, haben mit der Liebe bzw. emotionalen Kälte ihre Kämpfe ausgetragen.
    Deshalb hat mich das hoffnungsvollle Ende für Gabriella und Amnon sehr gefreut. Endlich mal ein positives Momentum oder?


  • Mir war Merkadas Charakter generell unbegreiflich. Sie setzte ihren Willen durch und zwang ihren Sohn durch Schuldgefühle in die von ihr gewünschte Ehe. Warum aber verachtete sie Rosa so? Merkada hatte, was sie wollte. Mit ein bisschen Freundlichkeit gegenüber ihrer Schwiegertochter hätte sie deren ewige unverbrüchliche Loyalität gewonnen. Man sollte meinen, ein Machtmensch wie Merkade würde das zu schätzen wissen.


    Alles in allem empfand ich Merkada auch als sehr hartherzig. Hinzu kam noch ihre Verachtung für die Schwiegertochter, die sie für Gabriel selbst ausgesucht hat. Damit hat sie nicht nur Gabriel, sondern auch Rosa ins Unglück gestürzt...


  • Ja, aber sicher gibt es auch gelungene arrangierte Ehen, wenn auch nicht unbedingt in diesem Buch. :)


    In diesem Buch waren die arrangierten Ehen immer die schlechtesten. Wenn keine Liebe zwischen den Ehepartnern bzw. Vertrauen herrscht, dann finde ich es schwer bis unmöglich, zusammenzuwohnen.


  • Ja, natürlich wollen wir das alle. Leider gibt es immer noch Kulturen die ihre Töchter im Kindesalter in eine Ehe zwingen. :sauer:


    Das Vorgehen finde ich furchtbar und nicht mehr zeitgemäß. Die armen Frauen und Männer.

  • Das empfinde ich auch als sehr gut gelungen in diesem Buch. Die Menschen sind nicht einfach nur verschlossen, bösartig, abgeschottet, nachtragend, zickig und aufbrausend, sondern zu all diesen Charaktereigenschaften kommen Gründe hinzu. Kinder werden von ihren Eltern geprägt, von der Gesellschaft und der Umgebung, in welcher sie leben. Diese Prägung nehmen sie mit und sie wird ein Teil ihrer selbst.
    Gerade Gabriel und Rosa taten mir so leid. Sie waren das Opfer ihrer Eltern und der Gesellschaft. Rosa war eine Person mit einer ganz besonders tragischen Geschichte. Kennt man aber die Vorgeschichte, so wundert man sich nicht, wie es endet.


    Hier, finde ich, hat die Autorin ganz besonders aufmerksam, jede kleine Ecke beleuchtet und mit viel Mühe und Liebe, jedes Schicksal herausgearbeitet.
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    Sehr interessanter Kommentar zu den Themen Charakterbildung und Prägung. Ich kann deine Ausführungen nur unterschreiben und fand es auch von der Autorin gut gemacht, wie feinsinnig sie die einzelnen Frauen und deren Schicksal betrachtet.


  • Danke für den erhellenden Kommentar. Ich kannte Amos Oz gar nicht und bin nun etwas schlauer in Hinblick auf den im Klappentext gezogenen vergleich.

  • Das Vorgehen finde ich furchtbar und nicht mehr zeitgemäß. Die armen Frauen und Männer.


    Keine Frauen, sondern Kinder. Und es war noch nie zeitgemäß. :)

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  • Alles in allem empfand ich Merkada auch als sehr hartherzig. Hinzu kam noch ihre Verachtung für die Schwiegertochter, die sie für Gabriel selbst ausgesucht hat. Damit hat sie nicht nur Gabriel, sondern auch Rosa ins Unglück gestürzt...


    Dabei darf man nicht vergessen, dass ihr Rosa von Anfang an egal war. Irgend jemand hat es gut beschrieben, dass Merkada Rosa nicht als Menschen wahrnimmt.


    Jetzt habe ich eine Frage: entspricht das Buch euren Erwartungen, die ihr aufgrund des Klappentextes hattet?


    Irgendwie hatte ich mir etwas ganz anderes vorgestellt, wobei ich das Buch trotzdem toll finde. Nur eben nicht wirklich, was ich erwartet hatte.

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  • Jetzt habe ich eine Frage: entspricht das Buch euren Erwartungen, die ihr aufgrund des Klappentextes hattet?


    Irgendwie hatte ich mir etwas ganz anderes vorgestellt, wobei ich das Buch trotzdem toll finde. Nur eben nicht wirklich, was ich erwartet hatte.


    Geht mir genauso :winken:

  • Darf ich fragen, was in etwa du erwartet hattest? Ich hatte zwar die Vorstellung vom Leben in Jerusalem, aber nicht die beschriebene Atmosphäre von Besatzung und Krieg.

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  • Das ist im nachhinein schwierig zu sagen, da es sich mit dem tatsächlich gelesenen überlagert hat. Sehr überrascht hat mich zum Beispiel Rosas Vorgeschichte. Beim Lesen des Klappentextes hätte ich nicht erwartet, dass eine der Ermozafrauen als Kind um das nackte Überleben kämpfen musste. Um den Vergleich mit den Buddenbrooks zu bemühen: ich hatte sie in demselben gesellschaftlichen Milieu vermutet (eben auf Jerusalem umgelegt).


    Das trifft es aber auch nicht ganz. Wie schon gesagt, es ist ein schwierig in Worte zu fassen.

  • Wie fandest du den Einstieg in das Buch? ich fand das hammerhart, dass Luna sagt sie kann ihr Bein nicht bewegen, und ihr Mann und ihre Tochter sie vollkommen ignorieren. Ronny findet es lustig, aber vielleicht war er noch klein? Ich kann mich nicht erinnern, wieviel jünger als Gabriela er war. Davon mal abgesehen, finde ich Zeitunglesen am Tisch sowieso total daneben.

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  • Der Einstieg war heftig. Ich konnte mir diese Kälte überhaupt nicht vorstellen. Ronny ist drei oder vier Jahre jünger als Gabriela. Da sie zu diesem Zeitpunkt 15 oder 16 war, war seine Reaktion etwas zu kindisch in meinen Augen.

  • Ja, mit zwölf könnte man anders reagieren, aber er war sicher noch recht kindlich, und Jungs in dem Alter können ziemlich albern sein.
    Bei ihm hatte ich auch nicht das Gefühl, dass es bösartig gemeint war, sondern einfach unreflektiert.

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  • Bei ihm hatte ich auch nicht das Gefühl, dass es bösartig gemeint war, sondern einfach unreflektiert.


    Etwas bösartiges habe ich auch nicht in seiner Reaktion gesehen. Nur hätte sie in meinen Augen besser zu einen 9 oder 10jährigen Jungen gepasst.


    Generell hatte ich leichte Schwierigkeiten, der Autorin das Alter ihrer Protagonisten abzukaufen. Gabriel und sein Vater werden in ihren vierzigern bereits beschrieben als wären sie Greise. Gut Gabriel war krank, aber diese Tendenz erstreckte sich auf mehrere Charaktere. Rosa wurde schwer demenzkrank, da kann sie gerade einmal Anfang Fünfzig gewesen sein und kurz darauf war sie auch schon tot. Mir passierte die allgemeine Vergreisung einfach zu früh.

  • Ja, nach heutigen Verhältnissen ist das sicher früh, aber man darf die Lebensumstände nicht außer Acht lassen. Die waren ja extrem schwierig, sowohl körperlich als auch psychisch.

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  • Ich hatte im Buch immer Schwierigkeiten mit dem Alter der Personen. Das war auch weil es viele Zeitsprünge gab und ich mir die Personen nicht immer in der richtigen Episode vorstellte. Luna erschien mir immer jünger als sie war, sie wurde eigentlich nie wirklich erwachsen. Selbst ihr Verhältnis kam mir irgendwie eher wie ein Spiel vor.