Stefan Winterstein - Früher war mehr Rechtschreibung

Es gibt 37 Antworten in diesem Thema, welches 4.477 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Zunächst einmal: Ich bin froh und gleichzeitig entsetzt, dass ich mich nicht getäuscht habe, es gibt tatsächlich einen durch Zahlen belegten, besorgniserregenden Verfall der Rechtschreibfähigkeit.
    Ich habe ja immer Sokrates' Satz im Hinterkopf über die Jugend von heute ("Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.") und deshalb habe ich mich öfter mal zur Ordnung gerufen, wenn ich mich über Fehlerquoten aufgeregt habe, dass das vermutlich nur eine subjektive Wahrnehmung ist. Aber - nein. OMG :entsetzt:!


    Winterstein gibt dafür verschiedene Erklärungen, die im Zusammenwirken dann das Phänomen der nicht mehr beherrschten Rechtschreibung ergeben.
    Dabei sind Klassiker wie:


    [li]Der pädagogische Ansatz, Erst- und Zweitklässler nach Gehör schreiben zu lassen und nicht zu verbessern, hat zur Folge, dass eingeschliffene Falschschreibung nicht mehr auszumerzen ist.[/li]
    [li]Es wird viel weniger gelesen (bei einem nie dagewesenen Angebot - schizophren).[/li]
    [li]Die Medien (Fernsehen, Internet, Handy, soziale Netzwerke) bewirken weniger Lesezeit, eine Beschleunigung des Nachrichtenaustauschs, eine vollkommen andere Nutzung der Schrift.[/li]
    [li]Die gestiegene Toleranz, Einsparung von Lektoraten (insbesondere im Journalismus, wo Aktualität die Maxime ist) und damit die Allgegenwärtigkeit von falsch Geschriebenem bewirkt eine Verbreitung von Fehlern.[/li]
    [li]Gewandelte Einstellung zum Geschriebenen (früher: Ewigkeit. heute: Vergänglichkeit)[/li]
    [li]Rechtschreibreform[/li]


    An dieser Stelle befinde ich mich gerade und finde die aufgezeigten Hintergründe zur Rechtschreibreform gelinde gesagt haarsträubend!


    Alles in allem finde ich das alles bedenklich, weil ich mir keine Lösungsansätze für das Problem vorstellen kann. Aber vielleicht schreibt Winterstein auch hierzu etwas.

  • [li]Der pädagogische Ansatz, Erst- und Zweitklässler nach Gehör schreiben zu lassen und nicht zu verbessern, hat zur Folge, dass eingeschliffene Falschschreibung nicht mehr auszumerzen ist.[/li]


    Das erlebe ich bei uns gerade. Unsere Tochter bekommt immer wieder Hausaufgaben, bei denen sie Bilder beschreiben oder kleine Geschichten schreiben soll. Da geht es mehr darum, wie die Kinder Dinge beschreiben und wie groß der Wortschatz schon ist als dass sie die Worte richtig schreiben und so gibt es viele Fehler. Aber ich sehe auch, dass sie viel ausführlich schreibt als ich in ihrem Alter und dass sie auch schon seit den ersten Worten, die sie schreiben kann beim Spielen viel schreibt. Von daher kann ich diesen Ansatz nachvollziehen, auch wenn ich gerade zu Anfang der Dritten, wenn Rechtschreibung plötzlich wichtig ist, einiges an Stress erwarte.


    Auf der anderen Seite werden jede Woche Übungswörter und Diktate geschrieben. So ganz ist die Rechtschreibung doch nicht außen vor.


    Ob der Ansatz jetzt richtig oder falsch ist: für uns funktioniert er.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Kirsten
    Das Problem dabei ist, dass wir schreiben und lesen lernen, indem wir uns Wortbilder einprägen. Wenn man bei Kindern ihre Rechtschreibung nicht von Anfang an verbessert, prägen sich falsche oder gar keine Wortbilder ein. Auch werden die drei anderen Rechtschreibstrategien (in Silben zerlegen, verlängern, ableiten) nicht von Anfang an eingeübt und automatisiert.


    Inzwischen habe ich den Essay beendet und ich muss sagen, Stefan Winterstein stellt ein paar interessante Aspekte dar. Lösungsmöglichkeiten gibt er nicht, kann er eigentlich auch gar nicht, weil es sich um ein gesellschaftliches Problem handelt, in deren Prozesse man nur marginal eingreifen kann. Den größten Einfluss, dem Verfall der Rechtschreibkompetenz entgegen zu wirken, haben wohl die Eltern.

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    Klappentext / Beschreibung


    „Ich ertappe mich dabei, Triviales, das sprachlich einwandfrei ist, lieber zu lesen als Kluges, das vor Fehlern strotzt. Warum bloß erinnern mich fehlerhafte Texte oft an jenen Verliebten aus dem berühmten Loriot-Sketch, der bei seiner Liebeserklärung eine Nudel im Gesicht kleben hat?“
    Der Germanist Stefan Winterstein geht dem Verdacht auf den Grund, es sei heute um die deutsche Rechtschreibung nicht allzu gut bestellt, und entwirft ein ganzes Panorama an denkbaren Ursachen. Dahinter aber versucht er die noch grundlegendere Frage zu beantworten, was dieser eigentümliche Apparat Rechtschreibung eigentlich ist. Rechtschreibung ist in aller Munde, aber womöglich in kaum jemandes Kopf, sie wird ignoriert, verachtet und belächelt, unreflektiert hingenommen und mit Inbrunst verteidigt. Doch was ist sie, wozu dient sie und wie funktioniert sie, was sollte oder könnte sie sein?
    Eine Annäherung an ein heikles Thema, nicht ohne Skrupel, mit Humor und Selbstironie – und mit überraschenden Einsichten.


    Meine Meinung


    Dieser Essay hat allein schon eine interessante Struktur: Er besteht aus drei Teilen. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Ursachen der schwindenden Rechtschreibkompetenzen, der zweite mit Phänomenen rund um die Rechtschreibung und deren Verfechter und im dritten Teil gewährt Stefan Winterstein, selbst Lektor, uns Einblicke in das Lektorendasein.
    Alle Teile sind in Artikel unterteilt, die aus mehr oder weniger kurzen Textpassagen bestehen, die ganz unterschiedliche Aspekte auf verschiedene Weise beleuchten.
    Zu den einzelnen Teilen:
    Teil A dient der Information. Hier wird relativ nüchtern dargestellt, dass ganz unterschiedliche Faktoren im Zusammenwirken mangelnde Rechtschreibkompetenz bewirken. Für Winterstein der wichtigste Faktor ist die Rechtschreibreform von 1996. Bei aller berechtigten Kritik an dieser Reform, die interessante Gesichtspunkte anspricht, finde ich, dass Winterstein sich an dieser Stelle etwas zu sehr festbeißt.
    Teil B ist der amüsante Teil des Essays. Die entlarvenden Charakterisierungen der Verfechter und Fans richtiger Schreibung ließen mich angesichts der Blüten, die die bis in den Fanatismus reichende Verteidigung der korrekten Schreibweisen treibt, öfter herzhaft lachen. Hier finden sich auch ganz verschieden Anekdoten beispielsweise aus der Historie oder auch dem Internet.
    In Teil C plaudert Winterstein aus seinem beruflichen Nähkästchen, was aufschlussreich und spannend ist, manchmal jedoch die Grenze zur Selbstbeweihräucherung und zum Selbstmitleid (Lektoren scheinen wirklich schlecht bezahlt zu werden, wie an mehreren Stellen kundgetan wird) überschreitet.


    Fazit: informativ, witzig, lesenswert, mit kleinen Schwächen.


    4ratten :tipp:

  • @louzilla: ganz wird die Rechtschreibung nicht ausser Acht gelassen. Aber wenn es darum geht kleine Geschichten zu schreiben, ist der Inhalt tatsächlich wichtiger als die korrekte Schreibweise. Da geht es der Lehrerin eher daraum, dass die Kinder erzählen.


    Zu diesem Thema passt dieser Artikel aus der FAZ sehr gut.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ein interessanter Artikel, der zeigt, dass viele noch nicht begriffen haben, wie wichtig Rechtschreibung ist. Stefan Winterstein stellt in seinem Essay auch die Bedeutung der Rechtschreibung dar und sie ist höher als ich selbst (und mir ist sie wichtig) gedacht habe.
    Die Minderbewertung der Rechtschreibung zeigt zweierlei:


    [li]Der Stellenwert der und die Einstellung zur Rechtschreibung nehmen weiterhin ab.[/li]
    [li]Man geht damit dem Problem aus dem Weg (und verzögert damit eine Trendwende), dass Schüler immer weniger die Rechtschreibung beherrschen.[/li]


    Das Schlimme ist, dass die beiden genannten Punkte einander bedingen - ein Teufelskreis!

  • Diesen beiden Punkten kann ich leider nur zustimmen :sauer: Ich hoffe, dass meine Tochter das so sehen wird wie ich und wenn nicht, dass sie sich von meiner Meinung überzeugen lassen wird. Ich sehe durchaus die Eltern in der Pflicht, schon vom ersten Schultag an. denn wenn man nicht von Anfang an Interesse zeigt und mitmacht, kann man das später nicht mehr nachholen. Ist nicht immer leicht, besonders nach einem langen Schul- und einem noch längeren Arbeitstag, aber dafür umso wichtiger.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Oweih... das leidige Thema Deutschunterricht und Rechtschreibung....
    Wir haben ja nun auch einige Jährchen aktuell deutsches Schulsystem hinter uns und grad zu dem Thema könnt ich einen Roman schreiben. Aber ich belass es dabei, zu sagen, daß dieses "schreiben wie hören" im ersten Jahr einen laaaaangen Rattenschwanz hinterhergezogen hat. Wenn man einem Kind diesen Gedanken mal in den Kopf pflanzt und er noch ein bisschen logisch/analytisch veranlagt ist, dann dauert es lang ihn danach davon zu überzeugen, daß es jetzt doch plötzlich wichtig ist WIE man es schreibt. Irgendwann hat er es akzeptiert, versteht jetzt auch den Sinn dahinter und da er viel liest, hat sich das Problem letztlich einigermaßen von allein erledigt, aber es hat weit bis in die ca. 6. Klasse hinein ausgestrahlt. Beim 2. Kind hab ich dieses Lernexperiment nicht mehr so hingenommen, sondern hab ihm gesagt, daß ich zwar wisse, er dürfe es momentan schreiben wie er wolle bzw. wie er es höre, aber richtig geschrieben wäre es so nicht. Ich hab ihm zuhause völlig ohne Streß einfach immer nach der Hausaufgabe gezeigt wie man es richtig schreibt. Er hatte sehr sehr sehr viel weniger Umstellungsprobleme zu dem Thema.
    Was ich ja immer so krass fand, da sagt man ihnen monatelang, ihr dürft schreiben wie ihr wollt und dann von heut auf morgen sollten sie plötzlich wissen wie man es wirklich schreibt :vogelzeigen:


    Zitat

    Der Stellenwert der und die Einstellung zur Rechtschreibung nehmen weiterhin ab.
    Man geht damit dem Problem aus dem Weg (und verzögert damit eine Trendwende), dass Schüler immer weniger die Rechtschreibung beherrschen.


    Ja.. so ist es, es wird zwar theoretisch schon noch Wert gelegt auf richtig Schreibweise, es wird auch verbessert ABER ! in die Bewertung der Aufgaben fließt es ab ca. der 6. Klasse nicht/kaum mehr ein. Kein Wunder das es manchen Schülern dann egal ist.


    Und diese fürchterliche neue Schreibschrift, die auch ganz sicher nie zu einer flüssigen Handschrift führen wird (kein Wunder wenn man bei jedem ca. dritten Buchstaben absestzen muß) . Aber da ist man völlig machtlos, ich kann ja dem Kind nicht sagen, wie unschön das aussieht, wenn es sich von Herzen bemüht das so zu schreiben wie die Lehrerin es ihm beibringt und wie es dann auch verbessert und bewertet wird ....
    Das Schlimme... selbst eine (ehrliche) Lehrerin gibt zu, daß es ihr nicht gefällt und sie es auch nicht für richtig und besser hält, sie es aber so lehren muß. Noch so ein Thema war bei uns diese komische Minus-Rechnung beim schriftlichen Minusrechen, total chaotisch, ein einziges Rumgeschmiere und Durchgestreiche. Ich verstehe bis heute nicht warum man etwas ändern muß was gut ist und jahrzehntelang gut funtioniert hat. Beide Kinder rechnen es inzwischen nach der ganz üblichen alten Rechenweise, die ihnen viel eingänger war.


    Seit Jahren wird an den Kindern bildungsmäßig herumexperimentiert und wir haben die meisten dieser Experimenten zwangsweise mitgemacht, weil meine Kinder grad in dieser Phase eingeschult wurden. Jedes Jahr was anderes, jedes Jahr Hü und Hott, keinerlei Kontinuität mehr, was besonders auffällt wenn man mehrere Kinder in kurzem Abstand hintereinander begleitet.


    Naja... aber man muß aus dem was man bekommt, das Beste machen und halt einen kritischen Blick bewahren auf das was in der Schule so erzählt wird, das Glück haben auf gute, engagierte, ehrliche Lehrer zu stoßen, die diesen vorgegebenen Experimenten (die ihnen teilweise aufgezwungen werden) mal ein bisschen gegensteuern bzw. unterstützen und selber halt dabeibleiben, besonders in den Anfangsjahren. Ich glaub das man sich jetzt als Eltern mehr um die Kinder in den ersten Schuljahren kümmern muß als früher (obwohl genau das Gegenteil propagiert wird und angeblich alles darauf ausgerichtet ist, daß alle die gleichen Chancen haben. Mindestens in der Grundschule sieht man ganz genau wo sich zuhause um die Kinder und die schulischen Belange gekümmert wird und wo nicht, d.h. im Umkehrschluß aber eben auch daß letzere eben keine so guten Chancen haben und oft schon von vorneherein hinterherhinken) .


    Naja... aber genug geschimpft, nicht alles ist schlecht und viele Neuerungen seit unserer Schulzeit sind auch wirkich begrüßenswert, vieles ist kindgemäßer und offener, auch interessanter, es gibt auch viele wirklich gute, engagierte Lehrer, denen etwas an den Kindern liegt.
    Was wirklich gut funktioniert ist die Art des Lesenlernen über die Silben, nicht nur über die einzelnen Buchstaben, wie bei uns früher noch. Bis Weihnachten können alle Kinder im Großen und Ganzen einfache Texte flüssig lesen, auch die, die vorher noch kein Interesse daran gezeigt haben.



    P.S. .. jetzt ist es ja doch fast ein Roman geworden :wegrenn:



    @louzilla
    Das Buch klingt interessant, würde bei mir wahrscheinlich auch offene Türen einrennen. Aber ich glaub .. ich les es nicht, ich muß mich dann bloß wieder so aufregen ,wir hatten viel davon schon im direkten Anschauungsunterricht des Lebens :breitgrins:


    Andererseits - und darüber denke ich schon auch manchmal nach - Schrift und Sprache haben immer Änderungen unterlegen, wahrscheinlich sind solche Prozesse nicht aufzuhalten auch wenn es um unsere schöne Sprache schade ist, aber das Computer-Zeitalter wird die Sprache und alles was damit zusammenhängt verändert, genauso wie der technische Fortschritt ethische Grundsätze ändern wird - Das find ich in vielerlei Bereichen nicht schön und richtig, aber es wird so kommen.... und irgendwann sind wir die "alte" Generation.
    Für nachfolgende Generationen ist sowas wie Rechtschreibung und Schreibschrift vielleicht irgendwann genauso antiquiert wie für uns die Tatsache das die Erde mal eine Scheibe war, überspitzt forumliert.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • P.S. .. jetzt ist es ja doch fast ein Roman geworden :wegrenn:


    Aber zum Lesen sind wir doch hier :zwinker: Übrigens ein schöner Roman.


    Naja... aber genug geschimpft, nicht alles ist schlecht und viele Neuerungen seit unserer Schulzeit sind auch wirkich begrüßenswert, vieles ist kindgemäßer und offener, auch interessanter, es gibt auch viele wirklich gute, engagierte Lehrer, denen etwas an den Kindern liegt.


    Ich war angenehm überrascht, wie lebendig der Unterricht meiner Tochter von Anfang an war im Gegensatz zu dem Unterricht, an den ich mich erinnern konnte. Sie hat das Glück, eine Lehrerin zu haben der die Schüler wirklich am Herz liegen. Sie fordert viel (für manche Eltern zu viel), aber es zahlt sich aus.


    Was wirklich gut funktioniert ist die Art des Lesen lernen über die Silben, nicht nur über die einzelnen Buchstaben, wie bei uns früher noch. Bis Weihnachten können alle Kinder im Großen und Ganzen einfache Texte flüssig lesen, auch die, die vorher noch kein Interesse daran gezeigt haben.


    Das kann ich bestätigen. Ich gehe seit der ersten Klasse einmal in der Woche als Lesemama in die Klasse meiner Tochter und war sehr beeindruckt von den Fortschritten in der ersten Zeit. Mittlerweile gibt es teilweise große Unterschiede bei den Kindern, aber kleine Geschichten lesen können sie alle.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Was ich ja immer so krass fand, da sagt man ihnen monatelang, ihr dürft schreiben wie ihr wollt und dann von heut auf morgen sollten sie plötzlich wissen wie man es wirklich schreibt :vogelzeigen:


    Damit verschiebt und vergrößert man den Frust bei den Kindern, den man ja ursprünglich mit der Schreiben-nach-Gehör-Methode vermeiden wollte. Völlig widersinnig!



    Ja.. so ist es, es wird zwar theoretisch schon noch Wert gelegt auf richtig Schreibweise, es wird auch verbessert ABER ! in die Bewertung der Aufgaben fließt es ab ca. der 6. Klasse nicht/kaum mehr ein. Kein Wunder das es manchen Schülern dann egal ist.


    Das stimmt so (in Baden Württemberg) nicht. Im Gegenteil: Die Grundschulen haben die Vorgabe, keine benoteten Diktate zu schreiben. Die dort geschriebenen Diktate sind geübte Diktate, Lückentexte, Abschreibdiktate oder Ähnliches. Deshalb fallen Schüler wie Eltern in Klasse 5 nach "echten" Diktaten aus allen Wolken, wenn beide Seiten feststellen, dass Rechtschreibung kaum beherrscht wird.
    Auch wenn ab Klasse 8 keine Diktate mehr geschrieben werden, in Aufsätzen (und Klassenarbeiten in anderen Fächern) geht die Rechtschreibung sehr wohl in die Bewertung ein.



    Und diese fürchterliche neue Schreibschrift, die auch ganz sicher nie zu einer flüssigen Handschrift führen wird (kein Wunder wenn man bei jedem ca. dritten Buchstaben absestzen muß)


    Von der vereinfachten Ausgangsschrift kommt man zum Glück wieder ab. Man kann seine Kinder nur dahingehend unterstützen, eine eigene Handschrift zu entwickeln - eine Mischung aus Druck- und Schreibschrift soll am sinnvollsten sein und die meisten Erwachsenen schreiben genau so. (Abgesetzt werden muss, denn die Hand muss weiterrücken. Niemand schreibt längere Wörter in einem Zug durch)



    @louzilla
    Das Buch klingt interessant, würde bei mir wahrscheinlich auch offene Türen einrennen. Aber ich glaub .. ich les es nicht, ich muß mich dann bloß wieder so aufregen ,wir hatten viel davon schon im direkten Anschauungsunterricht des Lebens :breitgrins:


    Das dachte ich auch, aber ich bin gelassener geworden, einfach weil so viele Faktoren zusammenspielen, dass der einzelne nur eines machen kann: Ein gutes Vorbild sein. Alles andere sind Kämpfe gegen Windmühlen.
    Das Buch lohnt sich insofern, dass es wirklich interessante Einblicke gibt und teilweise richtig vergnüglich ist.



    Andererseits - und darüber denke ich schon auch manchmal nach - Schrift und Sprache haben immer Änderungen unterlegen, wahrscheinlich sind solche Prozesse nicht aufzuhalten auch wenn es um unsere schöne Sprache schade ist, aber das Computer-Zeitalter wird die Sprache und alles was damit zusammenhängt verändert, genauso wie der technische Fortschritt ethische Grundsätze ändern wird - Das find ich in vielerlei Bereichen nicht schön und richtig, aber es wird so kommen.... und irgendwann sind wir die "alte" Generation.
    Für nachfolgende Generationen ist sowas wie Rechtschreibung und Schreibschrift vielleicht irgendwann genauso antiquiert wie für uns die Tatsache das die Erde mal eine Scheibe war, überspitzt forumliert.


    Und genau das stimmt nicht! Das legt Winterstein auch dar. Sprache wandelt sich, Rechtschreibung wurde schon immer diesem Wandel angepasst, dies und der technische Fortschritt ist aber unabhängig von der Rechtschreibkompetenz. Deren Bedeutung ist nicht hoch genug anzusiedeln.

  • Kirsten

    Zitat

    Ich war angenehm überrascht, wie lebendig der Unterricht meiner Tochter von Anfang an war im Gegensatz zu dem Unterricht, an den ich mich erinnern konnte. Sie hat das Glück, eine Lehrerin zu haben der die Schüler wirklich am Herz liegen. Sie fordert viel (für manche Eltern zu viel), aber es zahlt sich aus.


    Das ging mir anfangs auch so, grad in der ersten Klasse wurde noch viel Wert darauf gelegt die Sitzerei nicht zu übertreiben, das fand ich wirklich gut.
    Und mit den Lehrern steht und fällt vieles in der schulischen Entwicklung, je jünger die Kinder desto mehr. Schön daß ihr da für den Anfang schon mal Glück gehabt habt :smile:



    @louzilla

    Zitat

    Das stimmt so (in Baden Württemberg) nicht. Im Gegenteil: Die Grundschulen haben die Vorgabe, keine benoteten Diktate zu schreiben. Die dort geschriebenen Diktate sind geübte Diktate, Lückentexte, Abschreibdiktate oder Ähnliches. Deshalb fallen Schüler wie Eltern in Klasse 5 nach "echten" Diktaten aus allen Wolken, wenn beide Seiten feststellen, dass Rechtschreibung kaum beherrscht wird.
    Auch wenn ab Klasse 8 keine Diktate mehr geschrieben werden, in Aufsätzen (und Klassenarbeiten in anderen Fächern) geht die Rechtschreibung sehr wohl in die Bewertung ein.


    Was Vorgabe ist weiß ich jetzt nicht und meine Erfahrungswerte bzgl. Grundschule sind nun auch schon wieder ein paar Jährchen her, aber in der Grundschule wurden spätestens ab der 2. Klasse definitiv benotete Diktate geschrieben. Später am Gymnasium dann eher nicht mehr, allenfalls noch als "mündliche" Note . In anderen Fächern außer Deutsch zählt aber Rechtschreibung bei uns sicher nicht zur Bewertung und in Deutschaufsätzen selbst, fließt sie zumindest nicht sehr hoch ein.
    Da es jetzt allerdings insgesamt kein Problem mehr ist, krieg ich vielleicht auch nicht mehr alles mit in der Richtung. Davon abgesehen muß mindestens einer meiner Söhne jetzt schon langam selbst wissen wie er es angehen muß :zwinker: , da find ich ja auch Wichtig das man sich da langsam aber sicher zurückzieht, wenn man sieht es läuft.


    Zitat

    Und genau das stimmt nicht! Das legt Winterstein auch dar. Sprache wandelt sich, Rechtschreibung wurde schon immer diesem Wandel angepasst, dies und der technische Fortschritt ist aber unabhängig von der Rechtschreibkompetenz. Deren Bedeutung ist nicht hoch genug anzusiedeln.


    Vielleicht les ich ja doch mal rein. Ich versuch mit solchen Überlegungen oftmals auch meinen eigenen Standpunkt zu überprüfen, frei nach dem Motto "Wie recht habe ich mit meinen Gewissheiten oder mit dem was mir Wichtig ist, ist es das auch wirklich für meine Kinder, wird es in Zukunft wirklich noch so wichtig sein, wie ich es jetzt als Wichtig erachte...?"


    Zitat

    Das dachte ich auch, aber ich bin gelassener geworden, einfach weil so viele Faktoren zusammenspielen, dass der einzelne nur eines machen kann: Ein gutes Vorbild sein.


    Und ja, Vorleben, vielleicht auch mal drüber reden, wenn einem in Zeitung oder Buch oder sonstwo was auffällt, ist sowieso wichtiger als jedes lamentieren und predigen. Inzwischen fallen den Jungs auch schon Fehler in der Zeitung auf :elch:

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



  • Ich habe eine naive Frage: ist dieser "schreiben wie hören"-Ansatz denn jetzt Standard in deutschen (österreichischen?) Schulen? Das ist für eine Sprache wie das Deutsche ja völlig widersinnig, als Linguistin bin ich ein klein wenig entsetzt :gruebel:

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

  • Es war Standard, ich hatte aber das Gefühl gegen Ende der Grundschulzeit meiner Kinder, kam man langsam wieder davon ab. Naja... , was ich eben so von anderen Eltern mitbekam. Ich hab ja schon beim 2. Kind zuhause gegengesteuert und da hatte ich das Gefühl, die Lehrerin war von dem vorgegebenen Konzept nicht mehr ganz so überzeugt, wie noch bei meinem ersten Kind. Was aber jetzt gerade aktuell Stand ist weiß ich nicht. Momentan ändert sich sowas ja ziemlich schnell...


    Kirsten hat aber grad aktuell ein Kind in der Grundschule und hat das hier geschrieben:


    Das erlebe ich bei uns gerade. Unsere Tochter bekommt immer wieder Hausaufgaben, bei denen sie Bilder beschreiben oder kleine Geschichten schreiben soll. Da geht es mehr darum, wie die Kinder Dinge beschreiben und wie groß der Wortschatz schon ist als dass sie die Worte richtig schreiben und so gibt es viele Fehler. Aber ich sehe auch, dass sie viel ausführlich schreibt als ich in ihrem Alter und dass sie auch schon seit den ersten Worten, die sie schreiben kann beim Spielen viel schreibt. Von daher kann ich diesen Ansatz nachvollziehen, auch wenn ich gerade zu Anfang der Dritten, wenn Rechtschreibung plötzlich wichtig ist, einiges an Stress erwarte.


    Auf der anderen Seite werden jede Woche Übungswörter und Diktate geschrieben. So ganz ist die Rechtschreibung doch nicht außen vor.


    Ob der Ansatz jetzt richtig oder falsch ist: für uns funktioniert er.


    Dazu hab ich noch anzumerken, daß "Rechtschreibung" bei uns dann auch schon ab der 2. Klasse wichtiger wurde.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



  • Der Titel erinnert mich gleich an Loriot - zur x-mas-Zeit passend :breitgrins: aber auch (ohne jetzt auf die - wie ich finde, interessante Thematik - einzugehen an einen alten Spruch von Ingo Insterburg & Co (heute und nach dem Lesen dieses Sachbuchs sicher immer mehr von Bedeutung) :zwinker:


    "Ist die Grammatik auch nicht richtig -
    dass man sich liebt, nur das ist wichtig!" :breitgrins:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • tári: bei uns ist es eine gesunde Mischung aus "freiem Schreiben" und Rechtschreibung. Deshalb korrigiere ich auch (noch) nicht, wenn ich in den Geschichten Fehler entdecke.


    OT: als ich gestern mit meiner Tochter Hausaufgaben durchgesehen habe, hat sie mir gesagt dass in den Hausaufgaben vom Vortag fast alle Hortkinder Fehler hatten. Sie haben die Aufgaben nicht bis zum Ende gelesen und deshalb etwas ausgelassen. Auf meine Frage, ob denn die Eltern das beim Durchsehen nicht gemerkt haben, meinte sie dass außer bei einem oder zwei ihrer Klassenkameraden, die auch im Hort sind, die Eltern die Hausaufgaben nicht anschauen. Ich kann verstehen, dass es schwer ist nach einem langen Arbeitstag, sich mit einem auch nicht mehr ganz frischen Kind nochmal hinzusetzen. Aber letztendlich geht es doch darum, dass meine Tochter mitkommt und keine Fehler oder Missverständnisse mitschleppt. Da finde ich es schade, dass man sich diese Zeit nicht nehmen will :sauer:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Sehr interessantes Thema! Dieses Schreiben nach Gehör finde ich auch sehr merkwürdig. Zwar haben die Kinder erst mal schnellere Erfolgserlebnisse, aber dafür müssen sie später noch mal umlernen - das ist doch widersinnig.


    Meine Eltern haben sich übrigens unsere Hausaufgaben nie angeschaut, es sei denn, wir haben sie drum gebeten, weil irgendwas nicht klappte.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • "Ist die Grammatik auch nicht richtig -
    dass man sich liebt, nur das ist wichtig!"


    So ist es :smile: und mit so einem ähnlichen Mantra (nur ohne Grammatik ^^) zieh ich mich früher oder später auch immer aus so manchem Alltagssumpf in dem Ärgerlichkeiten mal wieder eine Größe annehmen die ihnen nicht zusteht :zwinker:




    Valentine

    Zitat

    Meine Eltern haben sich übrigens unsere Hausaufgaben nie angeschaut, es sei denn, wir haben sie drum gebeten, weil irgendwas nicht klappte.


    Bei mir auch nicht und komischerweise geht das heute aber nicht mehr, jedenfalls nicht ohne Nachteile fürs Kind in der Grundschule.
    Im Grunde wird von den meisten Lehrern auch erwartet das man das tut.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Für mich ist es wichtig, die Hausaufgaben meiner Tochter zu sehen. Ich möchte wissen, was sie macht und ob es Probleme gibt. Im Hort gibt es zwar eine Hausaufgabenbetreuung, aber die hilft nicht. sie erklären nur, wenn ein Kind die Aufgaben nicht versteht. Was sie nicht machen, ist mit den Kindern zu lesen oder Diktat zu üben. Das mache ich nach der Arbeit mit meiner Tochter. Ihr gefällt es, dass wir Interesse zeigen und mit ihr üben. Natürlich gibt es Tage, an denen es nicht klappt. Dann zwinge ich sie nicht dazu. Aber an den meisten Tagen machen wir es beide gerne.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Ich kann verstehen, dass es schwer ist nach einem langen Arbeitstag, sich mit einem auch nicht mehr ganz frischen Kind nochmal hinzusetzen. Aber letztendlich geht es doch darum, dass meine Tochter mitkommt und keine Fehler oder Missverständnisse mitschleppt. Da finde ich es schade, dass man sich diese Zeit nicht nehmen will :sauer:


    Ich glaube, dass es nicht immer eine Problematik des keine-Zeit-dafür-habens ist, sondern auch eine soziale: Ich habe einige Jahre in einem Hort gearbeitet und meine Kollegin (Sonderschulpädagogin und sehr kompetent) und ich machten an jedem Schultag die HA mit den Kindern (in einer Kleingruppe, max. 8-10 kids). Darunter (Ende 80er)waren marokkanische, griechische, jugoslawische etc. Kinder (heute gibt es Sonderklassen für Flüchtlingskinder) und ich bin sicher, dass die Eltern nicht in der Lage gewesen wären, ihren Kindern schulisch zu helfen; daher würde ich das differenziert betrachten. In einigen Fällen (deutschsprachiger, deutschstammiger Eltern) würde ich dies aber auch nicht ausschließen, dass nicht jeder so nachschaut, wie Du das tust bei den HA Deiner Tochter (was ich übrigens sehr gut finde; mein Sohn mochte das auch immer).

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Sagota: da hast du wahrscheinlich recht. Bei manchen Eltern ist es aber leider so, wie es schon im Kindergarten war: sie geben ihr Kind morgens an der Tür ab und erwarten, dass sie nach dem Abitur einen fertigen Erwachsenen haben :rollen:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.