Hendrik Groen - Eierlikörtage: Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen

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  • Hendrik Groen- Eierlikörtage: Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen


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    Inhalt:
    Hendrik Groen ist 83 Jahre alt und lebt in einem Altersheim in den Niederlanden. Er beschließt eines Tages ein Tagebuch für ein Jahr zu schreiben. Mit diesem Tagebuch begleiten wir Hendrik durch ein ganzen Jahr im Leben eines rüstigen Seniors. Er gibt Einblicke über seinen Alltag im Altersheim, seine Abenteuer im hohen Alter, fröhliche und traurige Momente.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch hat mir sehr gut gefallen. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Gregs Tagebüchern, aber in einer anderen Generation. Anfangs brauchte ich etwas um reinzukommen und es war etwas zäh. Dann war es aber sehr unterhaltsam. Hendrik schreibt in einem herrlich ironischen Stil über seine Mitmenschen im Altersheim, mitsamt allen Klischees. Er beschreibt schöne Momente in seinem hohen Alter, wie z.B die Abenteuer mit seinem Club, aber auch traurige Momente, die zeigen, dass man jeden Tag genießen muss, schnell kann es sich ändern.
    Ich fand es einen interessanten Ausblick in ein Leben, das uns alle erwarten wird, wenn man einmal über 80 ist. Das Leben ist dann nicht mehr so einfach, es fehlt die Perspektive und man muss dreimal überlegen, ob man wirklich die Treppe nehmen soll.
    Henk ist mir auch richtig ans Herz gewachsen. Am Ende war es einfach nur schade, dass das Buch zuende war. Gerne hätte ich gewusst, wie Henks Leben weitergeht.
    Insgesamt sehr unterhaltsam, ich gebe dafür 5 Sterne.


    EDIT: Betreff minimal geändert. LG, Saltanah

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • So ein Leben im Seniorenheim kann ganz schön langweilig sein. Für Normalsterbliche vielleicht, nicht aber, wenn man Hendrik Groen heißt. Er hat keine Lust mehr auf das ewige Gejammer und Hinvegetiere seiner Mitbewohner und beschließt, etwas zu ändern. Das geheime Tagebuch ist erst der Anfang, denn im Laufe des Jahres tut sich so einiges. Von hinterhältigen Mordanschlägen auf die örtlichen Aquarien, über einen Rebellenclub („Alt aber nicht tot“) bis hin zu Guerillaplänen gegen Überwachungskameras: in Groens Seniorenheim in Amsterdam Noord ist ordentlich was los. Es geht aber auch um andere Themen, um die unvermeidbaren Verschleißerscheinungen im Alter, sich nicht davon unterkriegen zu lassen, und vor allem um ganz viel Freundschaft und Lebensfreude.


    Hendrik Groens Tagebuch beginnt sehr erheiternd mit dem Eintrag:
    „Auch im neuen Jahr habe ich für Senioren nichts übrig. Dieses Geschlurfe hinter Rollatoren, diese völlig deplatzierte Ungeduld, dieses ewige Gejammer, diese Kekse zum Tee, dieses Geseufze und Gestöhne.“


    In diesem Tenor aus feiner Beobachtung, spitzer Zunge und einer ordentlichen Portion Ironie, die auch vor dem Autor selbst nicht Halt macht, begleitet man Hendrik Groen durch das Jahr 2013. Er berichtet davon, wie eine Änderung im Speiseplan seine Mitbewohner tagelang verwirren kann, fragt sich, ob US-Senioren als Äquivalent der First Rifle ihrer Enkel wohl eine Last Rifle haben und was das für die Sicherheit in Altenheimen bedeutet – bei den tatterigen Händen – wir erleben hautnah den Kampf gegen unsinnige Vorschriften und natürlich auch gegen das Älterwerden.
    Doch neben all den Lachtränen, die man als LeserIn vergießt, gibt es auch Tränen der Rührung, wenn die alten Freunde sich um sich kümmern und mit ihren Gebrechen ganz vorurteilsfrei umgehen, und auch der Trauer, wenn man liebgewonnene Menschen in die Demenz begleiten muss.


    Ich habe meinen Opa über alles geliebt, er war neben meinen Geschwistern mein absoluter Lieblingsmensch und ich habe ihn und meine Großmutter jahrelang jede Woche besucht. Hendrik Groen würde ich allerdings sofort als Dritt-Großvater adoptieren, und seinen Rebellentrup gleich dazu. Hendrik hat mir zwei Sachen gezeigt: erstens muss man seinen Humor mit 70 nicht beim Pförtner abgeben. Zweitens habe ich, seit ich das Buch lese, im Alltag sehr viel mehr Geduld mit alten Menschen.
    Lieber Hendrik, Danke!


    “Heute hatte unser Heim einen richtigen Supertag: ein Herzanfall, eine gebrochene Hüfte, und ein Bewohner ist beinahe an einem Mürbeteigkeks erstickt.”


    Und ich beinahe an meinem Kaffee, als ich das gelesen habe…


    4ratten und klarer :tipp:

  • Meine Meinung:


    Das Buch war mal wieder eine Zufallsentdeckung und ich bin immer noch total begeistert.


    Ich habe bisher nur zwei Bücher gelesen, die in Tagebuchform geschrieben sind. Das waren zum einen das „Tagebuch der Anna Frank“ und zum anderen dieses hier.


    Selten habe ich ein so wunderbares Buch gelesen, selten war ich von einem Roman so begeistert wie von diesem hier. Von den ersten Seiten an war ich total in die Geschichte hineingezogen, war von Anfang an quasi an der Seite von Hendrik Groen im Altenheim unterwegs.


    Hendrik Groen ist 83 Jahre alt, als er beschließt, ein Tagebuch zu führen und so sein Leben im Altenheim zu beleuchten.


    Dieses Buch ist so herrlich skurril geschrieben ist, so lebensecht und vor allen Dingen so humorvoll – ich musste so oft schmunzeln und teilweise auch laut loslachen. Das hätte ich – ganz ehrlich gesagt – bei einem so alten Menschen nicht erwartet.


    Seine Sicht auf die Dinge, das Leben im Altenheim, die Gebrechen seiner „Mitbewohner“, die ständige Anwesenheit des Todes, aber auch der Langeweile, der man als „Abgeschobener“ im Altenheim ausgesetzt ist – ich glaube dieses Buch sollte zur Pflichtlektüre werden.


    Gerade auch die Sparmaßnahmen des Altenheimes, die Willkür die die Leiterin an den Tag legt. Da fragt man sich hin und wieder, ob alte Menschen nicht ein Recht auf einen schönen Lebensabend ohne Einschränkungen haben.


    Traurig war ich, wenn es zum Beispiel um die Wochenenden ging – darüber, dass die Familien zu Besuch kommen. Aus welchen Gründen auch immer, denn nicht immer bringen die Angehörigen Zeit mit, kommen gerne oder „freiwillig.“ Hendrik bekommt keinen Besuch – er hat schlichtweg niemand mehr.


    Wunderbar fand ich auch, dass immer wieder das tagesaktuelle Geschehen mit eingestreut wird – teils direkt auf die Niederlande bezogen – teilweise auch weltweit. Zum Beispiel die Krönung des neuen niederländischen Königs; die Papstwahl im Vatikan etc.


    Zum Anfang bin ich – warum auch immer – davon ausgegangen, dass dies eine fiktive Geschichte ist. Zu skurril sind manchmal die Einträge. Aber das Leben schreibt die besten Geschichten und Hendrik Groen ist ein Mensch aus Fleisch in Blut.


    Der Piper-Verlag schreibt auf seiner Homepage dazu:


    Hendrik Groen veröffentlichte die ersten Einträge seines Tagebuchs auf der Website des »Torpedo Magazines«, bevor es in Holland zu einem überragend erfolgreichen Buch wurde und sich im ganzen Land Hendrik-Groen-Fanclubs gründeten. Er sagt über seine Romane: »Kein Satz ist eine Lüge, aber nicht jedes Wort ist wahr. « Die Fortsetzung ist soeben in den Niederlanden erschienen.


    Ich würde zu gern einmal mit Hendrik Groen einen Kaffee trinken und Krokette essen. Er hat bestimmt viel zu erzählen und ich würde auch so gern noch ein paar Fragen stellen.


    Zum Anfang hatte ich mit kleinen Fähnchen besonders schöne Stellen markiert, aber ich habe dann beizeiten aufgehört damit. Nicht, weil ich nichts gefunden habe, sondern weil es irgendwann zu viel geworden wäre.


    Der erste Eintrag im Tagebuch lautet


    »Auch im neuen Jahr hab ich für Senioren nichts übrig. Dieses Geschlurfe hinter Rollatoren, diese völlig deplatzierte Ungeduld, dieses ewige Gejammer, diese Kekse zum Tee, dieses Geseufze und Gestöhne. Ich bin 83 ¾ Jahre alt. « (Seite 5)


    Es geht das ganze Buch über weiter mit solchen Betrachtungen – Hendrik Groen nimmt weder sich noch seine „Mitbewohner“ tiefernst. Hier noch ein paar kleine Appetithappen aus dem Buch:


    »Einer der spannendsten Momente des Tages: Was für Kekse gibt es heute? « (Seite 8)


    »Das Leben besteht hier aus Nie oder Immer. Das Essen ist an einem Tag „nie pünktlich und immer zu heiß“, am nächsten Tag wieder „immer zu früh und nie warm“. « (Seite 10)


    »Heute Morgen konnte ich meinen Schlüssel nirgends finden. Ich habe mein Zimmer, das ja doch nicht allzu groß ist, mitsamt dem eingebauten Schlafzimmer auf den Kopf gestellt. Gott sei Dank hatte ich es nicht eilig. Senioren verlieren ständig irgendwas, genau wie Kinder, aber sie haben keine Mutter mehr, die weiß, wo alles liegt. « (Seite 98)


    Um der Langenweile zu entgehen gründet Hendrik Groen mit einigen anderen den Verein Alanito (Alt-aber-nicht-tot) und sie unternehmen gemeinsame wunderbare Dinge, um sich noch des Lebens zu erfreuen. Nicht jedem gefällt das, aber für ihn und seine Freunde ist es ein Lichtblick im tristen Alltag.


    Ganz besonders süß: die späte Liebe. Das späte Glück, das man noch einmal findet. Ich habe gelacht und geweint – ich habe mich mit Hendrik gefreut und war an seiner Seite traurig.


    Ich würde mir sehr wünschen, dass es vielmehr solcher Senioren gibt. Senioren, die so lebenslustig und lebensbejahend sind. Ich würde mir aber auch wünschen, dass die Mitmenschen mehr auf Senioren eingehen, sie mit anderen Augen sehen und vielleicht auch mal fragen, wie ihr Leben verlaufen ist. Denn es gibt bestimmt sehr viel zu erzählen und man wäre dann nicht so einsam.


    Dass es eine Fortsetzung in den Niederlanden bereits gibt, freut mich sehr und ich hoffe, dass der Piper-Verlag dieses Buch einkauft und es auch auf Deutsch erscheinen wird.


    Von mir bekommt dieses Buch volle 5 Sterne – es ist definitiv ein Lesetipp von mir.


    5ratten:tipp:


  • Hendrik Groens Tagebuch beginnt sehr erheiternd mit dem Eintrag:
    „Auch im neuen Jahr habe ich für Senioren nichts übrig. Dieses Geschlurfe hinter Rollatoren, diese völlig deplatzierte Ungeduld, dieses ewige Gejammer, diese Kekse zum Tee, dieses Geseufze und Gestöhne.“


    Der Satz ist wirklich toll. Es ist doch immer so, dass man sich umschaut und denkt "ich bin ganz anders als die" :breitgrins:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • So vielseitig wie die Durchschnittsfüllung der Tablettenbox von Groens Mitbewohnern!

    Hendrik Groen gehört nicht zu den Menschen im Seniorenheim, die jeden Tag die Einnahme ihrer Tabletten unter goßem Getue zelebrieren, pausenlos wehklagen, kundtun, was früher alles besser war, erst wenn es um Beschuldigungen und Verschwörungen geht wieder so richtig aktiv werden, sich gar nicht mehr aus dem Haus trauen oder es nicht bemerken, wenn die Zeitung, die sie gerade lesen, noch aus der letzten Woche stammt. Zwar kann er gesundheitlich den langsamen Verfall nicht leugnen, jedoch fühlt er sich alleine von seiner Einstellung her Lichtjahre von den ganzen alten Menschen entfernt.
    Nun, im Alter von 83 1/4 Jahren beschließt er, nicht mehr zu allem Ja und Amen zu sagen, sondern lieber seine Meinung kundzutun. Darüber hinaus beginnt er mit dem Schreiben eines Tagebuchs, wobei er sich vornimmt, ganz ungetrübt das Leben im Altenheim widerzugeben. Ungeschönt und unverblümt. Sollte er vor seinem besten Freund Evert Duiker sterben, was er so fest eingeplant hat, soll dieser ein paar nette – wenn auch nicht gerade schmeichelhafte – Passagen aus dem geheimen Tagebuch vorlesen.
    Da er alte Menschen generell nicht mag und Großveranstaltungen wie das feierliche Mitklatschen zu „Tulpen aus Amsterdam“ oder heikle Gymnastikübungen im Sitzen nur zu gerne versäumt, hat Hendrik Groen so viele Freunde im Altenheim in Amsterdam-Nord nicht. Mit seinen rebellischen – ja gerade zu vandalistischen – Taten macht er sich auch nicht gerade mehr Freunde. Viele verstehen diese Befreiungsschläge gegen das Establishment, vertreten durch die Heimleitung, nicht so ganz.
    Als dann aber eine neue Bewohnerin, Eefje Brandt, einzieht, die mit dem ganzen Geschlurfe und Gestöhne auch nichts zu schaffen haben möchte, ist eine neue Verbündete gefunden. Rein zufällig wird so am Montag, dem 19. Februar, ein Rebellenclub gegründet. Mitglieder: Hendrik Groen, Evert Duiker, Eefje Brandt, Edward Schermer, Grietje de Boer und Graeme Gorter. Vereinsname: Alt-aber-nicht-tot, oder kurz: Alanito. Die Mitgliederzahl ist vorerst auf sechs Personen begrenzt, sodass neue Mitglieder aufzunehmen nicht möglich ist. Ein guter Schachzug in Anbetracht der ganzen Nörgler, die bald der Neid, dann das Misstrauen und schließlich das Lästern packen wird. Das Ziel des Clubs ist es, gegen die chronische Ereignislosigkeit anzukämpfen, weswegen bei einer bewegenden Gründungsversammlung beschlossen wird, dass, unter Betrachtung der Gebrechen und finanziellen Möglichkeiten der Mitglieder, in regelmäßigem Abstand nacheinander jedes Mitglied unter strengster Geheimhaltung einen Ausflug planen muss. Dabei kann es sich um tolle Besichtigungen, Kurse oder Ähnliches handeln. Eine wichtige Regel sei noch vermerkt: Teilnehmern ist das Meckern nicht gestattet.
    Und so blüht die Gruppe auf, erlebt endlich wieder etwas und wächst zusammen. Dabei verschlechtert sich die Gesundheit der Clubmitglieder, neue Beschlüsse der Direktorin müssen verhindert werden,… Es ist also einiges los im Altenheim…


    „Auch im neuen Jahr hab ich für Senioren nichts übrig. Dieses Geschlurfe hinter Rollatoren, diese völlig deplatzierte Ungeduld, dieses ewige Gejammer, diese Kekse zum Tee, dieses Geseufze und Gestöhne.
    Ich bin 83 1/4 Jahre alt.“
    Schon die ersten drei Sätze haben mich zum Schmunzeln gebracht und meine Neugierde geweckt. Immer wieder stößt man auf so schöne Passagen, dass man sie sich am liebsten herausschreiben würde – nur dass es dafür dann doch zu viele sind. Hendrik Groen beschreibt den Alltag im Altenheim mit viel (Selbst-) Ironie und Scharfsinn. Das Erzählte ist dabei manchmal so skurill, wenn auch nicht unrealistisch, dass man nicht mehr anders kann, als loszulachen. Aber selbstverständlich gibt es nicht ständig Grund zur Freude, denn auch Trauriges schildert Groen in seinem geheimen Tagebuch.
    So ist dieses Werk so vielseitig wie die Durchschnittsfüllung der Tablettenbox von Groens Mitbewohnern. Manchmal sentimental, dann wieder höchst amüsant, im nächsten Moment traurig, als nächstes zum Kopfschütteln, dann zum Lachen, schließlich kopfkinoverursachend, zum Aufregen oder wieder herzerwärmend.
    Ganz besonders gelingt es Hendrik Groen, die Stimmung, welche in einem Moment herrscht, durch einen gezielten Kommentar wieder umschlagen zu lassen. Nicht selten führte dies bei mir zum Staunen oder Lachen.
    Sehr ansprechend ist meiner Meinung nach auch, dass dieses Werk auch wirklich Tagebuchcharakter hat, denn auch Themen wie der Königstag oder Nachrichten Groens Bewertung nicht entgehen können. Aber auch Veränderungen im Heim werden zum Gegenstand der Tagebucheinträge gemacht, sodass man die Zustände dort lebhaft vor Augen hat und es gleich verschiedene Handlungsstränge gibt, welche jedoch stets passend zusammengeführt werden. Ebenso wird über die Gesundheit der Charaktere geschrieben, was schon beeindruckt und zum Nachdenken anregt. „Stillstand bedeutet Fortschritt“, doch nicht bei jedem bleibt das aktuelle Niveau erhalten…


    Mit „Eierlikörtage“ wurde ein wunderbares Werk geschaffen, welches ich jedem ans Herz legen kann! Es ist nicht nur einfach humorvoll, hat nicht einfach Unterhaltungswert, sondern gibt auch, immer in Maßen, Anlass zum Grübeln. Ich habe es sehr genossen, Herrn Groen ein Jahr lang zu begleiten, habe Alanito ins Herz geschlossen und mitgefiebert. Jetzt bin ich auf die Fortsetzung, „Tanztee“, gespannt, welche im Frühjahr nächsten Jahres erscheinen soll.


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  • Prost(ata)!
    Eierlikör ist nicht die liebste Droge des Hendrik Groen. Nein, definitiv nicht! Er bevorzugt Rotwein, Bier, Weißwein oder auch mal ein Schnäpperken. Aber dieser Titel ist auch schon das Einzige, das aus meiner Sicht an diesem Buch nicht passt, der Rest tut es um so mehr. Denn Hendrik ist ein Junge bzw. - um die Dinge klarzurücken - ein Greis aus dem Leben und zwar einer, der schon 83 1/4 Jahre auf dem Buckel hat und seine noch überschaubare Zukunft wohl in dem Amsterdamer Seniorenheim verbringen wird, das den maßgeblichen Schauplatz des Geschehens bildet. Wo nicht (nur) der Alkoholgenuss, sondern auch die verschiedenen kleinen und vor allem größeren Zipperlein, die man eben so hat, eine ungewollt große Rolle spielen. Hendrik hat ein Buch geschrieben und zwar ist es kein Roman, sondern ein Tagebuch, das (fast) jeden Tag des Jahres 2013 dokumentiert.


    Hendrik ist ein Typ, der zwar nicht überschäumend frohgemut ist, dennoch ist er bereit, jeden Tag seines restlichen Lebens zu genießen, aber so, wie er es will! Und mit wem er es will! Damit ist dieses Buch quasi eine Hymne auf die Indiviualität, auf den eigenen Weg, den man in jeder Situation gehen kann, selbst wenn einem der Unterschenkel amputiert wird, wie es bei Hendriks Evert im Verlauf dieses hier dokumentierten Jahres der Fall ist. Und auf eine selbstbestimmte Lebenseinstellung bis ins hohe Alter hinein!


    Peu à peu wird deutlich, dass auch Hendriks eigenes Leben nicht gerade ein Rosengarten war - dennoch scheint gerade dies ihm deutlich zu machen, welche Prioritäten er noch setzen will und wann Schluss sein sollte. Auch das gehört nämlich zu einem selbstbestimmten Leben. Dieses Buch ist nicht niedlich, es ist nicht anrührend, auch wenn es bestimmte Dinge tief in mir drin sehr berührt hat (ja, das ist ein Unterschied). Ich bewundere Hendrik nicht, ich will ihn auch nicht kennen lernen - aber ich hoffe sehr, dass ich selbst und die Menschen die mir wichtig sind, im hohen Alter ebenso in der Lage sein werden, ihre Prioritäten zu setzen wie Hendrik es tut. Auf jeden Fall habe ich tiefen Respekt vor ihm und vor seiner Art, die Dinge anzupacken.


    Keine Ahnung, ob es diesen Hendrik wirklich gibt, aber wer auch immer dieses Buch geschrieben hat, der hat etwas geschaffen, das mich beeindrucken konnte, das ich nicht so schnell vergessen und unbedingt weiterempfehlen werde!
    5ratten

  • 4ratten


    Habe ich schon mal beiläufig erwähnt, wie wenig ich von Klappentexten halte? Egal, ich mache es hier jetzt auch noch mal. Denn liest man diesen sowie diverse Auszüge aus Kritiken, dürfte man sich beim Kauf recht sicher sein, ein richtig lustiges und witziges Buch erworben zu haben. Wenn es aber eines nicht ist, dann witzig. Finde ich zumindest, aber vielleicht liegt es auch an mir...
    Ein Jahr lang schreibt Hendrik Groen (übrigens ein Pseudonym), 83 1/4 Jahre alt, fast jeden Tag einen Tagebucheintrag. Vom Alltäglichen und Besonderen, wobei ersteres deutlich überwiegt, zumindest zu Beginn. Das Leben im Altenheim, in dem Hendrik wohnt (leben wage ich nicht zu schreiben), folgt einem klar reglementierten Ablauf, der sich in erster Linie an den Essenszeiten orientiert. Dazwischen ist schlicht - so gut wie Nichts. Zumindest kam mir das als Aussenstehende so vor, doch auch Hendrik zeigt sich gelangweilt und frustiert. Wenn da nicht sein recht unkonventioneller Freund Evert wäre, dem es so ziemlich egal ist, was der Rest der Welt von ihm denkt, würden die einzigen Höhepunkte in Hendriks restlichem Leben wohl die Bingoabende im Heim bleiben bzw. die immer wiederkehrenden zwangsläufigen Todesfälle. Doch eines Abends, als im Altenheim ungewöhnlicherweise ein wirklich schöner Konzertabend stattfindet, beschließen die Freunde mit vier weiteren BewohnerInnen, eine Gruppe zu gründen, in der jede/r abwechselnd alle zwei Wochen eine Aktivität organisiert - und durchaus nicht immer alterstypisch. Dies wird zu einem vollen Erfolg, doch die Heimleitung wie auch andere BewohnerInnen beäugen das Ganze misstrauisch.
    Was Hendrik Groen hier beschreibt, ist das nackte Grauen. Es ist kein Leben in einem Luxusaltenheim, sondern in einem vom Staat finanzierten, was wohl die Meisten von uns erwartet, die diesen Weg gehen müssen/dürfen/sollen. Die Menschen werden hier versorgt mit Obdach, Essen und Trinken, doch Alles, was darüber hinausgeht - Fehlanzeige. Ohne Eigeninitiative wartet man einfach ab, dass die freie Zeit, von der es mehr als genug gibt, vergeht : Kartenspielen, zum Fenster hinausschauen, lesen. Was für ein trostloses Bild. Doch Hendrik macht deutlich, dass auch die BewohnerInnen selbst zum Teil dafür verantwortlich sind. Sie haben sich in der Bequemlichkeit dieses Alltages eingerichtet und wehe, etwas wagt sie zu stören. Das Essen mal später wegen einer Unternehmung? Um Himmels willen, bloß nicht! Man wird nicht bis vor die Tür gefahren, sondern muss vielleicht sogar noch laufen? Das darf ja bloß nicht wahr sein. Und bei drohendem Regen nach draußen? Auf gar keinen Fall, man könnte sich ja erkälten. So jammert man über die Eintönigkeit des Daseins, beneidet und missgönnt den Unternehmungslustigen ihre Erlebnisse und fängt sofort an zu stöhnen, wenn die eigene Bequemlichkeit unterbrochen wird.
    Doch Hendrik beschreibt nicht nur das Innenleben des Heimes. Er bringt auch das aktuelle Tagesgeschehen ein und die Reaktionen darauf. Und das ist fast noch erschreckender. Denn so wie die körperliche Bequemlichkeit die Oberhand gewonnen hat, ist es auch mit dem geistigen Zustand. Zeitungen werden hauptsächlich gelesen, um etwas über das Königshaus zu erfahren oder den neuesten Klatsch und Tratsch. Wird über Politik doch einmal geredet, dann nur abfällig und ernsthafte Gespräche finden praktisch nie statt. Aber in gewisser Weise ist auch das zu verstehen: Denn sind die Alten einmal Thema in der Politik, geht es nur um Sparen und dass deren Pflege zu viel Geld kostet. Roboter sollen eingeführt werden, alte Gefängnisse etwas aufgehübscht und in Altenheime umgewandelt (entpuppte sich als Scherz, fand aber anfänglich keinen allzu großen Widerspruch) usw. Wie sollte man da nicht über Politik schimpfen? Aber warum kein Widerstand? Es herrscht die pure Resignation.
    So deprimierend sich das anhört und es auch tatsächlich ist, Hendrik Groen (bzw. Peter de Smet) gelingt es dennoch, diese Eindrücke meistens so zu schreiben, dass ich doch immer wieder schmunzeln musste. Brüllend komisch, wie beispielsweise 'Die Rheinpfalz' geschrieben hat, ist es jedoch bestimmt nicht. Es zeigt die in vielen Bereichen sehr unschöne Realtiät des Alterns, aber ebenso, dass nur wenig dazu gehört, daraus eine lebenswerte Phase seines Daseins zu gestalten. Freundschaften, ein bisschen Aktivität, Neugier. Nur Mut!

    Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden.    Ludwig Feuerbach (1804 - 1872)

  • Vollständiger Titel:


    Hendrik Groen - Eierlikörtage. Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 1/4 Jahre (Band 1)


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    Klappentext:


    Hendrik Groen mag alt sein (83 1/4, um genau zu sein), aber er ist noch lange nicht tot. Zugegeben, seine täglichen Spaziergänge werden kürzer, weil die Beine nicht mehr recht wollen, und er muss regelmäßig zum Arzt. Aber deshalb nur noch Kaffee trinken, die Geranien anstarren und auf das Ende warten? Kommt nicht in Frage. Ganz im Gegenteil. 83,25 Jahre lang hat Hendrik immer nur Ja und Amen gesagt. Doch in diesem Jahr wird er ein Tagebuch führen und darin endlich alles rauslassen. Das ist richtig lustig und zugleich so herzzerreißend, dass wir Hendrik am Ende dieses Jahres nicht mehr aus unserem Leben lassen wollen.


    Meine Meinung:


    Nach der ersten knappen Hälfte bin ich angenehm überrascht von diesem Buch. Hendrik wohnt in einem Seniorenheim in Amsterdam-Noord, einer relativ großen Anlage, in der nicht alles zum besten steht. Sein Blick auf das Leben im Heim, auf die dort lebenden Personen ist genau, schonungslos und dennoch warmherzig. Er hält nichts von zuviel Nörgelei (auch wenn er selbst manchmal meckert), und von Mobbing, das tatsächlich auch dort unter den alten Leutchen stattfindet. Treffend und ironisch werden die verschiedenen Schrullen beschrieben, die manche im Alter nun mal bekommen, wie das allzu genaue Festhalten an Zeitplänen, und die gesundheitlichen und sonstigen Probleme (Einsamkeit), mit denen die Bewohner sich plagen. Dazu kommt eine Heimleitung, die die Bewohner manchmal wie Störfaktoren behandelt, sie haben gefälligst zu funktionieren, sich an teils absurde Regeln zu halten und einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Sonderwünsche kommen höchst ungelegen, manchmal werden die Bewohner fast entmündigt...


    Doch Hendrik und noch ein paar Mitbewohner wollen an ihrem Leben noch ein wenig Freude haben und gründen deshalb den Verein "Alanito" (kurz für "alt, aber noch nicht tot" :breitgrins:) Sie stellen Aktionen auf die Beine, die ihr Leben auch im Alter noch ein Stück lebenswerter machen. Im Original heißt das Buch daher auch "pogingen iets van het leven te maken" also: "Versuche, etwas aus dem Leben zu machen". Ein gutes Lehrstück über Würde und Lebensfreude im Alter.


    Das alles liest sich witzig und ironisch, man liest mit einem Schmunzeln, manchmal ist es etwas makaber, doch es gibt auch ernste Töne. So erfährt man das traurige Schicksal von Hendriks Tochter, und seine Frau wurde bisher nicht erwähnt (ich gehe davon aus, dass das noch kommt). Bisher gefällt mir das Buch sehr gut.


    Eierlikör wurde bisher nur ein einziges Mal erwähnt: ein älterer Herr, der stärkeres gewohnt ist, löffelte ihn wie Pudding. :breitgrins:

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Ich habe das Buch beendet und finde es interessanter als ich erwartet habe. Durch die trockenen ironischen Bemerkungen des alten Herrn Hendrik ist es sehr unterhaltsam und amüsant zu lesen. Hendrik bringt viele Dinge einfach perfekt mit wenigen Worten auf den Punkt, ob es die Widrigkeiten des Alters, die Kabbeleien mit der Heimleitung oder einfach die alltäglichen Geschehnisse in Politik und Gesellschaft sind. Er ist geistig voll auf der Höhe und verfolgt alles hellwach und kommentiert treffend. Einiges ist sehr niederländisch, vieles jedoch allgemeingültig. Der Freundeskreis Alanito stellt tatsächlich einiges an Events auf die Beine, Hendrik und seine Freunde haben Spaß und ernten Neid und Missgunst von Seiten mancher anderen Heimbewohner.


    Doch das Buch ist nicht nur witzig, es gibt auch sehr ernste Töne: Kritik am Umgang mit den alten Menschen, das Thema Demenz spielt eine große Rolle, und das Thema Sterbehilfe gewinnt gegen Ende des Romans zunehmend an Raum. Erwähnt werden auch aktuelle Fälle aus dem Jahr 2013 wie zum Beispiel der Fall des Hausarztes Nico Tromp aus Tuitjenhorn, oder der des Ehepaars Georgette und Bernard Cazes. Auch unsere Protagonisten von Alanito werden von den Härten des Schicksals nicht verschont - mehr will ich hier nicht ins Detail gehen. Doch was am Ende bleibt, ist Freundschaft.


    Ich will auf jeden Fall wissen, wie es mit Hendrik und den anderen von Alanito weitergeht.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Meine Meinung


    Hendrik Groen beschreibt das Leben im Altenheim so, wie es ist. Nicht schön, aber zum (Über)Leben gut genug. Dabei geht es ihm im Vergleich zu vielen anderen Heimbewohnern gut. Er ist geistig und körperlich für sein Alter in guter Verfassung. Aber Hendrik ist damit nicht zufrieden. Er findet es nicht schön, als zu sein, seinen körperlichen Verfall zu beobachten und immer mehr Eigenständigkeit einzubüßen. Trotzdem muss er sich im Verlauf des Jahres eingestehen, dass er manche Dinge einfach akzeptieren muss, auch wenn sie nicht schön sind. Ob es jetzt die Windeln sind oder der Scooter, zu denen er sich erst nach langer Zeit entschließen kann: hat er sich erst dazu durchgerungen, erkennt er dass diese deutlich sichtbaren Zeichen des Alters ihm auch wieder eine gewisse Freiheit geben.


    Das Leben im Heim hat mich erschreckt. Die alten Leute werden mit Regeln und Routine gegängelt, weil es so bequemer ist. Das meine ich nicht einmal böse. Die Pfleger haben nicht die Zeit, auf jeden Einzelnen individuell einzugehen. Deshalb können manche Dinge einfach nicht sein, weil sie dem Einzelnen das Leben zwar einfacher machen, den Pflegern ihre Arbeit aber erschweren würden.


    Das kann ich noch verstehen. Aber was ich nicht verstehen konnte, ist der Neid, mit dem Hendriks Club betrachtet wird. Er und seine Freunde versuchen, das graue Leben ein bisschen bunter zu machen. Und anstatt mitzumachen oder sich für sie zu freuen, halten einige der Bewohner sie für Störenfriede und freuen sich, wenn ein Ausflug schief geht. Das finde ich schade.


    Eierlikörtage ist humorvoll geschrieben, aber der leichte Ton täuscht keineswegs über den Ernst der Geschichte hinweg. Es ist ein ehrliches und deshalb sehr empfehlenswertes Buch.

    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.