Lisa Genova - Mehr als nur ein halbes Leben

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 863 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Zank.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Sarah ist auf den ersten Blick das Idealbild einer erfolgreichen Frau. Sie führt eine Bilderbuchehe, hat drei Kinder und einen gut bezahlten Job als leitende Angestellte. Doch gerade ihre Arbeit fordert einen Großteil ihrer Zeit. Rund um die Uhr ist sie damit beschäftigt, selbst Zuhause plant sie noch Termine, entwirft Strategien und beantwortet bei jeder Gelegenheit E-Mails. Die Zeit der Kinder ist schon genauso streng getaktet. Sie besuchen eine Privatschule und werden fast seit ihrer Geburt tagsüber von einer Studentin betreut. An einem besonders hektischen Morgen schlägt dann das Schicksal zu: Auf dem Weg zur Arbeit hantiert Sarah mit dem Handy und verunglückt mit dem Wagen. Als sie im Krankenhaus wieder zu sich kommt, kann sie ihre komplette linke Körperseite nicht mehr wahrnehmen und kontrollieren. Eine lange Rehabilitationszeit beginnt, in der Sarah nicht weiß, ob ihre Bemühungen mit Erfolg gekrönt sein werden. Ihr ganzes Leben ist auf den Kopf gestellt. Schwierig wird es vor allem, als sich in der Familie noch ganz andere Probleme auftun und zudem ihre Mutter, zu der sie kein besonders gutes Verhältnis hat, als Helferin auftaucht.



    Sarah hat die Unterstützung ihres Mannes, der ihr nicht nur physischen Halt gibt. Auch in der Reha-Klinik bekommt sie alle erdenkliche Hilfe. Doch der Gewöhnung an die Tatsache, dass nun andere ihre Aufgaben übernehmen, muss sie sich alleine stellen. Sie vermisst die Anerkennung in ihrer Firma und glaubt fest daran, innerhalb weniger Monate wieder an ihrem Arbeitsplatz zu sein. Es ist ein schmerzhafter Prozess festzustellen, dass sie davon weit entfernt ist, denn ohne fremde Hilfe kann sich kaum etwas tun.


    Wie in ihren anderen Büchern hat sich Lisa Genova wieder dem Thema einer Krankheit gewidmet und beschreibt, wie schwer der Weg zurück in ein normales Leben ist, wenn er überhaupt je möglich ist. Bei einem Visuellen Neglect, den Sarah erlitten hat, nimmt die Patientin ihre linke Körperseite und alles, was sich links von ihr befindet, nicht wahr und bemerkt das auch nicht. Neben vielen Ausfallerscheinungen führt das mitunter auch zu peinlichen Situationen, die im Buch zwar lustig klingen, aber für die Betroffene eine große Belastung sind. Sarah bleibt ihrem Typ treu und versucht ihr möglichstes, auf manchmal sehr eigenwillige Weise ihren Zustand zu verbessern. Sie ist zur Außenseiterin geworden, aber das bringt auch unerwartete positive Wendungen in ihr Leben (von denen ich nichts verraten möchte), die einer gesunden Sarah nie widerfahren wären. Schritt für Schritt findet sie sich mit ihrer Behinderung ab und lernt sie zu akzeptieren. Der Unfall hat ihr die Augen geöffnet, dass sie zu erfolgsorientiert war in ihrem Bestreben, im Job und in der Familie immer 100 Prozent zu leisten, und dass dabei unmerklich wichtige Beziehungen darunter leiden. Die verbliebene Energie muss jetzt anders verteilt werden. "Glück" wird neu definiert.


    Es ist wieder ein Buch von Lisa Genova, das zeigt, dass schwer kranke Menschen, deren Leben völlig verändert ist, auch mit seelischen Problemen kämpfen. Die Geschichte dieser jungen Familie ist spannend, aber im Ganzen kommt sie nicht an die Intensität von "Mein Leben ohne Gestern" heran.


    4ratten

  • Wieder mal schlägt Lisa Genova in diesem Buch mehrere (Problem-)Fliegen mit einer Klappe: Neben der Auseinandersetzung mit dem medizinischen Phänomen des Links-Neglects wird der Spagat des modernen Familienlebens mit 2 (mehr als)Fulltime-Jobs und dem Leben mit Kindern thematisiert, und in der Beziehung der Hauptperson zu ihrer Mutter kommen noch gleich mehrere andere Themen vor.

    Dennoch ist dieser Roman ein harmonisches Ganzes, sehr gut lesbar und wirkt keineswegs zu "konstruiert" - ganz subjektiv hat mir Genovas Buch "Ein guter Tag zum Leben" aber vielleicht noch eine Spur besser gefallen.


    4ratten

  • Das Buch erzählt die Geschichte von Sarah, die beruflich sehr erfolgreich, aber auch sehr eingespannt ist. Außerdem ist sie verheiratet und Mutter von drei Kindern. Auf dem Weg zur Arbeit hat sie einen Autounfall und erwacht danach im Krankenhaus. Zunächst weiß sie nicht, was mit ihr los ist, aber ihre linke Körperhälfte gehorcht ihr nicht mehr und sie hat einen linksseitigen Neglect durch eine Verletzung der rechten Gehirnhälfte.


    Ein Neglect bedeutet, dass sie nur die rechte Hälfte von allem wahrnimmt – die rechte Hälfte von sich selbst, vom Krankenhauszimmer, sogar vom Essensteller, der vor ihr steht. Das vertrackte daran ist, dass sie sich dessen gar nicht bewusst ist, weil das Gehirn die andere Hälfte einfach „ergänzt“. Sie denkt also z.B., der Teller vor ihr wäre leer, obwohl sie tatsächlich nur die rechten Dinge darauf gegessen hat. Als ich Mr Zank davon erzählte, meinte er, das sei Science Fiction. Ein Blick ins Nachwort und ins Internet zeigen aber: Das gibt es wirklich!


    Ich habe das Buch gerne gelesen und Sarahs Fortschritte beim Umgang mit ihrer Einschränkung beobachtet. Nebenthemen sind noch das schlechte Verhältnis zu ihrer Mutter und ADHS bei ihrem Sohn. Mir war es dann fast zu groschenromanglücklich, wie sich alles fügte und wie sich Sarahs Sichtweisen auf das Leben allgemein und ihr Leben im speziellen ändern. Auch hat mich das Buch teils zu sehr an Genovas grandioses Erstlingswerk „Mein Leben ohne Gestern“ (über eine Frau mit Demenz) erinnert – leider kann es mit diesem nicht mithalten und wirkt eher wie ein Abklatsch.


    Interessantes Buch über eine mir bis dato unbekannte „Krankheit“, das mich aber nicht komplett überzeugen konnte.

    3ratten