01 - Seite 11 bis 90

Es gibt 27 Antworten in diesem Thema, welches 5.244 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Vorleser.

  • Hallo ihr Lieben!


    Hier startet die Leserunde zu "Und damit fing es an" von Rose Tremain.


    Postet hier bitte erst, wenn Ihr mit der Lektüre begonnen habt und etwas zum Buch zu sagen oder zu fragen habt. Die Beiträge "Buch liegt bereit, ich fange heute Abend an" ziehen das Ganze zu sehr in die Länge und passen besser in den Buchvorschlag. Außerdem wäre schön, wenn Ihr darauf achtet, nicht einzeln zu sehr vorzupreschen, damit wir zusammen bleiben und damit auf einem ähnlichen Stand spekulieren und diskutieren können. Als Faustregel gilt, nicht mehr als ein Abschnitt pro Tag.
    Bitte beachtet auch die Hinweise zur Aktivität und Qualität.


    Zum Abschluss: bitte denkt auch daran, dass ein wichtiger Teil der Leserunden eure abschließenden Rezensionen sind und stellt diese am Ende der Runde zeitnah hier im Forum und auf literaturschock.de direkt ein.
    Zahlreiche Rezensionen hier und die Streuung auf anderen Seiten steigern bei den Verlagen die Attraktivität von solchen Aktionen: Denkt daran, dass die Teilnahme an der Runde und die Rezensionen die "Gegenleistung" für die Freiexemplare sind.



    Hier könnt Ihr zum Inhalt von Seite 11 bis 90 schreiben.
    Spoilermarkierungen sind aufgrund der Seitenbeschränkung nicht vorgesehen.

    LG, Dani


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  • Mir gefällt die Geschichte, nicht aber unbedingt die Figuren! Nein, ich mache damit der Autorin keinen Vorwurf, ich finde es umso eindringlicher, wie sie Gustav und seine Mutter Emilie in all ihren Facetten zeichnet, das ist bewundernswert! Emilie ist ein ausgesprochen herber Typ, der seine Armut nicht unbedingt mit Würde trägt, was ich sehr gut verstehe. Sie macht es anderen nicht leicht, mit ihr in Kontakt zu treten, so scheint es. Das Verhalten gegenüber Gustavs Nachhilfelehrer, den sie nicht bezahlt, ist schon erstaunlich. Allerdings scheint er aus freiem Willen weiter zu kommen, weil er Gustav mag und ihm was zutraut. Ich habe irgendwie das Gefühl, als ob Emilie meint, alle Menschen seien ihr etwas schuldig und das könnte gut mit Gustavs Vater bzw. mit dessen Tod zusammenhängen, deswegen bin ich sehr gespannt darauf, was wir darüber noch erfahren werden.


    Auch Gustav nimmt die Großzügigkeit anderer ganz selbstverständlich an, wobei er selbst auch kein geiziger Typ zu sein scheint, er hat halt nicht viel zu geben, materiell gesehen. Ansonsten scheint er durch sein Verhalten durchaus zu betören, vor allem Antons Mutter, aber offenbar auch Anton selbst, ein in manchen Aspekten eher feinfühliges Kind. Allerdings nicht darin Gustav vom Schlittschuhlaufen auszuladen, nachdem er eine Weile nicht mitkommen konnte, wobei ich persönlich mich eher gewundert habe, dass Gustav mit einer absoluten Selbstverständlichkeit davon ausging, wieder mit von der Partie - und damit eingeladen sein - zu dürfen. Ja, es ist schon schwierig, diese zwei so völlig unterschiedlichen Welten zu verbinden, in denen die beiden Jungs leben!


    Mir hat gut gefallen, wie Anton versucht hat, seine Musik mit Worten zu vermitteln und Gustav das nicht, bzw. ganz anders verstanden hat, das war eine eindrucksvolle Passage.


    Gustav hat auch eine gewisse Sensibilität, die sich bspw. darin ausdrückt,wie er seine Schätze hortet und hütet. Ich finde, er ist auch recht einfühlsam seiner ziemlich komplizierten Mutter gegenüber.


    Wie es wohl dazu kam, dass Emilie aus der feinen Straße ausziehen musste?


    Wie furchtbar, dass sie so krank wird und Gustav damit völlig allein gelassen wird! Er ist doch noch ziemlich klein! Und dann dieser Ludwig - wie absolut ekelhaft! Seine Mutter traut ihm offenbar sowas nicht zu, so sind ja viele Mütter, die von ihren Söhnen nur das Beste denken!

  • Ich bin noch nicht ganz durch (heute war mal wieder so ein verrückter Tag -- ich hätte gestern schon anfangen sollen), aber ich will mal meine ersten Eindrücke festhalten.


    Gustavs und Emilies häusliche Situation ist ja wirklich bedrückend. Bei der Beschreibung wie Adriana Schlittschuh läuft ist mir erst aufgegangen, wie jung sie vermutlich noch ist, vielleicht noch keine 30. Gustavs Mutter wird wahrscheinlich nicht viel älter sein, aber so, wie sie beschrieben wird, scheint sie uralt zu sein.


    Ihre Bemerkungen über Juden, und was Gustavs Vater angeblich gemacht hat, sind sehr mysteriös. Vor allem, weil sie Gustav sagt, dass er nichts schlechtes glauben soll, was man ihm vielleicht mal über seinen Vater erzählt. Das hört sich nicht so an, als ob er ein guter Mann gewesen wäre. Und was um alles in der Welt hat sie für ein Problem mit Juden? Den armen Anton so unter Druck zu setzen.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein


  • Mir gefällt die Geschichte, nicht aber unbedingt die Figuren! Nein, ich mache damit der Autorin keinen Vorwurf, ich finde es umso eindringlicher, wie sie Gustav und seine Mutter Emilie in all ihren Facetten zeichnet, das ist bewundernswert! Emilie ist ein ausgesprochen herber Typ, der seine Armut nicht unbedingt mit Würde trägt, was ich sehr gut verstehe. Sie macht es anderen nicht leicht, mit ihr in Kontakt zu treten, so scheint es. Das Verhalten gegenüber Gustavs Nachhilfelehrer, den sie nicht bezahlt, ist schon erstaunlich. Allerdings scheint er aus freiem Willen weiter zu kommen, weil er Gustav mag und ihm was zutraut. Ich habe irgendwie das Gefühl, als ob Emilie meint, alle Menschen seien ihr etwas schuldig und das könnte gut mit Gustavs Vater bzw. mit dessen Tod zusammenhängen, deswegen bin ich sehr gespannt darauf, was wir darüber noch erfahren werden.

    Auf die Erklärung bin ich auch gespannt. Ich mag Gustav, und Anton mag ich auch. Das sind zwei kleine Jungen, und beide sind mit ihrer Situation überfordert. Anton hat zumindest keine materiellen Sorgen, aber Gustav geht es doch ziemlich schlecht.
    Emilie ist nicht besonders sympathisch, aber ihr geht es auch nicht gut.
    Der Nachhilfelehrer ist ein Lichtblick für Gustav, schade, dass Emilie ihn nicht bezahlen kann.


    Zitat

    Auch Gustav nimmt die Großzügigkeit anderer ganz selbstverständlich an, wobei er selbst auch kein geiziger Typ zu sein scheint, er hat halt nicht viel zu geben, materiell gesehen. Ansonsten scheint er durch sein Verhalten durchaus zu betören, vor allem Antons Mutter, aber offenbar auch Anton selbst, ein in manchen Aspekten eher feinfühliges Kind. Allerdings nicht darin Gustav vom Schlittschuhlaufen auszuladen, nachdem er eine Weile nicht mitkommen konnte, wobei ich persönlich mich eher gewundert habe, dass Gustav mit einer absoluten Selbstverständlichkeit davon ausging, wieder mit von der Partie - und damit eingeladen sein - zu dürfen. Ja, es ist schon schwierig, diese zwei so völlig unterschiedlichen Welten zu verbinden, in denen die beiden Jungs leben!


    Ich weiß nicht, ob man von einem achtjährigen Kind wirklich erwarten kann, dass es anders reagiert. Gustav hat einmal gemerkt, dass das Leben auch schön sein kann, natürlich hofft er, dass das so weitergeht. Die Enttäuschung muss schrecklich sein, als er ausgeladen wird.



    Zitat

    Wie furchtbar, dass sie so krank wird und Gustav damit völlig allein gelassen wird! Er ist doch noch ziemlich klein! Und dann dieser Ludwig - wie absolut ekelhaft! Seine Mutter traut ihm offenbar sowas nicht zu, so sind ja viele Mütter, die von ihren Söhnen nur das Beste denken!



    Ganz schrecklich. Ich habe erst mal geschluckt. Hoffentlich wird Gustav dem nicht noch öfter ausgesetzt, gerade, wo er jertr alleine ist.
    Ich vermute mal, Dass Ludiwig deswegen Elektroschocks bekommen hat. Vielleicht denkt man, er wäre geheilt?

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Guten Morgen! Ich konnte gestern zum Glück auch gleich starten! ;)
    Gustav kann man direkt ins Herz schließen, weil der kleine Kerl einem so leidtut!
    Seine Mutter, die immer nur von Beherrschung spricht und die früher evt auch liebevoll und fürsorgend war, hat selbst ganz andere Probleme.
    Durch das ständige Vorbeten, dass man xy nicht tut, man sich beherrschen muss etc, macht Gustav schon im Kleinkindalter den Eindruck, als wäre er viel erwachsener. Es bleibt nur zu hoffen, dass er auch später einmal wissen wird, wie man lacht und dass man auch vor Glück die Beherrschung verlieren kann und darf.
    Ich war richtig mit ihm froh, dass er Anton zum lachen bringt und die Zwiebels ihn mitnehmen zum Eislaufen. Schade, dass das nur kurz währte. Denn dann war ich gleich auch abgrundtief traurig mit ihm, als er nicht mehr Eislaufen gehen darf. Und als Anton dann sagt, dass sie schon einen Ersatz-Jungen haben. .... Kinder können (auch unbewusst ) wirklich grausam sein.


    Aber wie könnte es auch anders sein? Das Schicksal lässt Gustav nicht in Ruhe. Dass er Angst vor Ludwig hat, ist verständlich nach dem Erlebnis! Und die Schilderung seiner Gedanken, ob er es Anton beichten kann, was dieser (und alle anderen ) dann denken könnte, hatten eine sehr traurige Realität.


    Auch wenn die Geschichte schon jetzt viel trauriges aufweist, gefällt sie mir dennoch sehr. Ich bin gespannt, wie Gustavs Leben weiter verlaufen wird.

  • Ich weiß nicht, ob man von einem achtjährigen Kind wirklich erwarten kann, dass es anders reagiert. Gustav hat einmal gemerkt, dass das Leben auch schön sein kann, natürlich hofft er, dass das so weitergeht. Die Enttäuschung muss schrecklich sein, als er ausgeladen wird.


    Dass er davon ausgeht, dass er wieder mitkommen darf, fand ich für das Alter irgendwie gar nicht merkwürdig.
    Er hatte Spaß mit den Zwiebels und sie mit ihm. Und sie wussten, dass er vorübergehend Nachhilfe bekommt und dass er und Anton sich regelmäßig treffen. Also ich kann mir vorstellen, dass ich vielleicht als Kind ähnlich gehandelt /gefragt hätte (auf jeden Fall zumindest gehofft). ;)



    Zitat

    Wie furchtbar, dass sie so krank wird und Gustav damit völlig allein gelassen wird! Er ist doch noch ziemlich klein! Und dann dieser Ludwig - wie absolut ekelhaft! Seine Mutter traut ihm offenbar sowas nicht zu, so sind ja viele Mütter, die von ihren Söhnen nur das Beste denken!


    Zitat


    Ganz schrecklich. Ich habe erst mal geschluckt. Hoffentlich wird Gustav dem nicht noch öfter ausgesetzt, gerade, wo er jertr alleine ist.
    Ich vermute mal, Dass Ludiwig deswegen Elektroschocks bekommen hat. Vielleicht denkt man, er wäre geheilt?


    Ich hätte jetzt gedacht, dass Ludwig evt geistig behindert ist und deswegen in Behandlung war/ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Myosotis ()

  • Ich hätte jetzt gedacht, dass Ludwig evt geistig behindert ist und deswegen in Behandlung war/ist.


    Das hatte ich auch überlegt, er scheint auf jeden Falk zurückgeblieben zu sein. Möglicherweise ist eine geistige Behinderung auch Schuld an seinem Sexualverhalten. Ich weiß von meinem Sohn (er ist Altenpfleger), dass es geistige Behinderungen gibt, die jedwede Hemmung/Beherrschung verhindern. Er hatte im Zuge seiner Ausbildung mit solchen Menschen zu tun.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Das kann natürlich auch sein. Denn er macht ja als solches keinen 'böswilligen ' Eindruck, sondern eher fürsorglich (wie er Gustav seine Lieblingsbettdecke leiht und Kakao macht etc).
    Vielleicht erfahren wir ja noch näheres.

  • Dass er davon ausgeht, dass er wieder mitkommen darf, fand ich für das Alter irgendwie gar nicht merkwürdig.
    Er hatte Spaß mit den Zwiebels und sie mit ihm. Und sie wussten, dass er vorübergehend Nachhilfe bekommt und dass er und Anton sich regelmäßig treffen. Also ich kann mir vorstellen, dass ich vielleicht als Kind ähnlich gehandelt /gefragt hätte (auf jeden Fall zumindest gehofft). ;)


    Dass er erst acht ist, habe ich mir gar nicht so bewusst gemacht, denn in anderen Situationen handelt er recht erwachsen für dieses Alter. Ich hatte auch überlegt, ob er evtl. Verhaltensweisen von seiner Mutter übernimmt, aber ich finde, das tut er gerade nicht.

  • Gustav und Emilie haben kein leichtes Leben. Emilie ist kein besonders gefühlvoller Mensch. Beherrschung scheint für sie von großer Wichtigkeit. Man sollte doch meinen, dass sie ihrem Sohn im Bereich ihrer Möglichkeiten ein kindgerechtes und schönes Leben bieten will, dazu gehören doch auch Umarmungen und Herzlichkeit. Aber sie schleppt ihn sogar mit zum Putzen. Es fehlt an vielem, aber für Zigaretten, Schnaps und Illustrierte reicht es. Noch nicht mal den Nachhilfelehrer bezahlt sie. Zwiebels mag sie nicht, das ist zu spüren. Die sind Juden und Juden sind schuld, dass ihr Mann gestorben ist. Wieso? Aber es ist auch Neid im Spiel.


    Gustav nimmt seine Mutter wie sie ist und versucht es ihr immer recht zu machen. Erst als er Anton kennenlernt, versucht er auch seine Interessen durchzusetzen.


    Antons Familie ist begütert. Die Mutter ist großzügig und zahlt sogar für Gustav all die Vergnügungen beim Eislauf. Aber auch diese Familie hat ihr Päckchen zu tragen und es gibt ein Thema, das nicht angerührt werden darf.


    Gustav wird von der Lehrerin dazu gedrängt, sich um Anton zu kümmern. Das tut er auch widerstandslos und auf eine einfühlsame Art. So hängt sich Anton an seine Fersen und es entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden, doch ziemlich unterschiedlichen Jungen. Es war so anrührend, die beiden beim Gelächter zu erleben, denn zu Hause hat Gustav nicht viel zu lachen.


    Dann wird Emilie krank und Gustav wird von Ludwig bedrängt. Glücklicherweise kam die Nachbarin nach Hause. Aber es hat Gustav Angst gemacht und er hat niemanden, mit dem er reden kann, nicht mal bei Anton traut er sich.


    Es ist eine ziemlich traurige Geschichte, aber mir gefällt sie gut.


  • Gustav und Emilie haben kein leichtes Leben. Emilie ist kein besonders gefühlvoller Mensch. Beherrschung scheint für sie von großer Wichtigkeit. Man sollte doch meinen, dass sie ihrem Sohn im Bereich ihrer Möglichkeiten ein kindgerechtes und schönes Leben bieten will, dazu gehören doch auch Umarmungen und Herzlichkeit. Aber sie schleppt ihn sogar mit zum Putzen.


    Auf mich wirkt Emilie wie Hodlers Kokosnuss. Sie hat sich einen harten Kern zugelegt, um sich zu schützen und klammert sich an die Beherrschung, die sie anscheinend zum Überleben braucht. Es ist verständlich, dass sie ihn zum putzen mitnimmt. Es ist Samstag, die Vorschule hat geschlossen und sie kann einen 5jährigen nicht alleine zu Hause lassen.


    Ich denke schon, dass sie versucht ihm eine gute Mutter zu sein. Emilie wirkt auf mich schwer depressiv, mit ihrer Flucht in die Scheinwelt der Illustrierten, dem sich im Laufe der Zeit steigernden Alkoholkonsum und ihren Stimmungsschwankungen.



    Zwiebels mag sie nicht, das ist zu spüren. Die sind Juden und Juden sind schuld, dass ihr Mann gestorben ist. Wieso? Aber es ist auch Neid im Spiel.


    Als Erich noch lebte, ging es ihnen gut. Sie konnten sich eine schöne Wohnung leisten, fuhren auf Urlaub und hatten keine Sorgen. Jetzt weiß sie nicht, wie sie das Essen auf den Tisch bringen soll. So wie ich das gelesen habe, hängt Erichs Tod damit zusammen, dass er während des Krieges Juden bei der Flucht geholfen hat. Da sie ihn auf einen Podest gestellt hat, kann sie auf ihn nicht wütend sein. Sie braucht aber einen Sündenbock, dem sie die Schuld an ihrer verzweifelten Situation geben kann und das sind jetzt eben die Juden.



    wobei ich persönlich mich eher gewundert habe, dass Gustav mit einer absoluten Selbstverständlichkeit davon ausging, wieder mit von der Partie - und damit eingeladen sein - zu dürfen.


    Ich sehe das wie Vorleser. Gustav ist gezwungenermaßen sehr erwachsen für sein Alter, aber er ist trotzdem noch ein Kind. Ein Kind, das genau einmal in der Woche einfach nur ein Kind sein kann, mit seinem Freund beim Eislaufen Spaß hat und ein paar Stunden lang sorglos sein darf. Selbstverständlich glaubt/hofft er, dass es am Ende seiner Nachhilfezeit wieder weiter geht. Für ihn bedeuten diese Stunden viel mehr als Anton und dessen Mutter, er geht davon aus, dass für die beiden die gemeinsame Zeit genauso wichtig ist wie für ihn.


    Mich hat die Episode mit dem Atombunker etwas gewundert. War 1947, zwei Jahre nachdem die erste Atombombe gezündet wurde, die Angst vor einer weiteren schon so groß, dass in der Schweiz bereits Atombunker vorgeschrieben wurden? Mir ist zwar bewusst, dass gleich nach dem Krieg die Spannungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion begannen, aber war der kalte Krieg da schon wirklich im Laufen?

  • Auf mich wirkt Emilie wie Hodlers Kokosnuss. Sie hat sich einen harten Kern zugelegt, um sich zu schützen und klammert sich an die Beherrschung, die sie anscheinend zum Überleben braucht. Es ist verständlich, dass sie ihn zum putzen mitnimmt. Es ist Samstag, die Vorschule hat geschlossen und sie kann einen 5jährigen nicht alleine zu Hause lassen.
    Ich denke schon, dass sie versucht ihm eine gute Mutter zu sein. Emilie wirkt auf mich schwer depressiv, mit ihrer Flucht in die Scheinwelt der Illustrierten, dem sich im Laufe der Zeit steigernden Alkoholkonsum und ihren Stimmungsschwankungen.


    So sehe ich das auch. Emilie wäre sicher gerne anders, aber die Umstände erlauben es nicht, und sie hofft, dem mit 'Beherrschung' entgegenzuwirken, was natürlich nur begrenzt funktioniert. Ich bin nicht überrascht, dass sie sich in Alkohol, Zigaretten und Illustrierte flüchtet, aber es ist sehr schade, dass sie Gustav keine Fluchtmöglichkeit zugesteht. Aber das war 1947, da hatten Kinder nichts zu sagen, und keine Wünsche zu haben. Sie selbst ist sicher auch niemals nach ihren Wünschen gefragt worden.


    Als Erich noch lebte, ging es ihnen gut. Sie konnten sich eine schöne Wohnung leisten, fuhren auf Urlaub und hatten keine Sorgen. Jetzt weiß sie nicht, wie sie das Essen auf den Tisch bringen soll. So wie ich das gelesen habe, hängt Erichs Tod damit zusammen, dass er während des Krieges Juden bei der Flucht geholfen hat. Da sie ihn auf einen Podest gestellt hat, kann sie auf ihn nicht wütend sein. Sie braucht aber einen Sündenbock, dem sie die Schuld an ihrer verzweifelten Situation geben kann und das sind jetzt eben die Juden.


    Ja, das mit den Sündenböcken ist immer ein Problem, wie unter anderem der 2. Weltkrieg gezeigt hat. Ich frage mich, ob Emilie in Deutschland ein überzeugter Nazi gewesen wäre, da sie überhaupt nicht reflektiert.


    Mich hat die Episode mit dem Atombunker etwas gewundert. War 1947, zwei Jahre nachdem die erste Atombombe gezündet wurde, die Angst vor einer weiteren schon so groß, dass in der Schweiz bereits Atombunker vorgeschrieben wurden? Mir ist zwar bewusst, dass gleich nach dem Krieg die Spannungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion begannen, aber war der kalte Krieg da schon wirklich im Laufen?


    Der Kalte Krieg begann 1947, und ich weiß, dass zum Beispiel in Amerika Atombunker gebaut wurden, und sogar schon Schüler gedrillt wurden. Hier ist ein Propagandafilm von 1951.



    Ich weiß von einem Freund, dass sie in der Schule tatsächlich diese Übungen durchgeführt haben. Ich hatte allerdings keine Ahnung, dass das in der Schweiz auch ein Thema war.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Danke für den Link, er war hochinteressant. Für Amerika macht diese frühe Angst vor einem Atomangriff Sinn, sie haben gesehen, was so eine Bombe anrichten kann. Es wundert mich einfach nur, dass in der Schweiz so kurz nach dem Krieg anscheinend die Furcht vor einer russischen Annexion herrschte. Allerdings habe ich mich bis jetzt nur wenig mit der Nachkriegszeit und dem kalten Krieg beschäftigt.



    Ja, das mit den Sündenböcken ist immer ein Problem, wie unter anderem der 2. Weltkrieg gezeigt hat. Ich frage mich, ob Emilie in Deutschland ein überzeugter Nazi gewesen wäre, da sie überhaupt nicht reflektiert.


    Überzeugt nicht, aber sicher eine begeisterte Mitläuferin. Nach dem Krieg hätte sie dann von nichts gewusst und sie würde sich einreden, von jeher den Nazis mit Skepsis begegnet zu sein. Sie würde eben all die Ausreden und Selbsttäuschungen glauben, die notwendig wären, um sich selbst noch im Spiegel betrachten zu können.


    Wobei ich von mir nicht behaupten kann zu wissen, was ich zu der Zeit geglaubt und wofür ich mich begeistert hätte. Wer ich auf die Propaganda im Dritten Reich herein gefallen? Ganz ehrlich, keine Ahnung.


  • Danke für den Link, er war hochinteressant. Für Amerika macht diese frühe Angst vor einem Atomangriff Sinn, sie haben gesehen, was so eine Bombe anrichten kann. Es wundert mich einfach nur, dass in der Schweiz so kurz nach dem Krieg anscheinend die Furcht vor einer russischen Annexion herrschte. Allerdings habe ich mich bis jetzt nur wenig mit der Nachkriegszeit und dem kalten Krieg beschäftigt.


    Ich habe gerade mal 'atombunker in der schweiz' in die Suchmaschine eingegeben und bin da auf faszinierende Ergebnisse gestoßen. Eines war dieser Artikel, nachdem die :schweiz: anscheinend eine 114% Abdeckung mit Schutzbunkern für ihre Bevölkerung hat, und erst jetzt die Pflicht, pro Neubau einen Bunker zu integrieren, gelockert hat.
    Was man beim Lesen alles so lernt...


    [quote author=dodo]


    Ja, das mit den Sündenböcken ist immer ein Problem, wie unter anderem der 2. Weltkrieg gezeigt hat. Ich frage mich, ob Emilie in Deutschland ein überzeugter Nazi gewesen wäre, da sie überhaupt nicht reflektiert.


    Überzeugt nicht, aber sicher eine begeisterte Mitläuferin. Nach dem Krieg hätte sie dann von nichts gewusst und sie würde sich einreden, von jeher den Nazis mit Skepsis begegnet zu sein. Sie würde eben all die Ausreden und Selbsttäuschungen glauben, die notwendig wären, um sich selbst noch im Spiegel betrachten zu können.


    Wobei ich von mir nicht behaupten kann zu wissen, was ich zu der Zeit geglaubt und wofür ich mich begeistert hätte. Wer ich auf die Propaganda im Dritten Reich herein gefallen? Ganz ehrlich, keine Ahnung.[/quote]



    Das kann natürlich niemand wissen, und man kann für sich persönlich nichts ausschließen, das ist wahr.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein


  • Wobei ich von mir nicht behaupten kann zu wissen, was ich zu der Zeit geglaubt und wofür ich mich begeistert hätte. Wer ich auf die Propaganda im Dritten Reich herein gefallen? Ganz ehrlich, keine Ahnung.


    Das sehe ich genauso! Ich bin immer sehr erstaunt über die Leute - und es gibt deren viele - die behaupten, sie wären da von vornherein gegen gewesen, hätten sich gewehrt und, und, und! Wir sind doch heute auf einem ganz anderen Stand, in jeder Hinsicht und können uns beim besten Willen nicht in uns selbst in der damaligen Situation hineinversetzen. Dafür müssten wir sie erleben!

  • Ich habe ebenfalls den ersten Abschnitt gelesen und bin bisher ganz angetan. Es passiert nicht wirklich viel, die Autorin hat einen recht ruhigen Schreibstil, aber dennoch fesselt die Geschichte irgendwie.
    Immer wieder sind aber auch kleine Details eingestreut, die neugierig machen. Die größte Frage ist für mich momentan die, wie der Vater nun tatsächlich gestorben ist.


    Gustav tut mir ein bisschen leid. Seine Mutter ist ja nicht gerade liebevoll, noch dazu haben sie kaum Geld, so dass er sowohl materiell als emotional ziemlich "arm" aufwachsen muss.


    Die Freundschaft mit Anton hat mich erst gefreut, aber es war schon hart, als er dann beim Eislaufen einfach durch einen anderen Jungen "ersetzt" wird. Und natürlich merkt er durch Antons wohlhabendes Zuhause erst richtig deutlich, was er selbst alles nicht hat und kann.


    Emilie Perle ist mir ziemlich unsympathisch, wobei man ja auch zugeben muss, dass sie es nicht leicht hat. Alleinerziehend, einen schlechtbezahlten Job, immer die Sorgen... aber ist das ein Grund, so gefühllos und unterkühlt zu sein? Ich mag sie nicht verurteilen, aber mögen kann ich sie momentan auch nicht.

    LG, Dani


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  • Ganz schrecklich. Ich habe erst mal geschluckt. Hoffentlich wird Gustav dem nicht noch öfter ausgesetzt, gerade, wo er jertr alleine ist.
    Ich vermute mal, Dass Ludiwig deswegen Elektroschocks bekommen hat. Vielleicht denkt man, er wäre geheilt?


    So, wie ich es verstanden habe, war Ludwig aber auch vorher schon irgendwie zurückgeblieben? Und damals hat man ja tatsächlich noch gedacht, (Geistes)Krankheiten mit derartigen "Therapien" heilen zu können.
    Ob er im Krankenhaus selbst missbraucht wurde oder dort entdeckt hat, wie das mit anderen geht, konnte ich nicht so genau herauslesen.
    Für Gustav ist es auf jeden Fall schrecklich und ich hoffe, es findet sich nun eine andere Lösung für ihn, so dass er Ludwig nicht weiter ausgesetzt ist!

    LG, Dani


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  • Das hatte ich auch überlegt, er scheint auf jeden Falk zurückgeblieben zu sein. Möglicherweise ist eine geistige Behinderung auch Schuld an seinem Sexualverhalten. Ich weiß von meinem Sohn (er ist Altenpfleger), dass es geistige Behinderungen gibt, die jedwede Hemmung/Beherrschung verhindern. Er hatte im Zuge seiner Ausbildung mit solchen Menschen zu tun.


    Ich sollte erst alle Beiträge lesen und dann kommentieren, ihr habt das ja schon diskutiert :zwinker:

    LG, Dani


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  • Das sehe ich genauso! Ich bin immer sehr erstaunt über die Leute - und es gibt deren viele - die behaupten, sie wären da von vornherein gegen gewesen, hätten sich gewehrt und, und, und! Wir sind doch heute auf einem ganz anderen Stand, in jeder Hinsicht und können uns beim besten Willen nicht in uns selbst in der damaligen Situation hineinversetzen. Dafür müssten wir sie erleben!


    Sehe ich genauso. Und wenn man sich heute umschaut, wie viele Menschen stumpf die Stammtischparolen gegen Flüchtlinge/Ausländer nachplappern, das alles vielleicht sogar tatsächlich glauben... und wieviele es zwar nicht selbst glauben, aber auch nichts dagegen sagen oder tun...

    LG, Dani


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  • Ich habe gerade mal 'atombunker in der schweiz' in die Suchmaschine eingegeben und bin da auf faszinierende Ergebnisse gestoßen. Eines war dieser Artikel, nachdem die :schweiz: anscheinend eine 114% Abdeckung mit Schutzbunkern für ihre Bevölkerung hat, und erst jetzt die Pflicht, pro Neubau einen Bunker zu integrieren, gelockert hat.
    Was man beim Lesen alles so lernt...


    Ui! Vielen Dank. So etwas wusste ich vorher auch noch nicht. Bei uns in der Stadt hat man vor ein paar Jahren massiv (er) angefangen, auch alte (Hoch-)Bunker kernzusanieren und dann neu herzurichten. Teilweise sehr schick und gelungen (aber auch sehr teuer! )