Gerhard Jäger - Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 3.155 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Angefangen und bereits ein gutes Drittel gelesen.


    In dem oben genannten Roman von Gerhard Jäger geht es in der Haupterzählebene um einen jungen Historiker, der in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in ein österreichisches Bergdorf kommt, um dort seinen ersten Roman zu schreiben. Die archaische Welt der Dörfler schließt ihn zunächst aus, die gefährliche Natur scheint ihn durch extreme Wetterereignisse ebenfalls wegzudrängen, aber langsam findet er durch Mithilfe bei agrarischen und forstlichen Tätigkeiten Zugang zur Dorfbevölkerung. Da verliebt er sich in eine stumme, allein lebende Bäuerin, aber nicht er allein hat Gefühle für diese ... . Eine Auseinandersetzung scheint sich anzubahnen.


    Jäger schreibt in einer kühlen, distanzierten, dann wieder in dramatischen Momenten zupackenden Sprache und beschwört diese wie aus der Welt gefallene Dorfgemeinschaft in der eher feindlichen Natur sehr intensiv für den Leser herauf.
    Bisher eine sehr gute Lektüre.

  • Das war eine sehr gute Lektüre!!


    Inhalt:
    Rahmenhandlung / Jetztzeit: Ein alter Mann fliegt an seinem achtzigsten Geburtstag von den USA nach Europa, um sich mit einem lange zurückliegenden Kriminalfall zu beschäftigen, dessen Unterlagen im Landesarchiv zu Innsbruck liegen.
    Das Manuskript: Max Schreiber, junger Wiener Historiker, kommt im Herbst 1950 in ein abgelegenes österreichisches Alpendorf, um ein Buch zu schreiben, vorgeblich über einen Fall von Hexenverfolgung in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Die Dorfbewohnen, die tief in ihrer archaischen Gedankenwelt und alten Traditionen verwurzelt sind, reagieren abweisend auf Schreibers Erkundigungen.
    Nach einer wochenlangen Schreibblockade und einsamen Wanderungen beginnt Schreiber über sich selbst und die Menschen im Dorf zu schreiben. Gleichzeitig kommt er den Menschen näher, indem er ihnen bei ihren alltäglichen Arbeiten hilft. Besonders mit einem jungen Bauern freundet er sich an, bis klar wird, dass beide in dieselbe Frau, eine rätselhafte, einsam lebende Stumme, verliebt sind. In dem nun folgenden, historisch belegt, schweren Lawinenwinter nimmt das Unheil seinen Lauf ... .


    Meine Meinung:


    Der Österreicher Gerhard Jäger, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte, schreibt sehr klar, teilweise karg, dann wieder überbordend in Ellipsen, Wortkaskaden und Wiederholungen, wenn persönliches Erleben und die Macht der Natur eine solche Sprache hervorrufen. Aber da ist nichts abschreckend, schwierig zu verstehen und nur manchmal rutscht er leicht ins Manieristische ab. Aber das ist gut zu überlesen, denn der Roman ist sehr spannend und man kann ihn kaum aus der Hand legen. Ich fühlte mich mitten drin in dieser großartigen, aber auch bedrohlichen winterlichen Bergwelt und in dem Dorf mit diesen schwierigen und uns doch so ähnlichen Menschen.


    :tipp:


    Bin gespannt, was als nächstes von diesem Autoren kommt.

  • Das klingt ja sehr gut, finsbury, und macht mich richtig neugierig. Ich habe das Buch noch von anderer Seite empfohlen bekommen und sollte es mir wohl mal aus der Bücherei ausleihen - und zwar bald, solange es wenigstens einigermaßen winterlich ist. Ich liebe Winterbücher und finde das Cover von diesem auch so schön. :smile:

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • ... das Buch ist gestern abend auch schon auf meine Bücherei-Merkliste gerutscht.
    Mich hat deine Buchvorstellung auch gleich angesprochen.


    Ich hab übrigens auch grad zum Jahresende hin noch das eine oder andere Lesehighlight, was mir grad mein Lesejahr rettet, sonst wars oft doch eher mittelmäßig.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")




  • ... das Buch ist gestern abend auch schon auf meine Bücherei-Merkliste gerutscht.
    Mich hat deine Buchvorstellung auch gleich angesprochen.


    Ich hab übrigens auch grad zum Jahresende hin noch das eine oder andere Lesehighlight, was mir grad mein Lesejahr rettet, sonst wars oft doch eher mittelmäßig.


    Vielen Dank. Das Buch verdient viele Leser.


    Ja, das ist schon merkwürdig mit den Lesehighlights am Jahresende, mir ist das auch schon häufiger passiert. Vielleicht nimmt man sich im Winter eher besondere Bücher vor, weil man weniger draußen ist und an den langen dunklen Abenden eher konzentriert liest.

  • Gerhard Jäger - Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod


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    Inhalt laut Klappentext:


    Im Herbst 1950 kommt der junge Wiener Historiker Max Schreiber in ein Tiroler Bergdorf, um ein Verbrechen aus dem 19. Jahrhundert zu recherchieren. Konfrontiert mit der archaischen Bergwelt und einer misstrauischen Dorfgemeinschaft, die nach ihren eigenen Regeln funktioniert, fühlt er sich befremdet und isoliert. In seiner Einsamkeit verliert sich Schreiber zunehmend in der Liebe zu einer stummen jungen Frau, um die jedoch auch ein anderer wirbt.


    Als ein Bauer unter ungeklärten Umständen ums Leben kommt, eine Scheune lichterloh brennt und der Winter mit ungeheurer Wucht und tödlichen Lawinen über das Dorf hereinbricht, spitzt sich die Situation immer weiter zu, ein Mord geschieht, und Schreiber verschwindet spurlos.


    Mehr als ein halbes Jahrhundert später will ein alter Mann endlich die Wahrheit darüber wissen, was damals geschah. Von seinen eigenen Schatten verfolgt, begibt er sich auf Spurensuche, um eine letzte Chance zu nutzen.


    Raffiniert, voller Rhythmus und Poesie erzählt Gerhard Jäger von der Magie, aber auch von der Brutalität eines Ortes, der aus Raum und Zeit gefallen scheint.

    Meine Leseeindrücke:


    Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: in der Gegenwart, als der 80jährige John Miller eine Prophezeiung erfüllt, die ihm vor 40 Jahren eine Indianerin geweissagt hat, und in ein Flugzeug steigt und von den USA zurück in seine österreichische Heimat fliegt, um dem Schicksal des Historikers Max Schreiber auf den Grund zu gehen. Dort sitzt er im Archiv und liest die Aufzeichnungen Max Schreibers, aber sinniert auch über sein eigenes Leben und seine Erinnerungen.


    Die zweite Ebene sind ebendiese Aufzeichnungen Max Schreibers, die dieser gemacht hat, als er in das Tiroler Bergdorf kam, nachdem er von seiner Frau/Freundin verlassen wurde und Wien fluchtartig verließ. Als bekannt wird, dass Schreiber über das Schicksal einer Frau recherchiert, die Mitte des 19. Jahrhunderts in diesem Bergdorf offenbar als Hexe verbrannt wurde, stößt er auf Ablehnung und Misstrauen.


    Die Aufzeichnungen Schreibers nehmen den größeren Raum ein und sind in einer sehr schönen, klaren, treffenden und gut lesbaren Sprache geschrieben, die sehr gut zu der Bergwelt passt und nur manchmal poetisch und etwas pathetisch wird, wenn es um die Beschreibung von Naturgewalten wie eines Sturms, des Winters usw. geht. Aber auch das ist sehr passend. Ich genieße das Lesen sehr! Die Dorfbewohner und ihr karges, arbeitsames Leben und auch Max Schreiber als Fremdling im Dorf erscheinen plastisch vor dem Auge des Lesers, man hört den Wind um das Gasthaus heulen und sieht den Schnee fallen. Auch einfachste Handlungen wie Schreibers Spaziergänge und das dörfliche Alltagsleben sind so eindringlich beschrieben, dass das Lesen eine Freude ist.


    Eine Darstellung der Ereignisse um die damals verbrannte Frau gab es schon, sozusagen aus zweiter Hand, nämlich von dem alten Pfarrer des Dorfes, der einen Augenzeugenbericht gehört hat. Hier wird auch deutlich, wie Aberglaube und Volksbrauchtum bis in die Zeit von Max Schreiber (also die 1950er) hineinreichen. Ich finde das spannend. Schnee, Feuer, Schuld und Tod kommen immer wieder vor und haben alle schon eine Rolle im Text gespielt, obwohl Max Schreibers Manuskript in große Abschnitte unterteilt ist, die die Überschriften "Schnee", "Feuer", "Schuld" und "Tod" tragen - und ich bin erst am Beginn von "Feuer" angelangt.


    Ich bin gespannt, inwieweit die Geschichte der angeblichen Hexe Katharina Schwarzmann noch weiter aufgeklärt wird und die Ereignisse in der Gegenwart Max Schreibers beeinflusst - momentan scheint sie etwas in den Hintergrund zu treten, dafür nähert Schreiber sich den Dorfbewohnern und ihrem Leben an. Auch die genaue Beziehung des 80jährigen John Miller zu Max Schreiber ist mir noch nicht ganz klar - angeblich ist er Schreibers Cousin, es würde mich aber nicht wundern, wenn er letztendlich selbst Schreiber ist.

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    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Bei den verschiedenen Schauplätzen und Zeitebenen kann so eine Geschichte ziemlich chaotisch werden. Bis jetzt klingt sie aber nur unglaublich interessant. Ich bin gespannt, was du weiter berichtest :winken:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Bei den verschiedenen Schauplätzen und Zeitebenen kann so eine Geschichte ziemlich chaotisch werden. Bis jetzt klingt sie aber nur unglaublich interessant. Ich bin gespannt, was du weiter berichtest :winken:


    Ich fand sie gar nicht chaotisch, sondern straff durchkomponiert. Alle Handlungsfäden hatten ihren Sinn und laufen am Ende zusammen. Tolles Buch! Viel Spaß weiterhin beim Lesen, kaluma. Freu mich, dass dir der Roman auch so gut gefällt.


  • Bei den verschiedenen Schauplätzen und Zeitebenen kann so eine Geschichte ziemlich chaotisch werden. Bis jetzt klingt sie aber nur unglaublich interessant. Ich bin gespannt, was du weiter berichtest :winken:


    Nein, bisher ist überhaupt nichts chaotisch, sondern alles gut nachvollziehbar und verständlich. In Schreibers Handlungsstrang hat es inzwischen gebrannt, die Stimmung im Dorf wendet sich gegen ihn, und diese zwischenmenschliche Dynamik ist schon interessant. Auch in den Erinnerungen des 80jährigen spielt Feuer eine Rolle und überhaupt stelle ich Wiederholungen oder besser gesagt Parallelen fest zwischen der Geschichte der angeblichen Hexe im 19. Jh., der Geschichte Max Schreibers und der Gegenwart... ich bin gespannt, ob das so weitergeht und auch das Ende/die Enden ähnlich sind.

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  • Ich verfolge Deine Eindrücke auch sehr interessiert und bin mir ziemlich sicher, dass das Buch demnächst auf meiner Wunschliste stehen wird :smile:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • .. das Buch steht bei mir auch schon auf der inneren "Leseliste" , schon seit Finsbury es gelesen hat, Kaluma setzt gerade noch ein Ausrufezeichen dahinter, es wartet nur noch auf den richtigen Zeitpunkt :smile:

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  • Ich bin inzwischen fertig mit dem Buch, schon seit einigen Tagen, und versuche mal ein kurzes Fazit. Allzuviel will ich nicht schreiben, um nicht zu spoilern. Im Prinzip kann ich mich nur finsbury anschließen, das Buch ist straff durchkomponiert und die Handlungsfäden laufen am Ende zusammen. Alles wird soweit schlüssig aufgelöst, allerdings recht einfach und außerdem habe ich das Handeln eines der Beteiligten nicht ganz verstanden und es wurde auch nicht erklärt. Aber trotzdem ist es nicht unglaubwürdig. Wie im richtigen Leben eben auch manchmal. Gerne habe ich Max durch den letzten Buchabschnitt "Tod" begleitet, obwohl es dann doch ziemlich dramatisch wurde mit den Lawinen, die das Dorf im Winter 1951 trafen, und ich sein Verhalten auch manchmal merkwürdig fand. Trotzdem hätte ich gerne noch weiter mit ihm Schnee geschippt, ich konnte von den atmosphärischen Schilderungen der Natur und des Dorflebens inklusive Sagen und Legenden einfach nicht genug bekommen und hätte da noch lange weiterlesen können, auch ohne dass es viel Handlung gibt.


    Ich kann das Buch nur weiterempfehlen, wenn man gerne ruhige und stimmungsvolle Bücher liest und nicht gerade auf viel Action aus ist.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

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    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Jetzt ist das Buch endgültig auf meiner Wunschliste gelandet. Das war aber ohnehin nur noch eine Frage der Zeit. Gefallen hat es mir schon seit dem ersten Posting von dir.

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  • Hoffentlich gefällt es dir genauso gut wie mir! :winken:

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  • ... ich les es gerade und bin bis jetzt sehr angetan davon :smile:

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  • Meine Meinung

    Viel über die Handlung schreiben kann ich nicht ohne zu spoilern. Ich fand sehr beeindruckend, wie der Autor die Situation nach der Lawine beschrieben hat. Ich konnte die Stille im Dorf förmlich spüren.


    Wie Max versucht, im Dorf nicht nur der Fremde zu sein und trotzdem scheitert, hat mich berührt. Er hat nicht verstanden, dass er zwar Anerkennung bekommen, aber nie dazu gehören wird. Kommt es hart auf hart, werden sich die Menschen immer für einen der ihren entscheiden. Und ich muss den Dorfbewohnern recht geben: er hat es nie geschafft, einer von ihnen zu werden. So sehr er sich auch bemüht hat, er hat nie das Wesen der Menschen und ihrer Handlungen verstanden. Ich stimme kaluma zu wenn sie sagt, dass er sich manchmal merkwürdig verhalten hat. Richtig nachvollziehen konnte ich nicht alle seiner Handlungen, auch wenn ich ihn im Verlauf der Geschichte immer besser verstanden habe.


    John konnte ich lange nicht einordnen. Es hat mir leid getan, dass er seine Frau verlieren musste und auch, wie es dazu kam. Trotzdem blieb er für mich bis zum Schluss ein Rätsel, das mir die Freude am Buch aber nicht kleiner gemacht hat.

    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

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