Hans-Peter Dürr/Marianne Oesterreicher - Wir erleben mehr als wir begreifen

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  • Hans-Peter Dürr/Marianne Oesterreicher - Wir erleben mehr als wir begreifen


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    Inhalt: (Text vom Buch)


    Hans-Peter Dürr: eine Persönlichkeit mit Wegweiserqualitäten, wie das neue Jahrtausend sie nötig hat. Die Zusammenhänge von Naturwissenschaft und Spiritualität, Ökologie und gesellschaftlicher Veränderung kommen bei ihm zur Sprache. Und: Wie sprechen wir über das, was Wissenschaft nicht fassen kann? Was bedeuten Selbst, Identität, Verantwortung für den Quantenphysiker? Eine spannende geistige Begegnung.


    Die Autoren:


    Prof. Hans-Peter Dürr, (1929-2014), Dr. phil., Physiker, Schüler und Freund von Werner Heisenberg. Zahlreiche Veröffentlichungen, Träger des Alternativen Nobelpreises.


    Marianne Oesterreicher-Mollwo, Dr. phil., Studium der Philosophie, Germanistik, bildenden Kunst und Kunstgeschichte, Autorin und Herausgeberin mehrerer Bücher.


    Meine Leseeindrücke:


    Ich habe knapp das halbe Buch heute gelesen. Marianne Oesterreicher, die Philosophin ist, führt hier einen Dialog mit Hans-Peter Dürr und bereitet den Text sehr allgemeinverständlich und unterhaltsam auf. Auch Hans-Peter Dürr versteht es ja bekanntermaßen sehr gut, sich verständlich auszudrücken (ich liebe seine Vorträge und überhaupt seine Art). Der Text holt den Leser bei der alltäglichen Anschauung ab, zunächst geht es um die Möglichkeit zu Erkenntnis der Welt, die Trennung zwischen Subjekt und Objekt, wie kann man Materielles überhaupt zutreffend beschreiben? Dann kommt der Schritt von der klassischen Physik zur Quantenmechanik, vom Teilchen zur Welle. Auch auf die Bedeutsamkeit sprachlicher Aspekte, auf Denkschemata/Vorurteile wird eingegangen. Nun geht es um die Frage, wie man quantenphysikalische Modelle auf lebendige Materie anwenden kann.


    Ich finde das Buch sehr eingängig und gut lesbar! Man braucht kaum quantenphysikalische Vorbildung, um es zu verstehen (einzig das Einstein-Rosen-Podolski-Experiment wird kurz erwähnt, alles andere bisherige halte ich für Allgemeinbildung). Das einzige, was ich nicht ganz verstehe, sind die sprachlichen Bilder vom Mittelmeer, die Marianne Oesterreicher zwischendurch einwebt. Die bräuchte es meiner Meinung nach nicht. Aber vielleicht verstehe ich den Sinn ja noch.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.


  • Ich bin entzückt, dass die Quantenphysik jetzt tatsächlich gelesen wird!


    Ja, und ich habe es heute abend sogar noch zuende gelesen, weil ich es gerne noch im August beenden wollte. :smile:


    Weiter geht es um das Be-greifen, also eine Denkweise, die von makroskopischer Anschauung ausgeht, aber diese allein reicht nicht, um die Welt zu erklären. Rein kausal-deterministisches Denken, das wir seit der Aufklärung haben, ist wichtig, aber nicht alles, denn es resultiert in einem Überwiegen des Materialismus. Man muss darüber hinausgehen, um die Tiefenstruktur der modernen Welt zu verstehen. Analog zur Quantenphysik spricht Dürr von Potentialitäten, die zu Realität werden können, wobei Wahrscheinlichkeiten eine Rolle spielen und die Zukunft stets offen ist. Der Text ist eher philosophisch als quantenphysikalisch und gut zu verstehen, besonders wenn man sich mit Dürrs Weltbild schon einmal beschäftigt hat.


    Es geht immer wieder um Modelle, die die Realität beschreiben, wie zum Beispiel eine Welle, und deren Unzulänglichkeit. Wann immer man sich auf Begrifflichkeiten festlegt, ist man in Gefahr, die Wirklichkeit nur reduziert zu beschreiben. Dürr hat den Begriff des "Wirk" geprägt, aus dem sich Wirklichkeit fortwährend erschafft.


    Quantenphysikalisch kommen weiter hinten im Buch noch kurz einige statistische Dinge zur Sprache und ganz kurz die Heisenbergsche Unschärferelation, die ja sicher auch jeder kennt, sowie die Stringtheorie, die Dürr für unzulänglich hält. Auf den letzten Seiten geht es dann um das große Ganze/die Seele, eine Art Urgrund, der uns allen gemeinsam und durch Meditation zugänglich ist. Das geht dann in den religiösen Bereich über. Dürr verwendet das bekannte Bild vom Meer, auf dem es Wellen mit Schaumkronen (=Individuen) gibt, die aber durch ein gemeinsames Ganzes verbunden sind.


    Was das Buch uns sagen will, ist, dass die Erkenntnisse und Denkweisen der Quantentheorie uns mehr als bisher helfen können, die Welt auch philosophisch auf eine neue Weise zu betrachten und Zusammenhänge und Entwicklungsprozesse besser zu verstehen. Dürr merkt an, dass in der heutigen Zeit (das Gespräch fand laut Vorwort im Jahr 2000 oder früher statt) aber der technologische Aspekt, der Machbarkeitswahn der Wissenschaft den philosophischen Aspekt dominiert, was er bedauert.


    Um das große Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren, sind solche Wissenschaftler wie Dürr meiner Meinung nach unschätzbar wichtig. Hoffentlich finden sich auch in der nächsten Generation Menschen, die in seine Fußstapfen (und die anderer Geistesgrößen) treten, irgendwie scheinen die aber zu fehlen.


    Viel mehr gibt es zu dem Buch nicht zu sagen, außer: bei Interesse einfach selber lesen, es lohnt sich!


    5ratten

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    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Danke für Deine schöne Rezi, kaluma. Das Buch haben wir auch, doch ich habe mich nie so richtig rangetraut ...

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • So, hab jetzt einige Seiten gelesen und weiß noch nicht ganz, was ich von diesem Büchlein halten soll.


    Dürr und Oesterreicher sitzen am Strand und unterhalten sich über Quantenphysik - so ist das Ganze aufgezogen. Dabei wird zunächst ein kurzer Abriss der Entwicklung der Atommodelle gegeben, um schließlich beim Wellencharakter des Elektrons zu landen. Soweit war ich als Chemikerin auch schon. Was mich stört, ist, dass einiges nicht beim Namen genannt wird, zum Beispiel die Heisenbergsche Unschärferelation. Das finde ich unseriös.
    Außerdem wird, wenn's nämlich ans Eingemachte geht, nur vage rumgeschwafelt, was Dürr absurderweise abstreitet und es dann doch tut: "Die moderne Physik ist nicht so, dass sie nur verschwommen schwafelt und nicht imstande ist, feste Aussagen zu machen. Wir können sehr genau rechnen." Bravo!


    Was ich ganz allgemein bemerkenswert finde, ist, dass es nur bei Physikern (von den Naturwissenschaftlern) zu solch psychedelischen Tendenzen kommt. Wir (Chemiker und Physiker) haben damals im Studium oft über das Verhältnis Wissenschaft - Glauben "philosophiert" und da wurde deutlich, dass Physiker in dem Gehirnareal, das Glauben und Spiritualität erzeugt, erhöhte Aktivität aufzuweisen scheinen. Möglicherweise wird mir durch die Lektüre noch klar, woran das liegen könnte.

  • Hallo louzilla,


    mit dieser Meeresgeschichte konnte ich auch nichts anfangen. Mir ist nicht klargeworden, wie das zum Verständnis beitragen sollte.
    Als unseriös würde ich das aber deshalb nicht gleich bezeichnen. Vielleicht liegt dein Unbehagen daran, dass Frau Oesterreicher, die die Gespräche ja wiedergibt, keine naturwissenschaftliche Vorbildung hat und sich sehr allgemeinverständlich ausdrückt?



    Was ich ganz allgemein bemerkenswert finde, ist, dass es nur bei Physikern (von den Naturwissenschaftlern) zu solch psychedelischen Tendenzen kommt. Wir (Chemiker und Physiker) haben damals im Studium oft über das Verhältnis Wissenschaft - Glauben "philosophiert" und da wurde deutlich, dass Physiker in dem Gehirnareal, das Glauben und Spiritualität erzeugt, erhöhte Aktivität aufzuweisen scheinen.


    Wie habt ihr das gemessen?
    Zwischen psychedelischen Tendenzen (denen ich Dürr nicht zurechne) und Spiritualität besteht ja auch noch ein Unterschied.

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    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.


  • Vielleicht liegt dein Unbehagen daran, dass Frau Oesterreicher, die die Gespräche ja wiedergibt, keine naturwissenschaftliche Vorbildung hat und sich sehr allgemeinverständlich ausdrückt?


    Nein, ich finde unseriös, was ich kursiv als Beispiel genannt habe, nämlich dass Fachbegriffe verwischt und trivialisiert werden. Es wird nur von Unschärfe gesprochen. Ich denke, auch wenn man das Kind beim Namen nennt, würde es die Leser nicht abschrecken (und wenn doch, dann ist es die falsche Zielgruppe) oder sie würden es deshalb nicht weniger verstehen.


    Wie habt ihr das gemessen?
    Zwischen psychedelischen Tendenzen (denen ich Dürr nicht zurechne) und Spiritualität besteht ja auch noch ein Unterschied.


    :lachen: Gemessen haben wir das nicht, aber eine solche Untersuchung wäre interessant und aufschlussreich :elch:.
    Ich beziehe mich darauf, dass man entdeckt hat, dass Glaube und Spiritualität in einem bestimmten Bereich des Gehirns entsteht. Und ich beziehe es deshalb darauf, weil eben bei diesen Diskussionen deutlich wurde, dass tendenziell mehr Physiker (und weniger Chemiker) Wissenschaft und Glauben vereinbar fanden. Und auch Einstein hat beispielsweise in seinen Aussagen mehrfach Gott thematisiert... Das soll jetzt nicht heißen, dass Chemiker (ich spreche nicht im Allgemeinen, sondern von den Leuten meines damaligen Umfeldes) alle Atheisten sind. Diejenigen, die das nicht sind, trennen Wissenschaft und Religion nur eher in zwei unabhängige Bereiche.


    Der Punkt ist, dass ich gerne wüsste, warum das so ist. Mein Verdacht ist, das liegt vielleicht schon an quantenphysischen Erkenntnissen...? Und an diesen Erkenntnissen würde ich gern ohne Physikstudium teilhaben. Leider wird mir in diesem Büchlein nur Geschwafel präsentiert. Es werden sehr interessante Themen aufgeworfen und Fragen gestellt, aber dabei bleibt es leider.

  • So, jetzt ist es passiert: Auf Seite 62 breche ich ab. Energiezustandswahrscheinlichkeiten haben mit menschlichen Handlungsspielräumen für mich nichts zu tun. Oder man soll es mir erklären, wie man auf so eínen hanebüchenen Unsinn kommt.
    Für dieses Buch scheint mein Geist zu eingefahren, zu traditionell, zu sehr wahrscheinlich zu sein.

  • Ich bin mit der Erwartung an dieses Buch gegangen, dass mir quantenmechanische Grundlagen verständlich aufbereitet erklärt werden und dann die Thematik philosophisch erweitert wird.


    Was mir tatsächlich geboten wurde, ist bis zur Unkenntlichkeit trivialisiertes, durch krude Metaphern verstümmeltes, naturwissenschaftliches Gedankentum (von Erkenntnissen will ich gar nicht sprechen, weil die eben nicht dargestellt werden), das dann willkürlich mit irgendwelchen zusammenhanglosen pseudo-philosophischen Gedankenansätzen verquirllt wird. Heraus kommt oberflächliches Geschwafel, das man sich wirklich ersparen kann.


    Punktuell werden interessante Fragen aufgeworfen, die nicht beantwortet werden, und einige ethische Gedankengänge haben wirklich ihre Berechtigung. Leider werden diese in eine Matrix aus Quatsch gebettet - Rosinen in einem mit ranzigen Fett gebackenen Kuchen.
    (Stand bis S. 62)


    2ratten :flop:

  • Wenn Dich die Thematik wirklich interessiert, versucht doch mal


    Mario Bunge / Martin Mahner: Über die Natur der Dinge


    Für mich der bisher beste Versuch, Naturwissenschaft und Philosophie zu verknüpfen.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ha! Da ereignete sich im Untergrund tatsächlich eine konstruktive Interferenz... :elch:
    Ich habe mir nämlich gestern durchaus überlegt, ob ich hier nicht einmal anfrage, ob jemand einen vernünftigen Buchtipp zu diesem Thema hat. Et voilà! Danke sandhofer :blume:, das Buch landet auf meinem SuB - und zwar dem physischen!