Louise Erdrich - Ein Lied für die Geister

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    Kurzbeschreibung


    Als Landreaux Iron bei einem Jagdunfall Dusty, den Sohn seiner Nachbarn, erschießt, beschließen er und seine Frau, ihren jüngsten Sohn LaRose bei Dustys Eltern aufwachsen zu lassen. Schonungslos und zugleich Hoffnung verheißend, spürt Erdrich den Folgen nicht wiedergutzumachender Schuld nach.


    Nachdem Landreaux und Emmaline in einer Schwitzhüttenzeremonie ihre Vorfahren befragt haben, bringen sie ihren jüngsten Sohn LaRose zu Dustys Familie: dem verschlossenen Vater Peter, der seit Dustys Tod völlig vernachlässigten 9-jährigen Maggie und der psychisch labilen Mutter Nola. Ergeben fügt sich LaRose in sein Schicksal, doch kann weiteres Leid erlittenes Leid wiedergutmachen? In einer meisterlichen Verschmelzung von hartem Realismus, befreiender Heiterkeit und mythischen Elementen lotet Erdrich die Untiefen der universalmenschlichen Themen Entwurzelung, Schuld und Vergebung aus.


    [hr]


    Zu diesem Buch startet bald eine Leserunde - wer mag dabei sein? :winken:

    LG, Dani


    **kein Forums-Support per PN - bei Fragen/Problemen bitte im Hilfebereich melden**

  • Ich fange dann mal an, mich auszutauschen, obwohl ich noch so ziemlich in den Anfängen (ca. 120 Seiten) bin. Ich bin wirklich wieder begeistert vom Schreibstil der Autorin, die Art, wie sie die beiden Familien einführt, ist einfach toll, jedes Familienmitglied ist ein ganz eigener Typ. Der kleine LaRose tut mir unendlich Leid, seine Eltern - die mir sehr sympathisch sind - auch. Was für eine Kraft hinter dem ganzen Handeln steckt, etwas sehr Ursprüngliches, das nicht zu stoppen ist, auch wenn ich mich mit der Logik zuweilen sehr schwer tat.


    Etwas schwer zu folgen fällt es mir bei den Rückblenden, andere Familienmitglieder betreffend, das wird immer recht komplex, vielschichtig und damit anspruchsvoll, also für mich!

  • Hallo,


    ich freue mich aufs Austauschen, aber müssen wir dafür nicht in einen anderen Thread?


    Ich habe auch schon begonnen und bin begeistert von der Sprache, kann es kaum beschreiben, aber ich empfinde sie sehr ruhig, ja richtiggehend beruhigend trotz des sehr traurigen, ernsten Themas.
    LaRosa gefällt mir gut, wie tapfer er ist und wie reif es ihn macht. Mich wundert nur der Name, ist LaRosa denn für beide Geschlechter, eine Tante heißt ja auch so.


    Ich freue mich sehr auf den Fortgang des Buches.


    Grüße
    schokotimmi


    Edit: Danke fürs verschieben!

    Einmal editiert, zuletzt von schokotimmi ()


  • LaRosa gefällt mir gut, wie tapfer er ist und wie reif es ihn macht. Mich wundert nur der Name, ist LaRosa denn für beide Geschlechter, eine Tante heißt ja auch so.


    Ja, LaRose ist wirklich ein besonderes Kind! Mich hat das mit dem Namen auch gewundert, ich glaube, die Eltern wollten diesen in ihrer Sippe so hervorstechenden Namen nicht einem der beiden Zwillingsmädchen geben, das wäre ja eine Bevorzugung. Und so war es dann der Nachkömmling LaRose, der ihn "abbekam".

  • Hier meine Rezension, ich bin wirklich sehr begeistert!


    LaRose ist ein kleiner Junge aus dem Stamm der Ojibwe, der aufgrund eines fatalen Fehlers, den sein Vater Landreaux Iron begangen hat, ein neues Leben beginnen muss. Landreaux hat nämlich beim Jagen aus Versehen den Sohn der Nachbarn getötet. Einem alten Ojibwe-Brauch folgend, bieten er und seine Frau Emmaline diesen ihren eigenen Sohn an. Für LaRose, mit sechs Jahres das jüngste der vier Iron-Kinder, zu denen noch der Ziehsohn ... hinzukommt, bedeutet der Umzug zu den Raviches nicht nur einen Wechsel der Familie, sondern gleich einen der ganzen Kultur, denn er bedeutet einen Wechsel über die Reservatsgrenze hinaus. Peter Ravich ist nämlich Weißer, seine Frau Nola, zufällig eine Halbschwester von LaRoses Mutter Emmaline, nur zu einem Bruchteil Indianerin. Der kleine LaRose verkörpert eine besondere Eigenart, die er mit seiner Mutter gemein hat – er bringt ohne eigenes Zutun, ja, ohne es zu merken, die Menschen um ihn herum dazu, ihn zu lieben. Daher können bald weder die Irons noch die Raviches ohne ihn leben. Einfach wird es nicht, inmitten des Geflechts von Schuld-, Sühne-, und Rachegefühlen einen Weg zu finden, doch – und da erlaube ich mir, frei nach dem Buch der Bücher zu sprechen, ist auch hier die Liebe das größte Gefühl von allen, die die Leser in den Genuss eines – wenn auch sehr verhaltenen Happy Ends – bringt.


    Ein kluges, gekonnt geschriebenes Buch, in dem Louise Erdrich ihrem üblichen eher sachlichen, manchmal fast kargen Stil ein wenig untreu wird. Doch eines ist wie immer enthalten und zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch - ein ungeheures Ausmaß an Herzenswärme, diesmal vor allem verkörpert durch die Figuren LaRose und seine Mutter Emmaline. Louise Erdrich ist eine wahrhaft große und dabei sehr menschliche Autorin, der ich noch mannigfaltige Preise wie durchaus auch den Literaturnobelpreis zutraue und vor allem gönne.


    Sie versteht sich auf die Sprache zwischen den Zeilen - in ihrem ganz besonderen, klaren Stil vermag sie auf relativ wenig Seiten - wobei es diesmal mit mehr als vierhundert für ihre Verhältnisse schon sehr viele sind - eine eigene Welt zu erschaffen, Botschaften zu senden und das Bedürfnis nach MEHR zu wecken: mehr brillianter, kraftvoller Literatur, mehr spannenden und gut erzählten Themen, mehr wichtigen Botschaften, mehr eindringlichen Zitaten - eben einfach nach mehr Erdrich!


    Wobei ich mir fast anmaßend dabei vorkomme, dergestalt über diese großartige Autorin zu urteilen, sie zu bewerten! Wer sie lesen sollte? Mütter, Väter, Schwestern, Brüder, Töchter und Söhne - solche, die am großen Amerika verzweifeln und wenig Hoffnung in sich tragen, aber auch solche, die von den U.S.A lernen wollen! Und zwar von ihren Ureinwohnern, die trotz aller Widrigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind, immer noch das alte Wissen in sich tragen und es weitergeben - durch die Lektüre von Erdrich-Romanen auch an uns, wenn wir bereit sind, uns darauf einzulassen.


    Louise Erdrich ist eine Autorin, die uns Wichtiges aufzeigt, die Werte für sich sprechen lässt. Auch die vielen Englisch-Leistungskurse im ganzen Land, die Fakultäten für Anglistik an den Hochschulen, deren Lehrer und Dozenten verzweifelt nach aktueller Lektüre suchen, die die Schüler aufrüttelt, sie packt: Versucht es mal hiermit! Ihr habt zumindest eine Chance!


    Ein wunderbares Buch, man könnte es im wahrsten Sinne des Wortes als himmlisch bzw. als göttlichen Roman bezeichnen, nur sollte der Titel auch in deutscher Sprache wie im Original "LaRose" lauten, denn LaRose ist auf gewisse Art der Dreh- und Angelpunkt von allem. Wirklich. Lest selbst!
    5ratten

  • Bei einem Jagdunfall tötet Landeaux Iron versehentlich den kleinen Sohn der Nachbarn, Dusty. Nach einer Zeremonie in einer Schwitzhütte beschließt Landeaux gemeinsam mit seiner Frau Emmaline, dass sie ihren Sohn LaRose den Raviches anvertrauen - eine alte indianische Tradition auf die sich die Eheleute besinnen, die dem Stamm der Chippewas angehören. Sie soll den Verlust von Dustys Eltern lindern - was tatsächlich auch zu funktionieren scheint.
    Für den sechsjährigen LaRose bedeutet dieser Wechsel zu den Raviches eine ziemliche Veränderung, auch in kultureller Hinsicht - denn seine neue Familie sind keine Native Americans: Peter und Nola Ravich sind Weiße, mal abgesehen davon, dass Nola eine Halbschwester von LaRoses Mutter ist und somit zum Teil ebenfalls Chippewa.
    Schon bald haben die Eheleute den kleinen LaRose in ihr Herz geschlossen und so ergibt sich eine äußerst schwierige Situation für beide Eltern. Kann es dennoch eine Aussöhnung geben?


    Dieses Buch hat mich sehr berührt, was vor allem daran liegt, dass Louise Erdrich einen unglaublich liebevollen Blick auf ihre Figuren hat. Außerdem ist diese Autorin, selbst deutscher und Chippewa'scher Abstammung, so etwas wie das Gewissen der Vereinigten Staaten was die Situation der Native Americans angeht. Erdrich lässt ihren Figuren Raum, lässt sie agieren ohne jemals über sie zu richten. Wie all ihre Romane beschäftigt sich auch "Ein Lied für die Geister" mit der inneren Zerrissenheit vieler Natives: sie sind Teil der Vereinigten Staaten, einem Land, in dem sie in der Regel noch immer ganz unten stehen, und zugleich möchten sie auch ihre eigene Kultur bewahren, ohne sie zu Touristenfolklore verkommen zu lassen. Für diesen dreidimensionalen, respektvollen und ehrlichen Blick auf die Kultur ihrer Familie mütterlicherseits schätze ich Louise Erdrich ganz besonders.


    Vielleicht wählt Erdrich eine so reduzierte Sprache, um ihren Figuren eine noch größere Rolle zu ermöglichen, aber ich muss gestehen, dass dieser Stil für mich wirklich den großen Wurf der Autorin komplett abrundet.


    "Ein Lied für die Geister" ist ein ganz wunderbarer Roman und ich hoffe sehr, dass Louise Erdrich nicht nur weitere Literaturpreise einheimst, sondern auch hierzulande mehr LeserInnen findet. Sie und ihre Geschichten hätten es wahrlich verdient!


    5ratten und ein :tipp:

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Bei der Jagd auf einen Hirsch erschießt der Indianer Landeaux den 5jährigen Sohn seines Nachbarn Peter. Es ist ein Unfall aber natürlich ändert sich damit das Leben beider Familien.
    Einer Tradition folgend überläßt die Familie des Schützen ihren kleinsten Sohn LaRose Peters Familie, zumindest immer wieder für eine bestimmte Zeit.
    Wie sich das Geschehen über Jahre entwickelt, welche Geschichten LaRoses Vorfahren verbinden und wie es am Ende doch so etwas wie Versöhnung gibt erfährt man im Verlauf des Buches.


    Das tragische Ereignis ist der Beginn, alles was folgt sind die Konsequenzen und es war sehr eindrucksvoll, wie die Autorin hier kindliche Gedanken, indianische Mystik und das Leid der Erwachsenen und Kinder darstellt.
    Die Geschichten der Vorfahren von LaRose, die ersten LaRoses fand ich sehr interessant, trotzdem fand ich es manchmal schwer zu verstehen, wie diese zu Anfang eher eingestreuten Geschichten sich in den Rest der Geschichte integrieren.
    Am Ende wird dieser Teil zwar gut verbunden, doch so ganz schließt sich der Kreis für mich damit nicht.
    Die Geschichte um die Sorge der Kinder um ihre Eltern, die Verbundenheit von LaRose zu beiden Familien und die Probleme die Teenagergeschwister trotz eines solchen Verlustes haben waren sprachlich wunderbar dargestellt.
    Insgesamt ein sehr schönes Buch, was viele Lebensfragen aufwirft und neben diesen grundsätzlichen Dingen auch noch die Geschichte vom Leben im Reservat und die Erziehung von Native Americans.


    4ratten


    Grüße
    schokotimmi

    Einmal editiert, zuletzt von schokotimmi ()